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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
FrG 1997 §107 Abs1 Z4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde der T, vertreten durch Dr. Friedrich Bubla, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Kaiser-Franz-Ring 13, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 26. April 2001, Zl. Senat-BN-00-981, betreffend Übertretung des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 22. Februar 2000 wurde die Beschwerdeführerin, eine vietnamesische Staatsangehörige, für schuldig erkannt, sie habe sich in der Zeit vom 27. März 1999 bis 20. Jänner 2000 als Fremde nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten, weil sie weder auf Grund eines Aufenthaltstitels oder einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt noch Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels gewesen sei und ihr auch keine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz zugekommen sei (Pkt. 1.), weiters habe sie im selben Zeitraum vorsätzlich veranlasst, dass ein anderer eine Verwaltungsübertretung nach dem Fremdengesetz begehe, weil sie als Erziehungsberechtigte ihres namentlich genannten Kindes geduldet habe, dass sich dieses Kind als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe, weil dieses weder auf Grund eines Aufenthaltstitels oder einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt noch Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels gewesen sei und diesem auch keine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz zugekommen sei (Pkt. 2.). Die Beschwerdeführerin habe dadurch die §§ 31 Abs. 1, 107 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, übertreten und es werde über sie eine Geldstrafe von insgesamt S 6.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 144 Stunden) verhängt.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich der Berufung der Beschwerdeführerin gegen das genannte Straferkenntnis keine Folge. Die belangte Behörde begründete diese Entscheidung im Wesentlichen damit, dass sich die Beschwerdeführerin unwidersprochen seit 13. Oktober 1998 an einer näher genannten Adresse aufgehalten habe, ohne über einen entsprechenden Einreise- oder Aufenthaltstitel zu verfügen. Am 22. Oktober 1998 sei ihr im Spruch genanntes Kind zur Welt gekommen und halte sich seither ebenfalls zu Unrecht im Bundesgebiet auf. Die Beschwerdeführerin habe am 16. September bzw. 26. November 1998 Anträge auf Erteilung von Erstniederlassungsbewilligungen eingebracht. Wenn die Beschwerdeführerin vorbringe, dass sie und ihr Sohn sich insoweit rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten, als der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde gegen den Ausweisungsbescheid aufschiebende Wirkung zuerkannt habe, so verkenne sie die Rechtswirkungen der aufschiebenden Wirkung. Da die Beschwerdeführerin auch bis zur Erlassung des angefochtenen Ausweisungsbescheides der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 25. August 1999 nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt gewesen sei, vermöge auch die dieser Beschwerde zuerkannte aufschiebende Wirkung eine derartige Berechtigung nicht zu begründen. Das durch Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährte Recht stehe nicht unbedingt zu, sondern könne in den Fällen des Abs. 2 eingeschränkt werden. Weder Art. 8 EMRK noch dem FrG könne ein Inhalt unterstellt werden, dass es für den Ehepartner einer in Österreich zum Aufenthalt berechtigten Person schlechthin zulässig wäre, seinen nicht mehr zu beendigenden Aufenthalt im Bundesgebiet allein durch die Einreise zu erzwingen. Die Beschwerdeführerin sei am 8. Juli 1998 mit einem bis 12. Oktober 1998 gültigen Reisevisum in das Bundesgebiet eingereist und halte sich seit 12. Oktober (gemeint offenbar: 13. Oktober) 1998 ohne Einreise- bzw. Aufenthaltstitel, somit unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Gleiches gelte für ihren Sohn ab seiner Geburt. Der längere Zeit andauernde unrechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet sei als eine so schwerwiegende Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung zu betrachten, dass das Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung der Beschwerdeführerin jenes an der Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens überwiege.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Gemäß § 107 Abs. 1 Z. 4 FrG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (§ 31 FrG).
§ 31 FrG lautet auszugsweise:
"(1) Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf,
1. wenn sie unter Einhaltung der Bestimmungen des 2. Hauptstückes und ohne die Grenzkontrolle zu umgehen eingereist sind oder
2. wenn sie auf Grund eines Aufenthaltstitels oder einer Verordnung für Vertriebene (§ 29) zum Aufenthalt berechtigt sind oder
3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind oder
4. solange ihnen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1997 zukommt.
(3) Die Dauer des rechtmäßigen Aufenthaltes eines Fremden im Bundesgebiet richtet sich nach
1. der durch zwischenstaatliche Vereinbarung, Bundesgesetz oder Verordnung getroffenen Regelung oder
2. der Befristung des Einreise- oder Aufenthaltstitels."
Nach hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 30. Mai 2001, Zl. 2000/21/0009) kommt eine Bestrafung wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes nach § 107 Abs. 1 Z. 4 FrG rechtens nur in Betracht, wenn keine der im § 31 Abs. 1 leg. cit. angeführten Voraussetzungen eines rechtmäßigen Aufenthaltes gegeben ist, sowie dann, wenn die Rechtmäßigkeit eines Aufenthaltes gemäß § 31 Abs. 3 leg. cit. geendet hat. Im Spruch des Straferkenntnisses ist die als erwiesen angenommene Tat daher, um den Anforderungen des § 44a Z. 1 VStG zu entsprechen, durch Verneinung aller im § 31 Abs. 1 FrG genannten alternativen Voraussetzungen für eine Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes oder - im Fall des § 31 Abs. 3 FrG - durch Verneinung einer weiter bestehenden Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes zu umschreiben.
Wenn die Beschwerdeführerin meint, sie sei "ursprünglich rechtmäßig in Österreich eingereist", spricht sie offenkundig an, dass in ihrem Fall § 107 Abs. 1 Z. 4 iVm § 31 Abs. 3 FrG Anwendung zu finden hat. Dies hat die belangte Behörde bezüglich der Tatumschreibung des nicht rechtmäßigen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin übersehen. Was die Beihilfe zum unrechtmäßigen Aufenthalt ihres Kindes (für eine anfängliche Rechtmäßigkeit dessen Aufenthaltes nach § 28 Abs. 2 FrG sind keine Anhaltspunkte ersichtlich) betrifft, hat sie nicht alle Alternativen für die Rechtmäßigkeit nach § 31 Abs. 1 FrG verneint. Auch damit hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt.
Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 18. Mai 2004
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001210103.X00Im RIS seit
05.07.2004