TE Vwgh Erkenntnis 2004/5/25 2003/01/0417

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Veröffentlicht am 25.05.2004
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §1 Z4;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FrG 1997 §57;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde des B in L, geboren 1969, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den (am 23. April 2003 mündlich verkündeten) Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 23. Juli 2003, Zl. 227.356/0-VII/20/02, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der ehemaligen Bundesrepublik Jugoslawien - nunmehr Republik Serbien und Montenegro -, stammt aus Preševo in Südserbien und gehört der albanischen Volksgruppe an. Er beantragte am 18. Mai 2001 die Gewährung von Asyl.

Das Bundesasylamt wies den Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 4. März 2002 gemäß § 7 AsylG ab und stellte gemäß § 8 AsylG fest, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung "in die Bundesrepublik Jugoslawien - Provinz Kosovo" zulässig sei. Es ging davon aus, dass in der Provinz Kosovo (der Bundesrepublik Jugoslawien) für den Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe; der Zugriff auf den Beschwerdeführer durch serbische Behörden sei im Kosovo nicht möglich. Stichhältige Gründe dafür, dass dem Beschwerdeführer bei seiner Rückkehr in die Provinz Kosovo unmenschliche Bestrafung oder Behandlung drohe, könnten nicht festgestellt werden.

Die belangte Behörde führte aufgrund der vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung am 23. April 2003 eine mündliche Berufungsverhandlung durch, in der sie den Beschwerdeführer einvernahm und den Berufungsbescheid mündlich verkündete.

Mit diesem - am 23. Juli 2003 schriftlich ausgefertigten - vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers "gemäß §§ 7 und 8 AsylG" ab und stellte gemäß § 8 AsylG iVm § 57 Fremdengesetz fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers "in die unter internationaler Verwaltung stehende, vormalig autonome Provinz Kosovo (Serbien und Montenegro)" zulässig sei.

Die belangte Behörde traf Sachverhaltsfeststellungen zur allgemeinen Situation im Kosovo, in Kosovska-Mitrovica und in Südserbien und ging danach auf die Situation des Beschwerdeführers ein. Er sei bei der UCK gewesen und habe für diese am Krieg teilgenommen. 1998 sei sein Onkel von Serben "umgebracht" worden. Auch nach dem Krieg bis Dezember 2000 habe er (der Beschwerdeführer) für die UCK von Kosovo nach Südserbien Waffen transportiert. Danach sei er bei Verwandten und Freunden in Kosovo, in Serbien und in Mazedonien aufhältig gewesen. Von Seiten der Serben werde dem Beschwerdeführer unterstellt, terroristische Aktivitäten gesetzt zu haben; einer seiner Brüder sei Mitglied der UCPMP (der Befreiungsarmee von Preševo, Medvegje und Pujanovac) gewesen. Seine - zwischenzeitig in den Kosovo übersiedelte - Familie (Gattin und Kinder) sei im Mai 2000 nach Inkrafttreten des Amnestiegesetzes nach Preševo (in Südserbien) zurückgekehrt. Im Kosovo würden "heute noch" zwei Onkeln, zwei Schwestern, eine Tante, ein Bruder und andere Cousins des Beschwerdeführers leben. Er (der Beschwerdeführer) habe drei andere Brüder; einer lebe in Österreich, der andere zu Hause bei den Eltern in Preševo. Der Beschwerdeführer sei "aktiv an der Tötung eines Polizisten beteiligt" gewesen. In den Kosovo wolle er (der Beschwerdeführer) deshalb nicht zurückkehren, weil er dort - nach seiner Ansicht - keine Arbeit fände und seine Familie nicht versorgen könnte.

In rechtlicher Hinsicht argumentierte die belangte Behörde, der Beschwerdeführer habe aufgrund des Amnestiegesetzes in Südserbien "nichts zu befürchten". Selbst wenn man davon ausgehe, dass dem Beschwerdeführer ein Mord in Südserbien unterstellt werde und auf ihn das Amnestiegesetz nicht Anwendung fände, bliebe er frei von jeder Verfolgung, "sollte er in die autonome Provinz Kosovo zurückkehren, da dort keinerlei Einfluss der Serben mehr besteht".

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die belangte Behörde hat unberücksichtigt gelassen, dass der Beschwerdeführer kein aus dem Kosovo stammender Asylwerber ist. Der Kosovo ist daher nicht als Bezugsobjekt der zu prüfenden asylrechtlichen Verfolgung anzusehen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 9. Juli 2002, Zl. 2001/01/0550, und die darin angegebene Judikatur) ist bei der Prüfung der Voraussetzungen der Asylgewährung von zwei Herkunftsstaaten - dem Kosovo einerseits und der Bundesrepublik Jugoslawien bzw. Republik Serbien und Montenegro ohne den Kosovo andererseits - auszugehen. Das bedeutet, dass für jugoslawische Staatsangehörige bzw. Staatsangehörige von Serbien und Montenegro, die (wie fallbezogen auch der Beschwerdeführer) nicht aus dem Kosovo stammen, bei Prüfung der Voraussetzungen der Asylgewährung der Kosovo nicht als Teil des "Herkunftsstaates" Bundesrepublik Jugoslawien bzw. Republik Serbien und Montenegro in Betracht zu ziehen ist.

Da für den aus Südserbien stammenden Beschwerdeführer als Herkunftsstaat im Sinne der §§ 7 und 8 AsylG iVm § 1 Z. 4 leg. cit. die Bundesrepublik Jugoslawien bzw. Republik Serbien und Montenegro ohne den Kosovo anzusehen ist, war es verfehlt, den Kosovo als eine interne Schutzalternative heranzuziehen. Von daher ist den Entscheidungen beider Behörden von vornherein die Grundlage entzogen, ohne dass untersucht werden müsste, ob die tatsächlichen Verhältnisse im Kosovo für Albaner eine Schutzalternative bzw. Lebensmöglichkeit darstellen oder nicht. Die Entscheidung über den Asylantrag des Beschwerdeführers erfordert - entgegen der Annahme des Bundesasylamtes und der belangten Behörde - eine für sich genommen tragfähige Auseinandersetzung mit den dem Beschwerdeführer in der Republik Serbien und Montenegro (ohne Kosovo) seinen Behauptungen nach drohenden Sanktionen und den dafür maßgeblichen Gründen.

Da die belangte Behörde dies verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Abwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 25. Mai 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2003010417.X00

Im RIS seit

28.06.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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