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66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;Norm
ASVG §10 Abs7;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2001/08/0055Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Strohmayer, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerden 1. des Dr. E, em. Rechtsanwalt in W (hg. Zl. 2001/08/0051), und 2. der Wiener Gebietskrankenkasse (hg. Zl. 2001/08/0055), vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 23. Februar 2001, Zl. 125.203/2-7/00, betreffend Rückforderung zu Ungebühr entrichteter Beiträge, zu Recht erkannt:
Spruch
1. Die Beschwerde der Wiener Gebietskrankenkasse wird als unbegründet abgewiesen.
2. Der angefochtene Bescheid wird in Stattgebung der zu Zl. 2001/08/0051 protokollierten Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer zur hg. Zl. 2001/08/0051 Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Begehren dieses Beschwerdeführers auf Zuerkennung von Schriftsatzaufwand für die zu Zl. 2001/08/0055 erstattete Gegenschrift wird abgewiesen.
Begründung
1. Der Beschwerdeführer zur Zl. 2001/08/0051 (in der Folge: Erstbeschwerdeführer) war seit 1957 bei der Beschwerdeführerin zu Zl. 2001/08/0055 (in der Folge: zweitbeschwerdeführende Gebietskrankenkasse) in der Krankenversicherung selbstversichert. Mit Schreiben vom 9. September 1996 teilte die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft der zweitbeschwerdeführenden Gebietskrankenkasse mit, dass der Erstbeschwerdeführer auf Grund seines Pensionsbezuges ab 1. Jänner 1995 der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach dem GSVG unterliege. Nach der Aktenlage hatte der Erstbeschwerdeführer (zunächst) weiterhin Krankenversicherungsbeiträge zur Selbstversicherung in der Krankenversicherung nach dem ASVG entrichtet und auch nach dem 1. Jänner 1995, nämlich im November 1995, Kostenerstattungen nach Inanspruchnahme eines Wahlarztes von der zweitbeschwerdeführenden Gebietskrankenkasse erhalten.
Die zweitbeschwerdeführende Gebietskrankenkasse erteilte dem Erstbeschwerdeführer mit Buchungsdaten 24. September und 28. Oktober 1996 Gutschriften über insgesamt S 63.648,--. Gegen diese Gutschriften sowie dagegen, dass ihm für den Monat Oktober 1996 kein Krankenversicherungsbeitrag mehr abgebucht worden sei, wendete sich der Erstbeschwerdeführer mit Schreiben vom 5. November 1996 und forderte die zweitbeschwerdeführende Gebietskrankenkasse zur fristgerechten Durchführung der Abbuchung und zur Aufrechterhaltung der Krankenversicherung auf. Mit Schreiben vom 18. November 1996 teilte die zweitbeschwerdeführende Gebietskrankenkasse dem Erstbeschwerdeführer mit, auf Grund des Eintritts der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung durch den Anfall eines Pensionsbezuges nach dem GSVG ab 1. Jänner 1995 hätte die Selbstversicherung in der Krankenversicherung wegen Wegfalls der Voraussetzungen mit 31. Dezember 1994 beendet werden müssen. Die Gutschrift vom 24. September 1996 betreffe die Beiträge zur Selbstversicherung für die Zeit vom 1. Jänner bis 30. September 1996. Da aus Versehen nicht auch gleichzeitig die Gutschrift für den Zeitraum vom 1. Jänner bis 31. Dezember 1995 erfolgt sei, sei diese per 28. Oktober 1996 nachgeholt worden. Eine Weiterführung der Selbstversicherung über den 31. Dezember 1994 hinaus sei nicht möglich. Mit Schreiben vom 3. Dezember 1996 beantragte der Erstbeschwerdeführer die Erlassung eines Bescheides über seinen "rückwirkenden Ausschluss aus der freiwilligen Weiterversicherung in der Krankenversicherung".
1.1. Mit Bescheid vom 6. Februar 1997 stellte die zweitbeschwerdeführende Gebietskrankenkasse fest, dass die für den Erstbeschwerdeführer geführte Selbstversicherung in der Krankenversicherung mit 31. Dezember 1994 ende.
Gegen diesen Bescheid erhob der Erstbeschwerdeführer Einspruch. Dieser Einspruch wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 21. Mai 1997 als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid der zweitbeschwerdeführenden Gebietskrankenkasse bestätigt.
Die vom Erstbeschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde vom Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales mit Bescheid vom 12. August 1997 als unbegründet abgewiesen und der Einspruchsbescheid bestätigt.
Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 27. November 1997, B 2453/97, die Behandlung der vom Erstbeschwerdeführer gegen diesen Berufungsbescheid erhobenen Beschwerde abgelehnt und die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Der Erstbeschwerdeführer führte seine an den Verwaltungsgerichtshof gerichtete Beschwerde in der Folge nicht aus, sodass der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 21. April 1998, Zl. 98/08/0034, das Beschwerdeverfahren gemäß §§ 33 Abs. 1, 34 Abs. 2 VwGG als gegenstandslos eingestellt hat.
1.2. Mit Schreiben vom 18. Mai 1998 beantragte der Erstbeschwerdeführer die Überweisung seiner ab 1. Jänner 1995 entrichteten Krankenversicherungsbeiträge auf sein - näher bezeichnetes - Pensionskonto. Er urgierte diese Überweisung mit Schreiben vom 16. Juli 1998, wobei er darauf hinwies, dass ihm einerseits eine Gutschrift über S 63.648,-- erteilt worden sei, er andererseits in der Folge weitere Beitragszahlungen bis zur Erledigung seiner Verfassungsgerichtshof-Beschwerde geleistet habe, welche die zweitbeschwerdeführende Gebietskrankenkasse laufend entgegengenommen habe. Mit Schreiben vom 22. September 1998 präzisierte der Erstbeschwerdeführer seine Anträge auf Rückerstattung der zur Selbstversicherung geleisteten Beiträge mit einem Gesamtbetrag von S 117.183,30 samt gesetzlichen Zinsen von 4 % ab 26. März 1998.
Der Antrag des Erstbeschwerdeführers auf Rückerstattung von zu Ungebühr entrichteten Beiträgen wurde mit Bescheid der zweitbeschwerdeführenden Gebietskrankenkasse vom 21. September 1999 für den Zeitraum vom 1. Jänner 1995 bis 11. Februar 1997 abgewiesen. Der Erstbeschwerdeführer erhob zunächst Einspruch und nach Ablauf der Entscheidungsfrist bei der belangten Behörde einen Devolutionsantrag mit Eingangsdatum 19. Mai 2000, der damit begründet wurde, dass bis zum 17. Mai 2000 (Datum des Devolutionsantrages) über diesen Einspruch nicht entschieden worden sei, sodass die Entscheidung des Bundesministeriums beantragt werde. Nachdem der Erstbeschwerdeführer schließlich eine zu hg. Zl. 2000/08/0210 protokollierte Säumnisbeschwerde erhoben hat, erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid vom 23. Februar 2001, worin sie gemäß § 66 Abs. 4 AVG, § 410 Abs. 2 ASVG in Verbindung mit § 73 AVG "feststellte":
"1. Das Recht auf Rückerstattung zu Ungebühr entrichteter Beiträge gemäß § 69 Abs. 1 ASVG aus der Selbstversicherung in der Krankenversicherung gemäß § 16 ASVG hinsichtlich der Zeit vom 1.1.1995 bis 11.2.1997 besteht.
2. Die Höhe der Rückerstattung zu Ungebühr entrichteter Beiträge beträgt S 75.076,34 samt 4 % Zinsen ab 27.3.1998."
2. Gegen diesen Bescheid richten sich die Beschwerden des Erstbeschwerdeführers und der zweitbeschwerdeführenden Gebietskrankenkasse: Der Erstbeschwerdeführer rügt in seiner Beschwerde nur, dass die belangte Behörde zu Unrecht einen Feststellungsbescheid anstelle des gebotenen Leistungsbescheides erlassen habe. Die zweitbeschwerdeführende Gebietskrankenkasse vertritt die Auffassung, dass hinsichtlich des Zeitraumes vom 1. Jänner 1995 bis 11. Februar 1997 die Voraussetzungen für die Rückerstattung zu Ungebühr entrichteter Beiträge nicht vorlägen:
Auf Grund der Leistungserbringung an den Erstbeschwerdeführer im Rahmen der Krankenversicherung liege für den gesamten strittigen Zeitraum im Sinne des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. März 2000, Zl. 97/08/0641, ein Ausschluss von der Rückforderung im Sinne des § 69 Abs. 2 ASVG vor. Ein Fall des § 69 Abs. 3 ASVG liege hingegen ebenso wenig vor wie ein Fall des § 79 Abs. 1 ASVG, da weder eine vorläufige Bescheinigung im Sinne des § 10 Abs. 7 ASVG ausgestellt worden noch eine rückwirkende Einbeziehung in die Pflichtversicherung erfolgt sei. Die zweitbeschwerdeführende Gebietskrankenkasse habe dem Erstbeschwerdeführer lediglich "in sozialer Rechtsanwendung" die Beiträge für den Zeitraum vom 12. Februar 1997 bis 31. März 1998 rückerstattet.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und beantragt, die Beschwerden kostenpflichtig abzuweisen.
Der Erstbeschwerdeführer hat zur Beschwerde der zweitbeschwerdeführenden Gebietskrankenkasse eine Gegenschrift erstattet, ebenso die zweitbeschwerdeführende Gebietskrankenkasse zur Beschwerde des Erstbeschwerdeführers.
3. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbunden und zunächst über die zu Zl. 2001/08/0055 protokollierte Beschwerde der Gebietskrankenkasse Folgendes erwogen:
3.1. Gemäß § 16 Abs. 6 ASVG endet die Selbstversicherung in der Krankenversicherung unter anderem mit dem Wegfall ihrer Voraussetzungen. Eine der Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Selbstversicherung in der Krankenversicherung ist gemäß § 16 Abs. 1 ASVG, dass die betreffende Person nicht in einer gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert ist. Im Beschwerdefall ist unbestritten, dass der Erstbeschwerdeführer seit 1. Jänner 1995 als Pensionsbezieher nach dem GSVG in der Krankenversicherung nach dem GSVG pflichtversichert ist. Mit Ablauf des 31. Dezember 1994 endete daher seine Selbstversicherung in der Krankenversicherung, wie im Übrigen auch auf Grund des in Rechtskraft erwachsenen Bescheides des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 12. August 1997 feststeht. Es steht daher auch bindend fest, dass der Erstbeschwerdeführer die Beiträge zur Selbstversicherung ab 1. Jänner 1995 zu Ungebühr entrichtet hat.
3.2. Gemäß § 69 Abs. 1 ASVG können zu Ungebühr entrichtete Beiträge, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt wird, zurückgefordert werden.
Abgesehen vom hier nicht in Rede stehenden Eintritt der Verjährung ist jedoch die Rückforderung gemäß § 69 Abs. 2 ASVG unter anderem für den gesamten Zeitraum (vgl. die Erkenntnisse vom 20. Juni 2001, Zl. 96/08/0098, und vom 21. November 2001, Zl. 97/08/0171) ausgeschlossen, wenn eine Leistung aus der Krankenversicherung erbracht wurde. Dies war beim Erstbeschwerdeführer der Fall, zumal er - wie nicht bestritten wird - noch im November 1995 Erstattungsleistungen der Gebietskrankenkasse nach Inanspruchnahme eines Wahlarztes erhalten hat.
3.2.1. Eine Bestimmung, welche die Rückforderung zu Ungebühr geleisteter Beiträge im Leistungsfall ausgeschlossen hat, war in § 69 ASVG schon in der Fassung des Stammgesetzes enthalten; sie wurde mit Art. I Z. 22 der 41. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 111/1986, in den Abs. 2 des § 69 transferiert und es wurde durch eine neue Formulierung in Reaktion auf das hg. Erkenntnis vom 5. März 1982, Zl. 81/08/0009, klargestellt, dass der Rückforderungsausschluss für den gesamten Zeitraum der ungebührlichen Entrichtung gelten sollte, wenn innerhalb dieses Zeitraums Leistungen erbracht worden sind (vgl. die Materialien RV 774 Blg. NR XVI. GP, 28).
3.2.2. Mit der genannten Novelle wurde dem § 69 auch ein neuer Abs. 3 angefügt:
Gemäß § 69 Abs. 3 ASVG in der Fassung der 41. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr.111/1986 (in Kraft getreten gemäß Art. VIII Abs. 1 der Novelle am 1. Jänner 1986) hat der unzuständige Versicherungsträger die ungebührlich entrichteten Beiträge ohne Rücksicht auf die Verjährungsfrist (ergänze: des § 69 Abs. 1 ASVG) an den zuständigen Versicherungsträger zu überweisen, wenn statt des unzuständigen Versicherungsträgers, an den die Beiträge zu Ungebühr entrichtet worden sind, dieser andere Versicherungsträger zur Leistungserbringung zuständig war und dem unzuständigen Versicherungsträger gegenüber dem zuständigen ein Ersatzanspruch für zu Unrecht erbrachte Leistungen gemäß § 320b ASVG zusteht. Der überwiesene Betrag ist auf die dem zuständigen Versicherungsträger geschuldeten Beiträge anzurechnen. Der zuständige Versicherungsträger hat einen hiedurch allenfalls entstehenden Überschuss an Beiträgen dem Beitragsschuldner gutzuschreiben bzw., falls dies nicht möglich ist, zu erstatten.
Damit sollten
"Härten vermieden werden, die sonst unter Umständen, wenn das Rückforderungsrecht zu sehr eingeschränkt wird, eintreten könnten. Hiebei wird einerseits an jene Fälle gedacht, in denen die Pflichtversicherung an sich gesetzlich begründet war, jedoch bei einem anderen Versicherungsträger als jenem, an den die Beiträge gezahlt wurden, andererseits auch an solche Fälle, in denen die Pflichtversicherung an sich ordnungsgemäß durchgeführt wurde, jedoch unter Anwendung einer zu hohen Beitragsgrundlage oder eines zu hohen Beitragssatzes." (RV, aaO, 29)
3.3. Für freiwillige Beiträge ordnete § 79 ASVG in der Stammfassung BGBl. Nr. 189/1955, zunächst uneingeschränkt u.a. die entsprechende Anwendung des § 69 ASVG an.
3.3.1. Nach Anfügung eines Abs. 2 durch die 9. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 13/1962, der die Abfuhrverpflichtung der Träger der Krankenversicherung für Beiträge zur Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 19a ASVG betraf, wurde § 79 Abs. 1 mit Art. I Z. 35 der 32. Novelle zum ASVG im Zuge der sog. "Öffnung der freiwilligen Krankenversicherung" (vgl. RV 181 Blg. NR XIV. GP, 39) abgeändert.
a) Nach der Regierungsvorlage sollte diese Bestimmung wie folgt lauten (Hervorhebung nicht im Original - vgl. RV, aaO, 8):
"Auf die Beiträge zur freiwilligen Versicherung sind die Bestimmungen des § 69 über die Rückforderung von Beiträgen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass die Rückforderung von Beiträgen ungeachtet einer allfälligen Leistungserbringungauch dann möglich ist, wenn eine Bescheinigung für die vorläufige Krankenversicherung gemäß § 10 Abs. 7 für den gleichen Zeitraum ausgestellt worden ist, für den Beiträge zur Selbstversicherung in der Krankenversicherung entrichtet wurden. Auf die Beiträge zur Selbstversicherung in der Krankenversicherung sind überdies die Bestimmungen der §§ 59, 62, 64 bis 66 und 68 entsprechend anzuwenden."
Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage der 32. Novelle zum ASVG (RV 181 Blg. NR XIV. GP, 55 "Zu Art. I Z. 8 und (zahlreiche weitere Bestimmungen)") erwähnen die Neufassung des § 79 ASVG im Zusammenhang mit Erläuterungen über die Beseitigung der Ausnahmeregelung für Ehegatten von der Versicherungspflicht nach § 4 Abs. 2 ASVG, die im Gefolge des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 5750/1968, erforderlich geworden war, begründen die Neuregelung jedoch nicht im Besonderen.
b) Im Sozialausschuss wurde dem ersten Satz dieser Bestimmung die Wendung angefügt:
"desgleichen auch im Falle einer rückwirkenden Einbeziehung in die Pflichtversicherung nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz"
Dies wird in den Erläuterungen (AB 388 Blg. NR XIV. GP, 6) wie folgt begründet:
"§ 79 Abs. 1 in der Fassung des Art. I Z. 34 der Regierungsvorlage ist noch in anderer Hinsicht zu ändern, und zwar dahin gehend, dass das Recht auf Rückforderung von Beiträgen zur freiwilligen Versicherung jedenfalls - unabhängig davon, ob eine Leistung aus dieser Versicherung erbracht worden ist oder nicht - zulässig sein soll, wenn der Versicherte rückwirkend in die Pflichtversicherung nach dem ASVG oder nach einem anderen Bundesgesetz einbezogen wurde. In Fällen dieser Art erlischt die freiwillige Versicherung rückwirkend, und die hiefür entrichteten Beiträge gelten daher als zu Ungebühr geleistet."
3.3.2. § 79 Abs. 1 ASVG in der Fassung der Z. 35 der 32. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 704/1976 (in Kraft getreten gemäß Art. XII Abs. 1 leg. cit. am 1. Jänner 1977), durchbricht somit den sonst auch für freiwillige Beiträge geltenden Grundsatz des Ausschlusses der Rückforderung im Sinne des § 69 Abs. 2 ASVG im Falle einer Leistungsgewährung für den gesamten Zeitraum der ungebührlichen Entrichtung in zwei Fällen:
a) Im Falle einer vorläufigen Bescheinigung gemäß § 10 Abs. 7 ASVG (welche nur eine "vorläufige Krankenversicherung" im Sinne einer Leistungsberechtigung in der gesetzlichen Krankenversicherung nach sich zieht, welche mit Zustellung des abweisenden Bescheides oder mit der rechtskräftigen Beendigung des Leistungsstreitverfahrens wieder endet - vgl. § 12 Abs. 5 ASVG) können freiwillig entrichtete Beiträge für die Dauer der Geltung einer solchen Bescheinigung auch dann zurückgefordert werden, wenn in der Folge (rückwirkend) keine Pflichtversicherung zustande kommt (wie zB im Falle der Abweisung eines Antrages auf Zuerkennung einer Invaliditätspension, aus dessen Anlass eine solche vorläufige Bescheinigung ausgestellt wurde).
b) Der zweite Fall der Durchbrechung des Grundsatzes "Kein Rückforderungsanspruch bei Leistungsgewährung" besteht für freiwillige Beiträge dann, wenn die versicherte Person rückwirkend in die gesetzliche Krankenversicherung nach dem ASVG (oder einem anderen Bundesgesetz, wie auch dem GSVG) einbezogen wird.
3.4. Daraus ergibt sich zunächst, dass § 79 Abs. 1 ASVG für freiwillig geleistete Beiträge, insbesondere auch für die Selbstversicherung in der Krankenversicherung eine Begünstigung gegenüber § 69 Abs. 2 ASVG enthält, die - wie schon die zeitliche Abfolge der jeweiligen Novellierungen zeigt - in keinem Sachzusammenhang mit der Bestimmung des § 69 Abs. 3 ASVG steht, welche (erstens) jener des § 79 Abs. 1 ASVG in der Fassung der 32. Novelle zeitlich nachfolgte und - wie auch die Materialien zweifelsfrei erweisen - (zweitens) nur für die Pflichtversicherung gilt.
3.5. Im Beschwerdefall ist zwischen der zweitbeschwerdeführenden Gebietskrankenkasse und der belangten Behörde strittig, ob die begünstigende Vorschrift des § 79 Abs. 1 ASVG auf den Erstbeschwerdeführer anzuwenden ist.
3.5.1. Die belangte Behörde bejaht den Rückforderungsanspruch mit der Begründung, die Gebietskrankenkasse habe gegenüber der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft einen Ersatzanspruch auf die gegenüber dem Erstbeschwerdeführer erbrachten Leistungen, womit sie sich der Sache nach freilich auf ein Tatbestandsmoment des § 69 Abs. 3 ASVG stützt.
3.5.2. Die zweitbeschwerdeführende Gebietskrankenkasse hält dies unter Hinweis auf das Erkenntnis vom 29. März 2000, Zl. 97/08/0641, für rechtswidrig und vertritt die Auffassung, eine rückwirkende Einbeziehung in die Pflichtversicherung nach dem GSVG liege hier deshalb nicht vor, weil die Selbstversicherung in der Krankenversicherung nicht rückwirkend, sondern zugleich mit dem Beginn der Pflichtversicherung nach dem GSVG erloschen sei und der Erstbeschwerdeführer die Beiträge zur freiwilligen Versicherung ungeachtet dessen weiter bezahlt habe, und zwar selbst dann noch, als er von der bestehenden Pflichtversicherung verständigt worden war.
3.5.3. Der Erstbeschwerdeführer hat sich in seiner Gegenschrift zur Beschwerde der zweitbeschwerdeführenden Gebietskrankenkasse zu den aufgeworfenen Rechtsfragen nicht substanziell geäußert. Er beruft sich der Sache nach lediglich darauf, dass die Rechtsverfolgung durch den Erstbeschwerdeführer gegen den Bescheid über sein Ausscheiden aus der Selbstversicherung nicht dazu führen könne, dass die während des Verfahrens entrichteten Beiträge nicht rückgefordert werden könnten.
3.6. Soweit der angefochtene Bescheid den Rückforderungsanspruch des Erstbeschwerdeführers gegenüber der zweitbeschwerdeführenden Gebietskrankenkasse bejaht, ist er im Ergebnis nicht rechtswidrig:
3.6.1. § 79 Abs. 1 ASVG knüpft - anders als dies offenbar die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse beurteilt - geradezu daran an, dass - im hier interessierenden Zusammenhang - ein Erlöschen der Berechtigung zur Selbstversicherung in der Krankenversicherung schon kraft Gesetzes eintritt; der Gesetzgeber sieht gerade deshalb das zu regelnde Problem darin, dass sich dieser Wegfall der Voraussetzungen für die Berechtigung zur Selbstversicherung für die Beteiligten jedoch häufig erst im Nachhinein herausstellt, sodass im Ergebnis für einen Zeitraum freiwillig Beiträge ohne Kenntnis des Erlöschensgrundes der Versicherung für einen Zeitraum entrichtet wurden, für den auch Pflichtbeiträge in der Krankenversicherung zu entrichten sind. Das Argument der zweitbeschwerdeführenden Gebietskrankenkasse, die Selbstversicherung in der Krankenversicherung sei "nicht rückwirkend, sondern zugleich mit dem Beginn der Pflichtversicherung" nach dem GSVG erloschen, übersieht diesen Regelungszweck des § 79 Abs. 1 ASVG und argumentiert mit einem Gegensatz, der keiner ist: Das ex-lege Erlöschen der freiwilligen Versicherung und die Wahrnehmung dieses Umstandes durch eine rückwirkende Einbeziehung in die Pflichtversicherung schließen einander nicht aus.
3.6.2. Wenn die zweitbeschwerdeführende Gebietskrankenkasse ferner meint, der Begriff der rückwirkenden Einbeziehung in die Pflichtversicherung setze voraus, dass dies "im Rahmen des Bescheides gemäß § 410 Abs. 1 ASVG" erfolgt, so missversteht sie die tragenden Begründungselemente des Erkenntnisses vom 29. März 2000, Zl. 97/08/0641: Die Anwendung des § 79 Abs. 1 ASVG wurde in diesem Erkenntnis deshalb abgelehnt, weil nach dem damals zu beurteilenden Sachverhalt eine rückwirkende Einbeziehung in die Pflichtversicherung nicht stattgefunden hat.
Soweit aus einem das Erkenntnis nicht tragenden obiter dictum in einem Klammerausdruck aber der Schluss gezogen werden könnte, der Verwaltungsgerichtshof sei der Auffassung, eine rückwirkende Einbeziehung in die Pflichtversicherung im Sinne des § 79 Abs. 1 ASVG liege nur dann vor, wenn in Bescheidform eine Hauptfragenentscheidung über die Versicherungspflicht ergangen sei, so erweist sich diese Sichtweise als zu eng. Die genannte Konstellation wird im Falle einer rückwirkenden Einbeziehung zwar häufig vorkommen; eine rückwirkende Einbeziehung in die Pflichtversicherung kann aber auch (und zwangsläufig) dadurch zustande kommen, dass über einen Pensionsantrag erst nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens, dann aber zumindest teilweise auch über Zeiträume rückwirkend ab dem Stichtag (oder dem späteren Beginn der Leistung) abgesprochen und damit der jeweilige Pensionsbezieher rückwirkend in die Pflichtversicherung in der Krankenversicherung einbezogen wird, ohne dass ein ausdrücklicher bescheidmäßiger Abspruch über die Verpflichtung des Pensionsbeziehers, Pflichtbeiträge zur Krankenversicherung zu leisten, erfolgt. Wenn über die auf Grund des Pensionsbezuges eintretende Krankenversicherungspflicht - wie im Regelfall - kein Streit besteht, so ist der Träger der Krankenversicherung gemäß § 410 Abs. 1 ASVG auch nicht verpflichtet, darüber gesondert mit Bescheid abzusprechen, und es wäre auch kein Gesichtspunkt erkennbar, aus dem ein solcher Bescheid als zusätzliche Voraussetzung für die Rückforderung von Beiträgen zur freiwilligen Versicherung im Sinne des § 79 Abs. 1 ASVG erforderlich sein könnte.
3.6.3. Soweit sich die zweitbeschwerdeführende Gebietskrankenkasse schließlich darauf beruft, dass der Erstbeschwerdeführer in Kenntnis des Erlöschens der Selbstversicherung weiter Beiträge bezahlt habe, ist ihr aus der Sicht des hier vorliegenden Sachverhaltes entgegenzuhalten, dass der Erstbeschwerdeführer gleichzeitig ein Verfahren über das Erlöschen der Selbstversicherung angestrengt hat. Da für die Dauer eines solchen Verfahrens ("zur Herbeiführung einer Entscheidung, aus der sich die Ungebührlichkeit der Beitragsentrichtung ergibt") bis zur Rechtskraft der Entscheidung der Rückforderungsanspruch gemäß § 69 Abs. 1 ASVG nicht verjähren kann, ist schon daraus abzuleiten, dass - umso mehr - der Anspruch auf Rückforderung auch für jene Beiträge fortbestehen muss, die während eines solchen Verfahrens zur Wahrung des angestrebten Versicherungsschutzes (im Ergebnis jedoch zu Ungebühr) einbezahlt werden.
3.6.4. Dass der Erstbeschwerdeführer durch den Pensionsbescheid der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft rückwirkend in die Krankenversicherung einbezogen wurde, kann schließlich nicht zweifelhaft sein, sodass ihm - im Ergebnis - die Begünstigung des § 79 Abs. 1 ASVG zugute kommt.
3.7. Die zweitbeschwerdeführende Gebietskrankenkasse ist daher verpflichtet, dem Erstbeschwerdeführer die Beiträge zur Selbstversicherung auch für den Zeitraum vom 1. Jänner 1995 bis Februar 1997 rückzuerstatten. Ihre Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
4. Über die zu Zl. 2001/08/0051 protokollierte Beschwerde des Erstbeschwerdeführers hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers erweist sich als begründet, weil die belangte Behörde - entgegen seinem Antrag - keinen Leistungs-, sondern einen Feststellungsbescheid erlassen hat (zur Verpflichtung zur Erlassung eines Leistungsbescheides im Falle eines darauf abzielenden Antrages gemäß § 410 Abs. 1 Z. 7 ASVG vgl. das Erkenntnis vom 30. Jänner 2002, Zl. 99/08/0099).
Es war daher der angefochtene Bescheid in Stattgebung der Beschwerde des Erstbeschwerdeführers wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Begehren des Erstbeschwerdeführers zu Zl. 2001/08/0051, ihm Kosten als Mitbeteiligter im Verfahren Zl. 2001/08/0055 zuzusprechen, musste abgewiesen werden: wenn eine Partei als Beschwerdeführer erfolgreich selbst die Aufhebung eines Bescheides begehrt, dann ist diese Partei im Beschwerdeverfahren einer anderen Partei gegen denselben Bescheid, deren Aufhebungsantrag abgewiesen wurde, zwar mitbeteiligt, aber nicht als obsiegende Partei im Sinne der Bestimmungen über den Aufwandersatz anzusehen.
Wien, am 26. Mai 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001080051.X00Im RIS seit
14.07.2004