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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1997 §10 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde der U C, geboren 1980, vertreten durch Dr. Thaddäus Kleisinger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Fleischmarkt 28, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 16. September 2003, Zl. SD 850/03, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 16. September 2003 wurde die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, gemäß § 33 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.
Die Beschwerdeführerin habe im November 2002 beim österreichischen Generalkonsulat Istanbul die Erteilung eines Visums C beantragt und dies damit begründet, ihren Verwandten und ihren in Wien lebenden Ehegatten besuchen zu wollen. Diesem Antrag sei eine Verpflichtungserklärung ihres Verwandten angeschlossen gewesen, der sie zu einem Besuch in der Dauer von 90 Tagen eingeladen habe. Wie aus der beim österreichischen Generalkonsulat Istanbul am 30. November 2002 aufgenommenen Niederschrift hervorgehe, habe sich die Beschwerdeführerin verpflichtet, vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des Visums aus Österreich auszureisen und nicht zu versuchen, dieses Visum in Österreich zu verlängern. Im Anschluss daran sei ihr ein bis zum 30. Dezember 2002 gültiges Visum C erteilt worden. Da sie sich nach Ablauf der Gültigkeit des ihr erteilten Visums beim Generalkonsulat nicht gemeldet habe, seien Erhebungen durchgeführt worden, und es habe sich ergeben, dass sie nicht in die Türkei zurückgekehrt sei. Wie sich herausgestellt habe, sei die Beschwerdeführerin seit 11. März 2003 bei ihrem Ehegatten mit Hauptwohnsitz aufrecht gemeldet. Auf Grund einer daraufhin ergangenen Ladung für den 15. April 2003 sei der Ehegatte der Beschwerdeführerin gekommen, dem ein Informationsblatt über die notwendige Ausreise seiner Ehegattin übergeben worden sei. Da keine Information über deren Ausreise bei der Erstbehörde eingelangt sei, sei die Beschwerdeführerin für den 3. Juni 2003 erneut vorgeladen worden, worauf die Vollmachtsbekanntgabe ihres rechtsfreundlichen Vertreters eingelangt sei. Nachdem der Beschwerdeführerin die Absicht, sie auszuweisen, bekannt gegeben worden sei, habe sie in ihrer Stellungnahme vom 16. Juli 2003 vorgebracht, am 16. Jänner 2003 durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter beim Amt der Wiener Landesregierung einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gestellt zu haben. Zu diesem Zeitpunkt hätte sie sich in der Bundesrepublik Deutschland befunden. Überdies hätte ihr Ehegatte die Zusage, dass ihm die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen würde.
Dazu sei zunächst festzustellen, dass die Beschwerdeführerin einen Nachweis dafür, sich zum Zeitpunkt der Antragstellung in der BRD aufgehalten zu haben - wie etwa die Vorlage eines Meldezettels bzw. eines weiteren Visums C, das sie auch für einen Aufenthalt in Deutschland benötige -, nicht erbracht habe. Mit ihrem Berufungsvorbringen, sie hätte während ihres Auslandsaufenthalts einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gestellt und sie hielte sich in Österreich so lange nicht unrechtmäßig auf, bis über ihren Antrag entschieden worden wäre, räume die Beschwerdeführerin ein, sich wieder in Österreich aufzuhalten, und verkenne sie, dass die bloße Antragstellung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels keinen rechtmäßigen Aufenthalt begründen könne; dies insbesondere deshalb, weil sie bisher nicht habe nachweisen können, dass sie zu dem begünstigen Personenkreis zähle, dem eine Inlandantragstellung gestattet sei.
Fest stehe, dass sich die Beschwerdeführerin nach Ablauf ihres Visums C, somit seit 31. Dezember 2002, unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, weshalb kein Zweifel bestehen könne, dass die Voraussetzungen zur Erlassung der Ausweisung - vorbehaltlich des § 37 Abs. 1 FrG - im Grund des § 33 Abs. 1 leg. cit. gegeben seien.
Die Beschwerdeführerin sei verheiratet und lebe mit ihrem Mann, der in Wien berufstätig sei, im gemeinsamen Haushalt. Ihr Unterhalt werde somit durch ihren Ehegatten sichergestellt, bei dem sie auch mitversichert sei. Es sei daher ohne jeden Zweifel von einem mit der Ausweisung verbundenen relevanten Eingriff in ihr Privat- und Familienleben auszugehen. Dessen ungeachtet sei jedoch die Zulässigkeit des Ausweisung im Grund des § 37 Abs. 1 leg. cit. zu bejahen. Die Beschwerdeführerin sei mit einem Touristensichtvermerk eingereist, der sie lediglich zu einem Aufenthalt in der Dauer von einem Monat im Bundesgebiet berechtigt habe. Dennoch sei sie nach Ablauf des Visums im Bundesgebiet geblieben. Es hätte ihr bewusst sein müssen, dass sie nach Ablauf des Visums aus Österreich auszureisen habe und den Ausgang betreffend den von ihr gestellten Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung im Ausland abwarten müsse. Sie sei daher nicht in der Lage, ihren Aufenthalt im Bundesgebiet vom Inland aus zu legalisieren. Die damit bewirkte Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen privaten und familiären Interessen jedenfalls nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an ihrer Ausreise aus dem Bundesgebiet. Der von ihr ins Treffen geführte Umstand, dass hinsichtlich ihres Ehegatten ein Verfahren betreffend die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft anhängig wäre bzw. in Kürze mit der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gerechnet werden könnte, bewirke keine zusätzliche Stärkung ihrer persönlichen Interessen. Selbst eine Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft könne nichts daran ändern, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin bei Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht österreichischer Staatsbürger sei und ihr daher die Regelung des § 49 Abs. 1 FrG nicht zugute kommen könne.
Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf den seit Anfang des Jahres 2003 bestehenden unrechtmäßigen Aufenthalt und die daraus resultierende große Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens einerseits und das Fehlen besonderer, zu Gunsten der Beschwerdeführerin sprechender Umstände andererseits könne ihr weiterer Aufenthalt auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens in Kauf genommen werden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Die Beschwerde wendet sich gegen die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung, dass sich die Beschwerdeführerin nach Ablauf des Visums C, somit seit 31. Dezember 2002, (unrechtmäßig) im Bundesgebiet aufhalte, und bringt vor, dass diese nach Ablauf des Touristensichtvermerkes Österreich verlassen und sich vom 6. Jänner 2003 bis 26. März 2003 in der BRD aufgehalten habe und keinen Versuch unternommen habe, die Gültigkeitsdauer des Visums zu verlängern. Sie habe am 16. Jänner 2003 durch ihren Rechtsvertreter einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zwecks Familienzusammenführung gestellt und sei von der BRD wieder in Österreich eingereist.
1.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.
Selbst wenn sich die Beschwerdeführerin zwischen 6. Jänner 2003 und 26. März 2003 in der BRD aufgehalten haben sollte, so bestreitet sie nicht, dass sie sich jedenfalls nicht nur zwischen 31. Dezember 2002 und 6. Jänner 2003, sondern auch in der Zeit seit 27. März 2003 und somit bei Erlassung des angefochtenen Bescheides in Österreich aufgehalten hat. Darüber hinaus behauptet die Beschwerde nicht, dass der Beschwerdeführerin nach Ablauf des genannten Visums ein Aufenthaltstitel oder eine sonstige Aufenthaltsberechtigung erteilt worden sei. Von daher begegnet die - unbekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass sich die Beschwerdeführerin unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und der Tatbestand des § 33 Abs. 1 FrG erfüllt sei, keinen Bedenken.
2.1. Die Beschwerde wendet sich weiters gegen die Beurteilung der belangten Behörde gemäß § 37 Abs. 1 FrG und bringt vor, dass dem seit vielen Jahren in Österreich lebenden Ehegatten der Beschwerdeführerin die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft zugesichert worden sei und diese Verleihung unmittelbar bevorstehe. Ferner sei sie schwanger und könnte eine Flugreise in die Türkei ihr Leben und das ihres ungeborenen Kindes gefährden.
2.2. Auch mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Im Rahmen ihrer Beurteilung gemäß § 37 Abs. 1 FrG hat die belangte Behörde die Bindung der Beschwerdeführerin zu ihrem in Wien berufstätigen Ehegatten, mit dem sie im gemeinsamen Haushalt lebt, bei dem sie (sozialversicherungsrechtlich) mitversichert ist und der ihren Unterhalt sicherstellt, berücksichtigt und zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen relevanten Eingriff in ihr Privat- und Familienleben angenommen. Diesen persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet steht jedoch das öffentliche Interesse an der Beendigung ihres Aufenthaltes gegenüber. Nach ständiger hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 31. März 2004, Zl. 2004/18/0066, mwN) kommt den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu. Dieses öffentliche Interesse hat die Beschwerdeführerin durch ihren unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich, der nach der insoweit unstrittigen Sachverhaltsannahme der belangten Behörde jedenfalls zwischen 31. Dezember 2002 und 6. Jänner 2003 und ab 27. März 2003, somit in der Dauer von zusammengerechnet annähernd sechs Monaten bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides unrechtmäßig war, erheblich beeinträchtigt.
Der behauptete Umstand, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin mit der baldigen Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft zu rechnen habe, bewirkt keine Stärkung ihrer persönlichen Interessen. Auch ist die Behörde nicht verpflichtet, von fremdenpolizeilichen Maßnahmen Abstand zu nehmen und damit den unrechtmäßigen Aufenthalt eines Fremden zu dulden, bis der Fremde durch die - vor Abschluss des diesbezüglichen Verfahrens jedenfalls immer noch ungewisse - Verleihung der Staatsbürgerschaft an einen Angehörigen eine begünstigte Stellung erwirbt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 2003, Zl. 2003/18/0225, mwN).
Mit der weiteren Behauptung, dass die Beschwerdeführerin im
6. Monat schwanger sei, eine Flugreise in die Türkei ihr Leben und das ihres ungeborenen Kindes gefährden könnte und eine Trennung von ihrem Ehegatten gerade zum Ende der Schwangerschaft schwere nachteilige Folgen haben könnte, legt die Beschwerde ein Überwiegen ihrer persönlichen Interessen gegenüber dem genannten öffentlichen Interesse nicht dar, ist doch nicht ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin, sollte tatsächlich die von ihr behauptete Gefährdung bei der Ausreise auf dem Luftweg bestehen, nicht mit einem anderen Verkehrsmittel ausreisen könnte. Ferner behauptet sie nicht, dass die Schwangerschaft mit Komplikationen verbunden wäre, die eine Reise in einen anderen Staat nicht zuließen. Abgesehen davon legt die Beschwerde auch nicht dar, dass die Beschwerdeführerin auf die persönliche Betreuung durch ihren Ehegatten angewiesen wäre, und ist nicht ersichtlich, dass dieser gehindert wäre, sich in der Zeit unmittelbar vor oder bei der Entbindung im Ausland bei seiner Ehegattin aufzuhalten.
Schließlich ist das Beschwerdevorbringen, dass im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 FrG erfüllt seien, sodass gemäß § 14 Abs. 2 leg. cit. der Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung im Inland gestellt werden könne, und dass die Behörde daher hätte prüfen müssen, ob die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 leg. cit. erfüllt seien, nicht zielführend, weil der behauptete Umstand, dass dem Ehegatten der Beschwerdeführerin die österreichische Staatsbürgerschaft zugesichert worden sei und die Beschwerdeführerin schwanger sei, keinen besonders berücksichtigungswürdigen Grund im Sinn des § 10 Abs. 4 FrG darstellt (vgl. hinsichtlich der Berücksichtigungswürdigkeit aus humanitären Gründen im Sinn des § 10 Abs. 4 FrG etwa das hg. Erkenntnis vom 31. März 2004, Zl. 2003/18/0320, mit Hinweis auf Gesetzesmaterialien; ferner etwa das hg. Erkenntnis vom 27. April 2004, Zl. 2003/18/0344).
3. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 19. Mai 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2003180304.X00Im RIS seit
16.06.2004