Index
34 MonopoleNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung einer Bestimmung des GlücksspielG betreffend Betriebsschließung mangels aktueller Betroffenheit der antragstellenden, im Konkurs befindlichen und keine Geschäftstätigkeit ausübenden GesellschaftSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Die antragstellende Gesellschaft ist Inhaberin einer Gewerbeberechtigung ("Halten von erlaubten Kartenspielen ohne Bankhalter") und betrieb im Zeitpunkt der Einbringung des vorliegenden Antrages im 1. Wiener Gemeindebezirk - in unmittelbarer Nähe einer Betriebsstätte der Casino Austria AG - ein Kartencasino. Mit ihrem auf Art140 B-VG gestützten Antrag begehrt sie - mit näherer Begründung - die Aufhebung des §56a des Bundesgesetzes vom 28. November 1989 zur Regelung des Glückspielwesens, idF BGBl. I 130/1997, im folgenden GSpG.
§56a GSpG - welcher unter der Überschrift "Betriebsschließung" steht - hat folgenden Wortlaut:
"(1) Besteht der begründete Verdacht, daß im Rahmen einer betrieblichen Tätigkeit Glücksspiele entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes veranstaltet oder durchgeführt werden, und ist mit Grund anzunehmen, daß eine Gefahr der Fortsetzung besteht, so kann die Behörde ohne vorausgegangenes Verfahren, aber nicht ohne vorher zur Einstellung der entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes veranstalteten oder durchgeführten Glücksspiele aufgefordert zu haben, an Ort und Stelle die gänzliche oder teilweise Schließung des Betriebes verfügen. Von einer Betriebsschließung ist Abstand zu nehmen, wenn eine weitere Gefährdung der Interessen des Glücksspielmonopols durch andere geeignete Vorkehrungen, wie die Stillegung von Einrichtungen, Beschlagnahmen oder sonstige Maßnahmen, mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann.
(2) Bei der Erlassung einer Verfügung nach Abs1 sind bestehende Rechte soweit zu schonen, als dies ohne Gefährdung der Ziele dieses Bundesgesetzes möglich ist. Eine Verfügung nach Abs1 ist unverzüglich aufzuheben, wenn feststeht, daß der Grund für ihre Erlassung nicht mehr besteht.
(3) Über eine Verfügung nach Abs1 ist binnen drei Tagen ein schriftlicher Bescheid zu erlassen, widrigenfalls die Verfügung als aufgehoben gilt. Ein Bescheid gilt auch dann als erlassen, wenn eine Zustellung an den Verfügungsberechtigten an dessen Unternehmenssitz oder an der Betriebsstätte nicht möglich ist. Die Zustellung des Bescheides kann in einem solchen Fall durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen.
(4) In einem Bescheid nach Abs3 können auch andere nach Abs1 zulässige Maßnahmen angeordnet werden. Ein Bescheid ist aufzuheben, wenn eine fortdauernde Gefährdung der Interessen des Glücksspielmonopols nicht mehr besteht.
(5) Ordentlichen Rechtsmitteln gegen Bescheide über Verfügungen nach Abs1 kommt keine aufschiebende Wirkung zu."
2. In Bezug auf ihre Antragsberechtigung bringt die antragstellende Gesellschaft im wesentlichen vor, daß sie damit rechnen müsse, von der Republik Österreich auf Grund des §56a GSpG eines Tages aufgefordert zu werden, ihre Tätigkeit im Rahmen des von ihr betriebenen Kartencasinos einzustellen; käme sie dieser Aufforderung nicht nach, so drohe die gänzliche Schließung des Betriebes. "Dies lediglich aus dem Verdacht heraus, daß im Rahmen unserer betrieblichen Tätigkeit Glücksspiele entgegen den Vorschriften des Glücksspielgesetzes veranstaltet oder durchgeführt werden, aus unserer Weigerung, diese unsere Tätigkeit sofort einzustellen, sich die Gefahr für eine diesbezügliche Fortsetzung ergebe, und daß dadurch fiskalische Interessen der Republik Österreich in Gestalt des Glücksspielmonopols gefährdet erscheinen."
Dies alles - so die antragstellende Gesellschaft weiter -, ohne daß in einem rechtsstaatlichen Grundsätzen folgenden Verfahren rechtskräftig festgestellt worden wäre, daß sie solche verbotene Glücksspiele tatsächlich veranstalte oder durchführe, bzw. daß es sich bei den Glücksspielen, die in ihrem Bereich stattfinden, in der Tat um verbotene Glücksspiele handle.
Nach der Verfügung der Schließung, die das sofortige Zusperren zur Folge hätte, wäre binnen drei Tagen ein diesbezüglicher schriftlicher Bescheid zu erlassen; eine solche Entwicklung abzuwarten erscheine der antragstellenden Gesellschaft aber unzumutbar, weshalb sie ihre Antragslegitimation zur Bekämpfung des §56a GSpG als gegeben erachtet.
3.1. Die Bundesregierung erstattete auf Grund ihres Beschlusses vom 29. August 2000 eine Äußerung, in der sie den Antrag stellt, der Verfassungsgerichtshof wolle den vorliegenden Antrag zurückweisen, in eventu die angefochtene Bestimmung nicht als verfassungswidrig aufheben; für den Fall der Aufhebung stellt die Bundesregierung den Antrag, für das Außerkrafttreten eine Frist von einem Jahr zu bestimmen.
3.2. Nach Auffassung der Bundesregierung ist der Antrag u.a. bereits aus dem Grund mangelnder Antragslegitimation zurückzuweisen:
Unter Verweis auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach die aktuelle Betroffenheit nicht nur im Zeitpunkt der Antragstellung, sondern auch im Zeitpunkt der Entscheidung gegeben sein müsse, weist die Bundesregierung darauf hin, daß die antragstellende Gesellschaft Anfang Juli 2000 - also nach der Antragseinlangung beim Verfassungsgerichtshof - in Konkurs gegangen sei. Die Bekanntmachung des Handelsgerichtes Wien sei am 4. Juli 2000 unter der Zl. 3 S 300/00p erfolgt; das Unternehmen sei zur Zeit geschlossen (Beschluß des Handelsgerichtes Wien ebenfalls vom 4. Juli 2000).
Es sei sohin auf Grund der genannten Konkurseröffnung nach dem Zeitpunkt der Einbringung des (Individual)Antrages keine "aktuelle" Betroffenheit der antragstellenden Gesellschaft (mehr) gegeben, weshalb der Antrag mangels Legitimation zur Antragstellung gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG als unzulässig zurückzuweisen sei.
4. Über Aufforderung durch den Verfassungsgerichtshof stellte die Masseverwalterin (der sich nunmehr in Konkurs befindlichen antragstellenden Gesellschaft) - unter Berufung auf §7 Abs2 KO - mit Schreiben vom 2. November 2000 den Antrag, das durch die Konkurseröffnung unterbrochene Verfahren fortzusetzen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit des Antrages erwogen:
1. Das durch die Konkurseröffnung über die antragstellende Gesellschaft unterbrochene Verfahren ist, da die Masseverwalterin der antragstellenden Gesellschaft der Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes innerhalb der ihr gesetzten Frist nachgekommen ist und gemäß §7 Abs2 KO bekanntgegeben hat, in das Verfahren einzutreten, gemäß §35 VerfGG iVm §159 ZPO fortzusetzen.
2. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (VfSlg. 11.726/1988, 13.765/1994).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes muß überdies die für die Zulässigkeit eines Individualantrages erforderliche aktuelle Betroffenheit der Antragsteller auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes gegeben und die angefochtene generelle Norm daher auch in diesem Zeitpunkt für die Antragsteller noch wirksam sein (VfSlg. 9868/1983, 12.999/1992, 14.667/1996 und 15.021/1997).
3. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung fehlt es der antragstellenden Gesellschaft bereits aus folgendem Grund an der Antragslegitimation:
3.1. Der vorliegende (Individual)Antrag ist am 16. Juni 2000 beim Verfassungsgerichtshof eingelangt. Über die antragstellende Gesellschaft wurde aber im Juli 2000 der Konkurs eröffnet und in der Folge (auch) die Schließung des Unternehmens angeordnet (siehe die Bekanntmachung des Handelsgerichtes Wien, Zl. 3 S 300/00p).
Da die antragstellende Gesellschaft seither keine Geschäftstätigkeit ausübt, die Setzung irgendeiner Maßnahme (wie der Schließung des Betriebes) nach §56a GSpG daher ausgeschlossen ist, erweist sich der Antrag mangels aktueller Betroffenheit, die nach der zitierten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht bloß im Zeitpunkt der Antragseinbringung, sondern auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichtshofes gegeben sein muß, als unzulässig.
3.2. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich die Prüfung der Frage, ob einer meritorischen Erledigung des Antrages (auch noch) andere Prozeßhindernisse entgegenstünden.
4. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden.
Schlagworte
Glücksspiel, Glücksspielmonopol, Insolvenzrecht, VfGH / IndividualantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2000:G73.2000Dokumentnummer
JFT_09998873_00G00073_00