Index
32/04 Steuern vom Umsatz;Norm
UStG 1972 §16 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Sulyok, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde der s AG in T, vertreten durch Mag. Reinhard Leitner, Wirtschaftsprüfer in 4040 Linz, Ottenheimerstraße 32, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 16. Mai 2001, Zl. RV 340/1-6/1999, betreffend Umsatzsteuer 1991 bis 1995, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende AG ist Muttergesellschaft eines österreichischen Konzerns, der in der Schuhproduktion tätig ist. Produktion und Vertrieb erfolgten durch die Tochtergesellschaften S-GmbH und O-GmbH. Aufgrund eines Organschaftsverhältnisses sind die Umsätze der Tochtergesellschaften der Beschwerdeführerin zuzurechnen.
Im Bereich des Schuhverkaufes der Tochtergesellschaften an die Schuheinzelhändler ist die G-AG als so genannter Zentralregulierer eingeschaltet. Eine Zentralregulierung ist dadurch gekennzeichnet, dass Abnehmer mit Unternehmereigenschaft die Abwicklung des Zahlungsverkehrs für ihre unternehmerischen Einkäufe einer Vereinigung, bei der sie Mitglieder werden, nämlich dem Zentralregulierer, übertragen. Die Zahlungen durch den Zentralregulierer erfolgen dabei in der Regel unter Vornahme von maximalen Zahlungsabschlägen, insbesondere in Form von Skonti. Diese führen grundsätzlich beim Lieferanten zu einer Minderung der Entgelte. Der Zentralregulierer gibt die Skonti in der Regel nicht mit dem vollen, aber mit einem verminderten Betrag an die Abnehmer weiter (vgl Ruppe, UStG2, § 16 Tz 71).
Im Zuge einer den Zeitraum 1993 bis 1995 umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung stellte der Prüfer fest, die Beschwerdeführerin habe ihre Umsätze aus Schuhlieferungen u.a. um vom Zentralregulierer abgezogene Beträge für Skonti und Delkredereprovisionen gekürzt. Nach Ansicht der Prüfer seien diese Änderungen der Bemessungsgrundlagen zu Unrecht erfolgt, die in den Abgabenerklärungen ausgewiesenen Umsatzsteuerbemessungsgrundlagen somit wiederum um die Beträge an Skonti und Delkredereprovisionen zu erhöhen (Tz 17 des BP-Berichtes vom 30. Dezember 1996).
Gegen die den Prüfungsfeststellungen entsprechend ergangenen Umsatzsteuerbescheide brachte die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 20. März 1997 Berufung ein. Sie liefere (durch ihre Tochtergesellschaften) aufgrund direkter Bestellung an die Schuheinzelhändler. Der Zentralregulierer übernehme hinsichtlich bestimmter Kunden die Zahlungs- und Garantiefunktion. Jenen Kunden, für welche der Zentralregulierer die Haftung übernehme, gewähre die Beschwerdeführerin einen Preisnachlass von 2% für das verminderte Ausfallsrisiko. Weiters gewähre die Beschwerdeführerin den Kunden einen Treuerabatt von 1,9%. Zusätzlich ziehe der Zentralregulierer, wenn er die Abrechnung vornehme, einen maximalen Skonto von 3% ab.
Der Skonto sei eine Preisermäßigung für die Zahlung innerhalb der Skontofrist. Die Skontogewährung stelle eine Entgeltsminderung dar.
Der als Delkredereprovision bezeichnete Preisnachlass von ca 4% setze sich aus dem Preisnachlass für die Haftungsübernahme von ca 2% (eigentliches Delkredere) und dem Treuerabatt von ebenfalls ca 2% (1,9%) zusammen. Der Zentralregulierer übernehme aufgrund von Einzelverträgen mit seinen Mitgliedern (den Schuheinzelhändlern) die Haftung als Bürge und Zahler. Nach herrschender Lehre werde die Bürgschaft nicht gegenüber dem Gläubiger, sondern gegenüber dem Schuldner erbracht. Dass der Zentralregulierer die Leistung seinen Mitgliedern erbringe, lasse sich auch daraus ableiten, dass die Beschwerdeführerin keinen Einfluss auf die Bürgschaftsübernahme habe. Für welche Unternehmer und in welchem Umfang der Zentralregulierer eine Bürgschaft gegenüber der Beschwerdeführerin übernehme, bestimme sich aus dem einzelnen Vertrag, den das Mitglied mit ihm abgeschlossen habe. Die Beschwerdeführerin gewähre jenen Abnehmern, für deren Verbindlichkeiten jemand, etwa der Zentralregulierer, bürge, einen Preisnachlass für das geminderte Ausfallsrisiko (Delkredereprovision). Der Preisnachlass werde gewährt, weil für die Beschwerdeführerin sichergestellt sei, dass der Eingang in voller Höhe zu erwarten sei und Kosten für die Eintreibung der Forderung sowie das Dubiosenrisiko wegfielen. Die Gewährung des Preisnachlasses für das geminderte Ausfallsrisiko stelle eine Entgeltsminderung dar.
Die Delkredereprovision umfasse auch den Mitgliederbonus von ca 2%, den der Zentralregulierer treuhändisch für seine Mitglieder vereinnahme. Der Mitgliederbonus sei als Treuerabatt bzw als Rückvergütung zu betrachten und mindere ebenfalls das von der Beschwerdeführerin zu versteuernde Entgelt.
Soweit der Zentralregulierer Skonti und Delkredereprovisionen für seine Mitglieder vereinnahme, aber nicht an diese weitergebe, sondern für sich behalte, weil er Leistungen an die Mitglieder erbringe, seien diese als Entgelt für Leistungen des Zentralregulierer an seine Mitglieder anzusehen, minderten aber jedenfalls das Entgelt der Beschwerdeführerin.
Mit Eingabe vom 24. Juli 1997 brachte die Beschwerdeführerin vor, der Zentralregulierer habe die Haftung als Bürge und Zahler gegenüber der Beschwerdeführerin übernommen. Die Beschwerdeführerin habe die Bürgschaftsübernahme anerkannt, indem der Vertrag zwischen ihr und dem Zentralregulierer abgeschlossen worden sei. Im Rahmen dieses Vertrages habe sich der Zentralregulierer verpflichtet, für die Verbindlichkeiten der Schuheinzelhändler zu haften. Die Delkredereprovision von ca 2% werde im Hinblick auf das gesicherte Dubiosenrisiko und den Kostenentfall bei der Forderungseintreibung, somit für eine Leistung des Zentralregulierers an die "Einzelabnehmer" gewährt.
Mit Berufungsvorentscheidung gab das Finanzamt der Berufung teilweise Folge, indem es die vom Beschwerdeführer zu versteuernden Entgelte um die Skontobeträge minderte. Hinsichtlich der über die Skonti hinausgehenden, in der Berufung strittigen Abzüge entsprach sie dem Berufungsbegehren nicht.
Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz vom 28. Dezember 1998 betonte die Beschwerdeführerin wiederum, dass die Delkredereprovision von ca 4% zum einen die "eigentliche Delkredereprovision" für die Haftungsübernahme und zum anderen einen Treuerabatt (Verbandsrabatt bzw Mitgliederbonus) von ca 2% umfasse.
In der Eingabe vom 19. Juli 1999 brachte die Beschwerdeführerin vor, die Delkredereprovision von 4% sei nur zum geringsten Teil Leistungsentgelt für eine vom Zentralregulierer erbrachte Leistung. Das Entgelt für das eigentliche Delkredere betrage nach Branchenerfahrungen nur 0,25% bis 0,3% des Umsatzes. Eine vergleichbare Kreditversicherung koste am Markt lediglich 0,25% des Umsatzes, bei einem Zahlungsziel von einem Monat gar nur 0,125%. Die Delkredereprovision werde auch nur zu einem sehr geringen Teil für Vermittlungsleistungen aufgewendet, da große Schuheinzelhändler ohnedies direkt von den Lieferanten zu Kollektionspräsentationen eingeladen würden. Die übrige Delkredereprovision sei ungeachtet ihrer vertraglichen Bezeichnung wirtschaftlich als Verbandsrabatt (Treuerabatt) zu qualifizieren.
In einer der Beschwerdeführerin bekannt gegebenen Stellungnahme der Betriebsprüfer wird ausgeführt, im Zuge der Prüfung seien von der Beschwerdeführerin als Grundlage für die Beurteilung des Beschwerdefalles folgende Unterlagen zur Verfügung gestellt worden:
a) hinsichtlich der S-GmbH: Anbot des Zentralregulierers, "welches am 1. September 1968 in Kraft getreten ist" und ein Schreiben des Zentralregulierers vom 29. Juni 1973,
b) hinsichtlich der O-GmbH: Vertrag samt Zusatzabkommen zwischen dem Zentralregulierer und der O-GmbH vom 1. September 1988.
Nach den für die S-GmbH vorgelegten Unterlagen übernehme der Zentralregulierer den Zahlungsverkehr zwischen dem Schuhfabrikanten und dem Schuheinzelhändler und hafte als Bürge und Zahler (Delkredere) gegenüber dem Schuhfabrikanten für alle Verbindlichkeiten der Mitglieder aus Warenlieferungen des Schuhfabrikanten. Dafür werde dem Zentralregulierer eine Vergütung von 2,5% der zur Regulierung eingegangenen Rechnungsbeträge gewährt. Aus dem Schreiben vom 29. Juni 1973 ergebe sich, dass die Delkredereprovision 3,6% betrage. Eine Abrechnung für die Dekade 25/96 ergebe, dass die Delkredereprovision mittlerweile 4% betrage. Nach den für die O-GmbH vorgelegten Unterlagen erhalte der Zentralregulierer eine Delkredereprovision von 2% der Rechnungsbeträge (Bruttobeträge). Aus dem Zusatzabkommen ergebe sich, dass die Beschwerdeführerin als Leistungsbonus für Finanzierung eine Provision von 1,7% des Nettoumsatzes leiste. Laut Abrechnung für die Dekade 24/96 sei dieser Leistungsbonus mit 1,7% des Bruttobetrages berechnet worden. Durch die Haftungsübernahme und die Durchführung des Zahlungsverkehrs entstehe ein Leistungsaustausch zwischen der Beschwerdeführerin und dem Zentralregulierer. Aus dem Vertrag mit der O-GmbH ergebe sich, dass die Provision für Leistungen des Zentralregulierers erbracht würden. Die Aufteilung des Delkredereprovision in eine "eigentliche" Delkredereprovision und in einen Treuerabatt könne nicht nachvollzogen werden. Es sei nicht richtig, dass der als "eigentliche" Delkredereprovision bezeichnete Preisnachlass an die Schuheinzelhändler gewährt werde. Dieser Preisnachlass werde nur dann gewährt und vom Zentralregulierer in Rechnung gestellt, wenn für die Beschwerdeführerin sichergestellt sei, dass die Kaufpreiszahlung in voller Höhe durch den Zentralregulierer zu erwarten sei.
Der als Delkredereprovision bezeichnete Abzug betreffe ein Leistungsbündel. Eine Aufteilung auf die einzelnen damit abgegoltenen Leistungen (Delkredere, Zahlungs- und Abrechnungsverkehr) sei nicht möglich, da nach den Vereinbarungen diese Leistungen immer nur zusammen erbracht würden. Es werde darauf hingewiesen, dass durch die Betriebsprüfer die steuerliche Behandlung der als Mitgliederbonus bezeichneten Abzüge (laut Punkt 8 des Anbotes an S-GmbH und laut Zusatzabkommen zum Vertrag mit der O-GmbH) ohnedies (antragsgemäß) anerkannt worden sei.
In dem in der Stellungnahme der Betriebsprüfer erwähnten Anbot des Zentralregulierers an die S-GmbH heißt es, der Zentralregulierer übernehme die Haftung als Bürge und Zahler ("Delcredere") gegenüber der Beschwerdeführerin und den Zahlungs- (Abrechnungs-)verkehr zwischen der Beschwerdeführerin und den Schuheinzelhändlern. In Punkt 8 wird ausgeführt: "Durch die Delkredereübernahme und den die Buchhaltung des Schuhfabrikanten entlastenden Abrechnungsverkehr wird (dem Zentralregulierer) eine Vergütung von 2,5% der zur Regulierung eingegangenen Rechnungsbeträge gewährt, die jeweils bei Bezahlung sofort abgesetzt werden kann.
Nach § 3 des Vertrages vom 1. September 1988 übernimmt der Zentralregulierer das Delkredere (selbstschuldnerische Bürgschaft) und den gesamten Zahlungs- und Abrechnungsverkehr (Abrechnung sämtlicher Lieferungen gegenüber dem Vertragslieferanten sowie deren Regulierung) und erhält für diese Leistungen eine Delkredereprovision von 2% des Rechnungsbetrages
In der Äußerung vom 3. September 1999 zur Stellungnahme des Prüfers wird ausgeführt, aus dem Anbot an die S-GmbH vom 1. September 1968 ergebe sich, dass der Zentralregulierer das Delkredere "für" die Mitglieder übernehme. Die vorliegende (historische) vertragliche Gestaltung sei für die umsatzsteuerliche Beurteilung (die eine Aufspaltung von Leistungsbündel in die jeweiligen Einzelleistungen grundsätzlich zwingend erfordere) nur eingeschränkt verwertbar. § 3 Punkt 6 des Vertrages mit der O-GmbH könne entnommen werden, dass eine Delkredereprovision von 2% gewährt werde, obwohl tatsächlich eine Provision von ca 4% gewährt werde. Es sei insgesamt ersichtlich, dass die vertraglichen Formulierungen der bereits vor vielen Jahren abgeschlossen Vereinbarungen nicht mehr zur Gänze den wahren wirtschaftlichen Gehalt widerspiegelten. Für die Beurteilung der vom Zentralregulierer einbehaltenen Delkredereprovision in Höhe von 4% sei daher die wirtschaftliche Betrachtungsweise maßgebend. Daraus ergebe sich, dass die Delkredereprovision von 4% zu einem untergeordneten Teil aus der "eigentlichen" Delkredereprovision für die Haftungsübernahme bestehe und zu einem beinahe ausschließlichen Teil als Treuerabatt (auch Verbandsrabatt oder Mitgliederbonus bezeichnet). Auf diesen Umstand könne auch aus den in jüngster Zeit von der Beschwerdeführerin geschlossenen branchenüblichen Vereinbarungen mit anderen Zentralregulierern geschlossen werden. Das eigentliche Delkredere betrage nach Branchenerfahrungen nur ca 0,25% bis 0,3% des Umsatzes. Es würde den Erfahrungen des täglichen Lebens widersprechen, wenn ein rational handelnder Kaufmann mehr als das 10- bis 30-fache eines fremdüblichen Entgeltes für eine Bürgschaft entrichte. Da die Delkredereprovision von 4% nur zu einem sehr geringen Teil auf Vermittlungsleistungen oder andere Leistungen, wie zB Zahlungs- und Abrechnungsverkehr entfalle, sei die Provision ungeachtet ihrer vertraglichen Bezeichnung wirtschaftlich als Verbandsrabatt zu qualifizieren. In Bezug auf den Zahlungs- und Abrechnungsverkehr sei anzumerken, dass die Beschwerdeführerin trotz Involvierung eines Zentralregulierer auch weiterhin zu Kontroll- und Abrechnungszwecken eine umfassende Kundenbuchhaltung und andere detaillierte Aufzeichnungen führen müsse, die alle Mitglieder des Zentralregulierers einzeln umfasse. Der Abrechnungs- und Zahlungsverkehr, den der Zentralregulierer übernehme, sei für die Beschwerdeführerin kaum eine Entlastung, sodass einem etwaigen Leistungsanteil auch nur eine untergeordnete Bedeutung zukomme. Sollte die belangte Behörde zum Ergebnis kommen, dass die Delkredereprovision das Entgelt für eine Leistung des Zentralregulierer an die Beschwerdeführerin darstelle, wäre eine Aufteilung der Provision in ein Entgelt für die Bürgschaft und in ein Entgelt für andere Leistungen (an die Beschwerdeführerin) vorzunehmen. Jener Teil der Delkredereprovision, der aber auf den Verbandsrabatt entfalle, wäre jedenfalls als Minderung des Bemessungsgrundlage zu betrachten.
Mit Eingabe vom 10. November 1999 brachte die Beschwerdeführerin vor, aus dem Anbotsschreiben des Zentralregulierers an das jeweilige Mitglied ergebe sich, dass den Mitgliedern die "Übernahme des Delkredere gegenüber allen Vertragspartnern" angeboten worden sei; daraus sei ersichtlich, dass der Zentralregulierer diese Leistung an das Mitglied erbringe. Jener Teil der Delkredereprovision, der auf das eigentliche Delkredere entfalle, sei somit Entgelt für die Leistung des Zentralregulierers an das Mitglied. Bei der Beschwerdeführerin sei eine Entgeltsminderung anzunehmen.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung ausschließlich hinsichtlich des Abzuges der Skonti von der Umsatzsteuerbemessungsgrundlage Folge. Die Delkredereprovision richte sich, was sich aus den tatsächlichen Abrechnungen entnehmen lasse, genau nach den Verträgen. Das Berufungsvorbringen, die Verträge entsprächen nicht mehr den wirtschaftlichen Gegebenheiten, sei somit schlichtweg unzutreffend. Aus dem Vertrag mit der O-GmbH ergebe sich eine Delkredereprovision von 2%, aus der Zusatzvereinbarung ein Leistungsbonus von 1,7%. Von dem in der Berufung angesprochenen Treuerabatt sei weder in den Verträgen noch in den diesbezüglichen Abrechnungen die Rede. Aus den Verträgen ergebe sich aber, dass der Zentralregulierer das Delkredere gegenüber der Beschwerdeführerin übernommen habe. Unzutreffend sei das Berufungsvorbringen, dass die Beschwerdeführerin keinen Einfluss auf die Bürgschaftsübernahme habe. Die Beschwerdeführerin habe sich nämlich in den Verträgen damit einverstanden erklärt, dass der Zentralregulierer Bürgschaften übernehme und dafür eine Delkredereprovision bekomme. Das verallgemeinernde Berufungsvorbringen, der Zentralregulierer erbringe seine Leistungen stets an die Mitglieder, treffe im Beschwerdefall nicht zu.
Das Argument, die Delkredereprovision sei wirtschaftlich betrachtet in ein geringfügiges Entgelt für die Bürgschaft und in einen Verbandsrabatt aufzuteilen, stehe nicht im Einklang mit den Verträgen und den tatsächlichen Abrechnungen. Es sei nicht maßgeblich, ob die Höhe der Delkredereprovision fremdüblich sei. Überdies hinke der Vergleich mit fremdüblichen Provisionshöhen für Bürgschaften, weil diese nur unter bestimmten einschränkenden Auflagen (Haftungsbegrenzung, Selbstbehalt, Mahnung durch den Gläubiger) eingegangen würden. Zwischen der Beschwerdeführerin und dem Zentralregulierer seien hingegen solche Auflagen nicht vereinbart.
Die in Abzug gebrachte Delkredereprovision stelle das Entgelt für die Leistung des Zentralregulierer an die Beschwerdeführerin dar und mindere somit nicht die Bemessungsgrundlage für die Lieferungen der Beschwerdeführerin an die Schuheinzelhändler.
Das im Vertrag zwischen dem Zentralregulierer und dem jeweiligen Mitglied erwähnte Angebot, das Delkredere gegenüber allen Vertragslieferanten zu übernehmen, sei nur als Information an das Mitglied über die diesbezüglichen Leistungsbeziehungen des Zentralregulierer mit den Lieferanten zu verstehen. In § 1 der Geschäftsbedingungen des Zentralregulierers heiße es, der Zentralregulierer habe mit einer Anzahl von Lieferfirmen für ihre Mitglieder Verträge abgeschlossen, durch die sie u.a. die selbstschuldnerische Bürgschaft (Delkredere) für alle Aufträge übernehme, die von den Mitgliedern den Vertragslieferanten erteilt würden. Mit dieser Regelung könne wohl nicht gemeint sein, der Zentralregulierer habe im Namen der Mitglieder Verträge mit den Lieferfirmen abgeschlossen, weil ja davon die Rede sei, dass es der Zentralregulierer sei, der die Bürgschaft übernehme. Aus den Verträgen ergebe sich, dass die Delkredereprovision vom Lieferanten dem Zentralregulierer geschuldet werde.
Ein von der Beschwerdeführerin vorgelegtes Rundschreiben vom 23. Jänner 1973 mit einer Absichtserklärung, die Delkredereprovision zu Gunsten des Mitgliederbonus umzulegen, habe weder einen vertraglichen Niederschlag gefunden noch sei aus den tatsächlichen Abrechnungen solches zu entnehmen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:
Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz geändert, so hat gemäß § 16 Abs 1 UStG 1972 und UStG 1994 der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den darauf geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen.
Der Zentralregulierer leistet im Namen seiner Mitglieder Zahlungen für Lieferungen, die ein Lieferant an die Mitglieder erbringt. Nimmt der Zentralregulierer dabei von den in der Rechnung des Lieferanten ausgewiesenen Beträgen vereinbarte Zahlungsabzüge, insbesondere Skonti vor, kommt es beim Lieferanten zu einer Minderung der Umsatzsteuerbemessungsgrundlage gemäß § 16 Abs 1 UStG 1972 und UStG 1994 (Ruppe, UStG2, § 16 Tz 71).
Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist auch die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid von dieser Rechtsansicht, wonach die Zahlungsabzüge grundsätzlich zu einer Minderung der Bemessungsgrundlage führen, ausgegangen.
An Zahlungsabzügen waren - wie in der Beschwerde vorgebracht
wird - vereinbart:
im Vertragsverhältnis zur S-GmbH:
-
Delkredereprovision von 3,6%
-
Skonto von 3%
-
Mitgliederbonus von 1,5%
im Vertragsverhältnis zur O-GmbH:
-
Delkredereprovision von 2%
-Leistungsbonus von 1,7%
-
Skonto von 3%
-
Mitgliederbonus von 2,2%.
Mit der durch den angefochtenen Bescheid vorgenommenen Umsatzsteuerfestsetzung wurden sowohl die Skonti als auch die Mitgliederboni (diese waren bereits durch das Finanzamt im Rahmen der abgabenbehördlichen Prüfung anerkannt worden) uneingeschränkt als Entgeltsminderung iSd § 16 Abs 1 UStG 1972 bzw UStG 1994 berücksichtigt.
Im gegenständlichen Fall ist allerdings entscheidend, ob der Zentralregulierer eigenständige Leistungen an den Lieferanten, also an die Beschwerdeführerin erbracht hat, und ob ein Teil der Zahlungsabzüge, die der Zentralregulierer bei Zahlung der Rechnungen, die an seine Mitglieder vom Lieferanten gelegt worden sind, vorgenommen hat, das Entgelt für diese Leistungen des Zentralregulierers an den Lieferanten darstellt. In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen, dass ein solcher Zahlungsabzug das umsatzsteuerpflichtige Entgelt für die Lieferung des Lieferanten an die Mitglieder des Zentralregulierers nicht ändert, stellt sich doch ein solcher Zahlungsabzug bloß als verrechnungsweise Tilgung des Entgeltsanspruches des Zentralregulierers für dessen Leistung an den Lieferanten dar (vgl Kolacny/Mayer, UStG2, § 16 Anm. 14).
Die belangte Behörde hat in sachverhaltsmäßiger Hinsicht eine solche Leistung des Zentralregulierers an den Lieferanten, die Beschwerdeführerin, angenommen. Diese Leistungen bestünden in erster Linie in der uneingeschränkten Haftungsübernahme (Bürge und Zahler), in untergeordnetem Ausmaß auch in Leistungen im Bereich der Zahlungsabrechnung.
Die belangte Behörde stützt ihre Beweiswürdigung auf die von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren zur Dokumentation der Vertragsverhältnisse zwischen der S-GmbH bzw der O-GmbH einerseits und dem Zentralregulierer anderseits vorgelegten schriftlichen Unterlagen. Zweifel an der Schlüssigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde vermag die Beschwerde nicht aufzuzeigen. Es ist unbestritten, dass der Zentralregulierer durch die Übernahme der Bürgschaft eine Leistung erbracht hat. Die Beschwerde vermag aber keine stichhaltigen Umstände aufzuzeigen, die dafür sprächen, dass er im gegenständlichen Fall diese Leistung nicht gegenüber der Lieferantin, also der Beschwerdeführerin, sondern gegenüber den Mitgliedern erbracht hätte, zumal sich diese Leistungsverpflichtung aus dem zwischen S-GmbH bzw der O-GmbH einerseits und dem Zentralregulierer anderseits geschlossenen Vertragverhältnis ergibt.
Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, bei verbürgten Lieferforderungen habe sie einen Delkredere-Abschlag vorgenommen, weshalb der Abnehmer mit einem Dritten (Zentralregulierer) vereinbart habe, die Bürgschaft um ein Entgelt in Höhe des Delkerdere-Abschlages zu übernehmen, kann sie damit kein Indiz für eine Leistungserbringung an den Abnehmer dartun. Wenn der wirtschaftliche Vorteil der angesprochenen Gestaltung (Delkredere-Abschlag) ohnedies zur Gänze an einen Dritten (Zentralregulierer) weitergegeben wird, bestand nämlich für den Abnehmer gar keine wirtschaftliche Veranlassung, sich um die Haftungsübernahme durch einen Dritten zu bemühen.
Die Vertragsbestimmung (§ 3 Z 3 des Vertrages zwischen der O-GmbH und dem Zentralregulierer), wonach der Zentralregulierer im Einzelfall innerhalb von acht Tagen, nachdem ihn die O-GmbH vom Eingang einer Bestellung durch einen Abnehmer informiert hat, die Übernahme der Bürgschaft ablehnen kann, hat zur Folge, dass in solchen Einzelfällen eine Bürgschaftsübernahme nicht zustande kommt. Dieser Umstand spricht aber entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht dafür, dass in allen anderen Fällen, in denen es zur Übernahme der Bürgschaft kommt, die Leistung nicht dem Lieferanten gegenüber erbracht würde.
In der Beschwerde wird (als Beilage 3) ein Schreiben des Zentralregulierers für potenzielle Mitglieder (in der Beschwerde als Anbotschreiben bezeichnet) vorgelegt. Soweit in diesem Schreiben davon die Rede ist, dass ersterer den Lieferanten gegenüber bürgt, ergibt sich daraus nicht, dass die Bürgschaftsübernahme Gegenstand des Leistungsaustausches zwischen ihm und den Abnehmern wäre, ist doch in § 1 der Geschäftsbedingungen des Zentralregulierers festgehalten, dass dieser von vornherein mit Lieferfirmen Verträge abgeschlossen hat, durch die er die selbstschuldnerische Bürgschaft für alle Aufträge übernimmt, die von seinen Mitgliedern den Lieferfirmen erteilt werden.
Mangelnde Schlüssigkeit der Beweiswürdigung vermag die Beschwerde allerdings hinsichtlich der Höhe des Entgeltes für die vom Zentralregulierer an die Beschwerdeführerin erbrachten Leistungen aufzuzeigen. Das Vertragsverhältnis zwischen der O-GmbH und dem Zentralregulierer weist eine Delkredereprovision von 2% aus. Die belangte Behörde stützt sich auch auf das Zusatzabkommen von 1. September 1988, welches zusätzlich einen "Leistungsbonus für Finanzierung von 1,7%" ausweist, und qualifiziert auch diesen als Teil des Entgelts für die vom Zentralregulierer erbrachten Leistungen. Da der angefochtene Bescheid aber keine Feststellungen enthält, wonach der Beschwerdeführerin gegenüber auch "Finanzierungsleistungen" erbracht worden seien oder dass mit den Finanzierungsleistungen in Wahrheit die Übernahme der Bürgschaft gemeint sei, und da die Beschwerdeführerin schon in ihrer Berufung von 20. März 1997 eingewendet hat, die Provision für das Delkredere betrage nur 2%, vermag die Beweiswürdigung der belangten Behörde insoweit der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle auf Schlüssigkeit nicht standzuhalten. Im Übrigen ergibt sich auch aus der im angefochtenen Bescheid erwähnten Lieferantenabrechnung für die Dekade 24/96, dass der Delkrederebonus von 2% und der Leistungsbonus von 1,7% (und der Skonto und der Mitgliederbonus) jeweils getrennt ausgewiesen und in Abzug gebracht worden sind.
Der angefochtene Bescheid ist sohin mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet und war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 3VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II 333/2003.
Wien, am 28. April 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001140156.X00Im RIS seit
03.06.2004