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62 ArbeitsmarktverwaltungNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Verletzung im Gleichheits- und im Eigentumsrecht durch verfassungswidrige Auslegung einer Bestimmung des AlVG betreffend die Rückforderung des Arbeitslosengeldes bzw des KarenzurlaubsgeldesSpruch
Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihrer Rechtsvertreter die mit 29.500 S bestimmten Prozeßkosten binnen
14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien (Ausschuß für Leistungsangelegenheiten) wird die Zuerkennung des von der nunmehrigen Beschwerdeführerin bezogenen Karenzurlaubsgeldes aufgrund einer verschwiegenen Tätigkeit für die Zeit vom 1. September 1996 bis 31. März 1997 widerrufen und ein Betrag von 39.326 S rückgefordert. Die nunmehrige Beschwerdeführerin sei am 8. April 1997 in Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit angetroffen worden. Da diese Erwerbstätigkeit nicht der regionalen Geschäftsstelle gemeldet war, gelte gemäß §25 Abs2 AlVG die unwiderlegliche Rechtsvermutung, daß diese Tätigkeit über der Geringfügigkeitsgrenze entlohnt gewesen sei. Das Karenzurlaubsgeld sei für zumindest zwei Wochen rückzufordern, wenn die verschwiegene Tätigkeit kürzer als zwei Wochen gedauert hat. Hat die verschwiegene Tätigkeit schon länger gedauert, so ist der Bezug für diesen längeren Zeitraum aufgrund der unwiderleglichen Rechtsvermutung zu widerrufen und rückzufordern.
Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde, die die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit vor dem Gesetz, auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Freiheit der Erwerbsausübung rügt und die ausführt, daß die von der Beschwerdeführerin verschwiegene Tätigkeit unter der Geringfügigkeitsgrenze entlohnt war.
Dem tritt auch die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift nicht entgegen, in der sie die Abweisug der Beschwerde beantragt.
II. Die Beschwerde ist im Ergebnis begründet.
Im Erkenntnis vom 21. Juni 2000, G78/99, hat der Verfassungsgerichtshof dargetan, daß der zweite Satz des §25 Abs2 AlVG (betrifft die Rückforderung des Arbeitslosengeldes bzw. hier des Karenzurlaubsgeldes für zumindest zwei Wochen bei Betreten bei einer Tätigkeit gemäß §12 Abs3 lita, b, d oder g) aber nicht im oben genannten Sinn verstanden werden muß:
"Er läßt auch die Auslegung zu, daß jedenfalls die Leistung der letzten zwei Wochen ohne weiteres zurückzufordern ist, die Rechtsfolgen sich darin aber nicht notwendig erschöpfen, sondern darüber hinaus eine Rückforderung auch - und nur - nach den Grundsätzen des §25 Abs1, also bei Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze in Betracht kommt. Das Wort 'zumindest' zeigt dann an, daß die hier angeordnete Rechtsfolge keine den geregelten Tatbestand abschließende ist, sondern als spezielle nur der allgemeinen des Abs1 hinzugefügt wird. In verfassungskonformer Auslegung ist diese Lesart zu wählen."
Die belangte Behörde hat daher dem zweiten Satz des §25 Abs2 AlVG einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt, wenn sie das bezogene Karenzurlaubsgeld nur aufgrund des Betretens bei der verschwiegenen Tätigkeit für den gesamten Zeitraum der Ausübung dieser - unter der Geringfügigkeitsgrenze entlohnten - Tätigkeit rückfordert, ohne in diesem Zusammenhang die Voraussetzungen des Abs1 des §25 AlVG zu prüfen.
Die Beschwerdeführerin wurde also durch den angefochtenen Bescheid in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und Unversehrtheit des Eigentums verletzt.
Der Bescheid ist aufzuheben.
Dies kann gemäß §19 Abs4 Z2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von 4.500 S enthalten.
Schlagworte
Arbeitslosenversicherung, Auslegung verfassungskonformeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2000:B2238.1998Dokumentnummer
JFT_09998989_98B02238_00