Index
10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallLeitsatz
Anlassfallwirkung der Aufhebung des Wortes "Sittersdorf" in §2 Abs2 Z3 der AmtssprachenV (Slowenisch), BGBl 307/1977, mit E v 04.10.00, V91/99.Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnungsbestimmung in seinen Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Das Land Kärnten ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters die mit ATS 18.000,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Eberndorf vom 24. Jänner 1995 wurde die Anschlusspflicht der Liegenschaft des Beschwerdeführers an die Kanalisationsanlage der Marktgemeinde Eberndorf ausgesprochen. Der Beschwerdeführer beantragte mit - in slowenischer Sprache verfasster - Eingabe vom 2. Feber 1995, ihm den oben angeführten Bescheid in slowenischer Sprache zuzustellen, da er beabsichtige, gegen diesen Bescheid Berufung einzubringen und aufgrund seiner Zugehörigkeit zur slowenischen Volksgruppe im Sinne des Art7 Z3 StV Wien das Recht besitze, Erledigungen in seiner Muttersprache zu verlangen.
1.2. Dem Beschwerdeführer wurde daraufhin mit Schreiben vom 22. Feber 1995 seine in slowenischer Sprache verfasste Eingabe rückübermittelt und ihm aufgetragen, den Antrag vom 2. Feber 1995 in deutscher Sprache einzubringen, da die Marktgemeinde Eberndorf gemäß den Bestimmungen der Verordnung der Bundesregierung BGBl. 1977/307 nicht zu jenen Gemeinden gehöre, in denen die slowenische Sprache als Amtssprache zugelassen ist. Dies lehnte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 8. März 1995 ab und beantragte neuerlich die bescheidmäßige Erledigung seines Antrages vom 2. Feber 1995.
1.3. Mangels einer Entscheidung durch die Marktgemeinde Eberndorf stellte der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 11. September 1995 einen Devolutionsantrag an den Gemeindevorstand und in der Folge mit Schriftsatz vom 2. April 1996 einen weiteren Devolutionsantrag an den Gemeinderat als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde. Der Gemeinderat wies die "Berufung" mit der Begründung zurück, die Marktgemeinde Eberndorf zähle nicht zu jenen Gemeinden, in denen die slowenische Sprache zusätzlich zur deutschen Sprache als Amtssprache vor den Gemeindebehörden oder Gemeindedienststellen zugelassen ist, sodass der Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Bescheides in slowenischer Sprache keine Deckung in den volksgruppenrechtlichen Bestimmung finde.
2. Mit dem nunmehr vor dem Verfassungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 20. Feber 1997 wurde die dagegen erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen und der Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Eberndorf vom 26. November 1996 bestätigt, der den Antrag des Beschwerdeführers auf Zustellung des Bescheides über die Anschlusspflicht an die Kanalisationsanlage in slowenischer Sprache als unzulässig zurückgewiesen hatte.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung (§2 der Verordnung der Bundesregierung BGBl. 1977/307) bzw. eines verfassungswidrigen Gesetzes (§2 Abs1 Z3 Volksgruppengesetz) verletzt.
II. 1. Der Verfassungsgerichtshof leitete aus Anlass der zu B28/98 protokollierten Beschwerde gemäß Art139 Abs1 von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des Wortes "Sittersdorf" in §2 Abs2 Z3 der Verordnung der Bundesregierung vom 31. Mai 1977 über die Bestimmung der Gerichte, Verwaltungsbehörden und sonstigen Dienststellen, vor denen die slowenische Sprache zusätzlich zur deutschen Sprache als Amtssprache zugelassen wird, BGBl. 307, ein und hob mit Erkenntnis vom 4. Oktober 2000, V91/99, die in Prüfung gezogene Verordnungsbestimmung als gesetzwidrig auf.
2. Gemäß Art139 Abs6 B-VG wirkt die Aufhebung einer Verordnung auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als gesetzwidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundeliegenden Tatbestands nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem in Art139 Abs6 B-VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Verordnungsprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Verordnungsprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (vgl. VfSlg. 10.616/1985, 10.736/1985, 10.954/1986).
Die nichtöffentliche Beratung im Verordnungsprüfungsverfahren zu V91/99 fand am 4. Oktober 2000 statt. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 1. April 1997 eingelangt, war also zum Zeitpunkt der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der ihr zugrundeliegende Fall ist somit einem Anlassfall gleichzuhalten.
Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als gesetzwidrig aufgehobene Verordnungsbestimmung an. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass dadurch die Rechtssphäre des Beschwerdeführers nachteilig beeinflusst wurde. Der Beschwerdeführer wurde somit wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnungsbestimmung in seinen Rechten verletzt.
Der Bescheid ist daher aufzuheben.
3. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG 1953 abgesehen.
4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG 1953. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von ATS 3.000,- enthalten.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2000:B726.1997Dokumentnummer
JFT_09998988_97B00726_00