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E1E;Norm
11997E234 EG Art234;Beachte
Vorabentscheidungsverfahren:* EU-Register: EU 2004/0001 * EuGH-Zahl: C-245/04 Vorabentscheidungsverfahren:* Vorabentscheidungsantrag:EuGH 62004CJ0245 6. April 2006Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde der E OHG in K, vertreten durch Dr. Dieter Huainigg, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Egerstraße 4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten (Berufungssenat II) vom 18. Juni 1999, GZ. RV 509/1-8/99, betreffend Umsatzsteuer 1996 und 1997, den Beschluss gefasst:
Spruch
Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden gemäß Art. 234 EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist Artikel 8 Abs. 1 Buchstabe a erster Satz der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage, 77/388/EWG, so auszulegen, dass der Ort des Beginns der Versendung oder Beförderung auch dann maßgeblich ist, wenn mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand ein Liefergeschäft abschließen und die mehreren Liefergeschäfte mit einer einzigen Warenbewegung erfüllt werden?
2. Können mehrere Lieferungen als steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferungen angesehen werden, wenn mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand ein Liefergeschäft abschließen und die mehreren Liefergeschäfte mit einer einzigen Warenbewegung erfüllt werden?
3. Falls Frage 1 zu bejahen ist, gilt als Ort des Beginns der zweiten Lieferung der tatsächliche Abgangsort des Gegenstandes oder der Ort, an dem die erste Lieferung endet?
4. Ist es für die Beantwortung der Fragen 1 bis 3 von Bedeutung, in wessen Verfügungsmacht sich der Gegenstand während der Warenbewegung befindet?
Begründung
I. Sachverhalt
Die beschwerdeführende OHG bezog in den Streitjahren 1996 und 1997 Buntmetalle von der österreichischen K GmbH. Die K GmbH fakturierte die Lieferungen mit Ausweis von 20 % Mehrwertsteuer.
Das Finanzamt verweigerte den Vorsteuerabzug mit dem Hinweis auf eine abgabenbehördliche Prüfung, die ergeben habe, dass die Mehrwertsteuer zu Unrecht in Rechnung gestellt worden sei.
In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, die K GmbH habe sich im Rahmen von Jahresverträgen verpflichtet, eine bestimmte Menge an Hüttenweichblei pro Monat "frei Arnoldstein, EG-verzollt, versteuert mit LKW" zu liefern. Die Beschwerdeführerin habe die Ware im Inland nach erfolgter Qualitätsprüfung in Empfang genommen. Die K GmbH habe die Waren ihrerseits von mehreren näher angeführten Firmen in Rotterdam, Triest oder Lapezia erworben, wobei die Ware jeweils in Zolllagern in Rotterdam und Triest gelagert worden sei.
In rechtlicher Hinsicht vertrat die Beschwerdeführerin die Ansicht, dass die Bestimmung des § 3 Abs. 8 UStG 1994 nicht anzuwenden sei, weil der Auftrag zur Versendung der Ware nach Österreich nicht von der Beschwerdeführerin, sondern von der K GmbH erteilt worden sei. Auf Grund der "Allgemeinen Spediteursbedingungen" habe die K GmbH bis zum Ende der jeweiligen Lieferung die Möglichkeit gehabt, den Bestimmungsort oder den Empfänger zu ändern. Die Verkäuferin habe auch alle Gefahren des Verlustes und der Beschädigung der Ware bis zur Abnahme durch die Beschwerdeführerin getragen. Daraus ergebe sich, dass die K GmbH die Ware zu Recht mit 20 % Mehrwertsteuer fakturiert habe.
Sollte diese Ansicht nicht zutreffen, läge jedenfalls ein sogenanntes Reihengeschäft vor. Die K GmbH habe die Waren von ihren Lieferanten erst erwerben können, nachdem eine entsprechende Bankgarantie vorgelegen habe (Vorfinanzierung der Waren durch die Beschwerdeführerin). In der Folge seien die Verkäufer unmittelbar angewiesen worden, die Waren an den Spediteur zu übergeben. Art. 3 Abs. 2 der Binnenmarktregelung schließe die Anwendbarkeit des § 3 Abs. 2 UStG 1994 aus, weshalb die "allgemeinen Bestimmungen des § 3 Abs. 7 anzuwenden" seien, welche als Leistungsort das Inland bestimmten. Solcherart unterlägen die gegenständlichen Reihengeschäfte den "normalen" umsatzsteuerlichen Bestimmungen.
In der am 19. Mai 1999 durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung wurde außer Streit gestellt, dass der Auftrag an die Spedition jeweils von der K GmbH erteilt worden war. Die Verfügungsmacht an den Waren sei dadurch jedoch - wie die Beschwerdeführerin in der Verhandlung betonte - noch nicht auf sie übergegangen. Auch habe die Beschwerdeführerin erfahren, dass die K GmbH fallweise am Transportweg befindliche Ware zu anderen Abnehmern "umgeleitet" habe. Die Vorlieferanten der K GmbH seien der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Lieferung nicht bekannt gewesen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Ergänzend stellte die belangte Behörde fest, die Waren seien je nach Ersuchen der Beschwerdeführerin auf ihrem Gelände oder direkt bei den Abnehmern der Beschwerdeführerin entladen worden. Die K GmbH habe zunächst die Ware bezahlt, welche sodann in den Niederlanden oder in Italien der K GmbH von den Vorlieferanten zur Verfügung gestellt worden sei. Zum Zwecke der Erfüllung ihrer Lieferverpflichtung gegenüber der Beschwerdeführerin habe die K GmbH bei jeder Lieferung einen Spediteur beauftragt, für den Transport der Waren aus den Niederlanden oder aus Italien nach Österreich an den von der Beschwerdeführerin gewünschten Ort Sorge zu tragen. Die beauftragten Spediteure hätten sich ihrerseits Frachtführer zur Durchführung der Transporte bedient. Der gewünschte Entladeort sei in der Regel im Transportauftrag der K GmbH genannt worden. Fallweise habe die K GmbH den Spediteur im Transportauftrag auch ersucht, bei der Beschwerdeführerin nähere Informationen zum Entladeort einzuholen. Zum Teil habe die Beschwerdeführerin von sich aus mit dem Spediteur Kontakt aufgenommen, um den Entladeort anzugeben. Der Beschwerdeführerin sei "von Anfang an bekannt gewesen", dass die K GmbH die Spediteure mit dem Transport der Waren aus den Niederlanden oder Italien nach Österreich beauftragt habe. Lediglich die Vorlieferanten der K GmbH seien der Beschwerdeführerin unbekannt gewesen. Die K GmbH habe in den Streitjahren 1996 und 1997 weder in Italien noch in den Niederlanden als Kleinunternehmer gegolten. Die Waren seien an den genannten inländischen Bestimmungsorten entweder von der Beschwerdeführerin oder von deren Abnehmern auf ihre Qualität geprüft worden. Seien Mängel entdeckt worden, habe die Ware nach den jeweiligen Vereinbarungen entweder zurückgenommen werden müssen oder es sei eine kostenlose Mängelbeseitigung oder Preisminderung geschuldet worden.
In rechtlicher Hinsicht verwies die belangte Behörde auf die Bestimmung des § 3 Abs. 8 UStG 1994. Werde der Gegenstand einer Lieferung wie im Beschwerdefall an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten versendet, gelte die Lieferung mit der Übergabe des Gegenstandes an den Spediteur, Frachtführer oder Verfrachter als ausgeführt. Ein Versenden liege vor, wenn der Unternehmer einen Gegenstand durch einen Frachtführer oder Verfrachter zu einem Dritten befördern oder eine solche Beförderung durch einen Spediteur besorgen lasse. Gegenständlich habe die K GmbH die Beförderung der bestellten Metalle aus den Niederlanden oder Italien zur Beschwerdeführerin oder deren Abnehmern durch Spediteure besorgen lassen. Die K GmbH habe damit die Waren an die Beschwerdeführerin oder in deren Auftrag an deren Abnehmer versandt. Die Spediteure hätten sich ihrerseits der Dienste von Frachtführern bedient, welche die Beförderung durchgeführt hätten. Die Übergabe der Waren an die Frachtführer zum Zwecke der Transporte nach Österreich sei jeweils in den Niederlanden oder in Italien erfolgt. Solcherart habe sich der jeweilige Lieferort gemäß § 3 Abs. 8 UStG 1994 in den Niederlanden oder in Italien befunden.
Entgegen der von der Beschwerdeführerin vertretenen Ansicht lägen im Beschwerdefall auch keine Reihengeschäfte vor, welche die Lieferanten der K GmbH miteingeschlossen hätten. Die Lieferanten der K GmbH hätten der Beschwerdeführerin (bzw. deren Abnehmer) nämlich nicht unmittelbar die Verfügungsmacht über die Ware verschafft. Auch sei kein Verbringen der Ware zur Verfügung der K GmbH erfolgt, weil die K GmbH ihren Spediteuren jeweils bei Erteilen des Transportauftrages den Abnehmer mitgeteilt habe und ein "Verbringen" als nicht lieferungsbedingte Warenbewegung definiert werde.
Nach § 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 setze der Vorsteuerabzug voraus, dass die Leistungen, die der Rechnung zu Grunde liegen, im Inland ausgeführt worden seien. Da alle gegenständlichen Leistungen jeweils entweder in Italien oder in den Niederlanden ausgeführt worden seien, habe die Beschwerdeführerin zu Unrecht von der von ihr geschuldeten Umsatzsteuer Vorsteuern aus den strittigen Liefergeschäften in Abzug gebracht.
II. Die maßgeblichen Bestimmungen des nationalen Rechts
Die im Ausgangsverfahren maßgeblichen Vorschriften sind die des Umsatzsteuergesetzes 1994 in der Fassung vor dem Steuerreformgesetz 2000, BGBl. I Nr. 106/1999.
§ 3 Abs. 1, 7 und 8 UStG 1994 lauten:
"(1) Lieferungen sind Leistungen, durch die ein Unternehmer den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen. Die Verfügungsmacht über den Gegenstand kann von dem Unternehmer selbst oder in dessen Auftrag durch einen Dritten verschafft werden.
(7) Eine Lieferung wird dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet.
(8) Wird der Gegenstand einer Lieferung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten befördert oder versendet, so gilt die Lieferung mit dem Beginn der Beförderung oder mit der Übergabe des Gegenstandes an den Spediteur, Frachtführer oder Verfrachter als ausgeführt. Versenden liegt vor, wenn der Unternehmer einen Gegenstand durch einen Frachtführer oder Verfrachter zu einem Dritten befördern oder eine solche Beförderung durch einen Spediteur besorgen lässt."
Bis Ende 1996 enthielt das UStG 1994 für Reihengeschäfte die Sonderregelung des § 3 Abs. 2. Diese lautete:
"Schließen mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand
Umsatzgeschäfte ab und werden diese Geschäfte dadurch erfüllt,
dass der erste Unternehmer dem letzten Abnehmer in der Reihe
unmittelbar die Verfügungsmacht über den Gegenstand verschafft, so
gilt die Lieferung an den letzten Abnehmer gleichzeitig als
Lieferung eines jeden Unternehmers in der Reihe (Reihengeschäft)"
Nach Art. 3 Abs. 2 der Binnenmarktregelung (Anhang zu § 29
Abs. 8 UStG 1994, im Folgenden: BMR) war § 3 Abs. 2 UStG 1994
allerdings nicht anzuwenden, wenn im Rahmen eines Reihengeschäftes
ein innergemeinschaftlicher Erwerb vorlag. Ab 1. Jänner 1997 ist
§ 3 Abs. 2 UStG 1994 generell entfallen.
Mit dem Steuerreformgesetz 2000, BGBl. I Nr. 106/1999, wurde
§ 3 Abs. 8 UStG 1994 - nach den Erläuterungen des Gesetzgebers
(ErläutRV 1766 BlgNR 20. GP) um die Bestimmung an Art. 8 Abs. 1 lit. a der 6. EG-RL anzupassen - geändert und lautet seither wie folgt:
"Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer oder den Abnehmer befördert oder versendet, so gilt die Lieferung dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. Versenden liegt vor, wenn der Gegenstand durch einen Frachtführer oder Verfrachter befördert oder eine solche Beförderung durch einen Spediteur besorgt wird. Die Versendung beginnt mit der Übergabe des Gegenstandes an den Spediteur, Frachtführer oder Verfrachter."
Die für den Vorsteuerabzug maßgebliche Bestimmung des § 12 UStG 1994 lautet auszugsweise:
"(1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:
1. Die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden
sind. ... "
III. Die maßgeblichen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts
Art. 2 Nummer 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage, 77/388/EWG (im Folgenden kurz RL), unterwirft Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt, der Mehrwertsteuer.
Zum Ort der Lieferung von Gegenständen bestimmt Art. 8 der RL auszugsweise Folgendes:
"(1) Als Ort der Lieferung gilt
a) für den Fall, dass der Gegenstand vom Lieferer, vom Erwerber oder von einer dritten Person versandt oder befördert wird, der Ort, an dem sich der Gegenstand zum Zeitpunkt des Beginns der
Versendung oder Beförderung an den Erwerber befindet. ... ;
b) für den Fall, dass der Gegenstand nicht versandt oder befördert wird, der Ort, an dem sich der Gegenstand zum Zeitpunkt der Lieferung befindet.
Nach Art. 28b Teil A Absatz 1 der RL gilt als Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen der Ort, in dem sich die Gegenstände zum Zeitpunkt der Beendigung des Versands oder der Beförderung an den Erwerber befinden.
Eine Ausnahme von der Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs sieht Art. 28c Teil E Abs. 3 in der Fassung der Richtlinie 92/111/EWG vom 14. Dezember 1992 (1. Vereinfachungsrichtlinie) für sogenannte Dreiecksgeschäfte wie folgt vor:
"(3) Jeder Mitgliedstaat ergreift besondere Maßnahmen, damit ein innergemeinschaftlicher Erwerb von Gegenständen, der im Sinne von Artikel 28c Teil A Absatz 1 innerhalb seines Gebiets getätigt wird, nicht mit der Mehrwertsteuer belastet wird, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
-
Der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen wird von einem Steuerpflichtigen bewirkt, der nicht im Inland ansässig ist, aber für Zwecke der Mehrwertsteuer in einem anderen Mitgliedstaat erfasst ist;
-
der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen erfolgt für Zwecke einer anschließenden Lieferung dieser Gegenstände, die von dem betreffenden Steuerpflichtigen im Inland bewirkt wird;
-
die auf diese Weise von dem betreffenden Steuerpflichtigen erworbenen Gegenstände werden von einem anderen Mitgliedstaat aus als dem, in dem der Steuerpflichtige für Zwecke der Mehrwertsteuer erfasst ist, unmittelbar an die Person, für die er die anschließende Lieferung bewirkt, versandt oder befördert;
-
Empfänger der anschließenden Lieferung ist ein anderer Steuerpflichtiger oder eine nicht steuerpflichtige juristische Person, der bzw. die für Zwecke der Mehrwertsteuer im Inland erfasst ist;
-
dieser Empfänger ist nach Artikel 21 Absatz 1 Buchstabe a) Unterabsatz 3 als Steuerschuldner im Zusammenhang mit der Lieferung, die von dem nicht im Inland ansässigen Steuerpflichtigen bewirkt wird, bestimmt worden."
In Art. 3 der Richtlinie 92/111/EWG war überdies vorgesehen, dass der Rat einstimmig auf Vorschlag der Kommission vor dem 30. Juni 1993 Bestimmungen für die Besteuerung von Reihengeschäften zwischen Steuerpflichtigen verabschieden wird. Tatsächlich ist eine Regelung bis heute nicht erfolgt. IV. Erläuterungen zur Vorfrage
Die K GmbH ist nach dem zwischen den Parteien unbestrittenen Sachverhalt einerseits als Abnehmer der Waren ihres Vorlieferanten, andererseits als Lieferer der Waren an die Beschwerdeführerin aufgetreten. Es lagen jeweils zwei Umsatzgeschäfte vor, welche mit nur einer Warenbewegung ausgeführt wurden, wobei die K GmbH (mittlerer Unternehmer) den Auftrag zur Versendung der Waren an die Beschwerdeführerin erteilt hat und weiterhin über die Ware verfügen konnte.
Nach Gemeinschaftsrecht ist für den "ersten Unternehmer" (den Vorlieferanten der K GmbH) der Beginn der Beförderung/Versendung auch dann maßgebend, wenn die Beförderung/Versendung durch den Erwerber (den "mittleren Unternehmer") erfolgt. Der Ort der Lieferung ist der Ort, an dem sich der Gegenstand im Zeitpunkt des Beginnes der Beförderung/Versendung befindet (Art. 8 Abs. 1 Buchstabe a der RL); gegenständlich somit in den Niederlanden bzw. in Italien.
Fraglich ist, wie die im Beschwerdefall strittige Lieferung des (Zwischen)Erwerbers (K GmbH) zu beurteilen ist.
Die österreichische Verwaltungspraxis und herrschende Lehre gehen davon aus, dass der Transport der Ware nur einer Lieferung zugerechnet werden kann, wobei sie die Warenbeförderung/Warenversendung der ersten Lieferung zuordnen (sogenannte "bewegte Lieferung"). Die nachfolgende Lieferung (des Zwischenerwerbers an seinen Abnehmer) finde ohne Beförderung/Versendung statt (sogenannte "ruhende Lieferung"), sodass die Grundregel des § 3 Abs. 7 UStG 1994 (Art. 8 Abs. 1 Buchstabe b der RL) zur Anwendung komme. Die anschließende Lieferung werde dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befinde. Auch der österreichische Gesetzgeber hat sich, wie den Gesetzesmaterialien zum Steuerreformgesetz 2000 zu entnehmen ist, der herrschenden Meinung, die zwischen ruhenden und bewegten Lieferungen unterscheidet, angeschlossen.
Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes ist diese Auffassung allerdings nicht zwingend. Das Gemeinschaftsrecht unterscheidet nicht zwischen ruhenden und bewegten Lieferungen. Der Wortlaut des Art. 8 Abs. 1 Buchstabe a erster Satz der RL ließe es auch zu, die (einzige) Warenbewegung beiden Liefergeschäften zuzuordnen, weil beide Lieferungen durch eine Beförderung/Versendung erfüllt werden. Diesfalls ist allerdings zweifelhaft, ob der Ort der zweiten Lieferung am tatsächlichen Abgangsort der Ware (im Beschwerdefall den Niederlanden bzw. Italien) liegt oder dort, wo die erste Lieferung geendet hat (in Österreich). Nach der ersten Variante wäre keine Umsatzsteuer auszuweisen, nach der zweiten Variante läge der Lieferort - wie von der Beschwerdeführerin im Ergebnis vertreten - in Österreich.
Bei der Frage, welcher Auslegung der Vorzug zu geben ist, wäre auch zu bedenken, dass der Abnehmer der Ware (der dritte oder jeder weitere Unternehmer in der Reihe), wenn ihm die Verfügungsmacht über die Gegenstände von seinem unmittelbaren Geschäftspartner verschafft wird, oftmals keine Kenntnis von möglichen vorgelagerten Liefergeschäften haben wird.
Bei Reihengeschäften aus dem Drittlandsgebiet vertreten die österreichische Verwaltungspraxis und herrschende Lehre die Auffassung, dass Ort aller Lieferungen das Drittlandsgebiet ist, es sei denn, ein Lieferant ist Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer (Art. 8 Abs. 2 iVm Art. 21 Nr. 2 RL, § 3 Abs. 9 UStG 1994).
Die Lösung der gegenständlichen Rechtsfrage scheint nicht derart offenkundig zu sein, dass für einen Zweifel im Sinne der Rechtsprechung C.I.L.F.I.T (Urteil des EuGH vom 6. Oktober 1982, Rechtssache 283/81, Slg. 1982, Seite 3415 ff) kein Raum bliebe. Die Frage wird daher dem EuGH mit dem Ersuchen um Vorabentscheidung gemäß Artikel 234 EG vorgelegt.
Wien, am 26. Mai 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:1999140244.X00Im RIS seit
06.07.2004Zuletzt aktualisiert am
04.07.2018