TE Vwgh Erkenntnis 2004/4/27 2003/18/0261

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Veröffentlicht am 27.04.2004
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Index

19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §21 Abs1;
AVG §37;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z7;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §39 Abs1;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des G, geboren 1953, vertreten durch Dr. Lukas Kozak, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 47-49, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 27. Mai 2003, Zl. Fr-200/02, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg (der belangten Behörde) vom 27. Mai 2003 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen indischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 7 iVm § 39 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer halte sich zumindest seit 17. Dezember 2001 im Bundesgebiet auf. An diesem Tag habe er einen Asylantrag gestellt. Dieses Asylverfahren sei durch Einstellung am 8. Mai 2002 rechtskräftig negativ beendet worden. Ein am 5. Juli 2002 neuerlich gestellter Asylantrag sei noch offen. Es stehe fest, dass dem Beschwerdeführer keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz erteilt worden sei. Am 1. Oktober 2002 habe der Beschwerdeführer als Insasse in einem Reisebus nach Deutschland ausreisen wollen. Bei der Kontrolle durch deutsche Polizeibeamte sei festgestellt worden, dass er nicht im Besitz eines gültigen Reisedokuments sei. Er sei daher nach Österreich rücküberstellt und hier in Schubhaft genommen worden. Der illegale Grenzübertritt stelle eine schwerwiegende Übertretung fremdenpolizeilicher Normen dar. Der Beschwerdeführer habe es nach Stellung des Asylantrages vorgezogen, illegal nach Deutschland weiterzureisen, ohne den Ausgang des Asylverfahrens abzuwarten.

Entgegen den Berufungsausführungen sei die Mittellosigkeit des Beschwerdeführers nach wie vor gegeben. Die Verpflichtungserklärung einer in Österreich aufhältigen Person sei nicht geeignet, die Annahme der Mittellosigkeit zu entkräften. Diese Erklärung sei nämlich für sich allein nicht geeignet, die tatsächliche finanzielle Situation der die Erklärung abgebenden Person darzutun.

Auf Grund der Mittellosigkeit und der damit verbundenen Gefahr der illegalen Mittelbeschaffung sei die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt. Auf Grund der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung öffentlicher Interessen könne von der Erlassung des Aufenthaltsverbots nicht im Rahmen des der Behörde eingeräumten Ermessens Abstand genommen werden. Da weder der Aktenlage noch den Berufungsausführungen zu entnehmen sei, dass sich der Beschwerdeführer auf Bindungen im Bundesgebiet berufe bzw. solche Bindungen vorlägen, sei mit dem Aufenthaltsverbot kein Eingriff in das Privat- oder Familienleben verbunden.

Die Befristung des Aufenthaltsverbotes mit fünf Jahren sei ausreichend und zweckmäßig.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer bringt u.a. vor, dass er bereits im Jahr 1999 nach Österreich eingereist sei und unter dem Namen "Ram Singh" einen Asylantrag gestellt habe. Der Beschwerde gegen den diesen Antrag abweisenden Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenats vom 21. Dezember 1999 sei vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 11. April 2000 aufschiebende Wirkung zuerkannt worden. Er verfüge daher über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz. Die belangte Behörde habe sich über dieses Berufungsvorbringen einfach hinweggesetzt.

2. Gemäß § 21 Abs. 1 AsylG findet das FrG auf Asylwerber insgesamt Anwendung, die §§ 33 Abs. 2, 36 Abs. 2 Z. 7, 55 und 61 bis 63 FrG jedoch nicht auf Asylwerber mit vorläufiger Aufenthaltsberechtigung, sofern sie (Z. 1) den Asylantrag außerhalb einer Vorführung persönlich beim Bundesasylamt eingebracht haben; (Z. 2) den Antrag anlässlich der Grenzkontrolle oder anlässlich eines von ihnen sonst mit einer Sicherheitsbehörde oder einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgenommenen Kontaktes gestellt haben.

Da der Beschwerdeführer nicht behauptet, den Asylantrag in einer § 21 Abs. 1 Z. 1 oder Z. 2 AsylG entsprechenden Weise gestellt zu haben, tut er insoweit die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels nicht dar. Gegen die Anwendung von § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG auf den Beschwerdeführer bestehen somit keine Bedenken.

3. Nach § 36 Abs. 2 FrG gilt als bestimmte, ein Aufenthaltsverbot nach § 36 Abs. 1 leg. cit. rechtfertigende Tatsache, wenn ein Fremder (Z. 7) den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag, es sei denn, er wäre rechtmäßig zur Arbeitsaufnahme eingereist und innerhalb des letzten Jahres im Inland mehr als sechs Monate einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhaltes verfügt, sondern dass sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Mit der Vorlage einer Verpflichtungserklärung einer österreichischen Staatsbürgerin hat der Beschwerdeführer seiner Verpflichtung zum initiativen Nachweis der Unterhaltsmittel nicht entsprochen. Zum einen ist die vom Beschwerdeführer vorgelegte Verpflichtungserklärung vom 22. Oktober 2002 nur mit einem Monat befristet, zum anderen hat der Beschwerdeführer - wie die belangte Behörde richtig erkannt hat - mit der bloßen Vorlage dieser Erklärung die gesamte finanzielle Situation der die Erklärung abgebenden Person (Vermögens- und Wohnverhältnisse, allfällige Unterhaltspflichten, sonstige finanzielle Verpflichtungen, etc.) nicht dargetan. (Vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 4. April 2001, Zl. 2001/18/0059.)

4. Im Hinblick auf die aus der Mittellosigkeit des Beschwerdeführers resultierende Gefahr der illegalen Mittelbeschaffung und der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft besteht gegen die Ansicht der belangten Behörde, die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme sei gerechtfertigt, kein Einwand.

5.1. Die belangte Behörde unterließ eine Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG, weil nach ihrer Ansicht mit dem Aufenthaltsverbot kein Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers verbunden sei.

Selbst unter Zugrundelegung der behördlichen Feststellung, dass sich der Beschwerdeführer erst seit Dezember 2001, also seit etwa eineinhalb Jahren, im Bundesgebiet befindet, wird diese Ansicht vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt, begründet doch auch ein Inlandsaufenthalt in dieser Dauer ein privates Interesse am Verbleib im Bundesgebiet.

Überdies hat der Beschwerdeführer in der Berufung vorgebracht, dass der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 11. April 2000 "meiner Beschwerde gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates stattgegeben" habe. Damit komme ihm wieder die Rechtsstellung zu, die er als Asylwerber vor Erlassung des angefochtenen Bescheides gehabt habe; er sei daher aufenthaltsberechtigt. Mit der Berufung hat er den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. April 2000, Zl. AW 2000/20/0091, vorgelegt. Mit diesem Beschluss hat der Verwaltungsgerichtshof der Beschwerde des "Ram Singh" gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenats vom 21. Dezember 1999 betreffend Asylgewährung aufschiebende Wirkung zuerkannt und ausgesprochen, dass dem Antragsteller damit die Rechtsstellung zukomme, die er als Asylwerber vor Erlassung des angefochtenen Bescheides gehabt habe.

In den vorgelegten Verwaltungsakten befinden sich mehrere Aktenstücke, darunter Auszüge aus dem Fremdeninformationssystem und auch ein Schreiben der belangten Behörde an die Erstbehörde, aus denen hervorgeht, dass es sich bei "Ram Singh" um den Aliasnamen des Beschwerdeführers handelt. Die Aktenlage deutet somit darauf hin, dass sich der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 11. April 2000 auf den Beschwerdeführer bezieht.

Damit hat sich die Behörde nicht auseinandergesetzt. Unter Zugrundelegung dieses Vorbringens befände sich der Beschwerdeführer - wie er auch in der Beschwerde behauptet - seit 1999 rechtmäßig im Bundesgebiet.

Soweit die belangte Behörde dem Beschwerdeführer neben der aus der Mittellosigkeit resultierenden Gefährdung öffentlicher Interessen auch den illegalen Grenzübertritt nach Deutschland als "schwerwiegende Übertretung fremdenpolizeilicher Normen" vorgehalten hat, hat sie sich mit dem im Verwaltungsverfahren erstatteten Vorbringen des Beschwerdeführers nicht auseinandergesetzt, er sei im Reisebus eingeschlafen und der Grenzübertritt sei daher unbeabsichtigt erfolgt.

5.2. Dennoch führen diese Fehler der belangten Behörde nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides:

Nach dem Beschwerdevorbringen befindet sich der Beschwerdeführer seit 1999 in Österreich und verfügt auf Grund des nach der Einreise gestellten Asylantrages über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1997. Selbst unter Zugrundelegung dieser vorgebrachten Umstände wären die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet nur schwach ausgeprägt, würde doch die aus der Aufenthaltsdauer ableitbare Integration dadurch wesentlich gemindert, dass die Aufenthaltsberechtigung nur auf einen unter falschem Namen gestellten Asylantrag zurückzuführen wäre. Diesen persönlichen Interessen stünde die oben II.4. dargestellte aus der Mittellosigkeit des Beschwerdeführers resultierende Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüber. Von daher wäre das Aufenthaltsverbot zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten (§ 37 Abs. 1 FrG); die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.).

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, er werde in seiner Heimat verfolgt, ist nicht zielführend, weil mit einem Aufenthaltsverbot nicht ausgesprochen wird, dass der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. April 2002, Zl. 2002/18/0074).

6. Schließlich wendet sich die Beschwerde auch gegen die Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbots.

Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 11. Oktober 2001, Zl. 2001/18/0175), ist ein Aufenthaltsverbot - unter Bedachtnahme auf § 39 Abs. 1 FrG - für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird. Die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren zu erlassen sei, begegnet keinen Bedenken, zumal die Beschwerde keine Umstände aufzeigt, die den Schluss zuließen, dass der Wegfall der für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Gründe vor dem Verstreichen dieses Zeitraumes erwartet werden könne.

7. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

8. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 27. April 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2003180261.X00

Im RIS seit

22.06.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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