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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §62 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Pallitsch, Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des J in S, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 14. Dezember 2001, Zl. MA 65- 8/618/2001, betreffend Berichtigung eines Bescheides in Angelegenheit Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Bundespolizeidirektion Wien hat an den Beschwerdeführer folgenden (auszugsweise wiedergegebenen) Bescheid vom 31. Mai 2001 erlassen:
"Spruch
Die Bundespolizeidirektion Wien - Verkehrsamt - entzieht Ihnen gemäß § 24 Absatz 1 Zif. 1 Führerscheingesetz 1997 die am 25.07.1994 unter der Zahl 586/91 von der BH Hartberg für die Klasse(n) A, B, C, F und G erteilte Lenkberechtigung.
Gemäß § 25 Absatz 3 FSG 1997 wird verfügt, daß Ihnen die Lenkberechtigung für die Zeit von zwei (2) Monaten, gerechnet ab Zustellung des Bescheides, entzogen wird.
...
Begründung
Sie wurden am 26.03.2001 aufgrund eines richterlichen Haftbefehls festgenommen und in die Justizvollzugsanstalt Graz eingeliefert, da der dringende Verdacht bestand, dass Sie in größeren Mengen Kokain und Ecstasytabletten gekauft und weiterverkauft haben.
Am 29.05.2001 langte ha. eine Stellungnahme Ihrerseits ein und wurde diese zur Kenntnis genommen. Ihre Angaben konnten jedoch nicht schuldbefreiend gewertet werden und konnte daher die Behörde zu keinem anderen Ergebnis gelangen.
Die oben angeführten Tatsachen lassen eine die Verkehrszuverlässigkeit nach § 7 FSG 1997 ausschließende Sinnesart erkennen. Die Änderung einer solchen Sinnesart kann erst durch ein Wohlverhalten während der festgesetzten Entziehungszeit angenommen werden.
Die Lenkberechtigung war daher für die im Spruch angeführte Zeit zu entziehen."
Mit Bescheid vom 7. Juni 2001 behob die Bundespolizeidirektion Wien den Bescheid vom 31. Mai 2001 gemäß § 68 Abs. 2 AVG und entzog dem Beschwerdeführer mit weiterem Bescheid vom selben Tag gemäß § 25 Abs. 3 FSG die Lenkberechtigung für die Zeit von zwei Jahren gerechnet ab 7. Juni 2001, ohne Einrechnung von Haftzeiten.
Gegen diese Bescheide vom 7. Juni 2001 erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Mit den Bescheiden vom 14. September 2001 gab der Landeshauptmann von Wien den Berufungen Folge und behob die Bescheide vom 7. Juni 2001gemäß § 66 Abs. 4 AVG.
Der Landeshauptmann begründete den Berufungsbescheid in Angelegenheit der Bescheidbehebung gemäß § 68 Abs. 2 AVG im Wesentlichen damit, dass die Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides nach § 68 Abs. 2 AVG offenkundig dem Zweck gedient habe, eine Verschlechterung der Rechtsstellung des Beschwerdeführers herbeizuführen, was jedoch rechtlich nicht zulässig sei.
Den Berufungsbescheid in Angelegenheit Entziehung der Lenkberechtigung begründete der Landeshauptmann im Wesentlichen damit, der Bescheid vom 31. Mai 2001 sei in Rechtskraft erwachsen. Da eine bereits rechtskräftig entzogene Lenkberechtigung aus demselben Grund nicht nochmals entzogen werden könne, sei der Bescheid in Ermangelung einer Rechtsgrundlage aufzuheben gewesen.
Am 28. September 2001 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Ausfolgung seiner Lenkberechtigung.
Mit Bescheid vom 9. Oktober 2001 sprach die Bundespolizeidirektion Wien aus, dass ihr Bescheid vom 31. Mai 2001 dahin berichtigt werde, dass dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für die Klassen A, B, C, F sowie G gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 FSG entzogen (Spruchabsatz 2) und gemäß § 25 Abs. 3 FSG die Entziehungsdauer mit 18 Monaten, gerechnet ab Zustellung des Bescheides festgesetzt (Spruchabsatz 3) werde; der Beschwerdeführer habe gemäß § 29 Abs. 3 FSG seinen Führerschein binnen 3 Tagen ab Zustellung des Bescheides beim Verkehrsamt der Bundespolizeidirektion Wien abzugeben (Spruchabsatz 4); einer eventuellen Berufung werde gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt. In der Begründung führte die Behörde im Wesentlichen aus, durch einen Schreibfehler sei es dazu gekommen, dass statt 18 Monaten irrtümlich zwei Monate geschrieben worden seien. Gemäß § 62 Abs. 4 könne die Behörde die Berichtigung von Schreibfehlern jederzeit von Amts wegen vornehmen.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, mit der er im wesentlichen geltend machte, die Behörde habe § 62 Abs. 4 AVG rechtswidriger Weise herangezogen.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 14. Dezember 2001 gab die belangte Behörde dieser Berufung keine Folge und änderte den erstinstanzlichen Bescheid hinsichtlich Spruchabsatz 3 und 4 dahin ab, der Spruch habe diesbezüglich zu lauten, dem Beschwerdeführer werde gemäß § 25 Abs. 3 FSG die Lenkberechtigung für die Zeit von zwei Jahren, gerechnet ab Zustellung des Bescheides entzogen; der Beschwerdeführer habe den Führerschein binnen 3 Tagen ab Zustellung des Bescheides im Verkehrsamt der Bundespolizeidirektion Wien abzugeben. In der Begründung des Bescheides führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, sowohl aus der Zitierung des § 25 Abs. 3 FSG (wonach bei mangelnder Verkehrszuverlässigkeit die Entziehungszeit mit mindestens drei Monaten festzusetzen sei) im Bescheidspruch, der Bescheidbegründung (wonach die Entziehung der Lenkberechtigung des Beschwerdeführers auf Grund des diesem angelasteten Kaufs und Weiterverkaufs von größeren Mengen Kokain und Ecstasytabletten erfolgt sei), als auch aus dem Akteninhalt - insbesondere der Verständigung der Beweisaufnahme der Bundespolizeidirektion Wien-Verkehrsamt vom 23. April 2001, in welcher dem Beschwerdeführer die beabsichtigte Entziehung der Lenkberechtigung für die Dauer von zwei Jahren mitgeteilt worden sei - ergebe sich, dass es sich bei der im Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 31. Mai 2001 angegebenen Entziehungszeit von 2 Monaten um einen Schreibfehler, sohin um eine auch für die Partei ersichtliche und auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit im Sinne des § 62 Abs. 4 AVG gehandelt habe. Die Erstbehörde habe sich im gegenständlichen Fall bloß in dem von ihr verwendeten Ausdruck (Monate statt Jahre) offenbar vergriffen. Da in einem Berichtigungsbescheid nur die Berichtigung offenkundiger Unrichtigkeiten, wie im gegenständlichen Fall vorliegend, möglich sei, nicht jedoch die Herabsetzung der Entziehungszeit (auf 18 Monate) welche tatsächlich eine Veränderung des Inhaltes des Bescheides bedeuten würde, sei der angefochtene Bescheid hinsichtlich dieses Spruchteils entsprechend dem ursprünglichen Behördenwillen insofern abzuändern, als die Entziehungszeit von zwei Monaten auf zwei Jahre zu berichtigen gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 62 Abs. 4 AVG kann die Behörde Schreib- und Rechenfehler oder diesen gleichzuhaltende, offenbar auf einem Versehen oder offenbar ausschließlich auf technisch mangelhaftem Betrieb einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten in Bescheiden jederzeit von Amts wegen berichtigen.
Der Beschwerdeführer macht in seiner Beschwerde im Wesentlichen geltend, dass es sich bei der Abänderung des Bescheides hinsichtlich der verfügten Entziehungszeit nicht um eine Berichtigung einer offenbar auf einem Versehen der Behörde beruhende Unrichtigkeit handle. Vielmehr sei davon auszugehen, dass es durch die erfolgte Berichtung der Entziehungszeit zu einer nachträglichen Änderung des Bescheidinhaltes gekommen sei. Auch könne dem Beschwerdeführer weder die Zitierung des § 25 Abs. 2 (richtig Abs. 3) FSG noch die Verständigung der Beweisaufnahme vorgehalten werden, weil § 25 Abs. 3 FSG im Bescheid nicht explizit angeführt worden sei. Der Bescheid vom 31. Mai 2001 sei somit in Rechtskraft erwachsen, die Behörde habe mit dem angefochtenen Bescheid in rechtswidriger Weise versucht, das Verfahren fortzuführen und die Entziehungsdauer zu erhöhen.
Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht.
Ein Bescheid darf nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 62 Abs. 4 AVG dann berichtigt werden, wenn zwei Voraussetzungen gegeben sind, nämlich erstens eine auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit und zweitens deren Offenkundigkeit. Eine auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit in diesem Sinn liegt dann vor, wenn die ursprüngliche Entscheidung den Gedanken, den die Behörde offenbar aussprechen wollte, unrichtig wiedergegeben hat, wenn die zu berichtigende Entscheidung dem Willen der Behörde also offenbar nicht entspricht. Offenkundig ist die Unrichtigkeit dann, wenn jene Personen, für die der Bescheid bestimmt ist, die Unrichtigkeit erkennen hätten können und die Unrichtigkeit ferner von der Behörde - bei entsprechender Aufmerksamkeit - bereits bei Erlassung des Bescheides hätte vermieden werden können. Während Fehler der Beweiswürdigung, der rechtlichen Beurteilung oder der Begründung des Bescheides (Behebung eines Begründungsmangels) einer Berichtigung nach § 62 Abs. 4 AVG nicht zugänglich sind, können klar erkennbare, also offenbar auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeiten berichtigt werden. Hiebei kommt es letztlich auch auf den Inhalt der übrigen Bescheidteile sowie auf den Akteninhalt an. Im Fall einer Berichtigung muss auch offenkundig sein, dass der unterlaufene Fehler auf einem bloßen Versehen beruhte, welches einem Schreib- oder Rechenfehler gleichzuhalten ist. § 62 Abs. 4 gestattet auch nur die Bereinigung textlicher Unstimmigkeiten, die den wahren Sinn des Bescheides nicht in Frage stellen dürfen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. November 1999, Zl. 96/10/0185).
Im vorliegenden Fall lagen die Voraussetzungen einer Berichtigung der Dauer der Entziehungszeit jedoch schon mangels Offenkundigkeit eines der Entziehungsbehörde erster Instanz unterlaufenen Versehens nicht vor. Die Bundespolizeidirektion Wien hat in ihrem Bescheid vom 31. Mai 2001 zwar im Spruch § 25 Abs. 3 FSG erwähnt (wonach bei mangelnder Verkehrszuverlässigkeit gemäß § 7 eine Mindestentziehungsdauer von drei Monaten festzusetzen ist), dass die Verfügung einer Entziehungszeit von 2 Monaten nach dieser Bestimmung nicht zulässig ist, bietet jedoch noch keine Grundlage für eine Berichtigung des Spruchs des Bescheides nach § 62 Abs. 4 AVG, weil eine unrichtige Gesetzesanwendung nicht Gegenstand einer Berichtigung sein kann. Aus der Anführung der genannten Bestimmung im Spruch des Bescheides war nicht erkennbar, dass lediglich eine textliche Unstimmigkeit des Spruches in der Weise vorliegt, dass statt einer Entziehungsdauer von 2 Monaten eine solche von 2 Jahren (oder, wie die erstinstanzliche Behörde in ihrem Bescheid ausführte, 18 Monaten) dem nicht in Frage zu stellenden Sinn des Bescheides entspricht, zumal das Gesetzeszitat eine Entziehungsdauer ab 3 Monaten zulässt, und schon aus diesem Grund von einem bloßen ins Auge springenden Versehen bei der Textgestaltung in der von der Behörde angenommenen Weise nicht die Rede sein kann.
Auch aus dem Grundsatz, dass Spruch und Begründung eine Einheit bilden und dass dann, wenn am Inhalt des Spruchs Zweifel bestehen, zu dessen Deutung auch die Begründung heranzuziehen ist, ergibt sich nichts anderes. In der "Begründung" des Bescheides wird nämlich auf die ausgesprochene Entziehungszeit überhaupt nicht eingegangen, ganz abgesehen von der fehlenden Wertung gemäß § 7 Abs. 5 FSG, sodass es für den Beschwerdeführer nicht erkennbar sein konnte, dass die Behörde die Lenkberechtigung für zwei Jahre entziehen wollte. Auch die Verständigung von der Beweisaufnahme der Bundespolizeidirektion Wien vom 23. April 2001, in welcher dem Beschwerdeführer eine beabsichtigte Entziehung der Lenkberechtigung für die Dauer von zwei Jahren mitgeteilt und er aufgefordert wurde, hiezu Stellung zu nehmen, ändert nichts an der mangelnden Offenkundigkeit des der Behörde unterlaufenen Fehlers. Denn in seiner hierauf abgegebenen Stellungnahme vom 28. Mai 2001 erstattete der Beschwerdeführer weiteres - insbesondere grundsätzlich für die Beurteilung seines Verhaltens im Rahmen der Wertung und damit auch für die Frage der Entziehungsdauer geeignetes - Vorbringen. Auch wenn die Erstbehörde in ihrem Bescheid vom 31. Mai 2001 dem Beschwerdeführer hierzu entgegnete, dass seine Angaben nicht als "schuldbefreiend" gewertet werden könnten und nichts am Ergebnis ändern würden - wobei die Erstbehörde dies nicht etwa mit dem Vorhalt, sie würde ihm die Lenkberechtigung auf 2 Jahre entziehen, sondern mit dem Tatvorwurf des Suchtmittelhandels in einen sprachlichen Zusammenhang setzte - , war für den Beschwerdeführer keineswegs offenkundig, dass sie dennoch eine Entziehungszeit von zwei Jahren aussprechen wollte, wie die Erstbehörde selbst in ihrem Bescheid vom 9. Oktober 2001 aufzeigte, als sie die Entziehungsdauer auf 18 Monate "berichtigte". Da eine wesentliche Voraussetzung der Berichtigung, nämlich die Offenkundigkeit des Versehens fehlte, war die "Berichtigung" des Bescheides vom 31. Mai 2001 nicht zulässig.
Der angefochtene Bescheid war aus den dargelegten Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne dass es eines Eingehens auf das weitere Beschwerdevorbringen bedurfte.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 25. Mai 2004
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2002110026.X00Im RIS seit
01.07.2004