TE Vwgh Erkenntnis 2004/5/17 2004/06/0037

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Veröffentlicht am 17.05.2004
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
25/04 Sonstiges Strafprozessrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ARHG §34 Abs1;
AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;
AVG §8;
B-VG Art132;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde des S W in C, Vereinigte Staaten von Amerika, vertreten durch Schuppich Sporn & Winischhofer, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Falkestraße 6, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 21. November 2003, Zl. 1.47366/174-IV 1/03, betreffend Zurückweisung eines Antrages in einer Auslieferungsangelegenheit, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Zur Vorgeschichte kann auf den hg. Beschluss vom 13. Juni 2002, Zl. 2002/06/0073, verwiesen werden. Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens war die Erledigung des Bundesministers für Justiz vom 10. Mai 2002, in dem der Bundesminister für Justiz mitgeteilt hat, dass er auf der Grundlage des Beschlusses des Oberlandesgerichtes Wien vom 8. Mai 2002 die Auslieferung des Beschwerdeführers, eines amerikanischen Staatsangehörigen, zur Vollstreckung von der mit näher genanntem Strafurteil verhängten Freiheitsstrafe bewilligt hat.

Die dagegen zunächst beim Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 23. Mai 2002, B 923/02-9, gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG abgelehnt.

Auf Grund der gegen die angeführte Erledigung des Bundesministers für Justiz in der Folge erhobene Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof, die am 24. Mai 2002 eingebracht wurde, wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom selben Tag, Zl. 2002/06/0073-2, dem Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung stattgegeben.

Am 9. Juni 2002 erfolgte - ungeachtet des angeführten Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes, mit dem die aufschiebende Wirkung gewährt worden war - die Auslieferung des Beschwerdeführers an die Vereinigten Staaten von Amerika.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerde daraufhin mit Beschluss vom 13. Juni 2002, Zl. 2002/06/0073, mit folgender Begründung als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt.

"Durch die erfolgte Auslieferung des Beschwerdeführers ist das Ziel der Beschwerde - dessen Verwirklichung für den Fall des Erfolges der Beschwerde durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gesichert werden sollte - jedenfalls vereitelt. Die angefochtene Erledigung bewirkt im dargelegten Sinne jedenfalls keine fortwirkende Verletzung in einem allfälligen subjektiven Recht des Beschwerdeführers mehr. Wie sich auch aus der angeführten Stellungnahme des Beschwerdeführers ergibt, wird eine fortwirkende Verletzung in Rechten des Beschwerdeführers durch die angefochtene Erledigung nicht geltend gemacht. Eine allfällige Aufhebung der angefochtenen Erledigung durch den Verwaltungsgerichtshof könnte an der durch die Auslieferung faktisch hergestellten Rechtsstellung des Beschwerdeführers nichts mehr ändern, die belangte Behörde könnte nicht mehr im Sinne des § 63 Abs. 1 VwGG neuerlich über das Auslieferungsersuchen der Vereinigten Staaten entscheiden, weil ihm durch die Auslieferung ohnedies faktisch und endgültig entsprochen wurde".

Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 2002, G 151, 152/02-15, wurde auf Grund des Individualantrages des Beschwerdeführers § 33 Abs. 5 zweiter Satz Auslieferungs- und RechtshilfeG (ARHG), der anordnete, dass gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes ein Rechtsmittel nicht zulässig sei, als verfassungswidrig aufgehoben. Weiters wurde angeordnet, dass in dem den Beschwerdeführer betreffenden Verfahren beim Oberlandesgericht die aufgehobene Bestimmung nicht mehr anzuwenden sei.

In der Folge hat der Oberste Gerichtshof die vom Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes vom 8. Mai 2002 erhobene, mit einem Wiedereinsetzungsantrag eingebrachte Beschwerde nach Bewilligung der Wiedereinsetzung mit Beschluss vom 9. September 2003 abgewiesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 11. November 2003, über das Auslieferungsersuchen der Vereinigten Staaten von Amerika vom 18. Dezember 2000 gemäß § 34 Abs. 1 Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz (ARHG) bescheidmäßig zu erkennen und die Auslieferung des Beschwerdeführers - insbesondere unter Berücksichtigung des Schutzes der Menschenrechte - abzulehnen, zurückgewiesen. Die Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer in seinem Antrag darlege, dass durch den Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 9. September 2003, mit dem die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes vom 8. Mai 2002 abgewiesen worden sei, der Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien scheinbar formell rechtskräftig geworden sei und daher der Bundesminister für Justiz über die Auslieferung des Beschwerdeführers im Sinne des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 2002, G 151, 152/02, mit Bescheid über die Bewilligung oder Ablehnung der Auslieferung zu entscheiden habe, wogegen der Beschwerdeführer im Beschwerdeweg den Verwaltungs- sowie Verfassungsgerichtshof anrufen könne.

Das Rechtsmittel des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 8. Mai 2002 sei erfolglos geblieben. Dieser Beschluss, der Grundlage für die Bewilligung der Auslieferung durch den Bundesminister für Justiz vom 10. Mai 2002 gewesen sei, sei durch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 9. September 2003 unverändert in Rechtskraft erwachsen.

Dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 2002, G 151, 152/02, sei nicht zu entnehmen, dass das nunmehr zulässige Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof gegen eine Zulässigkeitsentscheidung des Oberlandesgerichtes analog der Grundrechtsbeschwerde nach dem Grundrechtsbeschwerdegesetz aufschiebende Wirkung zukommen würde.

Hinsichtlich der Auslieferung des Beschwerdeführers in die Vereinigten Staaten von Amerika bestehe eine vom Beschwerdeführer selbst als Bescheid qualifizierte Entscheidung des Bundesministers für Justiz vom 10. Mai 2002. Diese Entscheidung sowie der dieser Entscheidung zu Grunde liegende Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 8. Mai 2002 seien bislang durch Erkenntnisse der Höchstgerichte weder aufgehoben noch abgeändert worden.

Der Beschwerdeführer begehre eine abermalige Entscheidung hinsichtlich der Bewilligung seiner Auslieferung in die Vereinigten Staaten von Amerika, sohin hinsichtlich eines identen Sachverhaltes. Die Wiederaufnahme des Verfahrens sei nicht beantragt worden. Ebenso wenig würden Gründe vorgebracht, die zu einer Abänderung oder Behebung der Entscheidung gemäß § 68 AVG Anlass gäben. Da das begehrte Verwaltungshandeln gesetzlich nicht vorgesehen sei, sei der Antrag zurückzuweisen.

Schließlich komme der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 27. Februar 2003, K I-5/02-8, zum Ergebnis, dass die Frage der Wahrung der Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers im amerikanischen Strafverfahren und damit auch die Beschränkung seines Rechtsmittelrechts als Kontumazionsfolge vom Oberlandesgericht Wien in seinem Beschluss vom 8. Mai 2002 im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte geprüft worden sei. Damit habe das Oberlandesgericht Wien seine Zuständigkeit hinsichtlich der vom Beschwerdeführer im vorliegenden Antrag abermals relevierten Frage bejaht und habe seinen Auftrag zur umfassenden Prüfung der Zulässigkeit der Auslieferungsvoraussetzungen nach § 33 ARHG entsprochen. Daher komme dem Bundesminister für Justiz eine Prüfung dieser vom Gericht zu lösenden Frage nicht zu (es wird auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 2002, G 151, 152/02-15, S. 24, verwiesen). Eine Ablehnung der Auslieferung durch die belangte Behörde unter Berufung auf den Schutz der Menschenrechte nach § 34 Abs. 1 AHRG würde aus den Gründen des Art. 2 des 7. ZP-EMRK eine Verletzung des Trennungsgrundsatzes nach Art. 94 B-VG darstellen.

In der an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht. Der Beschwerdeführer erachtet sich in dem ihm "gemäß § 34 (1) ARHG gesetzlich gewährleisteten Recht auf bescheidmäßige Erledigung und Ablehnung der Auslieferung" verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 34 Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz - ARHG, BGBl. Nr. 529/1979 i.d.F. vor der Novelle BGBl. I Nr. 15/2004, lautet wie folgt:

"§ 34. (1) Über das Auslieferungsersuchen befindet der Bundesminister für Justiz nach Maßgabe zwischenstaatlicher Vereinbarungen und der Grundsätze des zwischenstaatlichen Rechtsverkehrs. Er nimmt dabei auf die Interessen der Republik Österreich, auf völkerrechtliche Verpflichtungen, insbesondere auf dem Gebiet des Asylrechtes, und auf den Schutz der Menschenwürde Bedacht. Er hat die Auslieferung abzulehnen, soweit sie der Gerichtshof zweiter Instanz für unzulässig erklärt hat.

(2) Ist die Auslieferung im Verhältnis zu mehreren Staaten zulässig, so hat der Bundesminister für Justiz auch darüber zu entscheiden, welchem Auslieferungsersuchen der Vorrang zukommt.

(3) Liegen die Voraussetzungen des § 32 vor und hat die auszuliefernde Person ihre Einwilligung nicht widerrufen, so hat der Bundesminister für Justiz unter Bedachtnahme auf § 37 Z. 1 und 3 die Übergabe der auszuliefernden Person anzuordnen. Bestehen jedoch aus einem der im ersten Abschnitt des II. Hauptstückes angeführten Gründe Bedenken gegen die Zulässigkeit der Auslieferung, so ist das Verfahren nach den §§ 31, 33 und 34 Abs. 1, 2 und 4 durchzuführen.

(4) Der Bundesminister für Justiz hat seine Entscheidung dem ersuchenden Staat und, abgesehen vom Fall der vereinfachten Auslieferung, auch dem Gerichtshof zweiter Instanz mitzuteilen, der im Weg des Gerichtshofes erster Instanz die Benachrichtigung der auszuliefernden Person und ihres Verteidigers veranlasst."

Gegenstand eines Auslieferungsverfahrens ist - wie auch im vorliegenden Fall - ein Auslieferungsersuchen eines anderen Staates. Die im § 73 Abs. 1 AVG verankerte Entscheidungspflicht von Verwaltungsbehörden bezieht sich auf Anträge von Parteien gemäß § 8 AVG und auf Berufungen. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass die Behörde gegenüber einer Partei, die an die Behörde ein Anbringen nicht gerichtet hat, nach § 73 Abs. 1 AVG keine Entscheidungspflicht trifft (vgl. u.a. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, S 1624, in E. 1 angeführte hg. Judikatur). Dem Beschwerdeführer, der in dem verfahrensgegenständlichen Auslieferungsverfahren nicht Antragsteller war, kam somit ein Recht auf bescheidmäßige Erledigung bzw. auf Entscheidung über das Auslieferungsersuchen der Vereinigten Staaten von Amerika gemäß § 73 Abs. 1 AVG nicht zu.

Wenn aber dem Beschwerdeführer kein Recht auf bescheidmäßige Erledigung des verfahrensgegenständlichen Auslieferungsersuchens zukam, kann ihm auch kein Recht auf eine inhaltlich bestimmte Erledigung des Ersuchens des ausländischen Staates (nämlich - wie dies der Beschwerdeführer geltend macht - in Form einer Ablehnung) zuerkannt werden. Schon aus diesem Grund kann der Beschwerdeführer in dem geltend gemachten Recht durch den angefochtenen Bescheid nicht verletzt sein.

Dem Beschwerdeführer kann jedoch darin nicht gefolgt werden, dass nach der bereits erfolgten Auslieferung noch eine neuerliche Bewilligung der Auslieferung durch den Bundesminister für Justiz gemäß § 34 Abs. 1 ARHG i.d.F. vor der Novelle BGBl. I Nr. 15/2003. zu erfolgen hätte. Die Bewilligung einer bereits erfolgten Auslieferung kommt nach dieser Bestimmung nämlich nicht in Betracht. Auch hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in dem angeführten Beschluss vom 13. Juni 2002 dargelegt, dass dem Beschwerdeführer ein Interesse an der Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen dieser Bestimmung für die bereits erfolgte Auslieferung fehlt, diese Frage wäre allenfalls in Form eines gegen die Auslieferung selbst gerichteten Rechtsmittels aufzuwerfen.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 17. Mai 2004

Schlagworte

Parteistellung Parteienantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2004060037.X00

Im RIS seit

23.06.2004

Zuletzt aktualisiert am

26.06.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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