TE Vwgh Erkenntnis 2004/4/28 2001/03/0467

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Veröffentlicht am 28.04.2004
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §10 Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §10 Abs2;
AVG §13 Abs3 idF 1998/I/158;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Berger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des H in H, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Georg Huber, Rechtsanwalt in 6330 Kufstein, Josef-Egger-Straße 8, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 19. Oktober 2001, Zl. uvs- 2001/K4/099-1, betreffend Zurückweisung der Berufung in einem Verwaltungsstrafverfahren gemäß GütbefG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Schreiben des Landesgendarmeriekommandos für Tirol vom 18. September 2000 wurde an die Bezirkshauptmannschaft Kufstein Anzeige erstattet, dass der Beschwerdeführer am 18. September 2000 um 7.28 Uhr auf der Inntal-Autobahn A 12 bei km 24,3 mit dem näher bestimmten Sattelkraftfahrzeug gegen das GüterbeförderungsG verstoßen habe, weil er die notwendige Anzahl von 7 Ökopunkten auf der vorliegenden Transitfahrt von Deutschland kommend nach Italien nicht entrichtet habe.

Die in der Folge ergangene Aufforderung zur Rechtfertigung an den Beschwerdeführer vom 27. Oktober 2000 an die Adresse "D- 95028 Hof/Saale, Enoch-Widmannstraße 86" wurde der erstinstanzlichen Behörde als nicht abgeholt zurückgestellt. Daraufhin erfolgte die Zustellung dieses Schriftstückes an den Beschwerdeführer mit internationalem Zustellschein an der Adresse des in der Anzeige angegebenen Zulassungsbesitzers des verwendeten Kraftfahrzeuges, der G KG (mit der Adresse D-95502 Himmelkron, Industriestraße 10) und wurde von einer Person mit Namen "F" übernommen.

Hierauf wurde auf einem Papier der "G GmbH" mit der in der Anzeige angegebenen Adresse des Zulassungsbesitzers folgendes Schreiben vom 9. März 2001 an die erstinstanzliche Behörde gerichtet:

"Betreff: Ihr Schreiben vom 05.03.01

HS, pa. Fa. G KG

Verdacht der Übertretung nach dem Güterbeförderungsgesetz 1995

Sehr geehrte Frau W...,

Wir bedauern diesen Vorfall und möchten Ihrer Aufforderung zur Rechtfertigung in o.a. Sache hiermit im Namen unseres Mitarbeiters Herrn S nachkommen. Wie aus beiliegender Statistik der BAG München ersichtlich, wurden am 18.09.00 für angegebenes Kennzeichen durch automatische Abbuchung die benötigten Ökopunkte wie üblich eingebracht.

Die Sperrung ist uns somit nicht erklärbar. Da bereits ein ähnlicher Vorfall in unserem Firmenverbund nicht nachvollziehbar war, vermuten wir hier ebenfalls als Ursache einen technischen Fehler bei der BAG München.

Wir bitten Sie dies zu prüfen und über den weiteren Verlauf zu

informieren.

Vielen Dank für Ihre Bemühungen.

Mit bestem Gruß" (dieses Schreiben ist von A. F unterschrieben).

Ob dieses Schreiben - vor Abfertigung des nachfolgend erwähnten Straferkenntnisses - bei der erstinstanzlichen Behörde eingelangt ist, geht aus dem Akteninhalt nicht hervor.

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 11. April 2001 wurde der Beschwerdeführer einer Übertretung gemäß § 23 Abs. 1 Z. 8 GütbefG schuldig erkannt.

Die Bezirkshauptmannschaft Kufstein richtete mit Schreiben vom 17. Juli 2001 ein Ersuchen um Zustellung des gegenständlichen Straferkenntnisses "durch die Post mit Postzustellurkunde. Eigenhändig" an die Regierung der Oberpfalz (Bundesrepublik Deutschland (Bundesland Bayern)). Als Adresse des Beschwerdeführers als Empfängers wurde angegeben: D- 95028 Hof/Saale, Enoch-Widmannstraße 86.

Die ersuchte Behörde unternahm daraufhin einen Zustellversuch. Nach dem Inhalt der Postzustellungsurkunde wurde das Straferkenntnis unter der insoweit durch den Zusteller handschriftlich geänderten Adresse "Äußere-Bayreuther-Str. 29, 95032 Hof" am 1. August 2001 der AS übergeben.

In der Folge langte bei der Behörde erster Instanz am 1. Oktober 2001 auf Papier der G GmbH ein Schreiben vom 20. September 2001 mit folgendem Wortlaut ein:

"Berufung gegen Ihren Bescheid vom 11.04.01 Geschäftszahl: 4c-III-15.077/1St-00 und somit Wiederholung unserer Berufung vom 09.03.01 gegen ihren Bescheid vom 05.03.01

HS, pa. Fa. G KG

Verdacht der Übertretung nach dem Güterbeförderungsgesetz 1995

Sehr geehrte Frau W...,

hiermit legen wir erneut Einspruch bezüglich o.a. Geschäftszahl ein. Mit unserem Schreiben vom 09.03.01 (Kopien anbei) haben wir bereits den Sachverhalt geschildert und uns als Ansprechpartner in dieser Angelegenheit vorgestellt. Wir möchten uns für diese verspätete Antwort auf ihr zweites Schreiben in dieser Angelegenheit entschuldigen, jedoch ist Herr S aus beruflichen Gründen nur in Ausnahmefällen zu Hause, weshalb dieses zweite Schreiben auch erst sehr spät einging. Um dies zu vermeiden, möchten wir Sie inständig bitten, zukünftigen Schriftverkehr, wie bereits empfohlen, direkt an uns zu schicken. Bezüglich der fristgerechten Berufung verweisen wir auf unser Schreiben vom 09.03.01 und hoffen Ihnen damit gedient zu haben. Wir bitten Sie, dies zu prüfen und über den weiteren Verlauf zu informieren." (Auch dieses Schreiben ist von A. F unterschrieben, es lagen ihm zwei Ablichtungen des angeführten Schreibens am 9. März 2001 bei.)

Dieses Schreiben wurde von der belangten Behörde als Berufung des Beschwerdeführers gewertet und mit dem angefochtenen Bescheid als verspätet gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurückgewiesen.

Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung damit, dass die Zustellung des Straferkenntnisses durch Übergabe an AS am 1. August 2001 erfolgt sei. Die zweiwöchige Frist zur Erhebung der Berufung habe mit Ablauf des 16. August 2001 geendet. Es sei erst mit dem Schreiben der G GmbH vom 20. September 2001, welches am 25. September 2001 zur Post gegeben worden sei und am 1. Oktober 2001 bei der Erstbehörde eingelangt sei, Berufung erhoben worden. Diese sei deshalb als verspätet anzusehen.

In seiner dagegen erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde hat die Akten vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt vor, dass die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung nicht die fehlende ordnungsgemäße Zustellung des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 11. April 2001 beachtet habe. Wenn man davon ausgehe, dass die angeführte GesmbH für den Beschwerdeführer eingeschritten sei, habe ihr als Vertreterin des Beschwerdeführers das gegenständliche Straferkenntnis zugestellt werden müssen. Wenn diese GesmbH aber nicht als Vertreterin des Beschwerdeführers gehandelt habe, wäre eine Zustellung des gegenständlichen Straferkenntnisses zu eigenen Handen des Beschwerdeführers vorzunehmen gewesen. Die Zustellung an seine geschiedene Ehefrau AS am 1. August 2001 sei rechtswidrig. Von ihr sei der Beschwerdeführer am 28. Dezember 2000 geschieden worden und er habe auch nicht mehr unter der Adresse seiner geschiedenen Ehefrau gewohnt. Frau S sei daher nicht zur Entgegennahme von an den Beschwerdeführer gerichteten Schriftstücken befugt gewesen.

Erst ab dem Zeitpunkt, zu dem das Straferkenntnis der angeführten GesmbH am 20. September 2001 durch Übermittlung von Frau S tatsächlich zugekommen sei, sei der Zustellungsmangel als geheilt anzusehen. Ab diesem Zeitpunkt habe die Berufungsfrist zu laufen begonnen. Die Berufung sei also ordnungsgemäß eingebracht worden.

Gemäß § 63 Abs. 5 erster und zweiter Satz AVG i.d.F. BGBl. Nr. 471/1995 ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Falle bloß mündlicher Verkündung mit dieser.

Im vorliegenden Fall ist zunächst auf die Frage einzugehen, ob die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen ist, dass der Beschwerdeführer durch die G GesmbH im Verfahren vertreten wurde. Nur bejahendenfalls lag überhaupt eine Berufung des Beschwerdeführers im vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren vor.

Nach § 10 Abs. 1 erster Satz AVG i.d.F. BGBl. I Nr. 158/1998 können sich Beteiligte und ihre gesetzlichen Vertreter im Verfahren u.a. durch juristische Personen vertreten lassen, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird. Nach § 10 Abs. 1 zweiter Satz AVG haben sich Bevollmächtigte durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Schreitet eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ein, so ersetzt die Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis.

Schon die zur Aufforderung zur Rechtfertigung ergangene Stellungnahme der G GesmbH - sollte sie vor Abfertigung des Straferkenntnisses vom 11. April 2001 bei der erstinstanzlichen Behörde eingelangt sein - wie auch die Berufung haben ausreichend Anhaltspunkte für das Bestehen eines Vollmachtsverhältnisses zwischen der G GesmbH und dem Beschwerdeführer gegeben. Ein Nachweis einer entsprechenden schriftlichen Vollmacht ist durch die G GesmbH nach dem Inhalt der Akten nicht vorgelegt worden. Die belangte Behörde hätte daher gemäß § 10 Abs. 2 zweiter Satz AVG i. V.m. § 13 Abs. 3 zweiter Satz AVG dieser GesmbH in Form eines Verbesserungsauftrages die Vorlage der schriftlichen Vollmacht durch den Beschwerdeführer auftragen müssen. Dieser Verfahrensmangel ist auch wesentlich, da im Falle des Nichtvorliegens einer Vollmacht mangels Vorliegens einer Berufung des Beschwerdeführers eine Berufungsentscheidung gegenüber dem Beschwerdeführer nicht hätte ergehen dürfen.

Wenn aber von einer Bevollmächtigung der angeführten GesmbH zumindest im Berufungsverfahren auszugehen gewesen wäre, wäre dem Bevollmächtigten jener Sachverhalt, auf Grund dessen sich das Rechtsmittel als verspätet erweisen könnte, vorzuhalten gewesen (vgl. dazu die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, S. 1259, in E. 84 angeführte hg. Judikatur). Die Berufungsbehörde hat das Risiko einer Bescheidaufhebung dann zu tragen, wenn sie von der Feststellung der Versäumung der Rechtsmittelfrist ausgeht, diese Feststellungen aber der Partei vor ihrer Entscheidung nicht vorgehalten hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 2003, Zl. 2001/03/0237). Dieser Verfahrensmangel wäre auch wesentlich, weil im Lichte der Darlegungen des Beschwerdeführers in der Beschwerde zu der Frage der wirksamen Zustellung nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Vermeidung des Verfahrensfehlers zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.

Schon auf Grund des als wesentlich erkannten Verfahrensfehlers betreffend die Frage des Vorliegens der Bevollmächtigung der angeführten GesmbH durch den Beschwerdeführer im vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren war der Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Mehrbegehren war im Hinblick darauf, dass in den in der angeführten Verordnung genannten Pauschbeträgen Umsatzsteuer mitenthalten ist, abzuweisen.

Wien, am 28. April 2004

Schlagworte

Allgemein Berufungsrecht Begriff des Rechtsmittels bzw der Berufung Wertung von Eingaben als Berufungen Formgebrechen behebbare Vollmachtsvorlage Inhalt der Berufungsentscheidung Anspruch auf meritorische Erledigung (siehe auch Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verfahrensrechtliche Entscheidung der Vorinstanz) Verbesserungsauftrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2001030467.X00

Im RIS seit

01.06.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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