TE Vwgh Erkenntnis 2004/5/6 2001/20/0660

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Veröffentlicht am 06.05.2004
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §5 idF 1999/I/004;
MRK Art3;
MRK Art8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Grünstäudl und Dr. Berger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des A in W, geboren 1959, vertreten durch Mag. Martin W. Pahr, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Reichsratsstraße 11, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 2. Juli 2001, Zl. 222.908/0- V/15/01, betreffend § 5 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Iran, gelangte am 18. Oktober 2000 über Italien in das Bundesgebiet und beantragte die Gewährung von Asyl.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 12. Juni 2001 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass gemäß Art. 6 und Art. 11 Abs. 4 des Übereinkommens über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrages, BGBl. III Nr. 165/1997 (Dubliner Übereinkommen - DÜ), Italien für die Prüfung des Asylantrages des Beschwerdeführers zuständig sei. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer mit diesem Bescheid nach Italien ausgewiesen. Das Bundesasylamt begründete seine Entscheidung mit der über Italien erfolgten Einreise des Beschwerdeführers in das Bundesgebiet und verwies darauf, dass Italien das Ersuchen Österreichs um Aufnahme des Asylwerbers innerhalb der in Art. 11 Abs. 4 DÜ genannten Frist nicht beantwortet habe.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung und bezog sich auf seine in Art. 3 und Art. 8 EMRK verankerten Rechte. Es stelle eine Verletzung des Refoulementverbots dar, wenn man Asylwerber in ein Land ausweise, von dem sie an den Ort, an dem ihr Leben oder ihre Freiheit in Gefahr sei, weitergeschickt würden. Der Beschwerdeführer habe im Iran asylrelevante Verfolgung erlitten und leide deshalb unter schweren psychischen und physischen Erkrankungen. Er bedürfe dringend ärztlicher Hilfe, deren Gewährung in Italien nicht sichergestellt sei. In Wien erhalte er eine Therapie, die mit intensiver Betreuung verbunden sei. Er solle keinesfalls aus dieser Betreuung genommen werden, weil sich sein Zustand zeitweise dramatisch verschlimmere und lebensbedrohliche Ausmaße annehme.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ab. Was die Zuständigkeit Italiens zur Prüfung des Asylantrages des Beschwerdeführers betreffe, so schließe sich die belangte Behörde der Begründung des Erstbescheides vollinhaltlich an. Zum Einwand des Beschwerdeführers, er werde durch die Ausweisung in verfassungsgesetzlich geschützten Rechten verletzt, verwies die belangte Behörde - in Auseinandersetzung nur mit der allgemein gehaltenen Kritik des Beschwerdeführers an § 5 AsylG, aber nicht mit seinem fallbezogenen Vorbringen zu seinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen - auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, nach der bei Zutreffen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AsylG zwingend die Zurückweisung des Asylwerbers zu erfolgen habe. Im Übrigen hätten sich die Vertragsstaaten des Dubliner Übereinkommens völkerrechtlich zur Durchführung eines der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechenden Asylverfahrens verpflichtet. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union hätten sich zudem zur Beachtung der in der EMRK gewährleisteten Grundrechte verpflichtet und in einem am 2. Oktober 1997 in Amsterdam unterzeichneten Protokoll festgehalten, dass sie füreinander als sichere Herkunftsländer gelten. Daraus lasse sich zweifelsfrei ableiten, dass diese Staaten auch sichere Drittstaaten seien.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen den angefochtenen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 23. Jänner 2003, Zl. 2000/01/0498, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, er halte an seinen Rechtssätzen, wonach § 5 AsylG keiner verfassungskonformen Auslegung im Sinne einer Bedachtnahme auf Art. 3 und 8 EMRK zugänglich sei und dem Asylwerber kein subjektiv-öffentliches Recht auf Eintritt eines nach dem Wortlaut des DÜ unzuständigen Mitgliedstaates (Österreich) in die Prüfung des Asylantrages zustehe, nicht fest, sondern schließe sich der (im genannten Erkenntnis näher wiedergegebenen) Ansicht des Verfassungsgerichtshofes in dessen Erkenntnis vom 8. März 2001, G 117/00 u.a., VfSlg. 16.122, an. Für den vorliegenden Beschwerdefall bedeutet das, dass die belangte Behörde die auf der EMRK beruhenden Einwände des Beschwerdeführers gegen seine Ausweisung nach Italien inhaltlich hätte prüfen müssen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Wien, am 6. Mai 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2001200660.X00

Im RIS seit

02.07.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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