TE Vfgh Beschluss 2000/11/27 G79/00

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Veröffentlicht am 27.11.2000
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Index

26 Gewerblicher Rechtsschutz
26/01 Wettbewerbsrecht

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
BG über die Preisbindung bei Büchern
VfGG §62 Abs1

Leitsatz

Zurückweisung eines Antrages auf Aufhebung des Gesetzes über die Preisbindung bei Büchern wegen zu weit gefaßten Anfechtungsantrages

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit ihrem auf Art140 Abs1 B-VG gestützten Antrag begehrt die antragstellende Gesellschaft die Aufhebung des Bundesgesetzes über die Preisbindung bei Büchern, BGBl. I 45/2000, zur Gänze.

Dieses Bundesgesetz hat folgenden Wortlaut:

"Anwendungsbereich

§1. Dieses Bundesgesetz gilt für den Verlag und den Import sowie den Handel, mit Ausnahme des grenzüberschreitenden elektronischen Handels, mit deutschsprachigen Büchern und Musikalien. Es zielt auf eine Preisgestaltung ab, die auf die Stellung von Büchern als Kulturgut, die Interessen der Konsumenten an angemessenen Buchpreisen und die betriebswirtschaftlichen Gegebenheiten des Buchhandels bedacht nimmt.

Begriffsbestimmungen

§2. Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist

1. Verleger, wer die Herausgabe, das Herstellen und das Verbreiten einer Ware im Sinne des §1 gewerbsmäßig übernimmt;

2. Importeur, wer eine Ware im Sinne des §1 gewerbsmäßig zum Vertrieb nach Österreich einführt;

3. Letztverkäufer, wer gewerbsmäßig Waren im Sinne des §1 an Letztverbraucher veräußert;

4. Letztverbraucher, wer eine Ware im Sinne des §1 zu anderen Zwecken als zum Weiterverkauf erwirbt;

5. Letztverkaufspreis, der bei der Veräußerung von Waren im Sinne des §1 an Letztverbraucher einzuhaltende Mindestpreis exklusive Umsatzsteuer;

6. Mängelexemplar, eine Ware im Sinne des §1, die versehentlich verschmutzt oder beschädigt worden ist oder einen sonstigen Mangel aufweist, sodass sie von einem durchschnittlichen Letztverbraucher eindeutig nicht mehr als mängelfrei angesehen wird.

Preisfestsetzung

§3. (1) Der Verleger oder Importeur einer Ware im Sinne des §1 ist verpflichtet, für die von ihm verlegten oder die von ihm in das Bundesgebiet importierten Waren im Sinne des §1 einen Letztverkaufspreis festzusetzen und diesen bekannt zu machen.

(2) Der Importeur darf den vom Verleger für den Verlagsstaat festgesetzten oder empfohlenen Letztverkaufspreis oder den von einem Verleger mit Sitz außerhalb eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) für das Bundesgebiet empfohlenen Letztverkaufspreis, abzüglich einer darin enthaltenen Umsatzsteuer, nicht unterschreiten.

(3) Ein Importeur, der Waren im Sinne des §1 in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) zu einem von den üblichen Einkaufspreisen abweichenden niedrigeren Einkaufspreis kauft, kann entgegen Abs2 den vom Verleger für den Verlagsstaat festgesetzten oder empfohlenen Preis, im Fall von Reimporten den vom inländischen Verleger festgesetzten Preis, im Verhältnis zum erzielten Handelsvorteil unterschreiten.

(4) Auf reimportierte Waren im Sinne des §1 findet Abs3 keine Anwendung, wenn diese allein zum Zwecke ihrer Wiedereinfuhr ausgeführt worden sind, um dieses Bundesgesetz zu umgehen.

(5) Zum nach Abs1 bis 4 festgesetzten Letztverkaufspreis ist die für die Ware im Sinne des §1 in Österreich geltende Umsatzsteuer hinzuzurechnen.

Bekanntmachung des Letztverkaufspreises

§4. (1) Der Verleger oder der Importeur hat den von ihm für eine Ware im Sinne des §1 festgesetzten Letztverkaufspreis im Internet oder in geeigneten anderen Medien rechtzeitig vor dem ersten Inverkehrbringen oder vor jeder Preisänderung bekannt zu machen.

(2) Für die Bekanntmachung nach Abs1 ist vom Bundesgremium der Buch- und Medienwirtschaft in Zusammenarbeit mit dem Hauptverband des österreichischen Buchhandels eine elektronisch jederzeit zugängliche Internetseite zu unterhalten.

Preisbindung

§5. (1) Letztverkäufer dürfen bei Veräußerung von Waren im Sinne des §1 an Letztverbraucher den nach §3 festgesetzten Letztverkaufspreis höchstens bis zu 5 vH unterschreiten.

(2) Letztverkäufer dürfen im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs eine Unterschreitung des Letztverkaufspreises im Sinne des Abs1 nicht ankündigen.

(3) Die Verpflichtung nach Abs1 gilt nicht für Waren im Sinne des §1, deren Letztverkaufspreis vor mehr als 24 Monaten zum ersten Mal gemäß §4 bekannt gemacht wurde und deren Lieferzeitpunkt länger als sechs Monate zurückliegt.

(4) Das Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs3 ist vom Letztverkäufer nachzuweisen.

Ausnahmen

§6. (1) In folgenden Fällen und in folgendem Umfang darf der Letztverkäufer von dem nach §3 festgesetzten Letztverkaufspreis abweichen:

1. bei Verkauf von Waren im Sinne des §1 an jedermann zugängliche öffentliche Bibliotheken und Schulbibliotheken ist ein Abweichen von maximal 10 vH zulässig;

2. bei Verkauf an Hörer eines an einer Universität Vortragenden zum Eigenbedarf, gegen Vorlage eines vom Vortragenden unterschriebenen und mit dem Namen des Hörers versehenen Hörerscheins, ist ein Abweichen von maximal 20 vH zulässig;

3. bei Verkauf von Mängelexemplaren ist ein handelsübliches Abweichen im Verhältnis zum Mangel zulässig.

(2) Dieses Bundesgesetz gilt nicht für Waren im Sinne des §1, die im Rahmen der Schulbuchaktion (Abschnitt Ic Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376, in der jeweils geltenden Fassung) abgegeben werden.

Handlungen gegen die Preisfestsetzung und Preisbindung

       §7. (1) Handlungen gegen §3 Abs1 bis 4, §4 Abs1 sowie gegen

§5 Abs1 bis 3 gelten als Handlungen im Sinne des §1 des

Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BGBl. Nr. 448/1984, in der jeweils geltenden Fassung.

Zeitlicher Geltungsbereich

§8. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 30. Juni 2000 in Kraft.

(2) Dieses Bundesgesetz tritt mit Ablauf des 30. Juni 2005 außer Kraft.

Vollziehung

§9. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist hinsichtlich des §7 der Bundesminister für Justiz, hinsichtlich der übrigen Bestimmungen der Bundeskanzler betraut.

Übergangsbestimmungen

§10. Für Waren im Sinne des §1, die vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes mit einem festen Ladenpreis, der im Verzeichnis lieferbarer Bücher, Ausgabe vom 20. Juni 2000, veröffentlicht war, in Verkehr gebracht wurden, gilt dieser Preis als vom Verleger oder Importeur festgesetzter Preis im Sinne dieses Bundesgesetzes."

2. a) Zum Nachweis ihrer Antragslegitimation führt die antragstellende Gesellschaft aus, daß sie ein in Österreich etabliertes Unternehmen sei, welches "unter anderem Bücher vertreibt". Sie sei einer der größten Buchhändler in Österreich und habe beispielsweise im Jahr 1998 von verschiedenen deutschen bzw. österreichischen Verlagen Bücher im Ausmaß von mehr als 2,6 Mio. Exemplaren bezogen. Darüber hinaus sei die antragstellende Gesellschaft in vielen ländlichen Gemeinden in Österreich der einzige Versorger mit Büchern.

Durch das angefochtene Gesetz werde ihr eine Rechtspflicht auferlegt, die in ihre Rechtssphäre unmittelbar und aktuell eingreift, ohne daß es hiefür einer behördlichen Entscheidung bedürfe. Für den Fall eines Zuwiderhandelns gegen dieses Gesetz hätte sie mit unmittelbaren zivilrechtlichen Maßnahmen zu rechnen, da gemäß §7 des angefochtenen Gesetzes Verstöße gegen die Preisbindungsvorschriften als Handlungen im Sinne des §1 des BG gegen den unlauteren Wettbewerb gelten; eine verbotene Handlung zu setzen, um sich in einem gegen sie eingeleiteten Verfahren mit der Behauptung zur Wehr zu setzen, daß die Verbotsnorm verfassungswidrig sei, sei kein zumutbarer (Um-)Weg, um das Gesetz zur Überprüfung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

b) Die antragstellende Gesellschaft erblickt die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes zum einen in der Unzuständigkeit des Bundesgesetzgebers zu seiner Erlassung; weiters hält sie (unter allgemeiner Bezugnahme auf §1) die Ungleichbehandlung von Importeuren bzw. Vertreibern deutschsprachiger Bücher gegenüber jenen fremdsprachiger Produkte, also die Einschränkung der gesetzlichen Preisfestsetzung bzw. -bindung auf deutschsprachige Bücher, einerseits sowie jene von ausländischen und inländischen "Internetbuchhändlern" infolge der Ausnahme (nur) des grenzüberschreitenden elektronischen Handels vom Anwendungsbereich des Gesetzes andererseits für sachlich nicht gerechtfertigt und der Erwerbsfreiheit widerstreitend.

Schließlich bringt die antragstellende Gesellschaft noch vor, daß die Bestimmungen des §3 Abs1 und 2 des angefochtenen Gesetzes gegen Gemeinschaftsrecht, insbesondere gegen Art28 EGV, verstoßen würden.

3. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie die Anträge stellt, der Verfassungsgerichtshof wolle den Antrag als unzulässig zurückweisen, in eventu aussprechen, daß das angefochtene Bundesgesetz nicht verfassungswidrig sei, für den Fall der Aufhebung aber gemäß Art140 Abs5 B-VG für das Außerkrafttreten eine Frist von 18 Monaten bestimmen, um die allenfalls erforderlichen legistischen Vorkehrungen zu ermöglichen.

Der Antrag sei insbesondere insofern unzulässig, als sich die lediglich gegen das angefochtene Gesetz in seiner Gesamtheit pauschal vorgetragenen Bedenken der Sache nach nicht gegen das Gesetz in seiner Gesamtheit richten können. Das Erfordernis der Darlegung der gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken im einzelnen sei nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes überdies nur dann erfüllt, wenn die Gründe der behaupteten Verfassungswidrigkeit präzise ausgebreitet werden; hinzu komme, daß sich dem Antragvorbringen lediglich entnehmen läßt, daß die antragstellende Gesellschaft in größerem Ausmaß Bücher vertreibt. Daraus könne aber keineswegs gefolgert werden, daß die Antragstellerin Normadressatin sämtlicher Bestimmungen des angefochtenen Gesetzes ist.

II. Der Antrag ist unzulässig.

1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.

In von Amts wegen eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren hat der Verfassungsgerichtshof den Umfang der zu prüfenden und allenfalls aufzuhebenden Bestimmungen derart abzugrenzen, daß einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlaßfall ist, daß aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, ist in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (VfSlg. 7376/1974, 9374/1982, 11.506/1987, 14.805/1997).

Im Beschluß VfSlg. 14.944/1997 führte der Gerichtshof unter Bezugnahme auf VfSlg. 8461/1978 aus, daß ein Gesetzesprüfungsverfahren dazu führen soll, die geltend gemachte Verfassungswidrigkeit - wenn sie tatsächlich vorläge - zu beseitigen, daß aber andererseits der nach der Aufhebung verbleibende Teil des Gesetzes möglichst nicht mehr verändert werden soll, als zur Bereinigung der Rechtslage unbedingt notwendig ist. Ein Anfechtungsantrag muß also (auch) diesen engstmöglichen Teil des Gesetzes erfassen, um dem Verfassungsgerichtshof die Möglichkeit zu geben, seine Aufhebungstätigkeit im Sinne der vorstehenden Grundgedanken auszuüben.

2. Überträgt man diese Rechtsprechung auf den vorliegenden Antrag, folgt daraus, daß dieser zurückzuweisen ist:

Es ist zum einen offenkundig, daß ausgehend vom Antragsvorbringen keineswegs alle Bestimmungen des angefochtenen Gesetzes derart beschaffen sind, daß sie im Sinne des Art140 Abs1 B-VG bzw. §62 VerfGG unmittelbar in die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaft eingreifen können.

Insbesondere beträfe die beantragte Aufhebung nicht nur die die Letztverkäufer treffende Preisbindung (samt den hiefür vorgesehenen Ausnahmen; §§5 und 6), sondern auch die Verlegern und Importeuren in §3 und §4 auferlegte Pflicht der Preisfestsetzung und der Bekanntmachung des Letztverkaufspreises sowohl für (deutschsprachige) Bücher als auch für Musikalien. Diese Teile des Gesetzes (und die darauf bezugnehmenden Teile des Sanktionen nach dem UWG anordnenden §7) greifen in die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaft, die nach ihrem eigenen Vorbringen, "unter anderem Bücher vertreibt", offenkundig nicht ein.

Sollte die antragstellende Gesellschaft der Meinung sein, Art140 Abs3 zweiter Satz B-VG gewähre ihr ein Recht auf Aufhebung des ganzen Gesetzes, weil dieses von einem nach der Kompetenzverteilung nicht berufenen Gesetzgebungsorgan erlassen wurde, so trifft dies nicht zu. Den Parteien des Verfahrens steht nämlich ein Anspruch auf ein Vorgehen des Verfassungsgerichtshofes nach Art140 Abs3 zweiter Satz B-VG nicht zu. Die dort festgelegten Voraussetzungen sind nur von Amts wegen wahrzunehmen (VfSlg. 15.133/1998).

Der Antrag auf Aufhebung des Gesetzes zur Gänze war daher schon aus diesem Grund zurückzuweisen.

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Preisrecht, Preisbindung, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2000:G79.2000

Dokumentnummer

JFT_09998873_00G00079_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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