TE Vwgh Erkenntnis 2004/5/25 2003/11/0238

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Veröffentlicht am 25.05.2004
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §44 Abs4;
VVG §10 Abs2 Z1;
VVG §5 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Pallitsch, Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Mag. Claudia Steegmüller, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Schwarzenbergplatz 7, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 11. Juli 2003, Zl. MA 65-1402/2003, betreffend Verhängung einer Zwangsstrafe i.A. KFG 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 16. September 2002 hob die Bundespolizeidirektion Wien die Zulassung eines nach Kennzeichen, Type und Erstzulassung näher bezeichneten LKWs von Amts wegen auf und forderte den Beschwerdeführer auf, den Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln unverzüglich im Verkehrsamt oder bei der Zulassungsbehörde seines Aufenthaltsortes abzugeben. Als Rechtsgrundlagen waren §§ 44 Abs. 1 lit. b, 44 Abs. 4 und 61 Abs. 3 KFG 1967 angegeben.

Am 10. November 2002 wurde der Beschwerdeführer beim Bezirkspolizeikommissariat Alsergrund der Bundespolizeidirektion Wien niederschriftlich einvernommen. Der im Verwaltungsakt erliegenden Niederschrift zufolge gab der Beschwerdeführer an, er habe das in Rede stehende Fahrzeug glaublich zwischen dem 10. und 15. Februar 2002 an einen jugoslawischen Staatsbürger verkauft. An wen, wisse er nicht mehr. Jedenfalls handle es sich um einen Taxilenker, der ihm angedeutet habe, anzuhalten. Anschließend habe ihm dieser für das Fahrzeug, welches als Leichenwagen "ausgebildet" sei, einen solchen Kaufpreis geboten, dass er nicht habe nein sagen können. Der Käufer habe das Fahrzeug auf der Hütteldorferstraße übernommen. Jedenfalls sei dies auf der linken Seite mit einer höheren Hausnummer als 170 gewesen. Schlussendlich habe sich herausgestellt, dass der Taxilenker der Vater des eigentlichen Käufers gewesen sei. Da der Beschwerdeführer den Typenschein nicht bei sich gehabt habe, habe er ihn geholt und dem Käufer übergeben, welcher mitgeteilt habe, dass er das Fahrzeug nach Jugoslawien bringen werde. Beide hätten ausgemacht, dass ihm der Käufer die Kennzeichen und die Zulassungsbescheinigung persönlich übergebe. Dies sei "am kommenden Wochenende" der Fall gewesen. Hinsichtlich des Typenscheines sei zwar ausgemacht worden, dass der Käufer diesen für die Abmeldung aus Jugoslawien senden werde. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen. Der Beschwerdeführer habe ihn "bis heute" nicht erhalten. Er sei dann "in der Woche darauf" zu seiner Versicherungsstelle, "Niederösterreichische", in die Zweigstelle Alserbachstraße gegangen. Dort habe er die Kennzeichen und den Zulassungsschein hinterlegt. Die Kennzeichen und den Zulassungsschein habe eine Dame übernommen. Es sei ausgemacht worden, dass die Abmeldung dann erfolge, wenn der Beschwerdeführer "den Typenschein habe". Da er den Typenschein nie erhalten habe, habe er das Fahrzeug auch nicht abmelden können. Als eine Vorschreibung der Versicherung gekommen sei, habe er gleich darauf eine Mitteilung gefaxt, wonach die Vorschreibung widerrechtlich sei, weil die Kennzeichen hinterlegt worden seien und die Zulassung ruhe. Er mache die Versicherung für den Verlust der Kennzeichen und des Zulassungsscheines verantwortlich.

Mit Bescheid vom 20. Jänner 2003 drohte die Bundespolizeidirektion Wien dem Beschwerdeführer die Verhängung einer Zwangsstrafe von EUR 363,-- an, falls er nicht binnen drei Tagen ab Zustellung den Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln abliefere. Der Beschwerdeführer sei seiner Verpflichtung zur Ablieferung des Zulassungsscheines und der Kennzeichentafeln trotz Aufhebung der Zulassung mit vollstreckbarem Bescheid vom 16. September 2002 nicht nachgekommen.

Mit Schreiben vom 4. Februar 2003 an die Bundespolizeidirektion Wien teilte der Beschwerdeführer "nochmals mit", dass die Kennzeichen am 11. Februar 2002 bei der Versicherung "samt Zulassung" hinterlegt worden seien. Beigeschlossen war dieser Mitteilung eine Kopie eines Telefaxes vom 3. Mai 2002, gerichtet an die "Erste NÖ Brandschaden-Versicherungsaktiengesellschaft" (im Folgenden: Versicherung), in dem der Beschwerdeführer (schwer lesbar) mitteilt, dass "Kennzeichen sowie Zulassung seit 11. Februar 2002" im Hause der Versicherung hinterlegt worden sei (AS 40).

Mit Schreiben vom 6. März 2003 setzte die Bundespolizeidirektion Wien die Versicherung davon in Kenntnis, dass der Beschwerdeführer bei Einvernahmen und in Eingaben angegeben habe, dass er die Kennzeichentafeln und die Zulassungsbescheinigung des in Rede stehenden LKW ungefähr am 10. Februar 2002 bei einer Mitarbeiterin der Zulassungsstelle in der Alserbachstraße hinterlegt habe. Eine Abmeldung sei nicht durchführbar gewesen, da der Beschwerdeführer keinen Typenschein vorlegen habe können. Es werde um Namhaftmachung der in Frage kommenden Mitarbeiter und Bekanntgabe ihrer Personalien ersucht, da eine Ladung als Zeugen im Zulassungsaufhebungsverfahren sowie im Zwangsstrafenverfahren zu veranlassen wäre.

In ihrer Antwort vom 14. März 2003 (gezeichnet von Mag. W.) gab die Versicherung an, nach Rücksprache mit allen drei in Frage kommenden Kolleginnen werde mitgeteilt, dass sich keine der Mitarbeiterinnen daran erinnern könne, ob der Beschwerdeführer im fraglichen Zeitraum die Zulassungsstelle aufgesucht habe. Absolut sicher seien sich aber alle drei, dass sie niemals Kennzeichentafeln und Zulassungsbescheinigungen zur Hinterlegung übernommen hätten, ohne eine solche im Zulassungssystem durchgeführt zu haben. Bekanntgegeben wurden von der Bundespolizeidirektion Wien die Personalien von drei Mitarbeiterinnen (P. A., N. G. und G. S.).

Mit Bescheid vom 27. März 2003 verhängte die Bundespolizeidirektion Wien gegen den Beschwerdeführer die angedrohte Zwangsstrafe von EUR 363,--, wobei als Rechtsgrundlage §§ 5 und 10 VVG angegeben wurden. Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer sei seiner Verpflichtung zur Ablieferung seines Zulassungsscheines und der Kennzeichentafeln nach Aufhebung der Zulassung des in Rede stehenden Fahrzeugs mit vollstreckbarem Bescheid vom 16. März 2002 nicht nachgekommen.

In seiner dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer neuerlich vor, die Behörde befinde sich bereits davon in Kenntnis, dass er weder über Kennzeichen noch Zulassung verfüge, beides sei bei der Versicherung hinterlegt worden. Die Behörde habe keinen Versuch unternommen, die Angaben des Beschwerdeführers zu überprüfen.

Der Landeshauptmann von Wien wies die Berufung mit Bescheid vom 11. Juli 2003 gemäß § 36 Abs. 4 AVG ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. In der Begründung führte der Landeshauptmann von Wien aus, mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 16. September 2002 sei die Zulassung des LKW mit einem näher angegebenen Kennzeichen für den Beschwerdeführer aufgehoben worden und dieser gleichzeitig gemäß § 44 Abs. 4 KFG 1967 aufgefordert worden, den Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln bei der Bundespolizeidirektion Wien oder bei der Zulassungsbehörde des Aufenthaltsortes abzugeben. Da dieser Verpflichtung nicht nachgekommen worden sei, habe die Erstbehörde in der Folge mit Bescheid vom 20. Jänner 2003 eine Zwangsstrafe in der Höhe von EUR 363,-- angedroht und mit dem erstinstanzlichen Bescheid diese Zwangsstrafe nunmehr verhängt, da auch nach Androhung der Verpflichtung zur Abgabe des Zulassungsscheines nicht entsprochen worden sei. Nach Wiedergabe des Berufungsvorbringen sowie des Vorbringens des Beschwerdeführers im Verfahren führte der Landeshauptmann von Wien aus, mit diesem Vorbringen habe der Beschwerdeführer nicht durchzudringen vermocht, habe doch eine bei der Versicherung durchgeführte Anfrage folgendes ergeben: ... (es erfolgt eine Wiedergabe der Mitteilung der Versicherung vom 14. März 2003). Dass die in Frage kommenden Mitarbeiterinnen des Versicherungsunternehmens nicht den Tatsachen entsprechende Angaben gemacht hätten, sei jedenfalls unglaubhaft, zumal weder ein Grund einsichtig sei, weshalb diese wahrheitswidrige Angaben hätten machen sollen, noch sich aus dem Akt ein Anhaltspunkt ergebe, dass sie durch ihre Angaben den Beschwerdeführer hätten wahrheitswidrig belasten wollen. Die Behörde habe daher der Verantwortung des Beschwerdeführers, dass ihm die Erfüllung seiner Verpflichtung zur Abgabe unmöglich sei, nicht zu folgen vermocht, weshalb die Vollstreckung rechtskonform erfolgt sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1.1. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des KFG 1967 lauten (auszugsweise):

"Aufhebung der Zulassung

§ 44. (1) Die Zulassung ist von der Behörde, die das Fahrzeug zugelassen hat, aufzuheben, wenn

...

b) der Versicherer des Fahrzeuges die im § 61 Abs. 3 angeführte Anzeige erstattet hat;

...

(4) Nach Eintritt der Vollstreckbarkeit des Bescheides über die Aufhebung der Zulassung hat der bisherige Zulassungsbesitzer den Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln unverzüglich einer der im § 43 Abs. 1 angeführten Behörden abzuliefern. Das gleiche gilt, wenn die Zulassung infolge Zeitablaufs erloschen ist. Die Ablieferung begründet keinen Anspruch auf Entschädigung.

..."

1.2. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des VVG lauten (auszugsweise):

"Erzwingung anderer Leistung und Unterlassungen

...

b) Zwangsstrafen

§ 5. (1) Die Verpflichtung zu einer Duldung oder einer Unterlassung oder zu einer Handlung, die sich wegen ihrer eigentümlichen Beschaffenheit nicht durch einen Dritten bewerkstelligen lässt, wird dadurch vollstreckt, dass der Verpflichtete von der Vollstreckungsbehörde durch Geldstrafen oder durch Haft zur Erfüllung seiner Pflicht angehalten wird.

(2) Die Vollstreckung hat mit der Androhung des für den Fall des Zuwiderhandelns oder der Säumnis zur Anwendung kommenden Nachteiles zu beginnen. Das angedrohte Zwangsmittel ist beim ersten Zuwiderhandeln oder nach fruchtlosem Ablauf der für die Vornahme der Handlung der gesetzten Frist sofort zu vollziehen. Gleichzeitig ist für den Fall der Wiederholung oder des weiteren Verzuges ein stets schärferes Zwangsmittel anzudrohen. Ein angedrohtes Zwangsmittel ist nicht mehr zu vollziehen, sobald der Verpflichtung entsprochen ist.

(3) Die Zwangsmittel dürfen in jedem einzelnen Fall an Geld den Betrag von EUR 726,--, an Haft die Dauer von vier Wochen nicht übersteigen.

...

Verfahren

§ 10. (1) Auf das Vollstreckungsverfahren sind, soweit sich aus diesem Bundesgesetz nichts anderes ergibt, der I. und der IV. Teil und hinsichtlich der Rechtsmittelbelehrung die §§ 58 Abs. 1 und 61 des AVG sinngemäß anzuwenden.

(2) Die Berufung gegen eine nach diesem Bundesgesetz erlassene Vollstreckungsverfügung kann nur ergriffen werden, wenn

1. die Vollstreckung unzulässig ist oder

...

(3) Die Berufung hat keine aufschiebende Wirkung. Sie geht an den Landeshauptmann, sofern es sich aber um eine Angelegenheit im selbstständigen Wirkungsbereich des Landes handelt, an die Landesregierung. Die demnach zuständige Behörde entscheidet endgültig."

2.1. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die tatsächliche Unmöglichkeit der Erfüllung einer dem Verpflichteten auferlegten unvertretbaren Leistung in einem gegen ihn geführten Vollstreckungsverfahren als Grund für die Unzulässigkeit der Vollstreckung im Sinn des § 10 Abs. 2 Z. 1 VVG ins Treffen geführt werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 17. Juni 1992, Zl. 92/01/0015, und - zum Fall einer behaupteten Unmöglichkeit der Abgabe von Kennzeichentafeln nach Aufhebung einer Zulassung - vom 26. Juni 1997, Zl. 95/11/0191, mwN).

2.2.1. Kern des Beschwerdevorbringens ist, wie schon im Verwaltungsverfahren, dass dem Beschwerdeführer die verlangte Leistung (Ablieferung der Kennzeichentafeln und des Zulassungsscheines) aus den dargelegten Gründen tatsächlich unmöglich sei. Träfe es zu, dass der Beschwerdeführer, wie bereits im Verwaltungsverfahren wiederholt vorgebracht wurde, die Kennzeichentafeln und den Zulassungsschein schon vor der Auflassung der Zulassung bei der Versicherung hinterlegt hat, wäre davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer die verlangte Leistung tatsächlich unmöglich gewesen ist. Die Verhängung der angedrohten Zwangsstrafe erwiese sich dann als rechtswidrig.

2.2.2. Die belangte Behörde hielt, wie die Begründung des angefochtenen Bescheides zeigt, das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend die behauptete Unmöglichkeit der Abgabe der Kennzeichentafeln und des Zulassungsscheines für unglaubwürdig. Sie stützte sich dabei auf die oben wiedergegebene Mitteilung der Versicherung vom 14. März 2003. Diese Mitteilung allein reicht jedoch nicht aus, um die Beweiswürdigung der belangten Behörde im entscheidenden Punkt als schlüssig erkennen zu lassen.

Festzuhalten ist, dass die belangte Behörde die von ihr erwähnten Angaben der drei Mitarbeiterinnen der Außenstelle der Versicherung der Mitteilung der Versicherung nicht im Einzelnen entnehmen konnte. Weder die gestellten Fragen noch die von den einzelnen Mitarbeiterinnen darauf gemachten Antworten werden in der erwähnten Mitteilung wiedergegeben. Die belangte Behörde verfügte demnach nicht über ausreichende Grundlagen, um die Glaubwürdigkeit der Darstellungen der drei Mitarbeiterinnen in freier Beweiswürdigung beurteilen zu können.

Indem sich die belangte Behörde mit einer Verwertung der schriftlichen Mitteilung der Versicherung vom 14. März 2003 begnügte und den darin nur erwähnten Angaben von Mitarbeiterinnen dieses Unternehmens höhere Glaubwürdigkeit als dem Vorbringen des Beschwerdeführers beimaß, hat sie nach dem bisher Gesagten Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Beachtung sie zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.

2.2.3. Der angefochtene Bescheid war aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II NR. 333. Schriftsatzaufwand konnte nur im beantragten Ausmaß zugesprochen werden.

Wien, am 25. Mai 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2003110238.X00

Im RIS seit

24.06.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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