TE Vwgh Erkenntnis 2004/6/3 2002/09/0112

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Veröffentlicht am 03.06.2004
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
67 Versorgungsrecht;

Norm

AVG §56;
AVG §66 Abs4;
HVG §1 Abs1;
HVG §1 Abs2 Z12 idF 2001/I/070;
HVG §1 Abs2 Z6;
HVG §99 Abs8 idF 2001/I/070;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde des N in G (CH), vertreten durch Dr. Manfred Monitzer, Dr. Christian Lechleitner, Rechtsanwälte in Kirchberg/Tirol, Lendstraße 16, gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Bundesministerium für Soziale Sicherheit und Generationen vom 4. April 2002, Zl. OB. 114-485535-001, betreffend Beschädigtenrente nach dem Heeresversorgungsgesetz (HVG), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer leistete in der Zeit vom 2. April 1990 bis 30. November 1990 den ordentlichen Präsenzdienst beim Österreichischen Bundesheer. Sein Garnisonsort war die H-Kaserne in L.

In der Zeit vom 4. November 1990 bis 5. November 1990,

6.30 Uhr hatte er Dienstfreistellung gemäß § 49 WG; der Ort des bewilligten Aufenthaltes war sein Elternhaus in J. Dort hielt er sich bis etwa 20.00 Uhr auf und fuhr dann mit seinem PKW in das Cafe N ("T L") in A bei K, um sich mit seinem - ebenfalls in L stationierten Kameraden H und T zur gemeinsamen Rückfahrt zu treffen. H fuhr als Beifahrer im PKW des Beschwerdeführers mit; T war mit dem eigenen PKW gefahren.

Auf dem Rückweg in die Kaserne erlitt der Beschwerdeführer, der sich in Begleitung des H befand, am 5. November 1990 gegen 0 Uhr 20 auf der Bundesstraße B, auf Höhe des Strkm 20,8, Fraktion Jochberg-Hütte, bei einem Verkehrsunfall Verletzungen u.a. im Oberkieferbereich.

Den vom Beschwerdeführer am 5. Februar 1999 gestellten Antrag auf Gewährung einer Beschädigtenrente nach § 4 Abs. 1 HVG lehnte das Bundessozialamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland mit Bescheid vom 2. März 1999 ab. Die dagegen gerichtete Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid der Schiedskommission beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom 14. August 1999 abgewiesen.

Auf Grund der gegen diese Berufungsentscheidung erhobenen Beschwerde hob der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 19. September 2001, Zl. 99/09/0232-7, auf welches im Übrigen zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Tragender Aufhebungsgrund war, die Behörde habe es unterlassen festzustellen, in welcher räumlichen Relation der Unfallort zu den für die Qualifikation der Fahrtstrecke als "unmittelbarer Weg" im Sinne des § 1 Abs. 2 Z. 6 HVG erforderlichen Determinanten - Lage des Cafes in A bei K, Abzweigung des Zufahrtsweges zum Elternhaus des Beschwerdeführers ("Bweg") und Lage der Kaserne - gelegen gewesen sei. Insbesondere hätte die belangte Behörde, um eine Beurteilung im Sinne des § 1 Abs. 2 HVG zu ermöglichen, exakt festzustellen gehabt, ob die "geschützte Wegstrecke" zwischen der Einmündung des Zufahrtsweges zum Elternhaus des Beschwerdeführers ("Bweg") in die Bundesstraße und der Kaserne L schon erreicht war oder nicht.

Im fortgesetzten Verfahren holte die belangte Behörde eine Skizze über die maßgebliche Örtlichkeit ein und räumte dem Beschwerdeführer die Möglichkeit ein, hierzu Stellung zu nehmen.

In seiner Stellungnahme vom 22. Februar 2002 bestätigte der Beschwerdeführer die Richtigkeit der Wiedergabe der Örtlichkeit, machte jedoch geltend, er habe nicht in den "Bweg", sondern zwecks Abkürzung des Weges zu seinem Elternhaus in den "Schweg" einbiegen wollen, welcher "jedenfalls vor dem Straßenkilometer 20.80" gelegen sei, so dass sich der Unfall auf einer "geschützten Wegstrecke" ereignet habe. Im Übrigen verwies er darauf, dass er mit seinen Kameraden eine Fahrgemeinschaft gebildet habe und die zur Abholung bzw. Bringung derselben erforderlichen Fahrten jedenfalls geschützt seien.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers neuerlich gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 82 Abs. 1 HVG ab. Sie begründete ihren Bescheid dahingehend, dass - wie aus der beigeschafften Skizze hervorgehe - der vom Beschwerdeführer erwähnte "Schweg" keinesfalls eine direkte Verbindung zwischen der Bundsstraße und dem "Bweg" (Anm.: der einzigen direkten Zufahrtsstraße zum Elternhaus des Beschwerdeführers) darstelle, sondern in diese (gemeint: Bundesstraße) wieder einmünde. Lediglich ein Güterweg zweige davon ab und führe Richtung "Aweg", welcher in den "Sweg", dieser sodann erst in den "Bweg" einmünde. Von einer mit Vernunft begabten Person wäre unter den damals herrschenden Straßen- und Verkehrsbedingungen (starker Schneefall) dieser Weg keinesfalls gewählt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Es wurde bereits in dem den Beschwerdeführer betreffenden Vorerkenntnis vom 19. September 2001, Zl. 99/09/0232-7, darauf hingewiesen, dass die Anerkennung einer Gesundheitsschädigung als Dienstbeschädigung bei einem "Wegunfall" voraussetzt, dass die Gesundheitsschädigung auf dem direkten Weg zwischen dem Ort der militärischen Dienstleistung und der Wohnung oder auf dem Rückweg erlitten wurde, und unter dem "direkten Weg" im Sinne des § 1 Abs. 2 Z. 6 HVG jener Weg zu verstehen ist, den eine mit Vernunft begabte Person unter Bedachtnahme auf die herrschenden Straßen- und Verkehrsbedingungen wählen würde, um ehebaldigst das Ziel zu erreichen (vgl. die im bereits erwähnten Vorerkenntnis zitierte Judikatur). Auf Grund der vorliegenden Planskizze steht - wie dies die belangte Behörde auch dargelegt hat - fest, dass der Unfallort aus Richtung K (A) kommend noch vor der Abzweigung des "Bweges" von der Bundesstraße liegt. Fest steht ebenfalls, dass der "Schweg" bogenförmig vor der Unfallstelle von der Bundesstraße abzweigt und nach der Unfallstelle wieder in diese einmündet. Abgesehen davon, dass eine direkte Verbindung dieser Straße zum "Bweg" nicht besteht, erscheint die Beurteilung der belangten Behörde, eine mit Vernunft begabte Person hätte unter Berücksichtigung der zum Unfallzeitpunkt herrschenden Witterung diesen Weg nicht gewählt, als nachvollziehbar und schlüssig. Für die Frage, ob sich der Unfall noch im Bereich einer "geschützten Wegstrecke" ereignet hat oder nicht, ist daher nur von Belang, woher der (auf dem Rückweg in die Kaserne befindliche) Beschwerdeführer kam und nicht, wohin er - wäre der Unfall nicht geschehen - gefahren wäre. Insofern der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang wiederum die unterlassene Einvernahme des T rügt, ist ihm zu entgegnen, dass er - abgesehen davon, dass es im Hinblick auf die Lage des Unfallortes auf die Witterungsverhältnisse sowie den Zustand des Zufahrtsweges zum Elternhaus gar nicht mehr ankommt - die Einvernahme dieses Zeugen unter Bekanntgabe einer ladungsfähigen Anschrift im Verwaltungsverfahren niemals beantragt hat. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausführt, ist die Verfahrensrüge einer Partei, die im Verwaltungsverfahren untätig geblieben ist, um erst in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ihre Zurückhaltung abzulegen und das Verwaltungsverfahren als mangelhaft zu bekämpfen, an dem sie trotz gebotener Gelegenheit nicht genügend mitgewirkt hat, abzulehnen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1959, Zl. 2496/56, VwSlg 5007 A/1959, und das hg. Erkenntnis vom 24. Januar 2001, Zl. 99/04/0229, als Beispiel für viele).

Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit macht der Beschwerdeführer weiters geltend, er habe sich in Fahrgemeinschaft mit seinen Kameraden T und H befunden und der gemeinsame Treffpunkt sei das Cafe N in A bei K gewesen. Nach der zu § 90 Abs. 2 Z. 8 B-KUVG bzw. § 175 Abs. 2 Z. 9 ASVG ergangenen oberstgerichtlichen Rechtsprechung seien auch die Wege der Abholung und Bringung von Mitgliedern einer Fahrgemeinschaft "geschützt". Dies habe auch auf den vorliegenden Fall analog Anwendung zu finden.

Gemäß § 1 Abs. 2 Z. 12 des Heeresversorgungsgesetzes, BGBl. Nr. 27/1964, in der Fassung der nach deren § 99 Abs. 8 zu diesem Punkt mit 1. Januar 2001 in Kraft getretenen Novelle durch das Versorgungsrechts-Änderungsgesetz BGBl. I Nr. 70/2001, ist eine auf einem Weg gemäß Z 1 bis 11, 13 bis 15 sowie § 1 Abs. 2a und 2b im Rahmen einer Fahrgemeinschaft erlittene Gesundheitsschädigung ebenfalls als Dienstbeschädigung zu entschädigen.

Die belangte Behörde hatte im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides somit diese Bestimmung des HVG in der Fassung der angeführten Novelle anzuwenden.

Davon zu unterscheiden ist jedoch die Frage, inwieweit der sich aus der Neufassung des § 1 HVG ergebende (neue) Anspruchstatbestand dem bereits vor Inkrafttreten der neuen Rechtlage verletzten Beschwerdeführer zugute kommen kann.

Die HVG-Novelle BGBl. I Nr. 70/2001 enthält - anders als etwa die HVG-Novellen BGBl. Nr. 95/1975 und BGBl. Nr. 687/1991 - keine Übergangsregelung hinsichtlich der Anwendbarkeit auf schädigende Ereignisse, die sich vor dem jeweiligen Inkrafttreten der geänderten Fassung des Gesetzes ereignet haben.

Weiters ist zu beachten, dass ein Anspruch, der die im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses erforderlichen Tatbestandsmerkmale nicht erfüllt, auch nicht entsteht.

Wie bereits oben dargelegt, wurde § 1 Abs. 2 Z. 12 HVG rückwirkend in Kraft gesetzt. Aus dieser rückwirkenden Inkraftsetzung kann in Bezug auf diese Bestimmung der Schluss gezogen werden, dass der Gesetzgeber diese Vorschrift auf alle Sachverhalte angewendet wissen wollte, die sich ab dem 1. Januar 2001 ereignet haben. Ein anderer Sinn einer derartigen rückwirkenden Inkraftsetzung ist nicht zu erkennen.

Hingegen ist einer ähnlichen, mit 1. Juli 1988 erfolgten rückwirkenden Inkraftsetzung von durch das Versorgungsrechts-Änderungsgesetz 1989, BGBl. 648/1989, neu geschaffenen Anspruchsgrundlagen des HVG nach den diesbezüglichen Erläuterungen zur Regierungsvorlage 1103 Blg. NR 17. GP, S. 11, eine derartige Bedeutung zugekommen.

Es ist aus den dargelegten Gründen im vorliegenden Fall somit davon auszugehen, dass der Geltungsbereich des neuen § 1 Abs. 2 Z. 12 HVG sich nicht auf Sachverhalte erstreckt, die sich vor dem Tag seines Inkrafttretens (zur Gänze oder teilweise) ereignet haben.

Damit kommt aber auch die vom Beschwerdeführer angestrebte Analogie zu den Bestimmungen des § 175 Abs. 2 Z. 9 ASVG bzw. des § 90 Abs. 2 Z. 8 B-KUVG mangels Vorliegens einer erkennbar planwidrigen Gesetzeslücke nicht in Betracht.

Aus diesen Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 3. Juni 2004

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2002090112.X00

Im RIS seit

07.07.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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