TE Vwgh Erkenntnis 2004/4/28 2001/14/0101

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.04.2004
beobachten
merken

Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §166;
EStG 1988 §113;
EStG 1988 §4;
EStG 1988 §7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde des G W in P, vertreten durch LBG Wirtschaftstreuhand- und Beratungsgesellschaft mbH, Wirtschaftsprüfungs-Gesellschaft in 1014 Wien, Schauflergasse 6, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat III) vom 1. März 2001, Zl. RV737/1-7/2000, betreffend Einkommensteuer 1992 bis 1998, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Bildhauer und akademischer Maler. Die Einkünfte aus seiner künstlerischen Tätigkeit ermittelt er nach § 4 Abs 3 EStG.

Der Beschwerdeführer und seine Gattin kauften im Jahr 1974 ein bebautes Grundstück. Im Jahr 1976 wurde ein betrieblich genutzter Gebäudeteil "adaptiert", was zu einer Aktivierung von Herstellungskosten in Höhe von 295.183 S führte. In späteren Jahren kam es zu einem - zum Teil fremdfinanzierten - Um- und Zubau.

Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers sei es durch ein "Versehen" zu keiner Aktivierung der bei diesem Um- und Zubau angefallenen Gebäude-Herstellungskosten (vom Beschwerdeführer geschätzt mit 3 Mio S) gekommen. Die AfA von diesen Kosten sei daher bei den Betriebsergebnissen, die mit den Steuererklärungen für die Jahre 1992 bis 1997 dem Finanzamt bekannt gegeben worden seien, nicht berücksichtigt worden. Erstmals im Rahmen der Steuererklärung 1998 sei eine Berücksichtigung erfolgt.

Im Berufungsverfahren gegen die Einkommensteuerbescheide 1992 bis 1998, denen keine Berücksichtigung der in Rede stehenden AfA zugrunde liegt, begehrte der Beschwerdeführer - neben der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht mehr strittigen Anerkennung von Zinsen aus den für den Um- und Zubau aufgenommenen Fremdmitteln - die gewinnmindernde Berücksichtigung von AfA in Höhe von 4% von 50% der geschätzten Gebäude-Herstellungskosten, somit von jährlich 60.000 S. Der Beschwerdeführer konnte keine Baurechnungen vorlegen, brachte aber einen Bauplan sowie ein Schätzungsgutachten für das Gebäude aus dem Jahr 1989 bei.

Mit dem angefochtenen Bescheid verweigerte die belangte Behörde die Anerkennung der begehrten AfA-Beträge. Der Beschwerdeführer und seine Frau hätten die Liegenschaft im Jahr 1974 um 250.000 S gekauft. Es stehe fest, dass der Beschwerdeführer die Liegenschaft zu 50% betrieblich genutzt habe. Im Jahr 1976 sei es zu einer "Adaptierung" des kleinen Ateliers gekommen (Herstellungskosten von 295.183 S). In der Folge sei eine Generalsanierung vorgenommen worden. Der Beschwerdeführer habe das Schätzungsgutachten vom 22. Juni 1989 vorgelegt, welches den Zeitwert des Gebäudes im Jahr 1988 mit 4 Mio S angebe. Der Beschwerdeführer sei in Anbetracht des lange zurückliegenden Zeitraumes nicht mehr in der Lage gewesen, "Originalrechnungen der getätigten Um- und Zubauten" nachzureichen. Er habe vorgebracht, die Baukosten seien mit 3 Mio S zu schätzen; sie entfielen zu 50% auf Herstellungskosten des großen Ateliers. Diese Kosten hätten bisher in der Buchhaltung keinen Niederschlag gefunden. Sie müssten aber zur Berücksichtigung im Wege der AfA führen.

Im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer im Berufungsverfahren (im Zuge der "Ergänzungsbeantwortung") bekannt gegebenen Investitionen und das vorgelegte Schätzungsgutachten seien die Zinsen für das Bauspardarlehen (von ca 1,7 Mio S) dem Berufungsbegehren entsprechend zu 50% anzuerkennen. Dem Begehren auf Berücksichtigung der AfA von jährlich 60.000 S könne hingegen nicht Rechnung getragen werden. Ein Nachweis der Baurechnungen für Umbaukosten habe nämlich nicht erbracht werden können. "Die Vorlage derartiger Unterlagen wäre aber Grundvoraussetzung für eine steuerrechtlich zu berücksichtigende Abschreibung im offenen Berufungsverfahren gewesen." Bei ordnungsgemäßer Buchhaltung hätte die belangte Behörde keinen Grund, die jährliche AfA nicht zu berücksichtigen. Der Beschwerdeführer habe aber durch seinen steuerlichen Vertreter mit Schreiben vom 10. Mai 2000 bekannt gegeben, dass wegen des lange zurückliegenden Zeitraumes weder bei der Bausparkasse noch beim Bauunternehmen RO Baurechnungen hätten beschafft werden können. Im Hinblick auf diese Tatsache sei nach Ansicht der belangten Behörde die Einvernahme des Baumeisters RO entbehrlich. Die Vorlage von Baurechnungen wäre der entscheidende Beweis, um den gegenständlichen Antrag auf Anerkennung der begehrten AfA Folge geben zu können.

Für das Jahr 1998 sei ein berichtigtes Anlageverzeichnis vorgelegt worden, welches folgende Position enthalte:

"Betriebsgebäude 50%

Bau 1985 bis 1987

Aktivierung 1.500.000,- 4% AfA jährlich = S 60.000,-"

Aus dem Veranlagungsakt bzw aus dem Ergänzungsschriftsatz vom 16. Februar 2000 ergebe sich, dass die Hauptaufwendungen in den Jahren bis 1976 angefallen seien; es bestehe daher ein Widerspruch zum Anlageverzeichnis. Durch das Fehlen der Unterlagen (Baurechnungen, etc) und deren ordnungsgemäßer Verbuchung (Aktivierung) hätten die Baukosten im genannten Ausmaß nicht nachgewiesen bzw glaubhaft gemacht werden können. Die Baukosten von 3 Mio S seien erst im Nachhinein im Schätzungswege bekannt gegeben worden. Eine Schätzung komme nach Ansicht der belangten Behörde nicht in Betracht, da die richtige AfA-Bemessungsgrundlage ursprünglich bei Abgabe der Steuererklärung im Anlageverzeichnis hätte eingetragen werden müssen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

§ 7 EStG 1988 lautet:

"(1) Bei Wirtschaftsgütern, deren Verwendung oder Nutzung durch den Steuerpflichtigen zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt (abnutzbares Anlagevermögen), sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten gleichmäßig verteilt auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer abzusetzen (Absetzung für Abnutzung). Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer bemisst sich nach der Gesamtdauer der Verwendung oder Nutzung.

(2) Wird das Wirtschaftsgut im Wirtschaftsjahr mehr als sechs Monate genutzt, dann ist der gesamte auf ein Jahr entfallende Betrag abzusetzen, sonst die Hälfte dieses Betrages.

(3) Steuerpflichtige, die den Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 ermitteln, müssen ein Verzeichnis (Anlagekartei) der im Betrieb verwendeten Wirtschaftsgüter des abnutzbaren Anlagevermögens führen. Das Verzeichnis hat unter genauer Bezeichnung jedes einzelnen Anlagegutes zu enthalten:

-

Anschaffungstag,

-

Anschaffungs- oder Herstellungskosten,

-

Name und Anschrift des Lieferanten,

-

voraussichtliche Nutzungsdauer,

-

Betrag der jährlichen Absetzung für Abnutzung und

-

den noch absetzbaren Betrag (Restbuchwert). "

Das Führen der Anlagekartei ist kein materielles Erfordernis für die Inanspruchnahme der AfA. Der Steuerpflichtige kann daher die Berechtigung zur Vornahme der AfA auch anders nachweisen. Gegebenenfalls hat die Behörde die AfA zu schätzen, wenn sich nicht eine Globalschätzung des Betriebsergebnisses als notwendig erweist (vgl Hofstätter/Reichel, EStG 1988 § 7 Tz 16).

Die Ansicht, dass die Abschreibung der Anschaffungs- bzw Herstellungskosten der zum Anlagevermögen gehörenden abnutzbaren Wirtschaftsgüter gegebenenfalls auch im Schätzungsweg zu erfolgen hat, liegt auch dem hg Erkenntnis vom 13. Oktober 1981, 81/14/0049, 0061, implizit zugrunde. In diesem Erkenntnis hat der Gerichtshof nämlich bei einer auf einem äußeren Betriebsvergleich beruhenden Globalschätzung den gesonderten Ansatz der AfA im Hinblick auf die Annahme abgelehnt, dass auch der laufende Wertverzehr der abnutzbaren Anlagegüter bei den Vergleichsbetrieben etwa gleich hoch sei.

Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid davon aus, dass der Beschwerdeführer das in Rede stehende Gebäude anteilig betrieblich nutzt. Sie geht weiters davon aus, das in diesem Gebäude die - zum Teil mit dem Bauspardarlehen in Zusammenhang stehenden - Baumaßnahmen gesetzt worden sind und dieses im Jahr 1988 (nach dem Um- und Zubau), wie sich dies aus einem Schätzungsgutachten ergibt, einen Wert von mehreren Mio S aufgewiesen habe.

Die belangte Behörde hat die Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer beantragten AfA-Beträge deshalb zur Gänze abgelehnt, weil dieser keine Baurechnungen vorzulegen vermochte. Damit liegt ihrer Entscheidung die Rechtsauffassung zugrunde, ausschließlich Baurechnungen wären als Nachweis (Beweismittel) für das Anfallen von Herstellungskosten eines Gebäudes geeignet. Diese Rechtsauffassung entspricht nicht dem Gesetz. Im Verfahren nach der BAO gilt der Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel, normiert doch § 166 BAO: "Als Beweismittel im Abgabenverfahren kommt alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach der Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist".

Die belangte Behörde hätte unter Beachtung des Grundsatzes der Unbeschränktheit der Beweismittel Sachverhaltsfeststellungen über die Art der Baumaßnahmen (für Zwecke der Unterscheidung zwischen Herstellungs- oder Erhaltungsaufwendungen) und über die Höhe der tatsächlich aufgewendeten Beträge (diese müssen sich nicht mit dem in einem Schätzungsgutachten ausgewiesenen Wert bzw der Wertsteigerung decken) treffen müssen. Auf der Basis dieser Feststellungen ist die Höhe der nach den Vorschriften des EStG 1972 zu aktivierenden (nachträglichen) Herstellungskosten zu beurteilen, welche auch im zeitlichen Geltungsbereich des EStG 1988 die Grundlage für die Bemessung der AfA darstellen (vgl § 113 EStG 1988).

Darauf hingewiesen sei, dass es sich beim Ansatz von Betriebsausgaben - entgegen der von der belangten Behörde in der Gegenschrift geäußerten Ansicht - nicht um eine "abgabenrechtliche Begünstigung" handelt.

Zu den Ausführungen des angefochtenen Bescheides, wonach sich aus dem Ergänzungsschriftsatz vom 16. Februar 2000 ergebe, dass die Hauptaufwendungen für das Gebäude nicht in den Jahren 1985 bis 1988, sondern in den Jahren bis 1976 angefallen seien, sei ergänzend erwähnt, dass für die Frage der Feststellung der Höhe der Herstellungskosten im Rahmen der Beweiswürdigung auch die im Ergänzungsschriftsatz getroffene Aussage ("Die Hauptaufwendungen für das Gebäude lagen im Zeitraum 1974 bis 1976 und nicht wie vom Betriebsprüfer dargestellt im Zeitraum 1978 bis 1995") zu berücksichtigen sein wird.

Der angefochtene Bescheid ist sohin mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet und war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II 333/2003.

Wien, am 28. April 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2001140101.X00

Im RIS seit

04.06.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten