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L46109 Tierhaltung Wien;Norm
AVG §39 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. König, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 17. Juni 2003, Zl. UVS-06/3/11049/2002, betreffend Übertretung des Wiener Tierschutz- und Tierhaltegesetzes (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird in seinem Ausspruch über die Höhe der über den Beschwerdeführer verhängten Geldstrafen und im Kostenpunkt wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 28. November 2002 wurde dem Beschwerdeführer Folgendes angelastet:
"Sie haben am
1)
29.08.2002 um 22:10 Uhr,
2)
30.08.2002 von 00:10 Uhr bis 00:25 Uhr und
3)
01.09.2002 von 00:50 Uhr bis 01:15 Uhr
in Wien ..., G-Gasse 28 im Innenhof des Hauses Ihre beiden Hunde derart verwahrt, daß Menschen, die nicht im selben Haushalt leben, durch ungebührlich lautes Bellen der Tiere unzumutbar belästigt wurden.
Sie haben dadurch folgenden Rechtsvorschriften verletzt:
§ 28 Abs. 2 Z. 1 in Verbindung mit § 11 Abs. 4 Z. 2 Wiener Tierschutz- und Tierhaltegesetz vom 24. Juni 1987, LGBl. f. Wien Nr. 39/1987 i.d.g.F.
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:
ad 1) bis 3) 3 Geldstrafen zu je EUR 1.120,--, zusammen EUR 3.360,-- falls diese uneinbringlich sind, 3 Ersatzfreiheitsstrafen von je 1 Wochen 1 Tagen, zusammen 3 Wochen, 3 Tagen, gemäß § 28 Abs. 2 dieses Gesetzes.
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:
EUR 336,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10 % der Strafe.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher EUR 3.696,--. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen."
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, das strafbare Verhalten sei durch mehrere Anzeigen bekannt geworden. Das Hundegebell habe jedenfalls auch zu Schlafstörungen der Anzeigeleger geführt. Bei der Strafbemessung sei kein Umstand als mildernd, als erschwerend zahlreiche einschlägige verwaltungsstrafrechtliche Vorstrafen gewertet worden. Mangels Mitwirkung des Beschwerdeführers an der Feststellung der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse seien bei der Strafbemessung Durchschnittswerte angenommen worden, da sich keine Anhaltspunkte für eine schlechte wirtschaftliche Lage ergeben hätten.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in der er im Wesentlichen ausführte, dass er seine Hunde so verwahrt habe, dass keine unzumutbare Belästigung durch Bellen habe entstehen können. Laut mehrerer Gutachten von Amtsärzten seien die Hunde ordnungsgemäß und in einem gesunden Umfeld untergebracht. Ungenauigkeiten bestünden ferner hinsichtlich der "Bellzeit". Außerdem fehlten Feststellungen über die "Belldauer".
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass die Sanktionsnorm "§ 28 Abs. 3 Z 7 Wiener Tierschutz- und Tierhaltegesetz, LGBl 1987/39 idF LGBl 2002/32" zu lauten habe. Dem Beschwerdeführer wurde weiters ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von insgesamt EUR 672,-- auferlegt.
In der Begründung legte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und von Rechtsvorschriften im Wesentlichen dar, die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen seien insbesondere auf Grund der Zeugenaussagen bei der mündlichen Berufungsverhandlung als erwiesen anzusehen. Eine unrichtige Angabe der Tatzeiten habe nicht festgestellt werden können. Die "Belldauer" sei kein wesentliches Tatbestandselement der gegenständlichen Verwaltungsübertretungen. In einem Wohngebiet (um ein solches handle es sich bei der Tatörtlichkeit) müsse es von den Nachbarn zwar hingenommen werden, dass während des Tages ab und zu ein Hund anschlage, es könne jedoch nicht als zumutbar bezeichnet werden, wenn Hunde wiederholt mehrmals während der Nacht laut und anhaltend bellten, ohne dass sich der Halter bzw. der Verwahrer der Tiere darum kümmere, das Gebell so rasch wie möglich wieder abzustellen. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass nach der Lebenserfahrung lautes Hundegebell im Gegensatz etwa zu Verkehrslärm "keinen Dauergeräuschpegel" verursache, an den sich ein normal empfindender Mensch gewöhnen könne, sondern dass es sich dabei um eine auch für normal empfindende Menschen aufschreckende, die Aufmerksamt auf sich ziehende und daher in höchstem Maße störende Lärmquelle handle. Der Beschwerdeführer habe im Übrigen nicht glaubhaft gemacht, dass ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften ohne sein Verschulden nicht möglich gewesen wäre. Zur Strafbemessung führte die belangte Behörde aus, die Verwaltungsübertretungen schädigten in erheblichem Ausmaß das öffentliche Interesse an der Hintanhaltung unzumutbarer Belästigungen von Menschen durch eine vorschriftswidrige Haltung von Tieren, weshalb der objektive Unrechtsgehalt nicht als gering zu erachten gewesen sei. Das Verschulden sei auch nicht geringfügig, da weder hervorgekommen noch auf Grund der Tatumstände anzunehmen sei, dass die Einhaltung der Vorschriften eine besondere Aufmerksamkeit erfordert habe oder dass die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können. Die erstinstanzliche Behörde habe unter Berücksichtigung der einschlägigen, zur Tatzeit rechtskräftigen und bis dato nicht getilgten Vormerkungen, die im Rahmen der Strafbemessung als erschwerend zu werten gewesen seien, die Strafen tat- und schuldangemessen festgesetzt. Eine Herabsetzung sei daher nicht in Betracht gekommen, zumal Milderungsgründe nicht hervorgekommen seien und sich der Beschwerdeführer auch nicht einsichtig gezeigt habe, weshalb keine günstige Prognose für sein weiteres Wohlverhalten möglich sei. Die Verhängung noch geringerer Strafen scheine auch nicht geeignet, andere Tierhalter von der Begehung gleichartiger Verwaltungsübertretungen wirksam abzuhalten. Da der Beschwerdeführer trotz gebotener Gelegenheit keine Angaben zu seinen allseitigen Verhältnissen gemacht habe, gehe die belangte Behörde bei der Strafbemessung von zumindest durchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen aus, allfällig bestehende Sorgepflichten könnten jedoch nicht berücksichtigt werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird, mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand und beantragte die Zuerkennung des Vorlageaufwandes.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In der Beschwerde wird im Wesentlichen dargelegt, die belangte Behörde hätte feststellen müssen, ob eine Belästigung von Menschen durch das Bellen der Hunde auf eine artspezifische Verhaltensweise der Hunde zurückzuführen sei oder ob dieses Verhalten zu unterbinden gewesen wäre. Einmaliges Bellen, wie dies hinsichtlich der am 29. August 2002 erfolgten Tat offenbar angelastet worden sei, könne jedenfalls nicht unterbunden werden. Aus offenbar nur einmaligem Bellen bzw. kurzfristigem Bellen könne eine unzumutbare Belästigung nicht abgeleitet werden. Bei artgerechter Haltung sei das Bellen von Hunden auch im verbauten Gebiet überhaupt nicht zu verhindern, jedenfalls nicht das kurzfristige Bellen. Außerdem wären Feststellungen erforderlich gewesen, wie die Hunde konkret gehalten würden. Ferner wäre festzustellen gewesen, wie sich die Örtlichkeit, an der die Hunde gehalten würden, darstelle, ob sie im Garten, im Hof, im Stiegenhaus oder in einem Zimmer im Gebäude gehalten würden und woher konkret das Hundegebell zu welcher Zeit zu hören gewesen sei. Gegebenenfalls wären Messungen erforderlich gewesen, ob und in welcher Lautstärke Hundegebell in der Nachbarschaft zu hören ist. Zur Ermöglichung der sachverhaltsrelevanten Feststellungen wären Sachverständigengutachten einzuholen gewesen. Die verhängte Strafe sei unangemessen hoch. Auch sei bekannt, dass sich der Beschwerdeführer im Konkurs befinde, was bei der Strafbemessung keine Berücksichtigung gefunden habe.
Gemäß § 11 Abs. 4 Z 2 des Wiener Tierschutz- und Tierhaltegesetzes (in der hier maßgebenden Stammfassung LGBl. Nr. 39/1987) sind Tiere so zu halten oder zu verwahren, dass Menschen, die nicht im selben Haushalt leben, nicht unzumutbar belästigt werden. Ob Belästigungen im Sinne dieser Bestimmung zumutbar sind, ist gemäß dem letzten Satz des § 11 Abs. 4 leg. cit. nach den Maßstäben eines normal empfindenden Menschen und auch auf Grund der örtlichen Verhältnisse zu beurteilen.
Wer ein Tier nicht so hält oder verwahrt, dass Menschen nicht gefährdet, Menschen die nicht im selben Haushalt leben, nicht unzumutbar belästigt und fremde Sachen nicht beschädigt werden, begeht gemäß § 28 Abs. 3 Z 7 des Wiener Tierschutz- und Tierhaltegesetzes (in der hier maßgebenden Fassung LGBl. Nr. 13/2002) eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu EUR 14.000,-- zu bestrafen.
Als übertretene Rechtsvorschrift hat die belangte Behörde dadurch, dass sie insofern den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides bestätigt hat, auch "§ 28 Abs. 2 Z. 1" leg. cit. angeführt, und zwar, weil damit auch als Fundstelle die Stammfassung des Gesetzes "i.d.g.F." zitiert wurde, in der zum Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides geltenden Fassung (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 18. März 2004, Zl. 2003/05/0201).
Da in der somit im angefochtenen Bescheid spruchgemäß herangezogenen Fassung LGBl. Nr. 13/2002 § 28 Abs. 2 des Wiener Tierschutz- und Tierhaltegesetzes mangels Gliederung in Ziffern jedoch keine Z. 1 enthält und folglich die solchermaßen "mitzitierte" Norm keinen eigenen Tatbestand einer Übertretung bildet, erweist sich der Spruch durch die Anführung einer Z. 1 nicht als rechtswidrig (vgl. dazu Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Seite 1524).
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kommt es nicht darauf an, ob das Bellen auf eine artspezifische Verhaltensweise der Hunde zurückzuführen und unterbindbar ist. Erforderlich ist jedenfalls eine solche Verwahrung der Tiere, dass Menschen, die nicht im selben Haushalt leben, durch das Bellen nicht unzumutbar belästigt werden. Nicht von Bedeutung ist auch die Feststellung, ob die Hunde im Garten, im Hof, im Stiegenhaus oder im Gebäude gehalten wurden, da dem Beschwerdeführer nicht die mangelhafte Haltung, sondern die gesetzwidrige Verwahrung vorgeworfen worden ist.
Im Übrigen ist lautes und anhaltendes Bellen in einem Hinterhof im Wohngebiet als unzumutbare Belästigung im Sinne des § 11 Abs. 4 Z 2 des Wiener Tierschutz- und Tierhaltegesetzes anzusehen (vgl. dazu das bereits genannte hg. Erkenntnis vom 18. März 2004), sodass es diesbezüglich der vom Beschwerdeführer vermissten näheren Ermittlungen und Feststellungen nicht bedurfte. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, dass das Bellen zu der angelasteten Tatzeit am 29. August 2002 nur einmalig und die anderen Male kurzfristig gewesen sei, unterliegt dieses Vorbringen dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot.
Zutreffend rügt der Beschwerdeführer allerdings, dass die belangte Behörde bei der Festsetzung der Strafhöhe den Umstand hätte berücksichtigen müssen, dass über sein Vermögen der Konkurs eröffnet worden war. Abgesehen davon, dass die belangte Behörde verpflichtet gewesen wäre, dies im Rahmen ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht festzustellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. März 1980, Zl. 261/79), ist im vorliegenden Fall bereits in der Zustellverfügung des angefochtenen Bescheides an den Beschwerdeführer ausdrücklich festgehalten, dass nicht an den Masseverwalter zuzustellen ist. Die Eröffnung des Konkurses war der Behörde bei der Erlassung des in Beschwerde gezogenen Bescheides somit bereits bekannt. Sie hätte die Konkurseröffnung bei der Bemessung der Geldstrafen, nicht hingegen der Ersatzfreiheitsstrafen, vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. September 1992, Zl. 92/09/0017, berücksichtigen müssen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/11/0361).
Soweit durch den angefochtenen Bescheid Geldstrafen festgesetzt und Beiträge zu den Verfahrenskosten auferlegt wurden, war dieser daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben. Im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 27. April 2004
Schlagworte
Ermittlungsverfahren Allgemein Geldstrafe und Arreststrafe Persönliche Verhältnisse des Beschuldigten Verwaltungsvorschrift Mängel im Spruch falsche Subsumtion der TatEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2004050074.X00Im RIS seit
09.06.2004