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E000 EU- Recht allgemein;Norm
31997L0033 Telekommunikationsmarkt-RL Art7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Riedinger, Dr. Handstanger und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde der P GmbH in Wien, vertreten durch Dr. Stefan Köck, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Seilergasse 16, gegen den Bescheid der Telekom-Control-Kommission vom 11. Februar 2002, Zl. Z 23/01-15, betreffend Zusammenschaltungsanordnung (mitbeteiligte Partei: T GmbH in Wien, vertreten durch Binder Grösswang Rechtsanwälte OEG in 1010 Wien, Sterngasse 13), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem angefochtenen Bescheid erließ die belangte Behörde auf Antrag der mitbeteiligten Partei gemäß § 41 Abs. 3 i.V.m.
§ 111 Z. 6 Telekommunikationsgesetz (TKG), BGBl. I Nr. 100/1997 i. d.F. BGBl. I Nr. 32/2002, eine Anordnung für die Zusammenschaltung der öffentlichen Telekommunikationsnetze der mitbeteiligten Partei und der Beschwerdeführerin. In Anhang 6 der mit dem angefochtenen Bescheid erlassenen Zusammenschaltungsanordnung werden für die zwischen den Parteien zu erbringenden Zusammenschaltungsleistungen verkehrsabhängige Zusammenschaltungsentgelte festgelegt. Für die Verkehrsart V 9x (Terminierung regional vom Netz der Beschwerdeführerin über das Netz der Telekom Austria in das Netz der mitbeteiligten Partei) wird dabei ein Entgelt von 1,39 Cent in der Peak-Zeit und 0,73 Cent in der Off-Peak-Zeit festgelegt; dieses Entgelt findet auch für die umgekehrte Verkehrsrichtung (Verkehrsart V 9y) sowie für die Terminierung national sowohl im Netz der mitbeteiligten Partei (Verkehrsart V 10x) bzw. im Netz der Beschwerdeführerin (Verkehrsart V 10y) Anwendung.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die mitbeteiligte Partei (für die Zeit ab 1. April 2001) Entgelte beantragt habe, wie sie von der belangten Behörde im Bescheid Z 6/01 vom 22. Juni 2001 festgelegt worden seien. Die Beschwerdeführerin habe in ihrem Gegenantrag für die Terminierung im und die Originierung aus dem Netz der Beschwerdeführerin ein tageszeitunabhängiges Entgelt in der Höhe von 1,81682 Cent (ATS 0,25) begehrt. Keine der Parteien des Verwaltungsverfahrens sei marktbeherrschend im Sinne des § 33 TKG. Bei der Festlegung der Zusammenschaltungsentgelte sei dem Antrag der mitbeteiligten Partei gefolgt worden und es seien für die Beschwerdeführerin unter Zugrundelegung des Kriteriums der Angemessenheit jene Zusammenschaltungsentgelte festgelegt worden, die in den Entscheidungen der belangten Behörde vom 22. Juni 2001, Z 6/01, Z 9/01, Z 11/01 sowie Z 12/01 auf der Grundlage des Grundsatzes der Kostenorientiertheit und auf Basis des FL-LRAIC-Kostenrechnungsansatzes für die Telekom Austria AG als marktbeherrschendes Unternehmen im Sinne des § 33 TKG festgelegt worden seien. Dieses Entgeltniveau sei dasjenige, das ein effizienter Betreiber erreichen könne. Die belangte Behörde sei der Ansicht, dass sich am Zusammenschaltungsmarkt im Wege der vom TKG vorgesehenen privat geführten Zusammenschaltungsverhandlungen ein Wettbewerbspreis ergebe, dessen Höhe - unter Annahme des Nichtvorliegens wettbewerbseinschränkender Marktbedingungen - den im Verfahren Z 6/01 festgelegten Zusammenschaltungsentgelten entsprechen würde. Eine gutachterliche Bewertung der technischen und wirtschaftlichen Spezifika des Netzes der Beschwerdeführerin sei nicht erforderlich, da "die Festlegung von Zusammenschaltungsentgelten von zwei als nicht marktbeherrschend festgestellten Festnetzbetreibern in angemessener Höhe auf Basis der Reziprozität" erfolge.
Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass der auf das zusammenschaltungsrelevante Kernnetz entfallende Kostenanteil höher sei, da ihr Kernnetz näher als herkömmliche Telekomnetze an den Endkunden heranreiche, erscheine für die belangte Behörde nicht stichhältig; auch der Hinweis auf die Verwendung einer bestimmten "HFC-Technologie" vermöge nicht zu erklären und insbesondere nicht zu überzeugen, warum vom Grundsatz der Reziprozität der Festnetz-Zusammenschaltungsentgelte abgegangen werden sollte, zumal sich diese Regelung am österreichischen Telekommunikationsmarkt unter Festnetzbetreibern durchaus bewährt habe. Das von der Beschwerdeführerin für die Leistung der Sprachtelefonie in Anspruch genommene Netz stelle historisch betrachtet eine Einrichtung dar, die für die Verwendung als Kabelfernsehnetz konzipiert worden sei. Um diese bestehenden Einrichtungen auch für Sprachtelefonie sowie Internet verwenden zu können, seien gemäß den Angaben der Beschwerdeführerin umfassende technische Um- sowie Aufrüstungen notwendig gewesen; im Besonderen sei es erforderlich gewesen, dem Kabelfernsehnetz die Funktionalität der Rückkanalfähigkeit zu implementieren. Aus der Sicht der belangten Behörde ergäben sich die von der Beschwerdeführerin behaupteten höheren Kosten aus der Gegebenheit, dass über ein Netz mehrere Leistungen unterschiedlicher technischer Natur (analoges und digitales Fernsehen, Breitbandinternetzugang sowie Sprachtelefonie) dem Endkunden angeboten werden sollen. Diese "Bündelangebote" könnten aus den von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Gründen für einen Endverbraucher durchaus von Interesse sein, hätten jedoch bei der Beurteilung eines angemessenen Festnetz-Zusammenschaltungsentgeltes für die Beschwerdeführerin jedenfalls keine Beachtung zu finden. Aus der Sicht eines Endkunden des jeweiligen Zusammenschaltungspartners der Beschwerdeführerin, der ein Gespräch bei dieser terminieren möchte, sei die von der Beschwerdeführerin verwendete Technologie nicht relevant, da sich die Konsumentenentscheidung beispielsweise eines Endkunden der mitbeteiligten Partei vorwiegend am Nutzen der gebotenen Dienste orientiere und nicht an der dahinterliegenden Technologie. Der Nutzen sei konkret die telefonische Erreichbarkeit von Endkunden der Beschwerdeführerin. Ein Endkunde eines Zusammenschaltungspartners der Beschwerdeführerin, der über sein Endkundenentgelt das an die Beschwerdeführerin zu entrichtende Zusammenschaltungsentgelt finanziere, ziehe keinen Vorteil aus den Bündelangeboten der Beschwerdeführerin. Die von der Beschwerdeführerin behaupteten höheren Kosten im zusammenschaltungsrelevanten Kernnetz seien daher schon aus diesem Grunde nicht zur Berechnung der Zusammenschaltungsentgelte heranzuziehen.
Die Beschwerdeführerin bringe in ihrer Stellungnahme selbst vor, dass auf Grund einer Mehrfachnutzung von Teilen der Infrastruktur eine exakte Quantifizierung der Zusammenschaltungsentgelte schwierig sei. Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass auf Grund des § 1 TKG die Gewährung von Investitionsschutz angebracht sei, sei auszuführen, dass es ausschließlich Sinn des Zusammenschaltungsentgeltes sei, die für die Erbringung von Zusammenschaltungsleistungen anfallenden Kosten abzugelten. Die Berücksichtigung der behaupteten höheren Kosten des Kernnetzes der Beschwerdeführerin bei der Festlegung von Sprachtelefonie-Zusammenschaltungsentgelten würde zu einer Dienstesubventionierung, namentlich dem Breitbandinternet Access und dem TV-Zugang via Kabelnetz führen. Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass die belangte Behörde in mobilen Zusammenschaltungsverfahren die Leistungserbringung unterschiedlicher Anbieter individuell bewertet hätte, sei anzumerken, dass Mobilfunkbetreiber in Österreich auf Grund der erteilten Konzessionen zu einer bundesweiten flächendeckenden Versorgung verpflichtet seien. Insbesondere auf Grund der Topologie sei für die Mobilbetreiber eine Versorgung auch dünn besiedelter Gebiete, zu deren Erreichung die Mobilbetreiber umfassende Investitionen tätigen müssen, nicht kostendeckend. Selbst ohne die Verpflichtung einer flächendeckenden Versorgung hätten sie diese Investitionen wahrscheinlich nur schwer Zug um Zug tätigen können, da sie auf Grund der Mobilität ihrer Kunden faktisch zum österreichweiten Netzausbau gezwungen seien. Dem gegenüber existierten für alternative Festnetzbetreiber keine Versorgungspflichten; es bleibe dem betriebswirtschaftlichen Kalkül jedes einzelnen alternativen Festnetzbetreibers überlassen, in welchen Regionen in Österreich er Netzwerkinvestitionen tätigen möchte und in welchen nicht. Aus diesem Grund sei im Festnetzbereich eine weit höhere Skalierbarkeit der Investitionen sowie größere betriebliche Flexibilität gegeben als im Mobilsektor, wo die Betreiber hohe Vorausinvestitionen tätigen müssten, bevor sie den Betrieb aufnehmen könnten. Aus der Sicht der belangten Behörde rechtfertige auch dieser Umstand die weitere Aufrechterhaltung des Grundsatzes der Reziprozität der Zusammenschaltungsentgelte von Festnetzbetreibern.
2. Mit der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und stellt den Antrag, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen. Die mitbeteiligte Partei erstattete ebenfalls eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 11. Februar 2002 wurden gemäß Punkt 11.2. des allgemeinen Teils der Zusammenschaltungsanordnung verkehrsabhängige Zusammenschaltungsentgelte für den Zeitraum vom 7. Dezember 2001 bis zum 30. Juni 2002 festgelegt. Die für die Entscheidung der belangten Behörde maßgebliche Rechtsvorschrift, § 41 Abs. 1 bis 3 Telekommunikationsgesetz (TKG), BGBl. I Nr. 100/1997, lautete:
"Verhandlungspflicht
§ 41. (1) Jeder Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes ist verpflichtet, anderen Betreibern solcher Netze auf Nachfrage ein Angebot auf Zusammenschaltung abzugeben. Alle Beteiligten haben hiebei das Ziel anzustreben, die Kommunikation der Nutzer verschiedener öffentlicher Telekommunikationsnetze untereinander zu ermöglichen und zu verbessern.
(2) Kommt zwischen einem Betreiber eines Telekommunikationsnetzes, der Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit anbietet, und einem anderen Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes eine Vereinbarung über Zusammenschaltung binnen einer Frist von sechs Wochen ab dem Einlangen der Nachfrage nicht zu Stande, kann jeder der an der Zusammenschaltung Beteiligten die Regulierungsbehörde anrufen.
(3) Die Regulierungsbehörde hat nach Anhörung der Beteiligten innerhalb einer Frist von sechs Wochen, beginnend mit der Anrufung, über die Anordnung der Zusammenschaltung zu entscheiden. Die Regulierungsbehörde kann das Verfahren um längstens vier Wochen verlängern. Die Anordnung ersetzt eine zu treffende Vereinbarung. Die Regulierungsbehörde hat dabei die Richtlinien der Europäischen Gemeinschaften, die nach Art. 6 der Richtlinie 90/387/EWG des Rates vom 28. Juni 1990 zur Verwirklichung des Binnenmarktes für Telekommunikationsdienste durch Einführung eines offenen Netzzugangs (Open Network Provision - ONP) (ABl. Nr. L 192 vom 24. 7. 1990, S 1) vom Europäischen Parlament und vom Rat erlassen werden, zu beachten. Entsprechend der Richtlinie findet der Grundsatz der Kostenorientiertheit nur bei der Festlegung der Höhe der Entgelte von marktbeherrschenden Unternehmen Anwendung."
Die zum Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde maßgeblichen gemeinschaftsrechtlichen Rechtsvorschriften waren Art. 9 Abs. 1, 3, 5 und 6 der Zusammenschaltungsrichtlinie 97/33/EG; diese hatten folgenden Wortlaut:
"(1) Die nationalen Regulierungsbehörden fördern und sichern eine adäquate Zusammenschaltung im Interesse aller Benutzer, indem sie ihre Zuständigkeiten in einer Art und Weise ausüben, die den größtmöglichen wirtschaftlichen Nutzen und den größtmöglichen Nutzen für die Endbenutzer erbringt. Die nationalen Regulierungsbehörden berücksichtigen dabei insbesondere
-
die Notwendigkeit, für die Benutzer eine zufrieden stellende Ende-zu-Ende-Kommunikation sicherzustellen;
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die Notwendigkeit, einen wettbewerbsorientierten Markt zu fördern;
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die Notwendigkeit, eine faire und geeignete Entwicklung eines harmonisierten europäischen Telekommunikationsmarkts sicherzustellen;
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die Notwendigkeit, mit den nationalen Regulierungsbehörden in anderen Mitgliedstaaten zusammenzuarbeiten;
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die Notwendigkeit, den Auf- und Ausbau transeuropäischer Netze und Dienste, die Zusammenschaltung nationaler Netze und die Interoperabilität von Diensten sowie den Zugang zu solchen Netzen und Diensten zu fördern;
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den Grundsatz der Nichtdiskriminierung (einschließlich des gleichberechtigten Zugangs) und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit;
-
die Notwendigkeit, einen Universaldienst aufrechtzuerhalten und zu entwickeln.
(2) ...
(3) Bei der Verfolgung der im Absatz 1 genannten Ziele können die nationalen Regulierungsbehörden jederzeit von sich aus eingreifen, und sie müssen dies tun, wenn sie von einer Partei aufgefordert werden, um vorzugeben, welche Punkte in einer Zusammenschaltungsvereinbarung abgedeckt werden müssen, oder um spezifische Bedingungen festzulegen, die von einer oder mehreren Parteien einer solchen Vereinbarung einzuhalten sind. Die nationalen Regulierungsbehörden können in Ausnahmefällen Änderungen bereits getroffener Zusammenschaltungsvereinbarungen fordern, soweit dies gerechtfertigt ist, um wirksamen Wettbewerb und/oder Interoperabilität von Diensten für Benutzer sicherzustellen.
Von der nationalen Regulierungsbehörde vorgegebene Bedingungen können unter anderem Bedingungen zur Sicherstellung wirksamen Wettbewerbs, technische Bedingungen, Tarife, Liefer- und Nutzungsbedingungen, Bedingungen hinsichtlich der Einhaltung relevanter Normen und grundlegender Anforderungen, hinsichtlich des Umweltschutzes und/oder zur Aufrechterhaltung einer durchgehenden Dienstqualität umfassen.
Die nationale Regulierungsbehörde kann ferner jederzeit von sich aus oder auf Ersuchen einer Partei Fristen vorgeben, innerhalb deren die Zusammenschaltungsverhandlungen abzuschließen sind. Wird innerhalb der vorgegebenen Frist keine Einigung erzielt, so kann die nationale Regulierungsbehörde Maßnahmen treffen, um nach den von ihr festgelegten Verfahren eine Vereinbarung herbeizuführen. Die Verfahren sind gemäß Artikel 14 Absatz 2 der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
(4) ...
(5) Bei Zusammenschaltungsstreitigkeiten zwischen Organisationen in einem Mitgliedstaat unternimmt dessen Regulierungsbehörde auf Ersuchen einer Partei Schritte, um den Streit innerhalb von sechs Monaten ab diesem Ersuchen beizulegen. Die Streitbeilegung muss einen fairen Ausgleich der berechtigten Interessen beider Parteien zum Ergebnis haben.
Dabei berücksichtigt die nationale Regulierungsbehörde unter anderem
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die Interessen der Benutzer;
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ordnungspolitische Verpflichtungen oder Einschränkungen, die einer Partei auferlegt sind;
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das Bestreben, innovative Marktangebote zu fördern und Benutzern eine breite Palette von Telekommunikationsdiensten auf nationaler und Gemeinschaftsebene bereitzustellen;
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die Verfügbarkeit technisch und wirtschaftlich tragfähiger Alternativen zu der geforderten Zusammenschaltung;
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das Streben nach Sicherstellung gleichwertiger Zugangsvereinbarungen;
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die Notwendigkeit, die Integrität des öffentlichen Telekommunikationsnetzes und die Interoperabilität von Diensten aufrechtzuerhalten;
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die Art des Antrags im Vergleich zu den Mitteln, die zur Verfügung stehen, um ihm stattzugeben;
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die relative Marktstellung der Parteien;
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die Interessen der Öffentlichkeit (z.B. den Umweltschutz);
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die Förderung des Wettbewerbs;
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die Notwendigkeit, einen Universaldienst aufrechtzuerhalten
Eine Entscheidung der nationalen Regulierungsbehörde in dieser Sache wird der Öffentlichkeit nach Maßgabe der innerstaatlichen Verfahren zugänglich gemacht. Die betroffenen Parteien erhalten eine ausführliche Begründung der Entscheidung.
(6) In den Fällen, in denen Organisationen, die zur Bereitstellung öffentlicher Telekommunikationsnetze und/oder für die Öffentlichkeit zugänglicher Telekommunikationsdienste befugt sind, ihre Einrichtungen nicht zusammengeschaltet haben, können die nationalen Regulierungsbehörden unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und im Interesse der Benutzer als letzte Möglichkeit von den betreffenden Organisationen verlangen, ihre Einrichtungen zusammenzuschalten, um wesentliche öffentliche Interessen zu schützen, und gegebenenfalls Zusammenschaltungsbedingungen festlegen."
2. Die Beschwerdeführerin wendet sich ausschließlich gegen die mit dem angefochtenen Bescheid (in Anhang 6 der Zusammenschaltungsanordnung) erfolgte Festlegung von Zusammenschaltungsentgelten für die von ihr erbrachten Zusammenschaltungsleistungen. Der angefochtene Bescheid verletze die Beschwerdeführerin in ihrem Recht darauf, dass keine anderen als gesetzeskonforme Zusammenschaltungsentgelte für die von ihr erbrachten Zusammenschaltungsleistungen angeordnet werden. Die belangte Behörde gehe zutreffend davon aus, dass mangels marktbeherrschender Stellung der Beschwerdeführerin kein kostenorientiertes Zusammenschaltungsentgelt im Sinne des § 41 Abs. 3 TKG i.V.m. § 8 und 9 der Zusammenschaltungsverordnung, BGBl. II Nr. 14/1998, festgelegt werden könne, sondern dass die Festlegung unter Zugrundelegung des Kriteriums der Angemessenheit zu erfolgen habe. Durch Heranziehung des von ihr selbst entwickelten Grundsatzes der Reziprozität schalte die belangte Behörde im Festnetzbereich die Terminierungs- und Originierungsentgelte aller Betreiber gleich und ordne einheitlich die für die im Sinne des § 33 TKG marktbeherrschende Telekom Austria AG geltenden Zusammenschaltungsentgelte an. Sie differenziere also weder zwischen kostenorientiertem und angemessenem Entgelt, noch stelle sie auf die individuellen Kosten jedes Betreibers für die anordnungsgegenständlichen Telekommunikationsdienstleistungen ab. Auch das konkrete Vorbringen der Beschwerdeführerin zu den technischen und ökonomischen Unterschieden und der dadurch gebotenen regulatorischen Differenzierung zwischen dem Netz der Telekom Austria AG und dem Netz der Beschwerdeführerin habe die belangte Behörde nicht zu einer tiefer gehenden Analyse oder Anordnung unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten und damit höherer Entgelte veranlasst. Die belangte Behörde habe die Kosten der Beschwerdeführerin auch nicht geprüft und zudem den Umstand ignoriert, dass es bereits Netzbetreiber gäbe, welche mit der Beschwerdeführerin zu den von ihr gewünschten (höheren) Zusammenschaltungsentgelten kontrahiert hätten.
3. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 18. März 2004, Zl. 2002/03/0164, festgehalten hat, hat die Regulierungsbehörde bei der Entscheidung über die Festlegung von Zusammenschaltungsbedingungen gemäß § 41 Abs. 3 TKG - soweit es nicht um die Festlegung kostenorientierter Zusammenschaltungsentgelte eines marktbeherrschenden Unternehmens geht - angemessene Bedingungen festzulegen und dadurch einen fairen Ausgleich der berechtigten Interessen beider Parteien herbeizuführen, wobei sowohl die Gesetzes- bzw. Regulierungsziele der §§ 1 und 32 Abs. 1 TKG als auch die für die Entscheidung in einer Zusammenschaltungsstreitigkeit maßgeblichen Kriterien gemäß Art. 9 Abs. 5 und 6 RL 97/33/EG und die Zielsetzungen des Art. 9 Abs. 1 RL 97/33/EG zu berücksichtigen sind.
4. Die belangte Behörde hat sich im angefochtenen Bescheid darauf beschränkt, unter Bezugnahme auf vorangegangene Verfahren, in denen die Beschwerdeführerin nicht Partei war, die dort für die Zusammenschaltungsleistungen des marktbeherrschenden Unternehmens auf der Grundlage eines FL-LRAIC-Kostenrechnungsansatzes als kostenorientiert festgelegten Entgelte anzuordnen. Ausgehend von dieser Rechtsansicht, wonach es sich bei den in den vorangegangenen Verfahren festgelegten Zusammenschaltungsentgelten um ein angemessenes Entgelt - unabhängig vom jeweiligen Netzbetreiber - handle, hat es die belangte Behörde unterlassen, ein Ermittlungsverfahren zu den von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Umständen durchzuführen, obgleich diese Umstände bei der von der belangten Behörde in ihrer Entscheidung vorzunehmenden Interessenabwägung von Bedeutung sein können.
Aus § 41 Abs. 3 TKG sowie aus Art. 7 RL 97/33/EG ergibt sich zwingend, dass der Grundsatz der Kostenorientierung - im Sinne einer Orientierung an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung unter Zugrundelegung eines FL-LRAIC-Kostenrechnungsansatzes - ausschließlich auf die Zusammenschaltungsentgelte jener Unternehmen anzuwenden ist, die im Sinne des § 33 TKG marktbeherrschend sind. Dies schließt nicht aus, dass gegebenenfalls auch die Zusammenschaltungsentgelte nicht marktbeherrschender Unternehmen, welche unter Berücksichtigung einer umfassenden Interessenabwägung, insbesondere unter Zugrundelegung der Kriterien des Art. 9 Abs. 5 und 6 Richtlinie 97/33/EG festzulegen sind, in der selben Höhe wie die kostenorientierten Zusammenschaltungsentgelte des Marktbeherrschers festgelegt werden können. Eine gesetzmäßige Interessenabwägung ist jedoch nur möglich, wenn die belangte Behörde die für die Interessenabwägung wesentlichen Umstände ermittelt und ihrer Entscheidung zu Grunde legt. Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren dargetan, dass sie ihre eigenen Kosten für die Erbringung der Zusammenschaltungsleistungen als einen wesentlichen Umstand ansieht, der bei der Festlegung der Zusammenschaltungsentgelte zu berücksichtigen sei; ebenso hat sie vorgebracht, dass andere Netzbetreiber mit ihr Zusammenschaltungsvereinbarungen zu den von ihr gewünschten Bedingungen abgeschlossen hätten.
Zwar kann es bei der Festlegung von Zusammenschaltungsentgelten nicht marktbeherrschender Betreiber nicht ausschließlich auf deren konkrete Kosten bei der Erbringung der Zusammenschaltungsleistungen ankommen, doch können die tatsächlichen Kosten nicht von vornherein als für die Interessenabwägung jedenfalls unerheblich angesehen werden.
Wie die Beschwerdeführerin zutreffend darlegt, hat die belangte Behörde auch bei den Mobilzusammenschaltungsentgelten unterschiedliche Festlegungen getroffen. In diesen Fällen hat die belangte Behörde jeweils Gutachten über die tatsächlichen Kosten der Unternehmen eingeholt und im Sinne einer Interessenabwägung bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt; diese Interessenabwägung unter Bedachtnahme u.a. auf die Kosten der Netzbetreiber als einem Kriterium unter mehreren wurde vom Verwaltungsgerichtshof nicht als rechtswidrig erkannt (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 18. März 2004, Zlen. 2002/03/0164, 2002/03/0165 und 2002/03/0188). Ebenso ist es im Rahmen der Zusammenschaltung nicht marktbeherrschender Unternehmen bei der Beurteilung der berechtigten Interessen der Verfahrensparteien von Bedeutung, zu welchen Bedingungen und mit welchen Netzbetreibern von den verfahrensbeteiligten Unternehmen auf privatrechtlicher Basis Zusammenschaltungsvereinbarungen ohne Anrufung der Regulierungsbehörde abgeschlossen wurden.
Auf Grund der unzutreffenden Rechtsansicht der belangten Behörde, wonach das kostenorientierte Zusammenschaltungsentgelt, zu dem ein marktbeherrschendes Unternehmen im Sinne des § 33 TKG zur Erbringung von Zusammenschaltungsleistungen verpflichtet ist, zugleich auch jedenfalls das angemessene Entgelt für nicht marktbeherrschende Festnetzbetreiber darstelle, hat es die belangte Behörde unterlassen, zu den für die Interessenabwägung relevanten, von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Umständen, nähere Erhebungen durchzuführen und diesbezügliche Feststellungen im angefochtenen Bescheid zu treffen. Sie hat damit den Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
5. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 28. April 2004
Schlagworte
Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4 Gemeinschaftsrecht Richtlinie Umsetzungspflicht EURallg4/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2002030084.X00Im RIS seit
03.06.2004