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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
BAO §97 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, in der Beschwerdesache des H M in L, vertreten durch Dr. Marcus Zimmerbauer, Rechtsanwalt in 4030 Linz, Salzburger Straße 267, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich als Finanzstrafbehörde II. Instanz vom 31. Mai 2000, RV 156/1-10/1998, betreffend Abgabenhinterziehung, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 381,90 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Finanzamtes Linz als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom 17. November 1997 wurde dem Beschwerdeführer auf seinen Antrag für das mit dem angefochtenen Bescheid abgeschlossene Finanzstrafverfahren gemäß § 77 Abs. 3 FinStrG ein Verteidiger beigegeben. Auf Grund dieses Bescheides bestellte in der Folge die Kammer der Wirtschaftstreuhänder gemäß § 77 Abs. 4 FinStrG den Steuerberater Dr. Wolfgang Czepl zum Pflichtverteidiger.
Das Straferkenntnis des Spruchsenates beim Finanzamt Linz wurde dem Beschwerdeführer durch Zustellung an den Verteidiger bekannt gegeben.
Über die gegen dieses Straferkenntnis eingebrachte Berufung entschied die belangte Behörde - nach der in Anwesenheit des Beschwerdeführers sowie seines Verteidigers durchgeführten Berufungsverhandlung - mit dem angefochtenen Bescheid, der am 23. Mai 2001 dem Verteidiger zugestellt worden ist.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die am 26. September 2001 zur Post gegebene Beschwerde. In dieser wird vorgebracht, der angefochtene Bescheid sei am 23. Mai 2001 dem "damaligen Vertreter des Beschwerdeführers, Dr. Wolfgang Czepl, Wirtschaftstreuhänder in ..., zugestellt" worden. § 163 Abs. 1 FinStrG normiere, dass Rechtsmittelentscheidungen dem Beschuldigten zuzustellen seien. Eine derartige Zustellung sei bis heute nicht erfolgt. Der nunmehrige steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers, Steuerberater HF, habe erst am 17. August 2001 vom angefochtenen Bescheid Kenntnis erlangt. Der seinerzeitige Vertreter, Dr. Wolfgang Czepl, habe über keine Zustellvollmacht verfügt, weshalb die Zustellung des angefochtenen Bescheides erst mit der Akteneinsicht durch den nunmehrigen Vertreter und der Weiterleitung an den Beschwerdeführer am 17. August 2001 erfolgt sei.
Die Beschwerde erweist sich als verspätet.
§ 163 Abs. 1 FinStrG lautet:
"Die Rechtsmittelentscheidung ist schriftlich auszufertigen. Ausfertigungen sind dem Amtsbeauftragten des Rechtsmittelverfahrens, ferner im Wege der Finanzstrafbehörde erster Instanz dem Beschuldigten und dem gemäß § 122 dem Verfahren zugezogenen Nebenbeteiligten zuzustellen."
§ 56 Abs. 3 FinStrG lautet:
"Für Zustellungen gelten das Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982, und sinngemäß die Bestimmungen des dritten Abschnittes der Bundesabgabenordnung. Zustellungen im Verfahren nach den §§ 147 und 148 können durch öffentliche Bekanntmachung nach § 25 des Zustellgesetzes erfolgen."
§ 9 Abs. 1 ZustellG lautet:
"Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist."
§ 103 Abs. 1 BAO lautet:
"Ungeachtet einer Zustellungsbevollmächtigung sind Vorladungen (§ 91) dem Vorgeladenen zuzustellen. Im Einhebungsverfahren ergehende Erledigungen können aus Gründen der Zweckmäßigkeit, insbesondere zur Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens, trotz Vorliegens einer Zustellungsbevollmächtigung wirksam dem Vollmachtgeber unmittelbar zugestellt werden."
Gemäß § 77 Abs. 3 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde auf Antrag des Beschuldigten diesem unter bestimmten Voraussetzungen für das gesamte Verfahren oder für einzelne Verfahrenshandlungen einen Verteidiger beizustellen, dessen Kosten er nicht zu tragen hat.
Ist ein Verteidiger beizugeben, so hat gemäß § 77 Abs. 4 FinStrG die Finanzstrafbehörde dies der Kammer der Wirtschaftstreuhänder mitzuteilen, damit diese einen Wirtschaftstreuhänder als Verteidiger bestelle. Von der Bestellung hat die Kammer die Finanzstrafbehörde zu verständigen. Die Kosten der Verteidigung trägt die Kammer.
§ 163 Abs. 1 FinStrG ordnet an, dass die Rechtsmittelentscheidung im Finanzstrafverfahren schriftlich auszufertigen ist und die Ausfertigung dem Beschuldigten im Wege der Finanzstrafbehörde erster Instanz zuzustellen ist. Bei aufrechtem Bestand einer Zustellbevollmächtigung kann - wie sich dies aus § 56 Abs. 3 FinStrG iVm § 9 Abs. 1 erster Satz ZustellG ergibt - nicht an die Partei selbst rechtswirksam zugestellt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. September 1993, 92/13/0308). Die Zustellung hat vielmehr an den Zustellbevollmächtigten zu erfolgen. Daran ändert die Bestimmung des § 163 Abs. 1 FinStrG genauso wenig wie die korrespondierende, das erstinstanzliche Straferkenntnis betreffende Bestimmung des § 141 Abs. 1 FinStrG.
Der OGH vertritt in ständiger Rechtsprechung zu dem nach § 63 Abs. 1 Z 3 ZPO bestellten Verfahrenshelfer die Ansicht, dass dieser einem bevollmächtigten Vertreter (auch hinsichtlich der Zustellung gerichtlicher Entscheidungen) gleichsteht (vgl. OGH 28. Mai 2001, 8 Ob A 237/00m; Fasching, LB2, Rz 485). Gleiches vertritt er zum Verfahrenshilfe-Verteidiger im Strafprozess (vgl die bei Fabrizy, StPO MKK9, Rz 3 zu § 79 zitierte Rechtsprechung).
Das für den Verfahrenshelfer im Sinne der ZPO bzw den Verfahrenshilfe-Verteidiger im Strafprozess Gesagte gilt nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes entsprechend für den nach § 77 Abs. 3 FinStrG beigegebenen Verteidiger.
Im Beschwerdefall ist entscheidend, dass der Wirtschaftstreuhänder Dr. Wolfgang Czepl für das gesamte Strafverfahren als Verteidiger beigegeben bzw. bestellt worden ist. Er ist daher auch in Bezug auf die Zustellung des angefochtenen Bescheides als Rechtsmittelentscheidung einem mit Zustellvollmacht ausgestatteten gewillkürten Vertreter gleichzuhalten. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid den Verteidiger als Empfänger des Bescheides benannt. Mit der Zustellung an ihn am 23. Mai 2001 ist damit der angefochtene Bescheid wirksam geworden (§ 97 Abs. 1 BAO).
Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof im Ausmaß von sechs Wochen (vgl. § 26 Abs. 1 VwGG) ist damit im Beschwerdefall am 26. September 2001 bereits abgelaufen gewesen. Die vorliegende Beschwerde ist daher außerhalb der dem Beschwerdeführer zur Verfügung stehenden Frist eingebracht worden. Die Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auf § 51 VwGG, in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II 333/2003.
Wien, am 26. Mai 2004
Schlagworte
Versäumung der Einbringungsfrist siehe VwGG §26 Abs1 Z1 (vor der WV BGBl. Nr. 10/1985: lita) sowie Mangel der Rechtsfähigkeit Handlungsfähigkeit Ermächtigung des EinschreitersEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001140184.X00Im RIS seit
18.08.2004