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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 Z1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2002/20/0361Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Berger und Mag. Nedwed, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des B in W, geboren 1970, vertreten durch Dr. Heinz Robathin, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Straße 12, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 26. März 2002, Zl. 219.617/13-VII/20/02, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer Asylangelegenheit (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, seinen Angaben zufolge ein aus Tschetschenien stammender russischer Staatsangehöriger, reiste am 29. Juni 2000 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 4. Juli 2000 für sich und seine gemeinsam mit ihm eingereiste Familie die Gewährung von Asyl. In seinem schriftlich gestellten Asylantrag wird im Briefkopf als Absender der Beschwerdeführer und darunter dessen "derzeitiger Aufenthaltsort: C-Straße 12, 1130 Wien" angeführt. Weiters führt der Beschwerdeführer in diesem Schreiben unter anderem aus:
"Es wurde uns ermöglicht für einen Zeitraum von einem Monat auf obiger Adresse Unterkunft zu erhalten. Sollte unsere Adresse sich ändern, werden wird dies der Behörde unverzüglich bekannt geben.
Für die Abholung der Ladung haben wir Herrn F.M. bevollmächtigt. Wir ersuchen daher diesen als Zustellungsbevollmächtigten einzusetzen."
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18. Oktober 2000 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 6 Z 3 AsylG als offensichtlich unbegründet abgewiesen. Zugleich wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Russland gemäß § 8 AsylG zulässig sei.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung.
Mit Ladung vom 11. Mai 2001 beraumte der unabhängige Bundesasylsenat (die belangte Behörde) eine Berufungsverhandlung für den 25. Mai 2001 an. Diese Ladung war an den Zustellungsbevollmächtigten F.M. adressiert und wurde laut dem im Verwaltungsakt erliegenden Rückschein am 15. Mai 2001 (mit Beginn der Abholfrist am 16. Mai 2001) hinterlegt.
Zu der für den 25. Mai 2001 anberaumten Berufungsverhandlung erschienen weder der Beschwerdeführer noch ein Vertreter des Bundesasylamtes. Nach Verlesung des "gesamten Akteninhaltes" wurde der Berufungsbescheid mündlich verkündet und mit diesem die Berufung des Beschwerdeführers "gemäß § 6 Z 3 und § 8 AsylG" abgewiesen. Gemäß § 8 AsylG in Verbindung mit § 57 FrG wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Russland zulässig sei. Die Verkündung des Bescheides wurde in der Verhandlungsschrift beurkundet und der Bescheid schließlich am 26. März 2002 schriftlich ausgefertigt (gegen diesen Bescheid richtet sich die zur Zl. 2002/20/0361 protokollierte Beschwerde, über die mit Erkenntnis vom 6. Mai 2004 entschieden wurde).
Mit einem am 31. Mai 2001 bei der belangten Behörde eingebrachten Schriftsatz beantragte der - nunmehr durch einen Rechtsanwalt vertretene - Beschwerdeführer die "Anberaumung einer mündlichen Verhandlung" und führte dazu aus, dass der Zustellungsbevollmächtigte F.M. sich zum Zeitpunkt der Hinterlegung der Ladung für die Berufungsverhandlung (vom 10. bis 28. Mai 2001) im Ausland befunden habe. Da die Ladung an F.M. zu eigenen Handen zuzustellen war, habe der Beschwerdeführer - der selbst am 28. Mai 2001 nicht in Wien gewesen sei - erst nach der Rückkehr des F.M. (am 28. Mai 2001) und seiner eigenen Rückkehr (am 29. Mai 2001) vom Verhandlungstermin Kenntnis erlangt.
Nach Übermittlung einer Kopie der Verhandlungsschrift vom 25. Mai 2001 beantragte der Beschwerdeführer am 13. Juni 2001 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung dieser Verhandlung und die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, weil er im Hinblick auf den Auslandsaufenthalt des F.M. durch ein von ihm "nicht zu verantwortendes und unabwendbares Ereignis nicht von der für den 25.5.2001 anberaumten Verhandlung rechtzeitig Kenntnis erlangt" habe. Gleichzeitig legte der Beschwerdeführer Geburtsurkunden des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau vor.
In dem von der belangten Behörde in der Folge über den Wiedereinsetzungsantrag durchgeführten Verfahren wurde F.M. als Zeuge vernommen. Er gab an, es sei richtig, dass er Zustellvollmacht für den Beschwerdeführer gehabt habe. Er habe sich nicht ab dem 10. Mai 2001 im Ausland befunden, sondern sei am 15. Mai 2001 abgereist, wobei er aber nicht mehr "hundertprozentig die Tage sagen" könne. Genau wisse er, dass er zum Zeitpunkt der Hinterlegung des Schriftstückes nicht mehr in Österreich gewesen sei, wobei diese seines Wissens am 16. Mai 2001 erfolgt sei.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 26. März 2002 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 AVG ab. Sie stellte unter anderem fest, dass die Ladung zu der für den 25. Mai 2001 anberaumten Berufungsverhandlung "am 15.5.2001 nach zwei vergeblichen Zustellversuchen beim Postamt hinterlegt" worden sei. Der Zustellungsbevollmächtigte F.M. sei ab Mitte Februar 2001 in Wien gewesen. "Am 15.5.2000 (gemeint: 2001) reiste der Zustellbevollmächtigte für knappe zwei Wochen nach Ungarn", wo er eine Ausstellung vorbereitet habe. Er habe zunächst gedacht, dass er nur zwei bis drei Tage dafür benötigen werde; es habe sich aber herausgestellt, "dass er etwas länger bleiben musste". Er habe bereits seit Februar 2001 um seinen für Mai geplanten Auslandsaufenthalt in Ungarn gewusst. Ob er "eine Nachricht an das Postamt übersandte", könne nicht festgestellt werden. Ihm sei bewusst gewesen, dass jederzeit eine Ladung eintreffen könne. Indem der Zustellungsbevollmächtigte "bereits geraume Zeit von diesem Auslandsaufenthalt in Ungarn" gewusst und dennoch keine Vorkehrungen getroffen habe, damit eine Ladung dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht werden könne, treffe ihn an der Versäumung der Verhandlung "eine den Grad des leichten Versehens übersteigende Sorglosigkeit". Der Wiedereinsetzungsantrag sei daher abzuweisen gewesen.
Mit Erkenntnis vom 6. Mai 2004, Zl. 2002/20/0361, hat der Verwaltungsgerichtshof den über die Berufung des Beschwerdeführers gegen die Abweisung seines Asylantrages ergangenen, in der Berufungsverhandlung am 25. Mai 2001 verkündeten und am 26. März 2002 schriftlich ausgefertigten Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Mit seinem Wiedereinsetzungsantrag, über den die belangte Behörde in dem im vorliegenden Beschwerdeverfahren angefochtenen Bescheid vom 26. März 2002 entschieden hat, verfolgte der Beschwerdeführer das Verfahrensziel der (neuerlichen) Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung. Mit dem oben angeführten Erkenntnis vom 6. Mai 2004, in dem der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt hat, dass die belangte Behörde sich unter anderem mit den vom Beschwerdeführer mit seinem Wiedereinsetzungsantrag vorgelegten Urkunden im Rahmen einer mündlichen Berufungsverhandlung auseinander zu setzen haben wird, ist das Verwaltungsverfahren wieder in das Stadium des Berufungsverfahrens zurückgetreten. Der unabhängige Bundesasylsenat wird im Hinblick auf § 63 Abs. 1 VwGG vor einer neuerlichen Entscheidung die vom Beschwerdeführer versäumte Berufungsverhandlung schon aus den im Erkenntnis vom 6. Mai 2004 dargelegten Gründen neuerlich durchzuführen haben.
Der Beschwerdeführer hat damit das Verfahrensziel seines Wiedereinsetzungsantrages bereits mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Mai 2004, mit dem der am 25. Mai 2001 verkündete und am 26. März 2002 schriftlich ausgefertigte Berufungsbescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben wurde, erreicht. An der Erledigung der Beschwerde, die sich gegen den im Wiedereinsetzungsverfahren ergangenen angefochtenen Bescheid richtet, besteht daher kein rechtliches Interesse mehr; die Beschwerde ist somit gegenstandslos (vgl. zum vergleichbaren Fall der Gegenstandslosigkeit eines gegen die Versäumung der Berufungsfrist gerichteten Wiedereinsetzungsverfahrens, wenn der die Berufung wegen Verspätung zurückweisende Berufungsbescheid aufgehoben wird, den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. September 2001, Zlen. 2001/10/0003, 0031).
Aufgrund der eingetretenen Gegenstandslosigkeit war das Verfahren in analoger Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat einzustellen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf § 58 Abs. 2 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Die Beschwerde wäre im Ergebnis erfolgreich gewesen, weil die - von einer wirksamen Zustellung der Ladung ausgehenden - Überlegungen der belangten Behörde zur Zurechnung eines von ihr angenommenen Verschuldens des Zustellungsbevollmächtigten des Beschwerdeführers der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht standgehalten hätten.
Das Mehrbegehren (Gebühr gemäß § 24 Abs. 3 VwGG) war abzuweisen, weil der Beschwerdeführer diese Gebühr aufgrund der ihm gewährten Verfahrenshilfe nicht zu entrichten hat.
Wien, am 26. Mai 2004
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete Zuspruch von Aufwandersatz gemäß §58 Abs2 VwGG idF BGBl 1997/I/088European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2002200362.X00Im RIS seit
11.08.2004