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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1997 §31 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde der Ö, geboren 1977, vertreten durch Dr. Helene Klaar und Mag. Norbert Marschall, Rechtsanwälte OEG in 1040 Wien, Prinz-Eugen-Straße 34, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 8. Jänner 2001, Zl. SD 674/00, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 8. Jänner 2001 wurde die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, gemäß § 33 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.
Die belangte Behörde verwies in ihrem Bescheid auf die Begründung des Bescheides erster Instanz. Die Beschwerdeführerin sei mit einem vom 14. August 1999 bis 11. November 1999 gültigen Visum C der österreichischen Botschaft in Ankara in das Bundesgebiet gelangt und nicht wieder ausgereist. Sie habe am 11. November 1999 einen Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung gestellt, welcher mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien abgewiesen worden sei. Dagegen habe die Beschwerdeführerin Berufung erhoben, über die bisher noch nicht entschieden worden sei. Sie befinde sich in Österreich, ohne im Besitz eines Einreise- oder Aufenthaltstitels zu sein. Dieses Fehlverhalten beeinträchtige die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens in erheblichem Ausmaß, sodass die Voraussetzungen zur Erlassung einer Ausweisung - vorbehaltlich der Bestimmung des § 37 Abs. 1 leg. cit. - im Grund des § 33 Abs. 1 leg. cit. gegeben seien. Daran habe auch der Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nichts geändert. Weil es sich um einen Erstantrag gehandelt habe, verleihe die Antragstellung der Beschwerdeführerin kein Aufenthaltsrecht. Die Bezugnahme in der Berufung auf § 31 Abs. 4 leg. cit. sei sohin unzutreffend.
Die Beschwerdeführerin sei mit einem Landsmann verheiratet, welcher in Österreich niedergelassen sei. Sie erwarte von diesem ein Kind. Der mit der Ausweisung verbundene Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin sei jedenfalls gerechtfertigt, weil er zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - dringend geboten sei. Den die Ausreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Einhaltung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses Interesse habe die Beschwerdeführerin massiv verstoßen. Dazu komme, dass sie unter den gegebenen Umständen nicht in der Lage sei, ihren Aufenthalt vom Inland aus zu legalisieren. Auch unter Bedachtnahme auf die familiären Bindungen der Beschwerdeführerin sei die Ausweisung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung dringend geboten und sohin zulässig im Sinn des § 37 Abs. 1 leg. cit. Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin bei ihrem Gatten mitversichert sei, über eine Unterkunft verfüge und ihr Gatte ausreichend für Unterhalt sorge, könne die Interessen der Beschwerdeführerin an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet nicht verstärken. Was den Anspruch auf Familiennachzug betreffe, so sei auch dieser an die Regelungen des Fremdengesetzes, somit grundsätzlich an eine Antragstellung vom Ausland aus gebunden.
Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf das Fehlen besonderer, zu Gunsten der Berufungswerberin sprechender Umstände habe von der Erlassung der Ausweisung auch nicht im Rahmen des der belangten Behörde zustehenden Ermessens Abstand genommen werden können.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie habe vor Ablauf ihres Touristenvisums einen Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung gestellt. Sie würde sich bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag gemäß § 31 Abs. 4 FrG rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Die Ausweisung nach § 33 FrG sei verfehlt.
1.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.
Laut den im angefochtenen Bescheid getroffenen, von der Beschwerde nicht in Zweifel gezogenen Feststellungen erhielt die Beschwerdeführerin ein für die Zeit vom 14. August 1999 bis zum 11. November 1999 gültiges Visum C und reiste mit diesem Visum in das Bundesgebiet ein. Am 11. November 1999 brachte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung ein. Auf dem Boden dieser Feststellungen begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 33 Abs. 1 FrG verwirklicht sei, keinen Bedenken, weil die bloße Stellung eines Antrages auf Erteilung eines Erstaufenthaltstitels noch nicht die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes im Bundesgebiet bewirken kann. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin stellte das ihr erteilte Visum C bloß einen Einreisetitel im Sinn des § 6 Abs. 1 Z. 3 FrG dar. Gemäß § 31 Abs. 4 FrG halten sich Fremde, die einen Antrag auf Ausstellung eines weiteren Aufenthaltstitels vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des ihnen zuletzt erteilten Aufenthaltstitels oder vor Entstehen der Sichtvermerkspflicht eingebracht haben, bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Da sich die Beschwerdeführerin auf Grund des ihr befristet erteilten Einreisetitels (bis 11. November 1999 rechtmäßig) im Bundesgebiet aufhielt, konnte sie durch die Stellung eines Antrages auf Erteilung eines Erstaufenthaltstitels (am 11. November 1999) nicht in den Genuss des Aufenthaltsrechtes nach § 31 Abs. 4 FrG kommen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. November 2001, Zl. 2001/18/0035).
2. Rechtswidrig soll der angefochtene Bescheid laut Beschwerde auch sein, weil die belangte Behörde eine unzutreffende Interessenabwägung nach § 37 FrG vorgenommen habe.
Die belangte Behörde hat unter Zugrundelegung der - unbestrittenen - Feststellungen zur Dauer des Aufenthaltes und zu den familiären Bindungen der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in ihr Privat- und Familienleben angenommen. Ebenso zutreffend hat sie jedoch die Auffassung vertreten, dass den persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem weiteren Verbleib in Österreich keine solche Bedeutung zukomme, dass ihre Ausweisung nicht dringend geboten wäre. Dabei hat sie - entgegen der Auffassung in der Beschwerde - auch darauf Bedacht genommen, dass die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Erlassung des Ausweisungsbescheides schwanger war. Dass dieser Umstand ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund sei, trifft nicht zu (vgl. das Erkenntnis vom heutigen Tag Zl. 2003/18/0304). Das hier maßgebliche öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch den Normadressaten weist aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) einen hohen Stellenwert auf (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 22. Jänner 2001, Zl. 2001/18/0263). Dieses maßgebliche öffentliche Interesse hat die Beschwerdeführerin, die sich lediglich während der Gültigkeitsdauer des ihr erteilten Visums bis zum 11. November 1999 rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, durch ihren daran anschließenden unrechtmäßigen Aufenthalt von 14 Monaten (bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides) maßgeblich beeinträchtigt. Auch kann dem im Hinblick auf das Gebot der Achtung des Privat- und Familienlebens im § 37 Abs. 1 FrG verankerten Ausweisungshindernis nicht die Bedeutung zugemessen werden, es wäre für Fremde zulässig, sich durch die Missachtung der für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden geltenden Vorschriften und die derart bewirkten privaten und familiären Beziehungen im Bundesgebiet ein Aufenthaltsrecht zu verschaffen. Aus Art. 8 EMRK kann nicht ein allgemeines Recht des Fremden auf Familienzusammenführung in einem bestimmten Staat bzw. eine allgemeine Verpflichtung des Staates, eine Familienzusammenführung auf seinem Gebiet zuzulassen, abgeleitet werden (vgl. nochmals das Erkenntnis Zl. 2001/18/0263).
Die Auffassung der belangten Behörde, dass § 37 Abs. 1 FrG der Ausweisung der Beschwerdeführerin nicht entgegen stehe, begegnet keinen Bedenken.
3. Die Beschwerde war nach dem Gesagten gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 19. Mai 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001180038.X00Im RIS seit
23.06.2004