TE Vwgh Erkenntnis 2004/4/27 2003/05/0174

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Veröffentlicht am 27.04.2004
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Index

L10012 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Kärnten;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 Z1;
GdO Allg Krnt 1998 §95 Abs2;
VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. König, über die Beschwerde der Katharina Hoi in Friesach, vertreten durch Dr. Kleinszig/Dr. Puswald/ Mag. Wolf/Dr. Kassin, Rechtsanwälte in St. Veit/Glan, Unterer Platz 11, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 5. August 2003, Zl. 7-B-BRM-467/5/03, betreffend die Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Zurückweisung einer Vorstellung (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Friesach, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin eines Grundstückes im Gebiet der mitbeteiligten Gemeinde und Partei eines Bauverfahrens betreffend ein auf diesem Grundstück errichteten Haus. Sie war im gemeindebehördlichen Verfahren (zunächst) durch die Rechtsanwälte Dr. Heimo Verdino und Dr. Gottfried Kassin vertreten.

Gegen den erstinstanzlichen Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 14. Mai 1977 (mit welchem ein Antrag auf Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung abgewiesen und die Beseitigung des konsenslosen Gebäudes verfügt wurde) erhob die Beschwerdeführerin, nunmehr vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Heimo Verdino, Dr. Gottfried Kassin und Mag. Max Verdino, Berufung, die mit Berufungsbescheid vom 9. Jänner 2002 als unbegründet abgewiesen wurde.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin persönlich Vorstellung. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 25. Februar 2002 wurde der Vorstellung Folge gegeben, der bekämpfte Berufungsbescheid vom 9. Jänner 2002 aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zurückverwiesen.

Nach verschiedenen Verfahrensschritten wurde mit Berufungsbescheid vom 4. Februar 2003 die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 14. Mai 2001 erneut als unbegründet abgewiesen, aus diesem Anlass aber der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides näher konkretisiert.

Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin zu Handen der Rechtsanwälte Dr. Heimo Verdino und Dr. Gottfried Kassin (so die Adressierung des Rückscheines) am 5. Februar 2003 (Übernahmsbestätigung auf dem Rückschein) zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 5. Februar 2003, welcher bei der Gemeinde am 6. Februar 2003 einlangte, teilten die Rechtsanwälte Dr. Heimo Verdino und Mag. Max Verdino mit, dass das Vollmachtsverhältnis zu ihnen "vor geraumer Zeit zur Auflösung gebracht" worden sei, sodass angeregt werde, den Berufungsbescheid vom 4. Februar 2003 "noch einmal direkt" der Beschwerdeführerin zuzustellen, was auch erfolgte (Zustellung laut Übernahmsbestätigung am 10. Februar 2003).

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin, nunmehr vertreten durch die Beschwerdevertreter, Vorstellung an die belangte Behörde (ausgehend von einer Zustellung des bekämpften Berufungsbescheides am 10. Februar 2003). Die Vorstellung ist (auf ihrer ersten Seite) an die Kärntner Landesregierung adressiert und wurde in einem Fensterkuvert (so, dass die auf der ersten Seite angebrachte Adressierung im Fenster des Kuverts sichtbar ist) an die belangte Behörde versendet. Die Postaufgabe erfolgte am 24. Februar 2003. Die Sendung langte bei der belangten Behörde am 25. Februar 2003 ein (Eingangsstampiglie auf dem Kuvert sowie auf der Vorstellung).

Mit Erledigung vom 26. Februar 2003 übermittelte die belangte Behörde die Vorstellung der mitbeteiligten Gemeinde (dort eingelangt am 28. Februar 2003) gemäß § 6 Abs. 1 AVG als der gemäß § 95 Abs. 2 der Kärntner Allgemeinen Gemeindeordnung, LGBl. Nr. 66/1998, für die Einbringung der Vorstellung zuständigen Stelle und ersuchte um Vorlage der Vorstellung mit einer Gegenäußerung unter Anschluss der Akten.

Mit Erledigung vom 31. März 2003 teilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin zu Handen der Beschwerdevertreter mit, den vorgelegten Akten sei zu entnehmen, dass der bekämpfte Berufungsbescheid vom 4. Februar 2003 der damals nicht rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführerin am 10. Februar 2003 zugestellt worden sei. Allerdings sei die Vorstellung gemäß § 95 Abs. 2 der Kärntner Allgemeinen Gemeindeordnung beim Gemeindeamt einzubringen. Diese Vorstellung sei daher bei der unrichtigen Einbringungsstelle eingebracht worden und damit verspätet, weil sie letztlich beim Gemeindeamt außerhalb der vierzehntägigen Vorstellungsfrist eingelangt sei (wurde näher ausgeführt).

Daraufhin beantragte die Beschwerdeführerin (durch die Beschwerdevertreter) mit Schriftsatz vom 16. April 2003 die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Vorstellungsfrist und wiederholte die Vorstellung.

Im Wiedereinsetzungsantrag wird zusammengefasst vorgebracht, jener (namentlich bezeichnete) Beschwerdevertreter, der mit der Verfassung der Vorstellung beauftragt war, habe in diesem Zusammenhang die Konzipientin Dr. X angewiesen, einen Entwurf auszuarbeiten und bis längstens 20. Februar 2003 in Vorlage zu bringen. Die Konzipientin sei diesem Auftrag ordnungsgemäß nachgekommen. Am 24. Februar 2003 sei die überarbeitete, korrekturgelesene und einreichfertige Vorstellung jenem Beschwerdevertreter zur Unterfertigung vorgelegt worden. Dieser habe anlässlich der Unterfertigung festgestellt, dass die Vorstellung an das Amt der Kärntner Landesregierung adressiert und nicht "an die Stadtgemeinde Friesach als Behörde I. Instanz gerichtet" gewesen sei. Dr. X habe von ihm den Auftrag erhalten, dafür Sorge zu tragen, dass die postalische Übermittlung dieses Rechtsmittels korrekt an die Stadtgemeinde Friesach erfolge. Nach dieser Besprechung hätten Dr. X "mehrere wichtige Telefonate ereilt" und sie habe auf Grund des außerordentlichen Arbeitsanfalles an diesem Tag völlig darauf vergessen, der Weisung zu entsprechen, und habe es demnach verabsäumt darauf zu achten, dass die Vorstellung von der Sekretärin postalisch der mitbeteiligten Stadtgemeinde übermittelt werde.

In rechtlicher Hinsicht gelte es auszuführen, dass bei Versehen von Angestellten die Wiedereinsetzung dann zu bewilligen sei, wenn dem Rechtsanwalt weder ein Auswahlverschulden bei der Heranziehung eines Angestellten noch eine Verletzung der gegenüber den Angestellten bestehenden Überwachungs- und Aufsichtspflicht zur Last gelegt werden könne. Zur Person der Konzipientin Dr. X sei darzulegen, dass sie bereits zum damaligen Zeitpunkt seit mehr als zwei Jahren als Rechtsanwaltsanwärterin beschäftigt gewesen, und ihr bislang noch nie ein derartiger Fehler unterlaufen sei. Sie sei sowohl von ihrem früheren Dienstgeber (in Wien) als auch von den Beschwerdevertretern eingehendst darüber aufgeklärt und belehrt worden, dass einerseits Weisungen strikt und verlässlich insbesondere was Fristen betreffe auszuführen seien, andererseits von ihr die Überwachung mit außerordentlicher Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit zu erfolgen habe. Es liege somit ein Auswahlverschulden der Beschwerdevertreter nicht vor, zumal Dr. X als gut ausgebildete Konzipientin und geschulte Juristin die Bedeutung von Fristen erkannt habe, weshalb sie mit der Postaufgabe betraut werden konnte und auch damit, die fristgerechte Einreichung des Rechtsmittels zu überwachen. Im Beschwerdefall liege daher ein minderer Grad des Versehens vor, auf Grund dessen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt werden könne.

Dem Schriftsatz angeschlossen ist eine nähere schriftliche Darstellung von Dr. X.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde zu Spruchpunkt I. den Wiedereinsetzungsantrag als unbegründet abgewiesen und zu Spruchpunkt II. die Vorstellung als verspätet zurückgewiesen.

Dies wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und Hinweis auf hg. Judikatur im Wesentlichen damit begründet, dass die Vorstellung auf der ersten Seite des Schriftsatzes eindeutig an die belangte Behörde adressiert gewesen und auch mit einem Fensterkuvert an die belangte Behörde versendet worden sei. Auf dieser ersten Seite des Schriftsatzes habe der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin unterschrieben. Wenn nun vorgebracht werde, dass dieser Rechtsvertreter die falsche Adressierung wohl bemerkt und der Konzipientin die Weisung erteilt habe, diesen Fehler vor Absenden des Schriftsatzes zu korrigieren, sei dem zu entgegnen, dass eine solcherart korrigierte Seite ebenfalls wieder dem Rechtsvertreter zur Unterfertigung vorzulegen gewesen wäre bzw. der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin den Schriftsatz mit der falschen Adressierung gar nicht hätte unterfertigen dürfen, sondern vielmehr erst den fehlerfreien Schriftsatz. Diese Vorgangsweise des Rechtsvertreters könne nicht als minderer Grad des Versehens angesehen werden. An dieser Beurteilung vermöge auch das Vorbringen nichts zu ändern, dass er und/oder die Konzipientin am betreffenden Tag unter ungewöhnlicher Arbeitsbelastung gestanden seien, weil auch großer Zeitdruck den Rechtsvertreter nicht von seiner Verpflichtung entbinde, die wichtigen Daten eines Schriftsatzes vor Unterfertigung zu prüfen (Hinweis auf hg. Judikatur). Dies könne nicht als minderer Grad des Versehens angesehen werden, weshalb der Wiedereinsetzungsantrag abzuweisen gewesen sei.

Die Vorstellung hingegen sei wegen Verspätung zurückzuweisen gewesen.

Dagegen, inhaltlich aber nur gegen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages, richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 95 Abs. 2 der Kärntner Allgemeinen Gemeindeordnung, LGBl. 66/1998, ist die Vorstellung schriftlich oder telegrafisch beim Gemeindeamt einzubringen.

Zutreffend unstrittig ist, dass die Vorstellung dem entgegen unmittelbar bei der belangten Behörde eingebracht wurde und beim Gemeindeamt erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist einlangte, sodass sie verspätet ist.

Gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Zutreffend haben die belangte Behörde und die Beschwerdeführerin erkannt, dass das Verschulden des Parteienvertreters die Partei trifft.

Der Verwaltungsgerichtshof tritt der Auffassung der belangten Behörde bei, dass die im Beschwerdefall vom Vertreter der Beschwerdeführerin geübte Vorgangsweise, den fehlerhaften Schriftsatz in Kenntnis des Fehlers zu unterfertigen, wenngleich verbunden mit dem Auftrag, die fehlerhafte Adressierung richtig zu stellen, nicht mehr dem Begriff des "minderen Grad des Versehens" subsumiert werden kann. Abgesehen davon, dass nicht ersichtlich ist, weshalb der Rechtsvertreter den fehlerhaften Schriftsatz vor Korrektur überhaupt unterfertigt hat, wäre es auch ein Leichtes gewesen, bei Unterfertigung die fehlerhafte Adressierung durchzustreichen, womit (wegen der Notwendigkeit, die fehlerhafte, gestrichene Adressierung beispielsweise zu überkleben und den Schriftsatz, welcher ja in einem Fensterkuvert versendet werden sollte, neu zu adressieren) das Versenden an die falsche Einbringungsstelle mit ausreichender Gewissheit unterblieben wäre (zur Frage der unrichtigen Adressierung vgl. auch den von der belangten Behörde genannten hg. Beschluss vom 26. November 1992, Zl. 92/06/0222, oder aber auch aus jüngerer Zeit das hg. Erkenntnis vom 11. Juli 2003, Zl. 2003/06/0047, auch in Verbindung mit einem Fensterkuvert).

Damit hat die belangte Behörde den Wiedereinsetzungsantrag zutreffend abgewiesen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 27. April 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2003050174.X00

Im RIS seit

03.06.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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