TE Vwgh Erkenntnis 2004/5/27 2002/03/0071

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Veröffentlicht am 27.05.2004
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3L E13103020;
E3L E13206000;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
91/01 Fernmeldewesen;

Norm

31997L0033 Telekommunikationsmarkt-RL Anh2;
EURallg;
TKG 1997 §14 Abs1;
TKG 1997 §20 Abs1;
TKG 1997 §32 Abs1;
TKG 1997 §41 Abs1;
TKG 1997 §41 Abs2;
TKG 1997 §41 Abs3;
TKG 1997 §41;
TKG 1997 §49a Abs9 idF 2000/I/026;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Handstanger, Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde der T GmbH (vormals: GmbH) in Wien, vertreten durch Dorda, Brugger & Jordis Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Dr. Karl Lueger-Ring 12, gegen den Bescheid der Telekom-Control-Kommission vom 28. Jänner 2002, Zl. Z 25/02-21, betreffend Zusammenschaltungsanordnung (mitbeteiligte Partei: M GmbH in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem angefochtenen Bescheid erließ die belangte Behörde gemäß § 41 Abs. 3 iVm § 111 Z. 6 Telekommunikationsgesetz (TKG), BGBl. I Nr. 100/1997 idF BGBl. I Nr. 32/2002, eine Anordnung für die Zusammenschaltung des öffentlichen Telekommunikationsnetzes der mitbeteiligten Partei mit dem öffentlichen Telekommunikationsnetz der Beschwerdeführerin. Gemäß der Präambel der Zusammenschaltungsanordnung regelt diese ausschließlich die Zusammenschaltung des öffentlichen Mobilkommunikationsnetzes der mitbeteiligten Partei, realisiert über National Roaming mit einem GSM-Partner, mit dem öffentlichen festen Telekommunikationsnetz der Beschwerdeführerin bzw. dem öffentlichen Mobiltelekommunikationsnetz der zweiten Generation der Beschwerdeführerin. Die Zusammenschaltung erfolgt im Wege des Transits über das Netz der Telekom Austria AG ("indirekte Zusammenschaltung"). Die Anordnung regelt nicht die Zusammenschaltung eines oder beider Netze der dritten Mobilfunkgeneration der Parteien miteinander.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die mitbeteiligte Partei als "Mobile Virtual Network Operator" (MVNO) zu betrachten sei. Sie biete einen Mobilfunkdienst an, unterscheide sich von einem Mobilfunkbetreiber aber dadurch, dass der angebotene Dienst nicht mittels eines selbstbetriebenen Mobilkommunikationsnetzes erbracht werde. Die mitbeteiligte Partei verfüge zwar über gewisse Funktionalitäten des Core-Netzwerkes, es fehle ihr aber der gesamte Teil des Funknetzes und die Berechtigung, Frequenzen zu nutzen. Die angebotenen "2G und 2,5G Mobilfunkdienste" würden daher nicht mittels eines selbstbetriebenen Mobilkommunikationsnetzes angeboten. Die mitbeteiligte Partei als MVNO sei "weder ein herkömmlicher Mobilfunkbetreiber noch ein bloßer Festnetzbetreiber." Gehe man davon aus, dass die mitbeteiligte Partei auf Grund dieses Umstandes kein Recht auf Zusammenschaltung im Sinne des § 41 TKG habe, würde dies zum Ergebnis führen, dass dadurch der Regelungszweck des § 49a Abs. 9 KG unterlaufen würde. Auf Grund dieser Bestimmung sei davon auszugehen, dass ein UMTS-Betreiber, der in einem bestimmten, im Gesetz angeführten Zeitraum über eine Berechtigung für National Roaming 3G-2G verfüge, auch die durchsetzbare Möglichkeit haben müsse, entsprechende Zusammenschaltungsverträge mit anderen Betreibern abzuschließen. Die Regelung des § 49a Abs. 9 TKG würde faktisch sinnentleert, würde man dem UMTS-Neueinsteiger zwar ein durchsetzbares Recht auf Zugang zum 2G-Netz eines 2G/3G-Mobilfunkbetreibers gewähren, anschließend jedoch keine Möglichkeit für ihn bestünde, Zusammenschaltungsvereinbarungen hinsichtlich des daraus entstehenden Verkehrs zu schließen. Der Gesetzgeber gehe in diesem Fall davon aus, dass der UMTS-Neueinsteiger auch für jene Dienste, die er über das 2G-Netz seines roaming-Partners anbiete, Zusammenschaltung begehren könne, obwohl er im 2G-Bereich über keine Konzession verfüge (diese sei auch nicht erforderlich, da er im 2G-Bereich über kein selbstbetriebenes Netz verfüge). Ein MVNO ohne die Berechtigung auf Zusammenschaltung im Sinne des § 41 TKG habe aus ökonomischer Sicht keine reale Chance auf wirtschaftlichen Bestand.

Im Sinne des § 49a Abs. 9 TKG iVm § 1 Abs. 1 TKG sei daher der Betreiberbegriff des § 41 TKG weit auszulegen und es sei davon auszugehen, dass der mitbeteiligten Partei als einer der im § 49a Abs. 9 TKG genannten Berechtigten auch im Hinblick auf eine bereits beabsichtigte Tätigkeit im Mobilfunkbereich das Recht auf Zusammenschaltung zustehe. Die Anrufung der belangten Behörde als Regulierungsbehörde gemäß § 111 Z. 6 TKG auf Erlass einer Anordnung gemäß § 41 Abs. 2 und 3 TKG sei demnach zulässig.

2. Mit der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes, Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und stellt den Antrag, den angefochtenen Bescheid aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Die mitbeteiligte Partei erstattete ebenfalls eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die für die Entscheidung der belangten Behörde maßgebliche Rechtsvorschrift, § 41 Abs. 1 bis 3 Telekommunikationsgesetz (TKG), BGBl. I Nr. 100/1997, lautete:

"Verhandlungspflicht

§ 41. (1) Jeder Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes ist verpflichtet, anderen Betreibern solcher Netze auf Nachfrage ein Angebot auf Zusammenschaltung abzugeben. Alle Beteiligten haben hiebei das Ziel anzustreben, die Kommunikation der Nutzer verschiedener öffentlicher Telekommunikationsnetze untereinander zu ermöglichen und zu verbessern.

(2) Kommt zwischen einem Betreiber eines Telekommunikationsnetzes, der Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit anbietet, und einem anderen Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes eine Vereinbarung über Zusammenschaltung binnen einer Frist von sechs Wochen ab dem Einlangen der Nachfrage nicht zu Stande, kann jeder der an der Zusammenschaltung Beteiligten die Regulierungsbehörde anrufen.

(3) Die Regulierungsbehörde hat nach Anhörung der Beteiligten innerhalb einer Frist von sechs Wochen, beginnend mit der Anrufung, über die Anordnung der Zusammenschaltung zu entscheiden. Die Regulierungsbehörde kann das Verfahren um längstens vier Wochen verlängern. Die Anordnung ersetzt eine zu treffende Vereinbarung. Die Regulierungsbehörde hat dabei die Richtlinien der Europäischen Gemeinschaften, die nach Art. 6 der Richtlinie 90/387/EWG des Rates vom 28. Juni 1990 zur Verwirklichung des Binnenmarktes für Telekommunikationsdienste durch Einführung eines offenen Netzzugangs (Open Network Provision - ONP) (ABl. Nr. L 192 vom 24. 7. 1990, S 1) vom Europäischen Parlament und vom Rat erlassen werden, zu beachten. Entsprechend der Richtlinie findet der Grundsatz der Kostenorientiertheit nur bei der Festlegung der Höhe der Entgelte von marktbeherrschenden Unternehmen Anwendung."

Die Entscheidung der belangten Behörde in einem Verfahren über die Anordnung der Zusammenschaltung gemäß § 41 Abs. 3 TKG stellt eine im 5. Abschnitt des TKG, der unter der Überschrift "Wettbewerbsregulierung" steht, vorgesehene Maßnahme der Regulierung dar. Für die Wahrnehmung der Aufgaben nach dem

5. Abschnitt des TKG sind die in § 32 Abs. 1 TKG festgelegten "Regulierungsziele" zu beachten. § 32 Abs. 1 TKG lautete:

"§ 32. (1) Die Regulierungsbehörde hat durch die nachfolgend angeführten Maßnahmen der Regulierung

1. einen chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerb am Telekommunikationsmarkt sicherzustellen,

2.

den Marktzutritt neuer Anbieter zu fördern,

3.

den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung abzustellen und Missbräuchen vorzubeugen,

              4.              die Einhaltung der Grundsätze eines offenen Netzzugangs gemäß ONP sicherzustellen,

              5.              die sektorspezifischen Wettbewerbsregeln der Europäischen Gemeinschaften umzusetzen und

              6.              Streitfälle zwischen Marktteilnehmern sowie zwischen Marktteilnehmern und Nutzern zu schlichten."

Die zum Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde maßgeblichen gemeinschaftsrechtlichen Rechtsvorschriften waren Art. 9 Abs. 1, 5 und 6 der Zusammenschaltungsrichtlinie 97/33/EG; diese hatten folgenden Wortlaut:

"(1) Die nationalen Regulierungsbehörden fördern und sichern eine adäquate Zusammenschaltung im Interesse aller Benutzer, indem sie ihre Zuständigkeiten in einer Art und Weise ausüben, die den größtmöglichen wirtschaftlichen Nutzen und den größtmöglichen Nutzen für die Endbenutzer erbringt. Die nationalen Regulierungsbehörden berücksichtigen dabei insbesondere

-

die Notwendigkeit, für die Benutzer eine zufrieden stellende Ende-zu-Ende-Kommunikation sicherzustellen;

-

die Notwendigkeit, einen wettbewerbsorientierten Markt zu fördern;

-

die Notwendigkeit, eine faire und geeignete Entwicklung eines harmonisierten europäischen Telekommunikationsmarkts sicherzustellen;

-

die Notwendigkeit, mit den nationalen Regulierungsbehörden in anderen Mitgliedstaaten zusammenzuarbeiten;

-

die Notwendigkeit, den Auf- und Ausbau transeuropäischer Netze und Dienste, die Zusammenschaltung nationaler Netze und die Interoperabilität von Diensten sowie den Zugang zu solchen Netzen und Diensten zu fördern;

-

den Grundsatz der Nichtdiskriminierung (einschließlich des gleichberechtigten Zugangs) und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit;

-

die Notwendigkeit, einen Universaldienst aufrechtzuerhalten und zu entwickeln.

(...)

(5) Bei Zusammenschaltungsstreitigkeiten zwischen Organisationen in einem Mitgliedstaat unternimmt dessen Regulierungsbehörde auf Ersuchen einer Partei Schritte, um den Streit innerhalb von sechs Monaten ab diesem Ersuchen beizulegen. Die Streitbeilegung muss einen fairen Ausgleich der berechtigten Interessen beider Parteien zum Ergebnis haben.

Dabei berücksichtigt die nationale Regulierungsbehörde unter anderem

-

die Interessen der Benutzer;

-

ordnungspolitische Verpflichtungen oder Einschränkungen, die einer Partei auferlegt sind;

-

das Bestreben, innovative Marktangebote zu fördern und Benutzern eine breite Palette von Telekommunikationsdiensten auf nationaler und Gemeinschaftsebene bereitzustellen;

-

die Verfügbarkeit technisch und wirtschaftlich tragfähiger Alternativen zu der geforderten Zusammenschaltung;

-

das Streben nach Sicherstellung gleichwertiger Zugangsvereinbarungen;

-

die Notwendigkeit, die Integrität des öffentlichen Telekommunikationsnetzes und die Interoperabilität von Diensten aufrechtzuerhalten;

-

die Art des Antrags im Vergleich zu den Mitteln, die zur Verfügung stehen, um ihm stattzugeben;

-

die relative Marktstellung der Parteien;

-

die Interessen der Öffentlichkeit (z.B. den Umweltschutz);

-

die Förderung des Wettbewerbs;

-

die Notwendigkeit, einen Universaldienst aufrechtzuerhalten

Eine Entscheidung der nationalen Regulierungsbehörde in dieser Sache wird der Öffentlichkeit nach Maßgabe der innerstaatlichen Verfahren zugänglich gemacht. Die betroffenen Parteien erhalten eine ausführliche Begründung der Entscheidung.

(6) In den Fällen, in denen Organisationen, die zur Bereitstellung öffentlicher Telekommunikationsnetze und/oder für die Öffentlichkeit zugänglicher Telekommunikationsdienste befugt sind, ihre Einrichtungen nicht zusammengeschaltet haben, können die nationalen Regulierungsbehörden unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und im Interesse der Benutzer als letzte Möglichkeit von den betreffenden Organisationen verlangen, ihre Einrichtungen zusammenzuschalten, um wesentliche öffentliche Interessen zu schützen, und gegebenenfalls Zusammenschaltungsbedingungen festlegen."

2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass die Rechtsauffassung der belangten Behörde, wonach die mitbeteiligte Partei berechtigt gewesen sei, einen Antrag auf Zusammenschaltung gemäß § 41 TKG zu stellen, aus mehreren Gründen verfehlt sei. Der mitbeteiligten Partei fehle die Betreiberstellung im Sinne des § 41 TKG. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 41 TKG sei nur Betreibern eines Telekommunikationsnetzes das Recht zur Einbringung von Zusammenschaltungsanträgen eingeräumt, die von der belangten Behörde vertretene "weite Auslegung" stehe daher in offenem Widerspruch zum eindeutigen Wortlaut dieser Gesetzesbestimmung. Weder aus den Gesetzesmaterialien zur Stammfassung des TKG betreffend § 41 TKG noch zur Novelle BGBl. I Nr. 26/2000 betreffend § 49a Abs. 9 TKG ergebe sich aber irgendein Anhaltspunkt, der die von der belangten Behörde vertretene Auslegung gegen den Wortlaut des § 41 TKG rechtfertigen könnte. Die belangte Behörde begründe ihre weite Auslegung des Betreiberbegriffs des § 41 TKG vorwiegend mit einem Rückgriff auf die Bestimmung des § 49a Abs. 9 TKG.

Hiezu ist zunächst festzuhalten, dass sich der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 28. April 2004, Zl. 2002/03/0166, mit der Auslegung des Begriffs "Betreiber" in § 41 TKG auseinandergesetzt hat. Er ist dabei zum Ergebnis gekommen, dass sich aus den Bestimmungen der RL 97/33/EG ergibt, dass gemeinschaftsrechtlich der Anspruch auf Zusammenschaltung nicht an eine tatsächlich bereits ausgeübte Tätigkeit als Netz- oder Dienstbetreiber gebunden ist, sondern lediglich an die Befugnis, diese Dienste bereitzustellen. Im Sinne einer richtlinienkonformen Auslegung ist daher auch der Begriff des "Betreibers" in § 41 TKG dahingehend zu verstehen, dass Unternehmen, die zur Bereitstellung öffentlicher Telekommunikationsnetze und/oder -dienste i.S.d. Anhangs II zur RL 97/33/EG berechtigt sind, auch zur Verhandlung bzw. zur Anbotlegung auf Zusammenschaltung im Sinne des § 41 Abs. 1 TKG sowie - wenn eine Vereinbarung nicht erreicht werden kann - zur Anrufung der Regulierungsbehörde gemäß § 41 Abs. 2 TKG befugt sind.

3. Die mitbeteiligte Partei ist Inhaberin einer Konzession zur Erbringung des mobilen Sprachtelefondienstes und anderer öffentlicher Mobilfunkdienste mittels selbstbetriebener Mobilkommunikationsnetze gemäß § 14 Abs. 1 iVm § 20 Abs. 1 TKG für ein "Mobilfunksystem der dritten Generation, UMTS/IMT-2000," und damit befugt, Telekommunikationsnetze und -dienste im Sinne des Anhangs II der RL 97/33/EG bereitzustellen.

Anders als in dem dem Erkenntnis vom 28. April 2004, Zl. 2002/03/0166, zugrundeliegenden Sachverhalt ist im vorliegenden Fall ausschließlich die "über national roaming mit einem GSM-Partner" realisierte Zusammenschaltung Verfahrensgegenstand, sodass zu prüfen ist, ob die mitbeteiligte Partei im Zeitpunkt der Entscheidung durch die belangte Behörde auch zur Erbringung der von ihr nach ihrem Antragsvorbringen vorgesehenen "2G/2,5G-Mobilfunkdienstleistungen" (somit Mobilfunkdiensten der zweiten Generation, nicht aber solche der dritten Generation, für welche die mitbeteiligte Partei über eine Konzession verfügte) befugt war. Von der belangten Behörde wurde im angefochtenen Bescheid unbestritten festgehalten, dass der mitbeteiligten Partei das Anbieten von Mobilfunkdiensten mittels selbst betriebenem Netz unter Anwendung des GSM-Standards auf Grund der ihr erteilten Konzession (zum Entscheidungszeitpunkt der belangten Behörde) nicht erlaubt war. Das Angebot an 2G und 2,5G-Mobilfunkdiensten würde von der mitbeteiligten Partei nicht mittels eines selbst betriebenen Mobilkommunikationsnetzes angeboten; vielmehr werde die mitbeteiligte Partei als "MVNO" (Mobile Virtual Network Operator) tätig.

Die belangte Behörde leitete die Berechtigung der mitbeteiligten Partei, als MVNO Mobilfunkdienste der zweiten Generation zu erbringen, aus § 49a Abs. 9 TKG idF BGBl. I Nr. 26/2000 ab. Diese Bestimmung hatte folgenden Wortlaut:

"(9) Werden Frequenzen für die Erbringung eines öffentlichen Mobilfunkdienstes der dritten Mobilfunkgeneration einem Antragsteller zugewiesen, der bereits eine Konzession zur Erbringung eines öffentlichen Mobilfunkdienstes der zweiten Mobilfunkgeneration innehat, können die Nebenbestimmungen im Sinne des Abs. 8 auch vorsehen, dass dieser Antragsteller verpflichtet ist, anderen Inhabern von Konzessionen zur Erbringung eines öffentlichen Mobilfunkdienstes der dritten Mobilfunkgeneration, die jedoch ihrerseits keine Konzession zur Erbringung eines öffentlichen Mobilfunkdienstes der zweiten Mobilfunkgeneration innehaben, nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten Netzkapazitäten für eine bestimmte, vier Jahre nicht übersteigende Zeitdauer zur Verfügung zu stellen ("nationales roaming"). Eine derartige Verpflichtung darf für den Antragsteller erst ab jenem Zeitpunkt wirksam werden, ab dem der Inhaber der Konzession zur Erbringung eines öffentlichen Mobilfunkdienstes der dritten Mobilfunkgeneration seinen Netzbetrieb aufgenommen und das Erreichen jenes Versorgungsgrades nachgewiesen hat, der in den Ausschreibungsunterlagen bekannt gegeben wurde. Für nationales roaming ist zwischen den Beteiligten ein angemessenes Entgelt zu vereinbaren. Im Streitfall entscheidet darüber die Telekom-Control-Kommission, wobei für das Verfahren § 41 sinngemäß Anwendung findet."

Die belangte Behörde führte dazu unter anderem aus, dass die Regelung des § 49a Abs. 9 TKG faktisch sinnentleert würde, wenn man dem UMTS-Neueinsteiger zwar ein durchsetzbares Recht auf Zugang zum 2G-Netz eines 2G/3G-Mobilfunkbetreibers gewähren würde, anschließend jedoch keine Möglichkeit für ihn bestünde, Zusammenschaltungsvereinbarungen hinsichtlich des daraus entstehenden Verkehrs zu schließen. Der Gesetzgeber gehe in diesem Fall nach Ansicht der belangten Behörde davon aus, dass der UMTS-Neueinsteiger auch für jene Dienste, die er über das 2G-Netz seines Roaming-Partners anbiete, Zusammenschaltung begehren könne. Was aber für das Erzwingen von "national roaming" im Sinne des § 49a Abs. 9 TKG gelte, müsse auch für privatrechtlich vereinbartes "national roaming" gelten. Die mitbeteiligte Partei habe auf privatrechtlicher Basis eine Vereinbarung mit einem Mobilfunkbetreiber (gemeint: über "national roaming") abgeschlossen.

Der Verwaltungsgerichtshof hegt keine Zweifel daran, dass ein nach § 49a Abs. 9 TKG in Verbindung mit entsprechenden Bestimmungen in den Konzessions- und Frequenzzuteilungsurkunden für UMTS/IMT-2000 zur Geltendmachung eines Anspruchs auf "national roaming" berechtigter Betreiber auch befugt ist, als MVNO die über "national roaming" zu realisierenden Mobilfunkdienste der zweiten Generation anzubieten, kann doch nur dadurch das Ziel der gesetzlichen Bestimmung erreicht werden, dem UMTS-Neueinsteiger bis zur Erreichung einer flächendeckenden UMTS-Versorgung auch das Angebot von GSM-Diensten unter Nutzung eines Hostbetreibers zu ermöglichen (in diesem Sinne auch Feiel/Felder, Mobile Virtual Network Operators, Medien und Recht 2002, 257f). Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob es zu einer Durchsetzung des Anspruchs auf "national roaming" im Rahmen eines Verfahrens vor der Regulierungsbehörde nach § 49a Abs. 9 letzter Satz TKG kommt, oder ob eine entsprechende privatrechtliche Vereinbarung über "national roaming" ohne Einschaltung der Regulierungsbehörde abgeschlossen wird.

4. Die Beschwerdeführerin rügt jedoch zu Recht, dass die belangte Behörde den Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt aktenwidrig angenommen hat. Während auf Seite 56 des angefochtenen Bescheides ausgeführt wird, dass die mitbeteiligte Partei "auf privatrechtlicher Basis eine Vereinbarung mit einem Mobilfunkbetreiber (gemeint: über national roaming) abgeschlossen" habe, hatte der Geschäftsführer der mitbeteiligten Partei in der mündlichen Verhandlung vom 14. Jänner 2002 ausgeführt, dass zwar ein "ein unterschriftsreifes national-roaming-Agreement" vorliege, dieses jedoch erst unterschrieben werde, wenn die Zusammenschaltungsfrage geklärt sei. In der mit E-Mail vom 24. Jänner 2002 der belangten Behörde übermittelten Stellungnahme führte die mitbeteiligte Partei auch wörtlich aus: "Die Unterzeichnung des national roaming agreements ist - zugegeben - bisher noch ausständig, weil mit der Unterzeichnung hohe Zahlungen fällig würden, dies somit erst nach Klärung des 'Interconnection-Regimes' erfolgen kann (ohne Zusammenschaltung mit den allen relevanten Netzen ist das MVNO-Konzept nicht tragfähig)."

Erwirkte die mitbeteiligte Partei jedoch keine Entscheidung der Regulierungsbehörde und hatte sie auch keine privatrechtliche Vereinbarung über "national-roaming" mit einem Hostbetreiber abgeschlossen, so war sie nach der im Entscheidungszeitpunkt der belangten Behörde maßgeblichen Rechtslage nicht befugt, andere als in ihrer Konzessions- und Frequenzzuteilungsurkunde umschriebene Mobilfunkdienste anzubieten.

Das Vorliegen einer Entscheidung der Regulierungsbehörde über einen "national roaming"-Anspruch nach § 49a Abs. 9 TKG in Verbindung mit den Bestimmungen der UMTS/IMT-2000-Konzessions- und Frequenzzuteilungsurkunden wurde von der mitbeteiligten Partei nicht behauptet und auch im angefochtenen Bescheid nicht festgestellt. Die Frage, ob die mitbeteiligte Partei auf privatrechtlicher Basis eine Vereinbarung betreffend "national roaming" abgeschlossen hatte, war daher für die Beurteilung der Befugnis der mitbeteiligten Partei zur Erbringung der verfahrensgegenständlichen Mobilfunkdienste der zweiten Generation wesentlich, sodass die diesbezügliche Aktenwidrigkeit im angefochtenen Bescheid zu dessen Aufhebung führen muss.

5. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 27. Mai 2004

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4 Gemeinschaftsrecht Richtlinie richtlinienkonforme Auslegung des innerstaatlichen Rechts EURallg4/3 Gemeinschaftsrecht Terminologie Definition von Begriffen EURallg8

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2002030071.X00

Im RIS seit

24.06.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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