TE Vwgh Erkenntnis 2004/5/26 2001/08/0209

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Veröffentlicht am 26.05.2004
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ABGB §1298;
ASVG §111;
ASVG §113;
ASVG §114 Abs2;
ASVG §33;
ASVG §34;
ASVG §35 Abs3;
ASVG §409;
ASVG §410 Abs1 Z7;
ASVG §67 Abs10;
ASVG §68 Abs1 idF 1991/676;
ASVG §68 Abs1;
ASVG §68 Abs2;
ASVG §68;
ASVGNov 50te;
VStG §9;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des W in P, vertreten durch die Anwaltspartnerschaft Dr. Karl Krückl und Dr. Kurt Lichtl in 4020 Linz, Harrachstraße 14, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 15. Oktober 2001, Zl. 3/05- V/13.500/14-2001, betreffend Haftung für Beitragsschuldigkeiten gemäß § 67 Abs. 10 ASVG (mitbeteiligte Partei: Salzburger Gebietskrankenkasse, 5024 Salzburg, Faberstraße 19-23), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war - wie nicht strittig ist - bis 30. September 1996 handelsrechtlicher Geschäftsführer der H GmbH. Vom 14. bis 25. April 1997 führte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse bei der genannten Gesellschaft eine Beitragsprüfung durch, wobei festgestellt wurde, dass für den Dienstnehmer H.K. die "Verrechnung der Sonderbeiträge" für die Weihnachtsremuneration 1994 "auf Grund der verspäteten Vorlage" unterblieben sei, für den Dienstnehmer A.G. die vereinbarte Flugpauschale (pro Minute S 10,--) nur zum Teil abgerechnet worden und für beide Dienstnehmer die Verrechnung der Kündigungsentschädigung nur zum Teil erfolgt sei.

Die sich aus den Meldepflichtverletzungen ergebende Nachberechnung von Sozialversicherungsbeiträgen in der Höhe von S 62.564,49 führte zur Vorschreibung eines Beitragszuschlages an die GmbH in der Höhe von S 12.500,-- mit Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 1. Juli 1997.

Mit Schreiben vom 17. November 1999 teilte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse dem Beschwerdeführer mit, dass er als Geschäftsführer gemäß § 67 Abs. 10 ASVG für die offenen Beiträge der Gesellschaft hafte. Er werde aufgefordert, für den Zeitraum vom 31. März bis 31. Juli 1996 eine Liquiditätsaufstellung beizubringen, damit die Gleichbehandlung der Sozialversicherungsbeiträge mit allen anderen Verbindlichkeiten überprüft werden könne. Im Zuge der sich daran anschließenden Korrespondenz bestritt der Beschwerdeführer zunächst das Vorhandensein offener Beiträge und jegliches Verschulden. Daraufhin übermittelte die Gebietskrankenkasse dem Beschwerdeführer zu Handen seines rechtsfreundlichen Vertreters mit Schreiben vom 17. Dezember 1999 die Aufstellung des Nachverrechnungsbetrages von S 62.564,49 und eine Kopie des Bescheides über die Vorschreibung des Beitragszuschlags von S 12.500,-- gegenüber der Gesellschaft sowie das Deckblatt des Prüfaktes. Die Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin sei gegeben, da sowohl beim Bezirksgericht Liesing als zuständigem Exekutionsgericht als auch beim Handelsgericht Wien als zuständigem Konkursgericht die Unzustellbarkeit von Schriftstücken an die Gesellschaft festgestellt worden sei.

Mit Schriftsatz vom 31. Jänner 2000 teilte der Beschwerdeführer der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse mit, dass seine Geschäftsanteile mit Notariatsakt vom 30. September 1996 veräußert worden seien; in diesem Zusammenhang sei er auch als Geschäftsführer ausgeschieden. Er habe mit nachträglichen Forderungen der Gebietskrankenkasse nicht rechnen müssen. Alle Buchhaltungsunterlagen und Aufzeichnungen seien der neuen Geschäftsführung übergeben worden. Es liege daher an der Gebietskrankenkasse, ihre Forderungen gegen die "Nachfolgefirma" (gemeint: gegen die Gesellschaft mbH, die mittlerweile ihre Firma geändert hat) geltend zu machen. Bereits im Frühjahr 1996 sei "unter Gleichbehandlung der Gläubiger" eine entsprechende Forderungsbereinigung durchgeführt worden.

Mit Bescheid vom 9. Februar 2000 stellte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse fest, dass der Beschwerdeführer verpflichtet sei, als ehemaliger Geschäftsführer der H GmbH den Beitragsrückstand von S 87.344,61 innerhalb von 14 Tagen (zuzüglich Verzugszinsen) bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Der Beschwerdeführer erhob Einspruch. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 15. Oktober 2001 wurde dieser Einspruch als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, der den Einspruchsbescheid des Landeshauptmannes mit Erkenntnis vom 16. Mai 2001, Zl. 2000/08/0215, unter Hinweis auf das mittlerweile ergangene Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 12. Dezember 2000, Zlen. 98/08/0191, 0192, aufgehoben hat.

Im fortgesetzten Verfahren holte die belangte Behörde zunächst eine Stellungnahme der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse ein: Diese hat darauf hingewiesen, dass für den Dienstnehmer H.K. die Sonderzahlungen für Dezember 1994 nicht gemeldet worden und die Verrechnung der Kündigungsentschädigung nur zum Teil erfolgt seien. Für den Dienstnehmer A.G. seien die vereinbarte Flugpauschale und die Kündigungsentschädigung nur zum Teil abgerechnet worden. Die Sonderzahlungen für Juni 1996 seien ebenfalls nicht gemeldet worden. Diese Meldungen hätten von Seiten des Dienstgebers fristgerecht erfolgen müssen. Der Beschwerdeführer sei im Beschäftigungszeitraum dieser Dienstnehmer sowie bei Abschluss des arbeitsgerichtlichen Verfahrens Geschäftsführer der Gesellschaft und somit verpflichtet gewesen, die genannten Meldungen durchzuführen.

Der Beschwerdeführer nahm dazu nur in der Weise Stellung, dass er auf frühere Stellungnahmen hinwies, wonach ihn am Entstehen der Verbindlichkeiten der Gesellschaft kein Verschulden treffe, und trug überdies vor, dass "das nunmehrige Verwaltungsstrafverfahren" (gemeint offenbar: Haftungsverfahren) auch deshalb "einzustellen" sei, weil "der Vorwurf dem Beschuldigten gegenüber bereits längst verjährt" sei, wobei er sich auf die "Verfolgungsverjährung von sechs Monaten" bezogen hat.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid wies die belangte Behörde den Einspruch des Beschwerdeführers neuerlich ab:

Sie ging dabei davon aus, dass die ausgewiesene Beitragsschuld von S 87.344,61 "zur Gänze aus einer im April 1997 durchgeführten Beitragsprüfung betreffend den Zeitraum 03/1996 bis 06/1996" stamme. Bei der Beitragsprüfung vom 20. Dezember 2000 (richtig: 14. bis 25. April 1997) sei festgestellt worden, dass für näher bezeichnete Dienstnehmer gebotene Meldungen nicht ordnungsgemäß erstattet worden seien. Der Beschwerdeführer sei im Beschäftigungszeitraum der in Rede stehenden Dienstnehmer Geschäftsführer der Gesellschaft und somit verpflichtet gewesen, die genannten Meldungen durchzuführen. Die vom Beschwerdeführer eingewendete "Verfolgungsverjährung" finde in diesem Verfahren keine Anwendung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat sich am Beschwerdeverfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften (u.a.) die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Seit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 12. Dezember 2000, Zl. 98/08/0191, 0192, vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, dass unter den "den Vertretern auferlegten Pflichten" im Sinne dieser Gesetzesstelle in Ermangelung weiterer, in den gesetzlichen Vorschriften ausdrücklich normierter Pflichten des Geschäftsführers im Wesentlichen nur die Melde- und Auskunftspflichten, soweit diese im § 111 ASVG in Verbindung mit § 9 VStG auch gesetzlichen Vertretern gegenüber sanktioniert sind, sowie die in § 114 Abs. 2 ASVG umschriebene Verpflichtung zur Abfuhr einbehaltener Dienstnehmerbeiträge zu verstehen sind.

2. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die Annahme der belangten Behörde, dass die ihm gegenüber geltend gemachten Beitragsforderungen bei der Primärschuldnerin uneinbringlich geworden sind, weil diese (und offenbar auch ihre Geschäftsführerin) nicht einmal mehr über einen Betriebssitz verfügt, an der ihr ein Schriftstück zugestellt werden könnte. Es ist aber strittig, ob die dem Beschwerdeführer auferlegte Beitragsschuld in der Höhe von S 87.344,61 unverjährt ist und ob sie auf Meldepflichtverletzungen des Beschwerdeführers als Geschäftsführer der Gesellschaft im Sinne des § 111 ASVG zurückzuführen ist.

3. Die behauptete Verletzung von Verfahrensbestimmungen liegt nicht vor:

3.1. Zunächst wurde - entgegen dem Beschwerdevorbringen - das Parteiengehör des Beschwerdeführers nicht verletzt; es wurde ihm auch nach dem aufhebenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Mai 2001, Zl. 2000/08/0215, unter Bekanntgabe der dazu eingeholten Stellungnahme der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse neuerlich Gelegenheit gegeben, gegenüber der belangten Behörde eine Stellungnahme unter Berücksichtigung des Verfahrensstandes und der geänderten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu erstatten.

3.2. Soweit der Beschwerdeführer Feststellungen über sein Verschulden vermisst, ist ihm entgegen zu halten, dass dem Beschwerdeführer die Unterlassung einer gesetzlichen Verpflichtung vorgeworfen wird, sodass es an ihm gelegen gewesen wäre, Behauptungen über Tatsachen aufzustellen, aus denen er ohne sein Verschulden an der Erfüllung dieser gesetzlichen Verpflichtungen gehindert gewesen wäre (§ 1298 ABGB; zur insoweit auch im Zusammenhang mit § 67 Abs. 10 ASVG weiterhin zu berücksichtigenden Rechtsprechung der in Abgabensachen zuständigen Senate des Verwaltungsgerichtshofes vgl. das Erkenntnis vom 4. April 1990, Zl. 89/13/0212). Dazu hat der Beschwerdeführer aber relevantes Vorbringen nicht erstattet.

Die behaupteten Verfahrensmängel liegen daher nicht vor.

4. Die Rechtsrügen des Beschwerdeführers sind hingegen teilweise begründet:

4.1. Soweit sich der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auf die "Übertragung der Verpflichtung zur Führung der Lohnbuchhaltung und der Meldung an einen Bevollmächtigten" beruft, ist ihm allerdings Folgendes entgegen zu halten:

4.1.1. Die den Dienstgebern obliegenden Meldeverpflichtungen im Sinne der §§ 33 und 34 ASVG können zwar gemäß § 35 Abs. 3 ASVG auf Bevollmächtigte übertragen werden. Dabei sind allerdings Name und Anschrift dieser Bevollmächtigten unter deren Mitfertigung dem zuständigen Versicherungsträger bekannt zu geben.

4.1.2. Der Beschwerdeführer hat aber im gesamten Verwaltungsverfahren nicht behauptet, dass im Zeitraum, in welchem die Meldepflichtverletzungen vorgekommen sind, ein solcher Bevollmächtigter der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse bekannt gegeben worden wäre. Er hat dies insbesondere auch nicht in seiner Stellungnahme vom 18. September 2001 vorgebracht, wie in der Beschwerde behauptet wird.

4.1.3. Der in der Beschwerde an anderer Stelle hervorgehobene Umstand, dass ein namentlich genannter Wirtschaftstreuhänder an der von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 14. bis 25. April 1997 durchgeführten Beitragsprüfung (sc. als Bevollmächtigter der Gesellschaft) teilgenommen hat, ist kein Hinweis darauf, dass in den maßgeblichen Zeiträumen eine solche Bevollmächtigung bereits bestanden habe und in Entsprechung der Vorschrift des § 35 Abs. 3 ASVG der Gebietskrankenkasse bekannt gegeben worden wäre.

4.2. Es trifft auch nicht zu - wie der Beschwerdeführer meint -, dass für die Inanspruchnahme als Haftender gemäß § 67 Abs. 10 ASVG eine rechtskräftige Bestrafung nach § 111 ASVG erforderlich wäre. Der Straftatbestand des § 111 ASVG indiziert - wie der Verwaltungsgerichtshof im vorstehend erwähnten Erkenntnis eines verstärkten Senates näher begründet hat - im Wege der Strafbarkeit gesetzlicher Vertreter gemäß § 9 VStG lediglich, dass bestimmte Verpflichtungen zur Erstattung von Meldungen und von Änderungsmeldungen nicht nur der Gesellschaft, sondern auch ihren Vertretern auferlegt sind. Nur auf die Verletzung dieser auch den Vertretern auferlegten Pflichten im Zusammenhang mit Meldungen kommt es im hier maßgebenden Zusammenhang für die Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG an, nicht aber darauf, ob die Pflichtverletzung überdies auch zu einer Bestrafung des jeweiligen Vertreters nach § 111 ASVG geführt hat.

4.3. Nicht zielführend ist ferner der Verjährungseinwand des Beschwerdeführers:

4.3.1. Gemäß § 68 ASVG verjährt das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen "bei Beitragsschuldnern und Beitragsmithaftenden" binnen drei Jahren vom Tag der Fälligkeit der Beiträge. Hat der Dienstgeber Angaben über Versicherte bzw. über deren Entgelt nicht innerhalb der in Betracht kommenden Meldefristen gemacht, so beginnt die Verjährungsfrist erst mit dem Tag der Meldung zu laufen. Diese Verjährungsfrist verlängert sich jedoch auf fünf Jahre, wenn der Dienstgeber oder eine sonst meldepflichtige Person (§ 36 ASVG) keine oder unrichtige Angaben bzw. Änderungsmeldungen über die bei ihm beschäftigten Personen bzw. über deren jeweiliges Entgelt (auch Sonderzahlungen im Sinne des § 49 Abs. 2 ASVG) gemacht hat, die er bei gehöriger Sorgfalt als notwendig oder unrichtig hätte erkennen müssen.

4.3.2. Nach ständiger Rechtsprechung zu § 68 ASVG in der Fassung vor Inkrafttreten der 50. Novelle zum ASVG wurden die auf Beitragsschuldner zugeschnittenen Regeln dieser Bestimmung auf Beitragshaftende mit der Maßgabe sinngemäß angewendet, dass die Beitragsforderung gegenüber dem Primärschuldner im Zeitpunkt der Geltendmachung der Vertreterhaftung noch nicht verjährt sein durfte (vgl. zB die Erkenntnisse vom 25. Jänner 1967, Slg. Nr. 7066/A, und vom 22. Juni 1993, Zl. 93/08/0011) und dass erst der Erlassung des Haftungsbescheides - nicht aber auch anderen zur Geltendmachung der Haftung vorgenommenen Maßnahmen - verjährungsunterbrechende Wirkung zukam (vgl. das Erkenntnis vom 15. Dezember 1988, Zl. 88/08/0252, mwH).

4.3.3. Aus der Einfügung des Wortes "Beitragsmithaftender" in den ersten Satz des § 68 Abs. 1 ASVG durch die 50. ASVG-Novelle hat der Verwaltungsgerichtshof unter Bedachtnahme auf den Zusammenhang dieses Satzes mit den übrigen Bestimmungen des § 68 Abs. 1 und 2 ASVG den Schluss gezogen, dass die bisherige Rechtsprechung zur Verjährung des Rechtes auf Inanspruchnahme eines Haftungspflichtigen nach § 67 Abs. 10 ASVG zumindest in folgenden Punkten nicht mehr aufrechterhalten werden konnte:

Erstens ist auch über die Haftungsverpflichtung nach § 67 Abs. 10 ASVG unter den weiteren Voraussetzungen der §§ 409 und 410 (insbesondere Abs. 1 Z. 7) ASVG ein Feststellungsbescheid nach § 68 Abs. 1 ASVG zu erlassen. Zweitens verjährt auch dem Haftungspflichtigen gegenüber dieses Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen erst binnen drei bzw. fünf Jahren. Drittens wird dieses Feststellungsrecht jedenfalls auch durch jede zum Zwecke der Feststellung (seiner Haftungsverpflichtung) getroffene Maßnahme in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem der Haftungspflichtige hievon in Kenntnis gesetzt wird. Viertens ergibt sich aus der Geltung des § 68 Abs. 1 ASVG, dass gegenüber dem Haftungspflichtigen von "festgestellten Beitragsschulden" iSd § 68 Abs. 2 ASVG jedenfalls so lange nicht gesprochen werden kann, als noch ein Streit über die Haftungsverpflichtung selbst nach § 68 Abs. 1 ASVG besteht (vgl. das Erkenntnis vom 22. März 1994, Slg. Nr. 14021/A).

4.3.4. Weiterhin gilt aber, dass zwischen der Haftung des Primärschuldners (hier: der Gesellschaft) und der Haftung des Vertreters ein Zusammenhang bestehen muss, der sich aus den Voraussetzungen für die Vertreterhaftung unmittelbar ergibt: vor allem das Tatbestandsmoment der Uneinbringlichkeit der Beitragsforderung beim Primärschuldner zeigt zweierlei: zum einen, dass die Verjährungsfrist für den haftungspflichtigen Vertreter (zumindest) nicht früher ablaufen kann, als die Haftung entstanden ist, dh. als feststeht, dass die Uneinbringlichkeit der Beitragsforderung eingetreten ist. Von Uneinbringlichkeit der Beitragsforderung in dem in § 67 Abs. 10 ASVG gemeinten Sinne kann aber zum anderen nur dann gesprochen werden, wenn im Zeitpunkt der Feststellbarkeit der Uneinbringlichkeit (frühestens also mit deren objektivem Eintritt) die Beitragsforderung gegenüber dem Primärschuldner nicht verjährt (und damit schon wegen Fristablaufs uneinbringlich geworden) ist.

4.3.5. Die Verjährung des Feststellungsrechtes wird durch jede zum Zwecke der Feststellung getroffene Maßnahme in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem der Zahlungspflichtige hievon in Kenntnis gesetzt wird (zur Anwendung dieser Bestimmung auch auf die Vertreterhaftung im Sinne des § 67 Abs. 10 ASVG vgl. neuerlich das Erkenntnis vom 22. März 1994, Slg. Nr. 14021/A).

a) Nach der Aktenlage handelt es sich im Beschwerdefall um Beitragsforderungen aus Beitragszeiträumen im November 1994 und in den Jahren 1995 und 1996. Die vom 14. bis 25. April 1997 (d.h. ungeachtet der Frage einer allfälligen Verlängerung der Verjährungsfrist auf 5 Jahre noch innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist) durchgeführte Beitragsprüfung war jedenfalls eine Maßnahme, die zur Unterbrechung des Laufs der Verjährungsfrist gegenüber der Beitragsschuldnerin geführt hat (vgl. die Erkenntnisse vom 31. Mai 1972, Slg. Nr. 8245/A, und vom 22. Juni 1993, Zl. 93/08/0011).

b) Diese Verjährungsfrist begann somit frühestens am 26. April 1997 neuerlich zu laufen und wurde gegenüber dem Beschwerdeführer durch das Aufforderungsschreiben der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 17. November 1999 noch vor ihrem Ablauf unterbrochen (zur Unterbrechungswirkung eines Mahnschreibens vgl. u.a. das Erkenntnis vom 30. Mai 1995, Zl. 93/08/0201).

c) Während des gesamten, sich daran anschließenden, der Feststellung der Haftung des Beschwerdeführer dienenden Verfahrens, einschließlich des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, konnte die Verjährungsfrist aber nicht neuerlich zu laufen beginnen (zur Fortdauer der Unterbrechungswirkung während eines solchen Verfahrens vgl. das Erkenntnis vom 16. April 1991, Zl. 89/08/0337). Der Verjährungseinwand des Beschwerdeführers trifft daher schon deshalb nicht zu.

4.4. Soweit der Beschwerdeführer jedoch die Kausalität der Meldepflichtverletzungen für die Uneinbringlichkeit der Beitragsforderung bestreitet, ist er mit seiner Beschwerde im Ergebnis teilweise im Recht:

4.4.1. Hinsichtlich der auf den Dienstnehmer H.K. entfallenden Nachforderung für die Sonderzahlung November 1994 ergibt sich aus dem Akt der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse, dass die betreffende Sonderzahlungsmeldung zwar verspätet, dennoch aber rund zwei Jahre vor der Beitragsprüfung, nämlich am 12. April 1995, erstattet worden ist. Es wird dazu im Prüfungsakt lediglich vermerkt, dass seitens der Kasse keine Nachverrechnung dieser Sonderzahlungsmeldung erfolgt sei.

4.4.2. Aus welchen Gründen die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse auf Grund der zwar verspätet, dann aber doch erstatteten Meldung die Beiträge für die Sonderzahlung nicht vorgeschrieben hat, kann den Verwaltungsakten nicht entnommen werden. Wären diese Beiträge aber im Jahre 1995 einbringlich gewesen (dazu hat die belangte Behörde ausgehend von ihrer in diesem Punkt unrichtigen Rechtsauffassung keine Feststellungen getroffen), dann kann dem Beschwerdeführer die diesfalls auf ein Versäumnis der Gebietskrankenkasse zurückzuführende Uneinbringlichkeit dieser Beiträge im Gefolge des Verkaufs und der Umbenennung der Gesellschaft ab 1. Oktober 1996 nicht angelastet werden.

4.5. Der angefochtene Bescheid erweist sich aber auch noch aus einem weiteren, in der Beschwerde zwar nicht genannten, aber im Rahmen des Beschwerdepunktes von Amts wegen aufzugreifenden Grund als teilweise rechtswidrig:

Zu Unrecht hat die belangte Behörde nämlich die Haftung des Beschwerdeführers auch für jenen Teil der Gesamtforderung angenommen, welcher aus dem der Gesellschaft vorgeschriebenen Beitragszuschlag besteht: Abgesehen davon, dass dieser Beitragszuschlag erst mit Bescheid vom 1. Juli 1997 (also zu einem Zeitpunkt, zu dem der Beschwerdeführer nicht mehr Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen ist) vorgeschrieben wurde, ist nicht erkennbar, dass eine der vom Verwaltungsgerichtshof im vorgenannten Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 12. Dezember 2000 für die Haftung für erforderlich bezeichneten schuldhaften Pflichtverletzungen eines Geschäftsführers (Meldepflichtverletzung oder Nichtabfuhr einbehaltener Beiträge) als Grund für die Uneinbringlichkeit eines Beitragszuschlages in Frage käme.

Eine Haftung des Beschwerdeführers für einen im Jahr 1997 der Gesellschaft vorgeschriebenen Beitragszuschlag gegenüber der Gebietskrankenkasse kommt daher nach § 67 Abs. 10 ASVG nicht in Betracht.

5. Der angefochtene Bescheid war ungeachtet seiner bloß teilweisen Rechtswidrigkeit mangels Teilbarkeit seines Spruchs zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

6. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003; das Mehrbegehren war im Hinblick auf die auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Gebührenfreiheit gemäß § 110 ASVG abzuweisen.

Wien, am 26. Mai 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2001080209.X00

Im RIS seit

15.07.2004

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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