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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AlVG 1977 §17 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Dr. Georg Schönherr, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stubenring 16, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses der Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 15. Dezember 2000, Zl. LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/2000-3642, betreffend Widerruf und Rückforderung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die seit Jahren - mit Unterbrechungen - im Bezug von Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung stehende Beschwerdeführerin stellte mit dem am 18. Jänner 1999 ausgegebenen bundeseinheitlich aufgelegten Antragsformular den Antrag auf Zuerkennung von Notstandshilfe. Die Frage 8 (Ich habe eigenes Einkommen. Wenn ja, welcher Art? (z.B. Pensionen, Renten, Unterhaltsleistungen, Einkommen aus geringfügiger, selbständiger oder freiberuflicher Tätigkeit, Vermietung oder Hausbesorgertätigkeit)) verneinte sie.
Im Zuge von Erhebungen über den Aufenthaltsort bzw. Hauptwohnsitz der Beschwerdeführerin wurde mit ihr von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice am 2. März 2000 eine Niederschrift zum Gegenstand "Meldung/Untermiete" aufgenommen. Soweit für das Beschwerdeverfahren von Bedeutung, führte die Beschwerdeführerin aus, Herr Aldo P wohne seit 1998 in ihrer Wohnung und zahle S 2.500,-- pro Monat Untermiete. Sie habe gedacht, von Herrn P. S 2.500,-- Untermiete verlangen zu dürfen, weil "es ja unter der Geringfügigkeitsgrenze liege".
Mit Bescheid vom 10. März 2000 sprach die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice aus, dass gemäß § 38 iVm § 24 Abs. 2 AlVG der Bezug der Notstandshilfe vom 18. Jänner 1999 bis 9. September 1999 widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt werde und die Beschwerdeführerin gemäß § 38 iVm § 25 Abs. 1 leg. cit. zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe im Gesamtbetrag von S 16.934,-- verpflichtet werde. In der Begründung wurde dazu ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe im Streitzeitraum im genannten Ausmaß die Notstandshilfe zu Unrecht bezogen, weil sie ihr Einkommen aus der Untervermietung nicht gemeldet habe.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Darin führte sie aus, im Betrag von S 2.500,-- seien Betriebskosten und die Mehrwertsteuer enthalten; der Betrag setze sich wie folgt zusammen:
"S 2.500,--
Betriebskosten
S 1.262,70
Reservefonds
S 732,--
Manip.-Gebühr
S 8,--
Mwst. 10 % von S 1.262,70
S 126,27
S 2.128,97
Reparaturfondssonderzahlung
S 2.014,73
ergibt einen Verlust von
S 1.643,70
Die Reparaturfondssonderzahlung sei auf Grund von dringend notwendigen Sanierungs-, Erhaltungs- und Renovierungsarbeiten vorzunehmen. Die Beschwerdeführerin legte eine Beitragsvorschreibung der Hausverwaltung ab Jänner 1999 vor, woraus sich ein Vorschreibungsbetrag von S 4.143,70 ergibt.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben. In der Begründung führte die belangte Behörde nach Gesetzeszitaten und einer Darstellung des Verwaltungsgeschehens aus, die Beschwerdeführerin habe erst bei der Niederschrift am 2. März 2000 die Vermietung ihrer Wohnung bejaht und den monatlichen Mietzins des Untermieters in Höhe von S 2.500,-- genannt. Die "Untervermietung" sei laut Mitteilung der Beschwerdeführerin mit Ende April 2000 "gelöst worden". Die Beschwerdeführerin sei bis 9. September 1999 im Bezug der Notstandshilfe gestanden. Die Beschwerdeführerin habe bis zu diesem Zeitpunkt das Vorliegen von Einkommen aus der Untervermietung nicht gemeldet. Sie habe daher ihre Meldepflicht gemäß § 50 AlVG verletzt.
Die von der Beschwerdeführerin für die Wohnung aufgewendeten Kosten seien von ihr auf Grund ihrer rechtlichen Position als Mieterin zu tragen und könnten deshalb rechnerisch bei den Mieteinnahmen durch Untervermietung nicht berücksichtigt werden. Das parallel zur Notstandshilfe bezogene, nie gemeldete Einkommen bedinge den Widerruf der Leistung; die Unterlassung der Meldung in Kenntnis der Einnahmen erfülle den Rückforderungstatbestand.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Nach der ständigen, auf das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Mai 1977, Slg Nr. 9315/A, gestützten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Anspruch auf Notstandshilfe zeitraumbezogen zu beurteilen. Daraus folgt, dass die in den jeweiligen - frühestens mit der Antragstellung beginnenden und mit Erlassung des Berufungsbescheides ändernden - Zeiträumen, für welche die Leistung beantragt wurde, gegebene Sach- und Rechtslage maßgebend ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 17. November 1999, 97/08/0153).
Voraussetzung für die Zuerkennung von Notstandshilfe war gemäß § 33 AlVG das Vorliegen von Notlage. Gemäß § 36 leg. cit. sind über das Ausmaß der Notstandshilfe Richtlinien zu erlassen. In Durchführung dieser Bestimmung ist die Notstandshilfeverordnung ergangen, deren § 5 idF BGBl. Nr. 329/1995 (Abs. 1, 3 und 4) und BGBl. Nr. 240/1996 (Abs. 2) lautet:
"(1) Das Einkommen des Arbeitslosen, das er innerhalb eines Monats erzielt, ist nach Abzug der Steuern und sozialen Abgaben sowie des zur Erwerbung dieser Einkommen notwendigen Aufwandes auf die Notstandshilfe, die im Folgemonat gebührt, unter Bedachtnahme auf die folgenden Bestimmungen anzurechnen. Eine Anrechnung von Einkommen aus einer Beschäftigung, ausgenommen nach Abs. 2, sowie von Einkommen gemäß § 3 Abs. 1 Z. 4 lit. a und Z. 5 lit. a bis d EStG 1988 findet nicht statt.
(2) Ein Einkommen, das den in § 5 Abs. 2 lit. c ASVG angeführten Betrag nicht übersteigt, ist auf die Notstandhilfe nicht anzurechnen.
(3) Bei der Ermittlung des Einkommens aus Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 Z. 1 bis 3 und 5 bis 7 EStG 1988 ist vom Gesamtbetrag der Einkünfte, die darauf entfallene Einkommensteuer abzuziehen.
(4) Sachbezüge sind mit dem entsprechenden Geldwert zu veranschlagen."
Der im § 5 Abs. 2 lit. c ASVG angeführte Betrag hatte im Kalenderjahr 1999 die Höhe von S 3.899,-- (vgl. dazu die Kundmachung BGBl. II Nr. 455/1998) betragen.
Der Ausschluss geringfügiger Einkommen von der Anrechnung auf die Notstandshilfe gilt nach dem klaren Wortlaut der angeführten Bestimmung nicht nur für Einkommen, die aus einer Beschäftigung erzielt werden (vgl. auch hiezu das Erkenntnis vom 17. November 1999, 97/08/0153).
Das von der belangten Behörde angerechnete Einkommen betrug S 2.500,-- monatlich und lag daher unter der genannten Geringfügigkeitsgrenze. Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
Soweit sich die belangte Behörde in der Gegenschrift darauf beruft, Einnahmen aus Vermietung seien stets gemäß § 5 Abs. 1 Notstandshilfeverordnung zu 100 % anzurechnen und sich hiefür auf das hg. Erkenntnis vom 26. April 2000, 96/08/0354, bezieht, ist ihr Folgendes zu entgegnen. Im genannten Erkenntnis wurden Widerruf und die Rückforderung von Notstandshilfe für den Zeitraum 1. Oktober 1990 bis 31. Juli 1992 geprüft. Abgesehen davon wurde die von der belangten Behörde in der Gegenschrift vertretene Rechtsauffassung in dem Erkenntnis nicht zum Ausdruck gebracht.
Der angefochtene Bescheid war schon aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 26. Mai 2004
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001080060.X00Im RIS seit
14.07.2004