TE Vwgh Erkenntnis 2004/5/18 2000/10/0174

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.05.2004
beobachten
merken

Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3L E13301400;
40/01 Verwaltungsverfahren;
82/05 Lebensmittelrecht;

Norm

31999L0021 Lebensmittel-RL diätetische Art2;
31999L0021 Lebensmittel-RL diätetische Art3;
31999L0021 Lebensmittel-RL diätetische Art5;
AVG §45 Abs2;
EURallg;
LMG 1975 §17 Abs1;
LMG 1975 §17 Abs2;
LMG 1975 §17 Abs4;
LMG 1975 §17 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde der N GmbH in Wien, vertreten durch Wolf Theiss & Partner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Schubertring 8, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom 12. September 2000, Zl. 333.463/2- IX/B/12/00, betreffend Untersagung des Inverkehrbringens eines angemeldeten Produktes als diätetisches Lebensmittel, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführenden Gesellschaft hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 7. Juni 2000 (bei der belangten Behörde am 13. Juni 2000 eingelangt) meldete die beschwerdeführende Gesellschaft gemäß § 17 Abs. 2 des Lebensmittelgesetzes 1975 (LMG) das Produkt "N BEBA Sensitive, geeignet von Geburt an" als diätetisches Lebensmittel an. Bei diesem Produkt handle es sich um eine Säuglingsmilchnahrung, die auf Grund des speziellen diätetischen Zweckes nicht unter die Verordnung der Säuglingsanfangs- und Folgemilchnahrung falle. Der diätetische Zweck liege in einer speziellen Ernährung von Säuglingen mit Blähungen und leichten Verdauungsproblemen und sei durch die Zusammensetzung dieser Milchnahrung gegeben. Das genannte Produkt sei bereits in Deutschland in der angeführten Aufmachung ordnungsgemäß in Verkehr.

Als Beilage war ein Etikett des Produktes mit den entsprechenden Angaben angeschlossen.

Die belangte Behörde holte eine Stellungnahme der zuständigen Fachabteilung ein. Danach unterscheide sich die Zusammensetzung des in Rede stehenden Produktes von Säuglingsanfangsnahrung dadurch, dass keine Laktose zugesetzt sei. Nach dieser Zweckbestimmung falle das Produkt unter Art. 1 Z. 3 lit. b der Richtlinie 1999/21/EG vom 25. März 1999 über diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke. Zur fachlichen Beurteilung der Eignung des Produktes für diesen Zweck seien nach Art. 3 der zitierten Richtlinie entsprechende klinische Studien und Untersuchungen bzw. Stellungnahmen anerkannter fachlicher Institutionen vorzulegen.

Nach telefonischer Rücksprache mit der beschwerdeführenden Gesellschaft teilte diese mit Eingabe vom 6. Juli 2000 (bei der belangten Behörde am 10. Juli 2000 eingelangt) mit, dass zwischenzeitig die Packung modifiziert worden sei. Es werde nunmehr hervorgehoben, dass es sich bei dem gegenständlichen Produkt um eine Spezialnahrung handle, die "vom ersten Fläschchen an" geeignet sei. Damit solle eine Verwechslungsgefahr mit einer Anfangsmilchnahrung ausgeschlossen werden. Außerdem werde das Wort "Hilft" (bei Blähungen und leichten Verdauungsproblemen) nicht mehr verwendet. Das Anwendungsgebiet sei nunmehr allgemein "Bei Blähungen und leichten Verdauungsproblemen" umschrieben. Studien hätten bewiesen, dass der überwiegende Teil von Blähungen auf Laktose-Unverträglichkeit zurückzuführen sei.

Der Eingabe war die Kopie eines modifizierten Etiketts des Produktes angeschlossen.

Die belangte Behörde holte neuerlich eine Stellungnahme der zuständigen Fachabteilung ein. Diese hob wiederum hervor, dass gemäß Art. 3 der genannten Richtlinie bei diätetischen Lebensmitteln für besondere medizinische Zwecke entsprechende Unterlagen über die Eignung des Produktes für den angegebenen diätetischen Zweck sowie über seine Unbedenklichkeit vorzulegen seien. Der Hinweis, dass Blähungen zum überwiegenden Teil auf Laktose-Unverträglichkeit zurückzuführen seien, erfülle die Anforderung des Art. 3 nicht.

Die beschwerdeführende Gesellschaft wurde vom Ergebnis der Beweisaufnahme schriftlich informiert und aufgefordert, binnen zwei Wochen eine Stellungnahme zu erstatten.

Mit Schreiben vom 24. Juli 2000 übersandte die beschwerdeführende Gesellschaft eine Broschüre mit Literaturhinweisen und folgende Artikel zu klinischen Untersuchungen, die bestätigen sollten, dass das Produkt auf Grund der Zusammensetzung besonders dazu geeignet sei, bei Säuglingen eine Besserung bei Koliken herbeizuführen:

"1. Protein hydrolysate reduces the gastrointestinal transit time in preterm infants - a controlled randomised trial (Pediatric Research, September 1997, Volume 42, Number 3, p.410)

2. Billeaud/Guillet/Sandler, Gastric emptying in infants with or without gastro-oesophageal reflux according to the type of milk (European Journal of Clinical Nutrition 1990, 44, 577-583)

3.

Kearney/Malone/Hayes/Cole/Hyland, A trial of lactase in the management of infant colic (Journal of Human Nutrition and Dietetics 1998, 11, 281- 4. Moore/Robb/Davidson, Breath hydrogen response to milk containing lactose in colicky and noncolicky infants (The Journal of Pediatrics, Dez. 1988, 979-984)

5.

Miller/McVeagh/Fleet/Petocz/Brand, Breath hydrogen excretion in infants with colic (Archives of Disease in Childhood, 1989, 64, 725-729)"

Die zuständige Fachabteilung der belangten Behörde erstattete auch dazu eine Stellungnahme. Danach handle es sich bei der von der beschwerdeführenden Gesellschaft vorgelegten Literatur um Artikel zu folgenden Themen:

"Reduzierung der gastrointestinalen Verweildauer bei Frühgeborenen durch Proteinhydrolysate

Die Magenentleerung bei Säuglingen mit bzw. ohne gastroösophagealem Reflux in Abhängigkeit zur verwendeten Milchart.

Therapieversuch mit Lactase bei Säuglingskoliken Bestimmung des Wasserstoff-Gehaltes in der Ausatemluft in Abhängigkeit vom Lactose-Gehalt der Milch bei Säuglingen mit und ohne Koliken

Bestimmung des Wasserstoff-Gehaltes in der Atemluft bei Säuglingen mit Koliken"

Aus den vorgelegten Unterlagen sei nach Auffassung der Fachabteilung nicht ableitbar, dass das gegenständliche Produkt in seiner konkreten Zusammensetzung der angeführten Zweckbestimmung gerecht werden könne. Hiezu seien einschlägige klinische Untersuchungen sowie einschlägige Stellungnahmen anerkannter fachlicher Institutionen vorzulegen.

Der beschwerdeführenden Gesellschaft wurde diese Äußerung am 18. August 2000 zur Stellungnahme binnen zwei Wochen zugestellt.

Mit Schreiben vom 7. September 2000 (bei der belangten Behörde am 12. September 2000 eingelangt) übersandte die beschwerdeführende Gesellschaft eine Stellungnahme von Prof. Dr. med. Wolf Th. Endres. Dieser vertrat im Wesentlichen die Auffassung, dass das gegenständliche Produkt der Richtlinie1999/21/EG entspreche sowie, dass keine klinischen Studien für den Nachweis der diätetischen Wirkung erforderlich seien. Die IDACE (Association of the Food Industries for Particular Nutritional Uses of the European Union) habe in ihren "Guidelines on the interpretation of the provisions of the Commission Directive (1999/21/EG) of 25 March 1999" eine Auslegung des Art. 3 vorgeschlagen, wonach "data in the public domain" zum Nachweis ausreichen sollten. Danach seien Säuglingskoliken häufig durch eine Unverträglichkeit von Lactose bedingt (Hinweis auf die oben unter Punkt 4. und 5. erwähnten Artikel) bzw. vermindere eine Lactosereduktion Koliken signifikant (Hinweis auf den unter Punkt 3. erwähnten Artikel).

Ferner waren dem Schreiben der beschwerdeführenden Gesellschaft Kopien der "Guidelines", der Richtlinie 1999/21/EG, der genannten Publikationen sowie der Verkehrsfähigkeitsbescheinigung angeschlossen.

Mit dem der beschwerdeführenden Gesellschaft am 13. September 2000 zugestellten angefochtenen Bescheid vom 12. September 2000 wurde das Inverkehrbringen des angemeldeten Produktes "N BEBA Sensitive" als diätetisches Lebensmittel gemäß § 17 Abs. 4 LMG untersagt.

Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensgeschehens und der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen führte die belangte Behörde begründend aus, die beschwerdeführende Gesellschaft sei der ihr durch § 17 Abs. 5 LMG auferlegten speziellen Mitwirkungspflicht am Ermittlungsverfahren insoweit nicht nachgekommen, als sie es verabsäumt habe, weitere für eine Beurteilung des in Rede stehenden Produktes notwendige Unterlagen vorzulegen. Der Behauptung der Gesellschaft, das in Rede stehende Produkt wäre bereits "ordnungsgemäß" in Deutschland in Verkehr, komme in diesem Zusammenhang keine Bedeutung zu, da die Frage, inwieweit eine Untersagung in der angemeldeten Produktkategorie zulässig sei, nach den hiefür bestehenden gemeinschaftsrechtlichen Regelungen zu beurteilen sei. Eine derartige Betrachtung führe allerdings zum Ergebnis, dass das in Rede stehende Produkt diesen Regelungen nicht entspreche. Art. 3 der Richtlinie 1999/21/EG besage: "Die Formulierung von Lebensmitteln für besondere medizinische Zwecke hat auf vernünftigen medizinischen und diätetischen Grundsätzen zu

beruhen ... müssen Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke

... wirksam sein in dem Sinne, dass sie den besonderen

Ernährungserfordernissen der Personen, für die sie bestimmt sind, entsprechen, was durch allgemein anerkannte wissenschaftliche Daten zu belegen ist". Mangels Vorlage dieser Daten habe eine Beurteilung des in Rede stehenden Produktes nicht vorgenommen werden können.

Nach einem Aktenvermerk der belangten Behörde vom 18. September 2000 habe sich die Stellungnahme der beschwerdeführenden Gesellschaft vom 7. September 2000 zeitlich mit dem Untersagungsbescheid "überschnitten". Im Hinblick auf das Ende der dreimonatigen Zuständigkeit (gemeint: bis 13. September 2000) und infolge der Sensibilität des Produktes habe dessen Inverkehrbringen untersagt werden müssen. Auch eine Berücksichtigung der vorgelegten Unterlagen hätte zu keiner anderen Entscheidung geführt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 17 Abs. 1 LMG (in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr.  69/2003) sind diätetische Lebensmittel Lebensmittel besonderer Beschaffenheit, die für bestimmte Gruppen von Verbrauchern zu dem Zweck hergestellt wurden,

a) die Zufuhr bestimmter Nährstoffe oder anderer ernährungsphysiologisch wirkender Stoffe zu steigern oder zu verringern oder

b) besonderen Ernährungsbedürfnissen bei Krankheiten, Mangelerscheinungen, Funktionsanomalien und bei Überempfindlichkeit gegen einzelne Lebensmittel oder deren Bestandteile, während der Schwangerschaft und Stillzeit sowie des Säuglings oder Kleinkindes Rechnung zu tragen,

und die sich dadurch von Lebensmitteln vergleichbarer Art unterscheiden. Wahrheitsgemäße Angaben über den diätetischen Zweck sind keine nach § 9 Abs. 1 verbotenen Bezeichnungen.

Nach § 17 Abs. 2 LMG ist es verboten, Lebensmittel unter einer Aufmachung oder unter Verwendung von Bezeichnungen, die die Eignung des Lebensmittels im Sinne des Abs. 1 dartun, vor ihrer Anmeldung beim Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen in Verkehr zu bringen.

Gemäß § 17 Abs. 4 LMG hat der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen durch Bescheid das Inverkehrbringen einer als diätetisches Lebensmittel angemeldeten Ware unverzüglich, längstens binnen drei Monaten zu untersagen, wenn die Ware den im Abs. 1 angeführten Anforderungen nicht entspricht oder für den vorgesehenen Zweck nicht geeignet ist.

Nach § 17 Abs. 5 LMG sind mit der Anmeldung Warenmuster und jene Unterlagen vorzulegen, die eine Beurteilung im Sinne des Abs. 1 ermöglichen.

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zugrunde, der Beurteilung des gegenständlichen Produktes sei die Richtlinie 1999/21/EG der Kommission vom 25. März 1999 über diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke zugrunde zu legen. Mangels Vorlage "allgemein anerkannter wissenschaftlicher Daten" im Sinne des Art. 3 dieser Richtlinie habe eine Beurteilung des in Rede stehenden Produktes durch die belangte Behörde nicht vorgenommen werden können.

Die Beschwerde hält dem entgegen, die belangte Behörde habe Art. 3 der Richtlinie "falsch interpretiert und angewendet". Nach den klaren Vorgaben der IDACE in ihren "Guidelines" vom März 1999 sei Art. 3 der Richtlinie dergestalt auszulegen, dass mit dem konkreten Produkt durchgeführte klinische Studien oder allgemein anerkannte wissenschaftliche Unterlagen bzw. klinische Daten zu dessen Entsprechung ausreichten. Aus den von der beschwerdeführenden Partei vorgelegten Unterlagen ergebe sich, dass es als allgemein anerkannte wissenschaftliche Tatsache angesehen und publiziert werde, dass die Hauptursache für Säuglingskoliken die oftmalige Laktoseunverträglichkeit sei. Ebenso anerkannt sei die Tatsache, dass eine Laktosereduktion mit einer signifikanten Linderung der Koliken einhergehe. Die fast völlige Laktosefreiheit des vorliegenden Produktes mache dieses zu einem Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke. Die Eignung des Produktes, den genannten Zweck herbeizuführen, ergebe sich mit hinreichender Sicherheit aus der vorgelegten Literatur, in welcher allgemein anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse sowie allgemein anerkannte Studien und klinische Untersuchungen zum Thema Säuglingskoliken und deren Behandlung angeführt würden. Aussagen in der vorgelegten Literatur wie etwa "Incomplete lactose absorption was twice as common in the colicky infants as in the control group" (vgl.  Miller ua.) und "Crying behaviour may be improved by changing milk formulas to either casein hydrolysate or soya bean formulas (Forsyth 1991). These formulas have a reduced lactose content" (vgl.  Kearny ua.) legten dies deutlich dar. Den Anforderungen des Art. 3 der Richtlinie sei daher bereits mit der Stellungnahme vom 24. Juli 2000 entsprochen worden. Die belangte Behörde hätte sich aber auch mit den ihr am 7. September 2000 übermittelten Unterlagen auseinander setzen und dazu der beschwerdeführenden Partei Parteiengehör gewähren müssen. Die Unterlagen seien zwar erst nach der zweiwöchigen Frist, jedoch noch vor Bescheiderlassung bei der belangten Behörde eingelangt.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Rechtswidrigkeit darzutun.

Artikel 3 der Richtlinie 1999/21/EG hat folgenden Inhalt:

"Die Formulierung von Lebensmitteln für besondere medizinische Zwecke hat auf vernünftigen medizinischen und diätetischen Grundsätzen zu beruhen. Sie müssen sich gemäß den Anweisungen des Herstellers sicher und nutzbringend verwenden lassen und wirksam sein in dem Sinne, dass sie den besonderen Ernährungserfordernissen der Personen, für die sie bestimmt sind, entsprechen, was durch allgemein anerkannte wissenschaftliche Daten zu belegen ist. Sie müssen den im Anhang dargelegten Kriterien für die Zusammensetzung genügen."

Eine ausdrückliche Festlegung, was unter "allgemein anerkannten wissenschaftlichen Daten" zu verstehen ist, enthält die Richtlinie nicht. Nach Auffassung der belangten Behörde sind darunter "einschlägige" klinische Untersuchungen sowie "einschlägige" Stellungnahmen anerkannter fachlicher Institutionen zu verstehen (vgl. die Stellungnahme der zuständigen Fachabteilung vom 11. August 2000). Aus dem Inhalt der von der beschwerdeführenden Gesellschaft vorgelegten Unterlagen sei aber "nicht ableitbar", dass das gegenständliche Produkt in seiner konkreten Zusammensetzung der angeführten Zweckbestimmung gerecht werden könne. Die beschwerdeführende Gesellschaft hat dazu mit Schriftsatz vom 7. September 2000 Stellung genommen, auf die die belangte Behörde allerdings nicht (mehr) eingegangen ist.

Nun führen Verfahrensmängel nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, wenn sie wesentlich sind und die belangte Behörde bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Die Wesentlichkeit der behaupteten Verfahrensmängel ist dabei von der Beschwerde darzutun (vgl. etwa die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, zu § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wiedergegebene Rechtsprechung, S. 590 ff.).

Die beschwerdeführende Gesellschaft hat in ihren Stellungnahmen verschiedene Äußerungen aus der medizinischen Literatur vorgelegt, die bestätigen sollten, es werde als allgemein wissenschaftliche Tatsache angesehen und publiziert, dass die Hauptursache für Säuglingskoliken die oftmalige Lactoseunverträglichkeit sei und das gegenständliche Produkt auf Grund der Zusammensetzung besonders dazu geeignet sei, bei Säuglingen eine Besserung bei Koliken herbeizuführen. Sie übersieht dabei allerdings, dass es sich bei den von ihr vorgelegten Unterlagen jedoch um keine Äußerungen handelt, die sich mit dem von ihr konkret angebotenen Produkt, einer bestimmten, "nahezu lactosefreien Spezialnahrung", auseinander setzen. Es liegt auch kein Anhaltspunkt dafür vor, dass die von der beschwerdeführenden Gesellschaft vorgelegten Belegstellen sich auf nach ihrer Zusammensetzung dem angegebenen Produkt identische Produkte bezogen hätten.

Dass sich die vorgelegten allgemein anerkannten wissenschaftlichen Daten auf das konkrete Produkt zu beziehen haben, ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Art. 3 der Richtlinie 1999/21/EG, wonach die dort näher umschriebenen speziellen Lebensmittel u.a. den besonderen Ernährungserfordernissen der Person, für die sie bestimmt sind, entsprechen müssen, kann diese Frage doch nur im Hinblick auf das jeweilige Produkt schlüssig beantwortet werden.

Das Unterbleiben der Auseinandersetzung mit den von der beschwerdeführenden Gesellschaft vorgelegten Unterlagen durch die belangte Behörde ist daher nicht als wesentlich zu erachten. Mit dem Vorbringen, die beschwerdeführende Gesellschaft hätte bei Gewährung von Parteiengehör auf Aussagen in der Literatur zum Thema Säuglingskoliken verwiesen, wird auch die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dargetan.

Zum Vorbringen der beschwerdeführenden Gesellschaft, die belangte Behörde habe § 13 Abs. 3 AVG unrichtig angewendet, ist Folgendes zu sagen: Nach dem oben wiedergegebenen § 17 Abs. 5 LMG sind mit der Anmeldung jene Unterlagen vorzulegen, die eine Beurteilung im Sinne des Abs. 1 ermöglichen. Die beschwerdeführende Gesellschaft hat bei der Anmeldung ihres Produktes dessen Aufmachung vorgelegt, woraus sich u.a. der diätetische Zweck ergab. Im Rahmen des darauf hin eingeleiteten Ermittlungsverfahrens wurde die beschwerdeführende Gesellschaft aufgefordert, zur Beurteilung des angegebenen diätetischen Zweckes weitere Unterlagen vorzulegen. Dieser Aufforderung ist die Beschwerdeführerin mit weiteren Eingaben nachgekommen, der Inhalt der vorgelegten Äußerungen wurde jedoch dahin beurteilt, dass daraus nicht ableitbar sei, dass das gegenständliche Produkt in seiner konkreten Zusammensetzung der angeführten Zweckbestimmung gerecht werden könne. Die Anmeldung des gegenständlichen Produktes wurde darauf hin in materiellrechtlicher Sicht - und nicht unter dem Gesichtspunkt des § 13 Abs. 3 AVG - beurteilt und das Inverkehrbringen des Produktes als diätetisches Lebensmittel gemäß § 17 Abs. 4 LMG untersagt.

Die Beschwerde zeigt auch keine Rechtswidrigkeit auf, wenn sie die Auffassung vertritt, es sei rechtswidrig, das Produkt einem "Anmeldeverfahren" nach § 17 Abs. 2 LMG zu unterziehen, weil Art. 5 der Richtlinie 1999/21/EG ein bloßes "Anzeigeverfahren" vorsehe. Auf der Grundlage der nach dem Gesagten nicht rechtswidrigen Auffassung, dass das Produkt den Vorschriften der Richtlinie nicht entspreche, durfte die belangte Behörde dessen Inverkehrbringen im Einklang mit der Richtlinie untersagen, weil auch Art. 2 anordnet, dass diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke nur dann in Verkehr gebracht werden dürfen, wenn sie den Vorschriften dieser Richtlinie entsprechen.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Anregung in der Beschwerde auf Vorlage zur Vorabentscheidung gemäß Art. 234 EG war nicht aufzugreifen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Kostenersatzverordnung 2003.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung war auch nicht unter dem Aspekt des Art. 6 MRK geboten, da die für die Entscheidung wesentlichen Sachverhaltselemente feststanden, eine Erörterung von Sachverhaltsfragen nicht erforderlich war und auch die Rechtsfragen keiner Erörterung bedurften. Gegenteiliges lässt sich auch aus der vorliegenden Beschwerde nicht entnehmen. Von der beantragten mündlichen Verhandlung wurde daher gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen (vgl. z.B. das Urteil des Europäischen Gerichthofes für Menschenrechte vom 19. Februar 1998, 8/1997/792/993, Jacobsson Nr. 2).

Wien, am 18. Mai 2004

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4 freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2000100174.X00

Im RIS seit

19.07.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten