TE Vfgh Beschluss 2000/11/27 G137/99 ua

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.11.2000
beobachten
merken

Index

62 Arbeitsmarktverwaltung
62/01 Arbeitsmarktverwaltung

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
AlVG §47 Abs1
ZPO §63 Abs1 / Aussichtslosigkeit

Leitsatz

Zurückweisung der Individualanträge auf Aufhebung einer Bestimmung des AlVG betreffend die formlose Anerkennung des Anspruches auf Arbeitslosengeld bzw Notstandshilfe mangels Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers in der behaupteten Weise; Abweisung der Verfahrenshilfeanträge wegen Aussichtslosigkeit

Spruch

Die Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe werden abgewiesen.

Die Anträge auf Gesetzesprüfung werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. Unter Berufung auf Art140 Abs1 (letzter Satz) B-VG begehrt der Antragsteller mit zwei selbst verfaßten Eingaben, den ersten Satz des die Erledigung von Leistungsanträgen regelnden §47 Abs1 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG) wegen Verstoßes gegen Art83 Abs2 iVm Art18 Abs1 B-VG als verfassungswidrig aufzuheben. Weiters begehrt er, ihm für die Einbringung seiner Anträge die Verfahrenshilfe zu bewilligen.

1. Über die Erledigung von Anträgen auf Leistungsbezug nach dem AlVG bestimmt §47 Abs1 AlVG folgendes (zur Aufhebung beantragter Satz hervorgehoben):

"(1) Wird der Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe anerkannt, so ist dem Leistungsbezieher eine Mitteilung auszustellen, aus der inbesondere Beginn, Ende und Höhe des Leistungsanspruches hervorgehen. Wird der Anspruch nicht anerkannt, so ist darüber dem Antragsteller ein Bescheid auszufolgen. Ausfertigungen, die im Wege der automationsunterstützten Datenverarbeitung erstellt wurden, bedürfen weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung.

(2) Personen, die Kontrollmeldungen einzuhalten haben, ist von der regionalen Geschäftsstelle eine Meldekarte auszustellen, in der insbesondere die Zahl, die Zeit und der Ort der einzuhaltenden Kontrollmeldungen anzugeben sowie die eingehaltenen Kontrollmeldungen zu bestätigen sind."

Gemäß §49 Abs1 AlVG hat sich der Arbeitslose zur Sicherung des Anspruches auf den Bezug von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe monatlich mindestens einmal bei der nach seinem Wohnort zuständigen regionalen Geschäftsstelle unter Vorweisung der Meldekarte persönlich zu melden. Wenn der Arbeitsloser trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine Kontrollmeldung unterläßt, ohne sich mit triftigen Gründen zu entschuldigen, verliert er gemäß §49 Abs2 AlVG vom Tage der versäumten Kontrollmeldung an bis zur Geltendmachung des Fortbezuges den Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe. Liegen zwischen dem Tag der versäumten Kontrollmeldung und der Geltendmachung mehr als 62 Tage, so erhält er für den übersteigenden Zeitraum kein Arbeitslosengeld bzw. keine Notstandshilfe. Der Zeitraum des Anspruchsverlustes verkürzt sich um die Tage einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung, die er in diesem Zeitraum ausgeübt hat. Ist die Frage strittig, ob ein triftiger Grund für die Unterlassung der Kontrollmeldung vorliegt, so ist der Regionalbeirat anzuhören.

2. Zur Begründung seiner Anfechtungsanträge führt der Antragsteller aus, daß er Notstandshilfe beziehe, die ihm das Arbeitsmarktservice mit "bescheidlosen" Mitteilungen nach §47 Abs1 erster Satz AlVG zuerkannt habe. Allerdings habe das Arbeitsmarktservice eine Vielzahl von "Auszahlungssperren" verfügt und Monate später auch entsprechende Bescheide über die Bezugseinstellung erlassen, welche vom Antragsteller mit Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof angefochten wurden. Eine aufschiebende Wirkung dieser Beschwerden sei jedoch zufolge §47 Abs1 erster Satz generell ausgeschlossen, weshalb seine diesbezüglichen Anträge nach §30 Abs2 VwGG regelmäßig zurückgewiesen würden, und zwar mit der Begründung, daß die angefochtenen Akte einem Vollzug nicht zugänglich seien, weil sie nicht eine bescheidmäßig zuerkannte Leistung wieder aberkennen, sondern eine nach §47 Abs1 erster Satz AlVG bloß bescheidlos anerkannte Geldleistung versagen (Hinweise auf Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofs) und darüber hinaus auch keine Bindungs- und Tatbestandwirkung entfalten, weil sämtliche Auswirkungen im Zusammenhang mit Bezugseinstellungen, wie zB der Wegfall des Krankenversicherungsschutzes, nicht die Folge eines eine bescheidmäßig zuerkannte Geldleistung entziehenden Bescheides seien, sondern lediglich die Folge der tatsächlichen Nichtauszahlung einer gemäß §47 Abs1 erster Satz AlVG formlos anerkannten Geldleistung (Judikaturhinweise).

Es widerspreche aber dem Rechtsstaatsprinzip, wenn eine gesetzliche Bestimmung wie §47 Abs1 erster Satz AlVG es ausschließt, daß gegen bestimmte Bescheide erhobene Beschwerden eine aufschiebende Wirkung zukommt, obgleich diese ihrer Art nach ohne weiteres einer Vollziehung zugänglich wären. Dieser Fall sei mit jenem vergleichbar, in welchem gesetzlich angeordnet werde, daß einem Rechtsmittel eine aufschiebende Wirkung nicht zukomme.

In Ergänzung dieses Vorbringens führte der Antragsteller in einem weiteren Schriftsatz aus, daß die angefochtene Regelung darüber hinaus auch noch deshalb gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoße, weil sie eine Exekution bzw. Zwangsvollstreckung eines anerkannten Leistungsanspruches nach dem AlVG dadurch generell ausschließe, als die Anerkennung eines solchen Leistungsanspruches nicht in Form eines vollstreckbaren Bescheides oder sonstigen Exekutionstitels erfolgt, sondern bloß durch eine nicht vollstreckbare Mitteilung.

II. Die (Individual-)Anträge sind unzulässig; jene auf Bewilligung der Verfahrenshilfe offenkundig aussichtslos.

1. Gemäß Art140 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, daß das Gesetz in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art140 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 10.353/1985, 11.730/1988).

2. Es ist offensichtich, daß der bekämpften Vorschrift gar nicht jene (rechtlichen) Wirkungen zukommen, die der Antragsteller behauptet: Weder schließt es diese Bestimmung aus, einen anerkannten, aber nicht liquidierten Anspruch aus der Arbeitslosenversicherung gemäß Art137 B-VG geltend zu machen und auf diesem Weg zu einem vollstreckbaren Exekutionstitel zu kommen (s. VfGH 29.2.2000, A33/97), noch bewirkt sie die Vollzugsuntauglichkeit eines Bescheides, mit dem über die Rechtmäßigkeit einer Nichtauszahlung von Notstandshilfe abgesprochen wird. Dessen Vollzugsuntauglichkeit ergibt sich vielmehr daraus, daß es neben der (formlosen) Anerkennung des Anspruches auch der Einhaltung von Kontrollmeldungen bedarf, sohin erst der im Falle des Unterlassens derselben ergehende Bescheid im Sinne des §47 Abs1 zweiter Satz über das Nichtbestehen eines Leistungsanspruches für diese Zeit abspricht.

Die angefochtene Bestimmung greift sohin in die Rechtssphäre des Antragstellers gar nicht in der von ihm behaupteten Weise ein. Es mangelt ihm allein schon deshalb an der Antragslegitimation (vgl. VfSlg. 11.580/1987), sodaß die (Individual-)Anträge zurückzuweisen sind.

3. Da somit die vom Antragsteller beabsichtigte Rechtsverfolgung vor dem Verfassungsgerichtshof offenbar aussichtslos erscheint, sind seine unter einem gestellten Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abzuweisen.

4. Diese Entscheidung kann gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG bzw. §72 Abs1 ZPO iVm §35 VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Arbeitslosenversicherung, VfGH / Individualantrag, VfGH / Verfahrenshilfe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2000:G137.1999

Dokumentnummer

JFT_09998873_99G00137_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten