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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des Z in I, geboren 1966, vertreten durch MMag. Dr. Peter E. Pescoller, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 3/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 15. Dezember 2000, Zl. III 4033-153/00, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 15. Dezember 2000 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm den §§ 37, 38 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer sei mit in Rechtskraft erwachsenen Urteilen des Landesgerichtes Innsbruck vom 30. Dezember 1999 und vom 21. Juli 2000 wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 1 und des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 und 3 SMG unter Anwendung des § 28 StGB mit einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Jahren belegt worden. Er habe zwischen Jänner 1999 und April 1999 in Innsbruck Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs. 6 SMG) durch Verkauf von ca. 100 g Heroin an S. und E. in Verkehr gesetzt, wobei er die Tat gewerbsmäßig begangen habe. Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG seien erfüllt. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet stelle eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit sowie für die Gesundheit dar (§ 36 Abs. 1 FrG). Der Beschwerdeführer halte sich seit 1987 im Bundesgebiet auf und arbeite hier als Raumpfleger. Es bestehe eine gute Integration und intensive private Bindung. Eine intensive familiäre Bindung bestehe zu seiner Ehegattin und zu seinen beiden 1987 und 1989 geborenen Kindern, ebenso zu seinen Eltern. Der Beschwerdeführer lebe mit seiner Familie in einem gemeinsamen Haushalt in Innsbruck. Verringert werde das Gewicht seiner privaten und familiären Interessen am weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet durch die Beeinträchtigung der sozialen Komponente seiner Integration durch die schweren Suchtgiftstraftaten. Seine privaten und familiären Interessen wögen im Hinblick auf seine Neigung zur Suchtgiftschwerkriminalität höchstens gleich schwer wie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, weshalb dieses im Grund des § 37 FrG zulässig sei. Ein Aufenthaltsverbot-Verbotsgrund gemäß § 38 iVm § 35 FrG komme in Anbetracht der unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Jahren nicht zum Tragen. Auch komme ihm § 38 Abs. 1 Z. 3 leg. cit. (Verleihungsmöglichkeit der Staatsbürgerschaft vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes) nicht zu Gute, weil er wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu mehr als zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden sei.
Da nicht vorhersehbar sei, wann der Grund für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes, nämlich die Gefährlichkeit des Beschwerdeführers für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit sowie Volksgesundheit weggefallen sein werde, sei das Aufenthaltsverbot unbefristet zu erlassen.
Wegen der hohen Freiheitsstrafe sei auch eine gesonderte Begründung der Ermessensentscheidung nach § 36 Abs. 1 FrG entbehrlich.
Das Wohlverhalten des Beschwerdeführers seit seiner Festnahme im Mai 1999 sei nicht aussagekräftig, zumal er sich seither in Haft befinde. Es sei eine Erfahrungstatsache, dass Fremde angesichts konkret drohender Maßnahmen der Fremdenpolizeibehörde gegenüber bekunden würden, dass sie in Zukunft "ein ordentliches, gesetzestreues Leben führen wollen".
Der Versuch des Beschwerdeführers, sich selbst als (Suchtgift-)Opfer darzustellen (Begehung der Tat, um sich selbst den Heroinkonsum zu finanzieren) gehe angesichts der Feststellungen des Strafgerichtes ins Leere, wonach beim Beschwerdeführer im Tatzeitraum weder eine Suchtgiftabhängigkeit noch eine Beeinträchtigung der Diskretions- und Dispositionsfähigkeit bestanden habe. Als mildernd habe das Gericht bei der Strafbemessung nur sein teilweises Geständnis und seine bisherige Unbescholtenheit gewertet.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Im Hinblick auf die unbestrittene rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren begegnet die (unbekämpfte) Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht sei, keinem Einwand.
2. Nach den Feststellungen der belangten Behörde liegt der genannten Verurteilung zu Grunde, dass der im Tatzeitraum weder suchtabhängige noch in seiner Diskretions- und Dispositionsfähigkeit beeinträchtigte Beschwerdeführer im Zeitraum zwischen Jänner 1999 und April 1999 ca. 100 g Heroin an S. und E. in Verkehr gesetzt hat, wobei er in gewerbsmäßiger Absicht - somit in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (vgl. § 70 StGB) - gehandelt hat.
Im Hinblick auf diesen gewerbsmäßigen Handel mit Suchtgift und darauf, dass erfahrungsgemäß die Wiederholungsgefahr bei Suchtgiftkriminalität besonders groß ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2004, Zl. 2004/18/0005, mwN), begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinen Bedenken. Das Fehlverhalten des Beschwerdeführers lag bei Erlassung des angefochtenen Bescheides auch noch nicht so lange zurück, um auf Grund des seither verstrichenen Zeitraumes einen Wegfall oder eine wesentliche Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr annehmen zu können.
3.1. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FrG hat die belangte Behörde den langjährigen inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers (seit 1987) und seine Bindungen zu seiner Ehegattin, seinen zwei Kindern und zu seinen Eltern berücksichtigt und zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG angenommen. Diesen gewichtigen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht jedoch die aus seinem massiven Fehlverhalten resultierende Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen gegenüber, hat er doch in Gewinnerzielungsabsicht Suchtgift, dessen Menge zumindest das 25- fache einer "großen Menge" - somit einer Menge, die geeignet ist, Gewöhnung hervorzurufen und in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen (vgl. § 28 Abs. 6 SMG) - ausgemacht hat, in Verkehr gesetzt. Wenn er auch bis zur Verübung dieses Suchtgiftverbrechens in Österreich strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist, so zeigt das seiner Verurteilung zu Grunde liegende Fehlverhalten doch seine Gleichgültigkeit und die von ihm ausgehende massive Gefahr in Bezug auf das Leben und die Gesundheit anderer sowie seine mangelnde Verbundenheit mit den in Österreich rechtlich geschützten Werten. Im Hinblick darauf begegnet die Beurteilung der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und dass die genannten persönlichen und familiären Interessen (jedenfalls) nicht schwerer wögen als das gegenläufige öffentliche Interesse, sodass diese Maßnahme auch gemäß § 37 Abs. 2 FrG zulässig sei, keinem Einwand. Dem auch in der Beschwerde vorgebrachten Einwand, "dass die Folge des Aufenthaltsverbotes die Armut der ganzen Familie wäre", ist zu erwidern, dass er seiner Unterhaltspflicht auch vom Ausland her nachkommen kann und dass die allenfalls mit einer erschwerten Erwerbsmöglichkeit im Ausland verbundene Schmälerung des Unterhaltes im öffentlichen Interesse in Kauf genommen werden muss. Im Übrigen wird mit einem Aufenthaltsverbot nicht ausgesprochen, dass der Fremde in einen bestimmten Staat (etwa in seinen Heimatstaat) auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 14. März 2000, Zl. 99/18/0451, und vom 11. Oktober 2001, Zl. 99/18/0024).
3.2. Soweit der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Beurteilung nach § 37 FrG vorbringt, er habe die Tat nur aus Leichtsinn bzw. um sich selbst seinen Suchtgiftkonsum zu finanzieren begangen, entfernt er sich hiebei von den gegenteiligen Feststellungen der belangten Behörde, die sich auf die rechtskräftigen Strafurteile des Landesgerichtes Innsbruck vom 21. Juli 2000 und des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 19. Oktober 2000 stützt (zur Bindung an rechtskräftige Feststellungen eines Strafurteils vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2000, Zl. 2000/18/0133). Das Argument des Beschwerdeführers, er habe sich während der Haft insofern wohl verhalten, als er von der gegebenen Möglichkeit, sich im Gefängnis Suchtgift zu beschaffen, keinen Gebrauch gemacht habe, kann nicht zu seinem Gunsten ausschlagen, weil dieser Umstand keine zuverlässige Beurteilung darüber zulässt, wie er sich außerhalb der Haft, somit ohne Einschränkung seiner Bewegungsfreiheit und ohne Kontrolle, in Zukunft verhalten wird. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher nicht veranlasst, von seiner ständigen Rechtsprechung, dass die vom Fremden in Haft verbrachte Zeit für die Frage eines allfälligen Wohlverhaltens nicht zu berücksichtigen ist (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 27. April 2001, Zl. 2000/18/0213, und vom 12. März 2002, Zl. 2002/18/0022 mwN), abzugehen. Dem weiteren Vorwurf, das Verfahren sei mangelhaft geblieben, weil die belangte Behörde den Beschwerdeführer nicht persönlich einvernommen und auf die beantragen Zeugeneinvernahmen seiner Mutter, seiner Ehefrau und seines Arbeitgebers verzichtet habe, ist zu entgegnen, dass der Beschwerdeführer nicht ausgeführt hat, welche von der belangten Behörde nicht ohnehin berücksichtigten privaten und familiären Verhältnisse des Beschwerdeführers festgestellt werden müssten bzw. welche diese Verhältnisse betreffenden Aussagen die genannten Personen hätten machen können. Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers war die belangte Behörde auch nicht verpflichtet, ihn über die bereits aufgenommenen Beweise hinaus mündlich zu hören (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. September 2002, Zl. 2002/18/0170), zumal die Beschwerde auch nicht konkretisiert, inwieweit der Beschwerdeführer keine Möglichkeit hatte, im Verwaltungsverfahren ein bestimmtes Vorbringen zu erstatten oder Beweisanträge zu stellen.
4. Die Auffassung der belangten Behörde, dass ein Aufenthaltsverbot-Verbotsgrund gemäß § 38 FrG nicht zum Tragen komme, weil der Beschwerdeführer zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Jahren verurteilt worden ist, wurde in der Beschwerde nicht bekämpft. Der Verwaltungsgerichtshof hegt gegen deren Richtigkeit keine Bedenken, weil durch die über den Beschwerdeführer verhängte Freiheitsstrafe sowohl die nach § 38 Abs. 1 Z. 2 FrG bedeutsame Strafgrenze des § 35 Abs. 3 Z. 1 FrG als auch die des § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG überschritten wird. Der Beschwerdeführer ist erst 1987 nach Österreich gekommen und daher auch nicht im Sinn des § 38 Abs. 1 Z. 4 "von klein auf im Inland aufgewachsen".
5. Ein Absehen der belangten Behörde von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen des ihr gemäß § 36 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessens steht bei einem Fremden, der wegen eines strafbaren Verhaltens zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr verurteilt worden ist, nicht mit dem Sinn des Gesetzes in Einklang (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2001, Zl. 99/18/0432).
6. Die Beschwerde war sohin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
7. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 19. Mai 2004
Schlagworte
Parteiengehör Rechtliche BeurteilungVerfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Diverses VwRallg10/1/3Parteiengehör Unmittelbarkeit Teilnahme an BeweisaufnahmenSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel ParteienvernehmungBeweismittel BeschuldigtenverantwortungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001180009.X00Im RIS seit
23.06.2004Zuletzt aktualisiert am
11.06.2009