TE Vwgh Erkenntnis 2004/5/27 2004/03/0027

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Veröffentlicht am 27.05.2004
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
93 Eisenbahn;

Norm

AVG §56;
AVG §57 Abs1;
AVG §57 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §61;
AVG §61a;
AVG §68;
EisenbahnG 1957 §19;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Berger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde der ÖB in Wien, vertreten durch Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte KEG, 1090 Wien, Porzellangasse 4, gegen den Bescheid des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 21. Jänner 2004, Zl. 360.401/1-II/Sch4/04, betreffend eine Anordnung gemäß § 19 EisenbahnG 1957, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid ordnete die belangte Behörde "gemäß § 19 des Eisenbahngesetzes 1957" als Oberste Eisenbahnbehörde für zehn näher bezeichnete Speisewagen der Beschwerdeführerin den Austausch des Gumminoppen-Fußbodenbelages "gegen einen nach geltenden Brandschutznormen entsprechend positiv befundenen Fußbodenbelag" bis spätestens 29. Februar 2004 an. Die belangte Behörde begründete diese Anordnung damit, die genannte Maßnahme sei bei den mit Bescheid vom 30. Mai 2003 befristet bis 31. Dezember 2004 eisenbahnrechtlich genehmigten Wagen wegen "massiver Bedenken aus der Sicht des Arbeitnehmerschutzes gegen den vorhandenen Gumminoppen-Fußbodenbelag" zur Gewährleistung eines sicheren Eisenbahnbetriebes anzuordnen gewesen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerdeführerin macht in ihrer Beschwerde unter anderem geltend, es sei ihr entgegen § 37 in Verbindung mit § 45 Abs. 3 AVG keine Gelegenheit gegeben worden, vor Erlassung des angefochtenen Bescheides vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. Die belangte Behörde hält diesen Ausführungen in ihrer Gegenschrift entgegen, im Hinblick auf das Vorliegen der genannten Gefährdung sei "ein Mandatsbescheid gemäß § 57 (AVG) ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassen" gewesen.

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde handelt es sich jedoch beim angefochtenen Bescheid nicht um einen Mandatsbescheid im Sinne des § 57 Abs. 1 AVG. Zwar kommt es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf die ausdrückliche Nennung des § 57 AVG oder die Bezeichnung als "Mandatsbescheid" nicht an, die Behörde muss aber doch unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass sie von der Möglichkeit des § 57 AVG Gebrauch gemacht hat. Im Zweifel ist aber - da die Erlassung eines Mandatsbescheides gegenüber der Erlassung eines Bescheides nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens die Ausnahme darstellt - davon auszugehen, dass nicht ein Bescheid im Sinne des § 57 AVG mit den daran geknüpften Folgen erlassen worden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Jänner 1995, Zl. 94/07/0118; siehe auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1994, VfSlg. 13.984).

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde weder im Spruch noch in der Begründung des angefochtenen Bescheides den § 57 AVG erwähnt. Auch wird in der Rechtsmittelbelehrung, die dahin lautet, dass gegen den angefochtenen Bescheid "kein ordentliches Rechtsmittel", wohl aber "innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder Verfassungsgerichtshof" zulässig sei, nicht darauf hingewiesen, dass gegen diesen Bescheid das im Falle des Ergehens eines Mandatsbescheides nach § 57 Abs. 2 AVG vorgesehene Rechtsmittel der Vorstellung zu erheben sei (vgl. dazu, dass zur Erschöpfung des Instanzenzuges auch dann, wenn der Mandatsbescheid von einer obersten Behörde stammt, das Rechtsmittel der Vorstellung zu erheben ist, den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 26. November 1990, VfSlg 12.534 mwN). Der angefochtene Bescheid lässt auch sonst nicht erkennen, dass die belangte Behörde bei seiner Erlassung von einer Anwendung des § 57 AVG ausgegangen wäre. Zwar werden in seiner Begründung "massive Bedenken aus der Sicht des Arbeitnehmerschutzes" erwähnt, es wird jedoch zum Vorliegen einer wegen Gefahr im Verzug unaufschiebbaren Maßnahme (die für die Erlassung eines Mandatsbescheides im vorliegenden Fall allenfalls in Betracht gekommen wäre) nichts Näheres ausgeführt; insbesondere kann dem angefochtenen Bescheid - anders als der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstatteten Äußerung der belangten Behörde zum Antrag der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung - nicht einmal entnommen werden, welche "massiven Bedenken" gegen den vorhandenen Fußbodenbelag bestehen.

Da die belangte Behörde somit nicht klar zum Ausdruck gebracht hat, dass sie die Erlassung eines Mandatsbescheides beabsichtigt hätte, handelt es sich im vorliegenden Fall nicht um einen solchen. Für den angefochtenen Bescheid galt daher uneingeschränkt § 56 AVG, wonach der Erlassung eines Bescheides grundsätzlich die Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes, soweit er nicht von vornherein klar gegeben ist, nach den §§ 37 und 39 AVG voranzugehen hat. Des Weiteren sind gemäß § 58 Abs. 2 in Verbindung mit § 60 AVG Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird.

An diesen Erfordernissen ändert auch der Hinweis der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift, dass der angefochtene Bescheid sich neben dem § 19 EisenbahnG auch auf § 68 Abs. 3 AVG gestützt habe, nichts, weil auch für Bescheide nach § 68 AVG in jeder Beziehung die allgemeinen Vorschriften über Bescheide gelten (vgl. Walter/Thienel,Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 200 f zu § 68 AVG). Darüber hinaus ist dem angefochtenen Bescheid selbst auch gar nicht zu entnehmen, dass dieser auf § 68 Abs. 3 AVG gestützt worden wäre und die belangte Behörde sich mit den für die Abänderung von Bescheiden von Amts wegen notwendigen Voraussetzungen auseinander gesetzt hätte.

Ebensowenig ist dem angefochtenen Bescheid zu entnehmen, dass die belangte Behörde ein den erwähnten Bestimmungen entsprechendes Ermittlungsverfahren durchgeführt hätte, und die belangte Behörde hat es auch unterlassen, der Beschwerdeführerin vor Erlassung des angefochtenen Bescheides - wie in der Beschwerde zutreffend aufgezeigt wird - gemäß § 45 Abs. 3 AVG Parteiengehör einzuräumen. Daran, dass der angefochtene Bescheid deshalb mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet ist, ändern die Ausführungen in der Gegenschrift nichts, weil ein ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassender Bescheid nicht vorliegt, und die Nachholung einer unterlassenen Begründung in der Gegenschrift nicht geeignet ist, die der angefochtenen Entscheidung anhaftende Mangelhaftigkeit zu beheben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. März 1950, Slg. Nr. 1326/A).

Die Beschwerdeführerin zeigt die Wesentlichkeit des genannten Verfahrensfehlers auf, indem sie ausführt, sie hätte bei Gewährung von Parteiengehör darlegen können, dass es aus der Sicht des Arbeitnehmerschutzes nicht erforderlich gewesen wäre, den Austausch des Bodenbelages schon vor dem 31. Dezember 2004 anzuordnen (zu diesem Zeitpunkt wäre der Bodenbelag ohnehin aufgrund eines voran gegangenen Betriebsbewilligungsbescheides der belangten Behörde vom 30. Mai 2003 zu tauschen gewesen).

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 27. Mai 2004

Schlagworte

SachverhaltsermittlungBescheidcharakter BescheidbegriffMaßgebender Bescheidinhalt Fassung die der Partei zugekommen ist

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2004030027.X00

Im RIS seit

07.07.2004

Zuletzt aktualisiert am

09.06.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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