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E000 EU- Recht allgemein;Norm
31997L0033 Telekommunikationsmarkt-RL Anh2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Handstanger, Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde der P GmbH in W, vertreten durch Dr. Stefan Köck, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Seilergasse 16, gegen den Bescheid der Telekom-Control-Kommission vom 28. Jänner 2002, Zl. Z 18/01-23, betreffend Zusammenschaltungsanordnung (mitbeteiligte Partei: M GmbH in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 41 Abs. 3 iVm § 111 Z. 6 Telekommunikationsgesetz (TKG) BGBl. I Nr. 100/1997 in der Fassung BGBl. I Nr. 32/2002, eine Anordnung für die Zusammenschaltung des öffentlichen Telekommunikationsnetzes der mitbeteiligten Partei mit dem öffentlichen Telekommunikationsnetz der Beschwerdeführerin erlassen. Gemäß der Präambel der Zusammenschaltungsanordnung soll diese ausschließlich die Zusammenschaltung des öffentlichen Mobilkommunikationsnetzes der mitbeteiligten Partei (realisiert über Roaming), soweit sie sich auf Seiten der mitbeteiligten Partei auf GSM/GPRS-Dienste bezieht, mit dem öffentlichen festen Telekommunikationsnetz der Beschwerdeführerin regeln. Die Zusammenschaltung soll im Wege des Transits über das Netz der Telecom Austria AG ("indirekte Zusammenschaltung") erfolgen.
Die Zusammenschaltungsanordnung enthält mehrere Anhänge, wobei im Anhang 5 die Verkehrsarten beschrieben werden und in Anhang 6 die Festlegung der für die jeweiligen Verkehrsarten zu entrichtenden Entgelte erfolgt. Für die Verkehrsart V 9y (Terminierung vom Netz der mitbeteiligten Partei über das Netz der Telekom Austria in das Netz der Beschwerdeführerin regional) sowie für die Verkehrsart V 10y (Terminierung vom Netz der mitbeteiligten Partei über das Netz der Telekom Austria in das Netz der Beschwerdeführerin national) wurde das Zusammenschaltungsentgelt jeweils mit 1,39 Cent pro Minute in der Peak-Zeit (Montag bis Freitag werktags von 8.00-18.00 Uhr) und 0,73 Cent in der Off-Peak-Zeit festgelegt. Für die Verkehrsart V 10x (Terminierung vom Netz der Beschwerdeführerin über das Netz der Telekom Austria in das Netz der mitbeteiligten Partei) wurde festgelegt, dass dafür ein Entgelt in der gleichen Höhe zu entrichten ist, wie es für den National-Roaming-Partner der mitbeteiligten Partei festgelegt ist. Für die Verkehrsart V 20y (Zugang aus dem Netz der mitbeteiligten Partei als Quellnetzbetreiber über das Netz der Telekom Austria national zu Diensterufnummern im Netz der Beschwerdeführerin als Zielnetzbetreiber) wurde für die telekommunikationsspezifische Transportleistung ein Entgelt in der Höhe des Entgelts für die Verkehrsart V 10x festgelegt (hinsichtlich der Berechnung der konkreten Entgelte wird auf die Anhänge zu den jeweiligen Sonderdiensten verwiesen). Im Punkt 4 des Anhangs 6 wird die mitbeteiligte Partei verpflichtet, einen Monat vor der geplanten Aufnahme der Diensteerbringung der Beschwerdeführerin sowie der belangten Behörde den National-Roaming-Partner offen zu legen. Diese Offenlegung habe durch Übermittlung einer Kopie des unterschriebenen National-Rroaming-Vertrages samt Anhängen zu erfolgen. Gemäß Punkt 5 des Anhangs 6 erfolge eine "dynamische Anpassung der mobilen Zusammenschaltungsentgelte V10X und V20Y" im Falle einer Änderung des Zusammenschaltungsentgelts des National-Roaming-Partners der mitbeteiligten Partei durch eine Anordnung der Regulierungsbehörde. In diesem Fall haben die Beschwerdeführerin und die mitbeteiligte Partei das zwischen ihnen zur Verrechnung gelangende mobile Zusammenschaltungsentgelt mit demselben Wirkungsbeginn wie in der Anordnung der Regulierungsbehörde anzupassen.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die mitbeteiligte Partei als "Mobile Virtual Network Operator" (MVNO) zu betrachten sei; sie biete einen Mobilfunkdienst an, wobei die "2G und 2,5G Mobilfunkdienste" nicht mittels eines selbst betriebenen Mobilkommunikationsnetzes erbracht würden. Die mitbeteiligte Partei als MVNO sei "weder ein herkömmlicher Mobilfunkbetreiber noch ein bloßer Festnetzbetreiber". Gehe man davon aus, dass die mitbeteiligte Partei auf Grund dieses Umstandes kein Recht auf Zusammenschaltung im Sinne des § 41 TKG habe, würde dies zum Ergebnis führen, dass dadurch der Regelungszweck des § 49a Abs. 9 TKG unterlaufen würde. Auf Grund dieser Bestimmung sei davon auszugehen, dass ein UMTS-Betreiber, der in einem bestimmten, im Gesetz angeführten Zeitraum über eine Berechtigung für "national roaming" 3G - 2G verfüge, auch die durchsetzbare Möglichkeit haben müsse, entsprechende Zusammenschaltungsverträge mit anderen Betreibern abzuschließen. Die Regelung des § 49a Abs. 9 TKG würde faktisch sinnentleert, würde man dem UMTS-Neueinsteiger zwar ein durchsetzbares Recht auf Zugang zum 2G-Netz eines 2G/3G-Mobilfunkbetreibers gewähren, anschließend jedoch keine Möglichkeit für ihn bestünde, Zusammenschaltungsvereinbarungen hinsichtlich des daraus entstehenden Verkehrs zu schließen. Der Gesetzgeber gehe in diesem Fall davon aus, dass der UMTS Neueinsteiger auch für jene Dienste, die er über das 2G-Netz seines Roamingpartners anbiete, Zusammenschaltung begehren könne, obwohl er im 2G-Bereich über keine Konzession verfüge (diese sei auch nicht erforderlich, da er im 2G-Bereich über kein selbst betriebenes Netz verfüge). Ein MVNO ohne Berechtigung zur Zusammenschaltung im Sinne des § 41 TKG habe aus ökonomischer Sicht keine reale Chance auf wirtschaftlichen Bestand. Der Betreiberbegriff des § 41 TKG sei im Sinne des § 49a Abs. 9 TKG iVm § 1 Abs. 1 TKG weit auszulegen und es sei davon auszugehen, dass der mitbeteiligten Partei als einer der im § 49a Abs. 9 TKG genannten Berechtigten auch im Hinblick auf eine bereits beabsichtigte Tätigkeit im Mobilfunkbereich das Recht auf Zusammenschaltung zustehe. Die Anrufung der belangten Behörde als Regulierungsbehörde gemäß § 111 Z. 6 TKG auf Erlass einer Anordnung gemäß § 41 Abs. 2 und 3 TKG sei demnach zulässig.
Zur Entgeltfestlegung führte die belangte Behörde aus, dass mangels marktbeherrschender Stellung der mitbeteiligten Partei ein angemessenes Entgelt festzulegen sei, wobei dieses für die mitbeteiligte Partei als MVNO mit der Höhe jenes regulierten Zusammenschaltungsentgeltes gleichgesetzt werde, das für den National-Roaming-Partner der mitbeteiligten Partei zur Anwendung gelange.
In Anlehnung an eine Definition, wie sie von der Independent Regulaters Group vertreten werde, sei unter einem MVNO ein Anbieter zu verstehen, dem zwar keine Frequenzen zugeteilt worden seien, der aber dennoch Dienste anbiete und anbieten könne, die mit jenen eines Mobilfunkbetreibers vergleichbar seien. Zur Abgrenzung von anderen "Diensteanbietern" sei von der IRG eine indikative Liste von kennzeichnenden Elementen eines MVNO angegeben worden. Dazu würden die Verwaltung und Herausgabe eigener SIM-Karten, ein eigener Mobile Network Code (MNC) und der selbständige Betrieb von Teilen einer Mobilfunk-Telekommunikationsinfrastruktur zählen, insbesondere folgender Elemente: Home Location Register (HLR), Authentication Register (AuC), Mobile Switching Center (MSC), Short Message Service Center (SMSC), Cusomer Care and Billing Equipment. Anders als bei einem reinen Wiederverkäufer bestehe für einen MVNO, der per Definition ein eigenes Mobile Switching Center betreibe, auch die Notwendigkeit, sich mit anderen Netzen im Sinne des § 41 TKG zusammenzuschalten. Im Rahmen einer Zusammenschaltung zwischen einem MVNO und einem dritten Betreiber werde der weitaus größere und kostenintensivere Teil der Terminierungsleistung, das heißt der Gesprächszustellung an den Endkunden des MVNO, durch den National-Roaming-Partner vorgenommen, da die Zustellung des Gespräches nicht nur über Teilbereiche des Kernnetzes, sondern auch über das Funknetz des Mobile Network Operators (MNO) erfolge. Es sei unzweifelhaft, dass die Kosten für ein bundesweites Funknetz um ein Vielfaches über den Kosten eines Kernnetzes lägen. Da somit die Zusammenschaltungsleistung zu einem umfassenden Teil vom MNO vorgenommen werde, stelle dies eine Begründung für die angeordnete Gleichsetzung der Zusammenschaltungsentgelte der mitbeteiligten Partei als MVNO mit dem Entgelt ihres National-Roaming-Partners dar.
Hinsichtlich der Festnetzterminierungs- und Festnetzoriginierungsentgelte der Beschwerdeführerin seien unter Zugrundelegung des Kriteriums der Angemessenheit jene Zusammenschaltungsentgelte festgelegt worden, wie sie in vorangegangenen Entscheidungen der belangten Behörde vom 22. Juni 2001, Z 6/01, Z 9/01, Z 11/01 und Z 12/01, festgelegt worden seien. In diesen Anordnungen seien auf der Grundlage des Grundsatzes der Kostenorientiertheit und auf der Basis des FL-LRAIC-Kostenrechnungsansatzes die Zusammenschaltungsentgelte des marktbeherrschenden Unternehmens, der Telekom Austria AG, festgelegt worden. Dieselben Entgelte seien reziprok auch für die alternativen Netzbetreiber angeordnet worden. Nach Art. 9 Abs. 1 und 3 der Zusammenschaltungsrichtlinie 97/33/EG in der Fassung der RL 98/61/EG sei die Regulierungsbehörde dazu angehalten, den größtmöglichen wirtschaftlichen Nutzen und den größtmöglichen Nutzen für die Endbenutzer zu fördern. Das für den Gesprächsverkehr zwischen dem Netz der Beschwerdeführerin und jenem der Telekom Austria AG festgelegte Zusammenschaltungsentgelt sei als Wettbewerbspreis anzusehen, somit als jener angemessener Preis, der sich bei Wettbewerb auf den relevanten Markt einstellen würde. Dieser Preis würde einem angemessenen Preis unter Wettbewerbsbedingungen entsprechen, sodass eine Festlegung der Entgelte in selber Höhe für den Verkehr in beide Richtungen angemessen sei. Die reziproke Geltung der Zusammenschaltungsentgelte habe überdies die Wirkung, dass die Markttransparenz erhöht und das Marktrisiko für die Telekom Austria AG verringert werde. Die Transaktionskosten für die Verhandlungen der Zusammenschaltungsentgelte könnten damit erheblich gesenkt werden.
Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass der auf das zusammenschaltungsrelevante Kernnetz entfallende Kostenanteil höher sei, da ihr Kernnetz näher als herkömmliche Telekomnetze an den Endkunden heranreiche, sei für die belangte Behörde nicht nachvollziehbar; auch der Hinweis auf die Verwendung einer bestimmten "HFC-Technologie" vermöge "nicht zu erklären und insbesonders nicht zu überzeugen, warum vom Grundsatz der Reziprozität der Festnetzzusammenschaltungsentgelte abgegangen werden sollte". Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass die belangte Behörde in Mobilzusammenschaltungsverfahren die Leistungserbringung unterschiedlicher Anbieter individuell bewertet habe, sei anzumerken, dass Mobilfunkbetreiber auf Grund der erteilten Konzessionen zu einer bundesweiten flächendeckenden Versorgung verpflichtet seien. Insbesondere auf Grund der Topologie sei für die Mobilbetreiber diese flächendeckende Versorgung, zu deren Erreichung umfassende Investitionen getätigt werden müssten, nicht kostendeckend. Demgegenüber existierten keine Versorgungspflichten für Festnetzbetreiber; es bleibe dem betriebswirtschaftlichen Kalkül jedes einzelnen Festnetzbetreibers überlassen, in welchen Regionen in Österreich er Netzwerkinvestitionen tätigen möchte und in welchen nicht. Auch dieser Umstand rechtfertige die weitere Aufrechterhaltung des Grundsatzes der Reziprozität der Zusammenschaltungsentgelte von Festnetzbetreibern.
2. Mit der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und stellt den Antrag, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen. Die mitbeteiligte Partei erstattete ebenfalls eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die für die Entscheidung der belangten Behörde maßgebliche Rechtsvorschrift, § 41 Abs. 1 bis 3 Telekommunikationsgesetz (TKG), BGBl. I Nr. 100/1997, lautete:
"Verhandlungspflicht
§ 41. (1) Jeder Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes ist verpflichtet, anderen Betreibern solcher Netze auf Nachfrage ein Angebot auf Zusammenschaltung abzugeben. Alle Beteiligten haben hiebei das Ziel anzustreben, die Kommunikation der Nutzer verschiedener öffentlicher Telekommunikationsnetze untereinander zu ermöglichen und zu verbessern.
(2) Kommt zwischen einem Betreiber eines Telekommunikationsnetzes, der Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit anbietet, und einem anderen Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes eine Vereinbarung über Zusammenschaltung binnen einer Frist von sechs Wochen ab dem Einlangen der Nachfrage nicht zu Stande, kann jeder der an der Zusammenschaltung Beteiligten die Regulierungsbehörde anrufen.
(3) Die Regulierungsbehörde hat nach Anhörung der Beteiligten innerhalb einer Frist von sechs Wochen, beginnend mit der Anrufung, über die Anordnung der Zusammenschaltung zu entscheiden. Die Regulierungsbehörde kann das Verfahren um längstens vier Wochen verlängern. Die Anordnung ersetzt eine zu treffende Vereinbarung. Die Regulierungsbehörde hat dabei die Richtlinien der Europäischen Gemeinschaften, die nach Art. 6 der Richtlinie 90/387/EWG des Rates vom 28. Juni 1990 zur Verwirklichung des Binnenmarktes für Telekommunikationsdienste durch Einführung eines offenen Netzzugangs (Open Network Provision - ONP) (ABl. Nr. L 192 vom 24. 7. 1990, S 1) vom Europäischen Parlament und vom Rat erlassen werden, zu beachten. Entsprechend der Richtlinie findet der Grundsatz der Kostenorientiertheit nur bei der Festlegung der Höhe der Entgelte von marktbeherrschenden Unternehmen Anwendung."
§ 32 Abs. 1 TKG lautete:
"§ 32. (1) Die Regulierungsbehörde hat durch die nachfolgend angeführten Maßnahmen der Regulierung
1. einen chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerb am Telekommunikationsmarkt sicherzustellen,
2.
den Marktzutritt neuer Anbieter zu fördern,
3.
den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung abzustellen und Missbräuchen vorzubeugen,
4. die Einhaltung der Grundsätze eines offenen Netzzugangs gemäß ONP sicherzustellen,
5. die sektorspezifischen Wettbewerbsregeln der Europäischen Gemeinschaften umzusetzen und
6. Streitfälle zwischen Marktteilnehmern sowie zwischen Marktteilnehmern und Nutzern zu schlichten."
Die zum Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde maßgeblichen gemeinschaftsrechtlichen Rechtsvorschriften waren Art. 9 Abs. 1, 5 und 6 der Zusammenschaltungsrichtlinie 97/33/EG; diese hatten folgenden Wortlaut:
"(1) Die nationalen Regulierungsbehörden fördern und sichern eine adäquate Zusammenschaltung im Interesse aller Benutzer, indem sie ihre Zuständigkeiten in einer Art und Weise ausüben, die den größtmöglichen wirtschaftlichen Nutzen und den größtmöglichen Nutzen für die Endbenutzer erbringt. Die nationalen Regulierungsbehörden berücksichtigen dabei insbesondere
-
die Notwendigkeit, für die Benutzer eine zufrieden stellende Ende-zu-Ende-Kommunikation sicherzustellen;
-
die Notwendigkeit, einen wettbewerbsorientierten Markt zu fördern;
-
die Notwendigkeit, eine faire und geeignete Entwicklung eines harmonisierten europäischen Telekommunikationsmarkts sicherzustellen;
-
die Notwendigkeit, mit den nationalen Regulierungsbehörden in anderen Mitgliedstaaten zusammenzuarbeiten;
-
die Notwendigkeit, den Auf- und Ausbau transeuropäischer Netze und Dienste, die Zusammenschaltung nationaler Netze und die Interoperabilität von Diensten sowie den Zugang zu solchen Netzen und Diensten zu fördern;
-
den Grundsatz der Nichtdiskriminierung (einschließlich des gleichberechtigten Zugangs) und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit;
-
die Notwendigkeit, einen Universaldienst aufrechtzuerhalten und zu entwickeln.
(...)
(5) Bei Zusammenschaltungsstreitigkeiten zwischen Organisationen in einem Mitgliedstaat unternimmt dessen Regulierungsbehörde auf Ersuchen einer Partei Schritte, um den Streit innerhalb von sechs Monaten ab diesem Ersuchen beizulegen. Die Streitbeilegung muss einen fairen Ausgleich der berechtigten Interessen beider Parteien zum Ergebnis haben.
Dabei berücksichtigt die nationale Regulierungsbehörde unter anderem
-
die Interessen der Benutzer;
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ordnungspolitische Verpflichtungen oder Einschränkungen, die einer Partei auferlegt sind;
-
das Bestreben, innovative Marktangebote zu fördern und Benutzern eine breite Palette von Telekommunikationsdiensten auf nationaler und Gemeinschaftsebene bereitzustellen;
-
die Verfügbarkeit technisch und wirtschaftlich tragfähiger Alternativen zu der geforderten Zusammenschaltung;
-
das Streben nach Sicherstellung gleichwertiger Zugangsvereinbarungen;
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die Notwendigkeit, die Integrität des öffentlichen Telekommunikationsnetzes und die Interoperabilität von Diensten aufrechtzuerhalten;
-
die Art des Antrags im Vergleich zu den Mitteln, die zur Verfügung stehen, um ihm stattzugeben;
-
die relative Marktstellung der Parteien;
-
die Interessen der Öffentlichkeit (z.B. den Umweltschutz);
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die Förderung des Wettbewerbs;
-
die Notwendigkeit, einen Universaldienst aufrechtzuerhalten
Eine Entscheidung der nationalen Regulierungsbehörde in dieser Sache wird der Öffentlichkeit nach Maßgabe der innerstaatlichen Verfahren zugänglich gemacht. Die betroffenen Parteien erhalten eine ausführliche Begründung der Entscheidung.
(6) In den Fällen, in denen Organisationen, die zur Bereitstellung öffentlicher Telekommunikationsnetze und/oder für die Öffentlichkeit zugänglicher Telekommunikationsdienste befugt sind, ihre Einrichtungen nicht zusammengeschaltet haben, können die nationalen Regulierungsbehörden unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und im Interesse der Benutzer als letzte Möglichkeit von den betreffenden Organisationen verlangen, ihre Einrichtungen zusammenzuschalten, um wesentliche öffentliche Interessen zu schützen, und gegebenenfalls Zusammenschaltungsbedingungen festlegen."
2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht darauf verletzt zu sein, dass Zusammenschaltungsanordnungen gemäß § 41 Abs. 3 TKG nur bei Vorliegen der formalen Voraussetzungen, insbesondere der Antragslegitimation der Antragstellerin, erlassen werden. Die mitbeteiligte Partei sei kein Netzbetreiber im Sinne des TKG und daher zur Antragstellung im Verfahren gemäß § 41 TKG nicht berechtigt gewesen.
Hiezu ist zunächst festzuhalten, dass sich der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 28. April 2004, Zl. 2002/03/0166, mit der Auslegung des Begriffs "Betreiber" in § 41 TKG auseinandergesetzt hat. Er ist dabei zum Ergebnis gekommen, dass sich aus den Bestimmungen der RL 97/33/EG ergibt, dass gemeinschaftsrechtlich der Anspruch auf Zusammenschaltung nicht an eine tatsächlich bereits ausgeübte Tätigkeit als Netz- oder Dienstbetreiber gebunden ist, sondern lediglich an die Befugnis, diese Dienste bereitzustellen. Im Sinne einer richtlinienkonformen Auslegung ist daher auch der Begriff des "Betreibers" in § 41 TKG dahingehend zu verstehen, dass Unternehmen, die zur Bereitstellung öffentlicher Telekommunikationsnetze und/oder -dienste i.S.d. Anhangs II zur RL 97/33/EG berechtigt sind, auch zur Verhandlung bzw. zur Anbotlegung auf Zusammenschaltung im Sinne des § 41 Abs. 1 TKG sowie - wenn eine Vereinbarung nicht erreicht werden kann - zur Anrufung der Regulierungsbehörde gemäß § 41 Abs. 2 TKG befugt sind.
3. Die mitbeteiligte Partei ist Inhaberin einer Konzession zur Erbringung des mobilen Sprachtelefondienstes und anderer öffentlicher Mobilfunkdienste mittels selbstbetriebener Mobilkommunikationsnetze gemäß § 14 Abs. 1 iVm § 20 Abs. 1 TKG für ein "Mobilfunksystem der dritten Generation, UMTS/IMT-2000," und damit befugt, Telekommunikationsnetze und -dienste im Sinne des Anhangs II der RL 97/33/EG bereitzustellen.
Anders als in dem dem Erkenntnis vom 28. April 2004, Zl. 2002/03/0166, zugrundeliegenden Sachverhalt ist im vorliegenden Fall ausschließlich die "über national roaming mit einem GSM-Partner" realisierte Zusammenschaltung Verfahrensgegenstand, sodass zu prüfen ist, ob die mitbeteiligte Partei im Zeitpunkt der Entscheidung durch die belangte Behörde auch zur Erbringung der von ihr nach ihrem Antragsvorbringen vorgesehenen "2G/2,5G-Mobilfunkdienstleistungen" (somit Mobilfunkdiensten der zweiten Generation, nicht aber solchen der dritten Generation, für welche die mitbeteiligte Partei über eine Konzession verfügte) befugt war. Von der belangten Behörde wurde im angefochtenen Bescheid unbestritten festgehalten, dass der mitbeteiligten Partei das Anbieten von Mobilfunkdiensten mittels selbst betriebenem Netz unter Anwendung des GSM-Standards auf Grund der ihr erteilten Konzession (zum Entscheidungszeitpunkt der belangten Behörde) nicht erlaubt war. Das Angebot an 2G und 2,5G-Mobilfunkdiensten würde von der mitbeteiligten Partei nicht mittels eines selbst betriebenen Mobilkommunikationsnetzes angeboten; vielmehr werde die mitbeteiligte Partei als "MVNO" (Mobile Virtual Network Operator) tätig.
Die belangte Behörde leitete die Berechtigung der mitbeteiligten Partei, als MVNO Mobilfunkdienste der zweiten Generation zu erbringen, aus § 49a Abs. 9 TKG idF BGBl. I Nr. 26/2000 ab. Diese Bestimmung hatte folgenden Wortlaut:
"(9) Werden Frequenzen für die Erbringung eines öffentlichen Mobilfunkdienstes der dritten Mobilfunkgeneration einem Antragsteller zugewiesen, der bereits eine Konzession zur Erbringung eines öffentlichen Mobilfunkdienstes der zweiten Mobilfunkgeneration innehat, können die Nebenbestimmungen im Sinne des Abs. 8 auch vorsehen, dass dieser Antragsteller verpflichtet ist, anderen Inhabern von Konzessionen zur Erbringung eines öffentlichen Mobilfunkdienstes der dritten Mobilfunkgeneration, die jedoch ihrerseits keine Konzession zur Erbringung eines öffentlichen Mobilfunkdienstes der zweiten Mobilfunkgeneration innehaben, nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten Netzkapazitäten für eine bestimmte, vier Jahre nicht übersteigende Zeitdauer zur Verfügung zu stellen ("nationales roaming"). Eine derartige Verpflichtung darf für den Antragsteller erst ab jenem Zeitpunkt wirksam werden, ab dem der Inhaber der Konzession zur Erbringung eines öffentlichen Mobilfunkdienstes der dritten Mobilfunkgeneration seinen Netzbetrieb aufgenommen und das Erreichen jenes Versorgungsgrades nachgewiesen hat, der in den Ausschreibungsunterlagen bekannt gegeben wurde. Für nationales roaming ist zwischen den Beteiligten ein angemessenes Entgelt zu vereinbaren. Im Streitfall entscheidet darüber die Telekom-Control-Kommission, wobei für das Verfahren § 41 sinngemäß Anwendung findet."
Die belangte Behörde führte dazu unter anderem aus, dass die Regelung des § 49a Abs. 9 TKG faktisch sinnentleert wäre, wenn man dem UMTS-Neueinsteiger zwar ein durchsetzbares Recht auf Zugang zum 2G-Netz eines 2G/3G-Mobilfunkbetreibers gewähren würde, anschließend jedoch keine Möglichkeit für ihn bestünde, Zusammenschaltungsvereinbarungen hinsichtlich des daraus entstehenden Verkehrs zu schließen. Der Gesetzgeber gehe in diesem Fall nach Ansicht der belangten Behörde davon aus, dass der UMTS-Neueinsteiger auch für jene Dienste, die er über das 2G-Netz seines Roaming-Partners anbiete, Zusammenschaltung begehren könne. Was aber für das Erzwingen von "national roaming" im Sinne des § 49a Abs. 9 TKG gelte, müsse auch für privatrechtlich vereinbartes "national roaming" gelten. Die mitbeteiligte Partei habe auf privatrechtlicher Basis eine Vereinbarung mit einem Mobilfunkbetreiber (gemeint: über "national roaming") abgeschlossen.
Der Verwaltungsgerichtshof hegt keine Zweifel daran, dass ein nach § 49a Abs. 9 TKG in Verbindung mit entsprechenden Bestimmungen in den Konzessions- und Frequenzzuteilungsurkunden für UMTS/IMT-2000 zur Geltendmachung eines Anspruchs auf "national roaming" berechtigter Betreiber auch befugt ist, als MVNO die über "national roaming" zu realisierenden Mobilfunkdienste der zweiten Generation anzubieten, kann doch nur dadurch das Ziel der gesetzlichen Bestimmung erreicht werden, dem UMTS-Neueinsteiger bis zur Erreichung einer flächendeckenden UMTS-Versorgung auch das Angebot von GSM-Diensten unter Nutzung eines Hostbetreibers zu ermöglichen (in diesem Sinne auch Feiel/Felder, Mobile Virtual Network Operators, Medien und Recht 2002, 257f). Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob es zu einer Durchsetzung des Anspruchs auf "national roaming" im Rahmen eines Verfahrens vor der Regulierungsbehörde nach § 49a Abs. 9 letzter Satz TKG kommt, oder ob eine entsprechende privatrechtliche Vereinbarung über "national roaming" ohne Einschaltung der Regulierungsbehörde abgeschlossen wird.
Das Beschwerdevorbringen, das sich zu diesem Punkt im Wesentlichen dahin zusammenfassen lässt, dass der mitbeteiligten Partei die Stellung als "Betreiber" iSd § 41 TKG erst nach Betriebsaufnahme des UMTS-Netzes zukomme, vermag damit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem bereits zitierten Erkenntnis vom 18. März 2004 ausgeführt hat, nimmt allein der Umstand, dass die mitbeteiligte Partei zum Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde das Netz bzw. den Dienst noch nicht öffentlich angeboten hatte, ihr nicht die Berechtigung, in einer Zusammenschaltungsstreitigkeit gemäß § 41 Abs. 2 TKG die Regulierungsbehörde zur Entscheidung anzurufen.
4. Der angefochtene Bescheid erweist sich jedoch aus einem in der Beschwerde nicht geltend gemachten, aber im Rahmen des Beschwerdepunktes vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Grund als rechtswidrig:
Während auf Seite 51 des angefochtenen Bescheides ausgeführt wird, dass die mitbeteiligte Partei "auf privatrechtlicher Basis eine Vereinbarung mit einem Mobilfunkbetreiber (gemeint: über national roaming) abgeschlossen" habe, hatten die Vertreter der mitbeteiligten Partei in der mündlichen Verhandlung vom 10. Dezember 2001 ausgeführt, dass Verhandlungen (über "national roaming") mit zwei Betreibern geführt worden und die Verträge "grundsätzlich unterschriftsreif" seien. Der Vertragsabschluss löse allerdings eine unmittelbare Zahlungsverpflichtung aus, daher sei dieser noch nicht erfolgt. Auch in der Replik der mitbeteiligten Partei vom 10. Dezember 2001 wurde festgehalten, dass die mitbeteiligte Partei beabsichtige, eine Vereinbarung über national roaming abzuschließen. Schließlich ergibt sich aus der Niederschrift über eine von Organen der belangten Behörde am 23. Jänner 2002 vorgenommene Einschau, dass nach den Ausführungen der Vertreter der mitbeteiligten Partei lediglich Vertragsentwürfe vorlagen, hinsichtlich derer die potentiellen Vertragspartner einer Einsichtnahme nicht zugestimmt hatten. Nach dem diesbezüglich eindeutigen Akteninhalt ist daher davon auszugehen, dass zum Entscheidungszeitpunkt der belangten Behörde kein abgeschlossener Vertrag betreffend "national roaming" vorlag.
Erwirkte die mitbeteiligte Partei jedoch keine Entscheidung der Regulierungsbehörde und hatte sie auch keine privatrechtliche Vereinbarung über "national-roaming" mit einem Hostbetreiber abgeschlossen, so war sie nach der im Entscheidungszeitpunkt der belangten Behörde maßgeblichen Rechtslage nicht befugt, andere als in ihrer Konzessions- und Frequenzzuteilungsurkunde umschriebene Mobilfunkdienste anzubieten.
Das Vorliegen einer Entscheidung der Regulierungsbehörde über einen "national roaming"-Anspruch nach § 49a Abs. 9 TKG in Verbindung mit den Bestimmungen der UMTS/IMT-2000-Konzessions- und Frequenzzuteilungsurkunden wurde von der mitbeteiligten Partei nicht behauptet und auch im angefochtenen Bescheid nicht festgestellt. Die Frage, ob die mitbeteiligte Partei auf privatrechtlicher Basis eine Vereinbarung betreffend "national roaming" abgeschlossen hatte, war daher für die Beurteilung der Befugnis der mitbeteiligten Partei zur Erbringung der verfahrensgegenständlichen Mobilfunkdienste der zweiten Generation wesentlich, sodass die diesbezügliche Aktenwidrigkeit im angefochtenen Bescheid zu dessen Aufhebung führen muss.
5. Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a VwGG wegen Rechtwidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH- Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 27. Mai 2004
Schlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4 Gemeinschaftsrecht Richtlinie richtlinienkonforme Auslegung des innerstaatlichen Rechts EURallg4/3 Gemeinschaftsrecht Terminologie Definition von Begriffen EURallg8European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2002030056.X00Im RIS seit
24.06.2004