RS OGH 1995/8/29 1Ob39/95, 1Ob190/97s

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 29.08.1995
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Norm

AHG §1 Cc
AHG §2 Abs3
EWGV Art164
EGV Maastricht Art164
EWGV Art177 Abs1
EGV Maastricht Art177 Abs1
MRK allg
MRK Art5 Abs1 lita III4a
MRK Art5 Abs5 V1
MRK Art6 V2
MRK Art53

Rechtssatz

Der Oberste Gerichtshof legt dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:

A. "Sind alle oder zumindest die materiellrechtlichen Bestimmungen der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (MRK) - darunter die im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof bedeutsamen Bestimmungen der Art.5, 6 und 53 MRK - Bestandteil des Gemeinschaftsrechts (Art.164 EWGV), sodaß der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art.177 Abs.1 EWGV über deren Auslegung im Wege der Vorabentscheidung entscheidet?"

B. Für den Fall der Bejahung der unter A. vorgelegten Frage: "1. Sind die nationalen Gerichte an Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), mit denen Verletzungen der MRK festgestellt wurden, zumindest soweit gebunden, als sie nicht die Auffassung vertreten dürfen, das von der Feststellung getroffene Verhalten staatlicher Organe sei konventionsgemäß gewesen?

2. Sind auf Art.5 Abs.5 MRK gestützte Schadenersatzansprüche ausgeschlossen, wenn der Schaden aus einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs abgeleitet wird?

3. Ist die Inhaftierung im Sinne des Art.5 Abs.1 lit.a MRK ex tunc konventionswidrig, wenn der EGMR festgestellt hat, das Gericht habe im Strafverfahren in Art.6 MRK verankerte Verfahrensgarantien verletzt?

4. Ist der beklagte Rechtsträger im Amtshaftungsverfahren mit dem Einwand zu hören, die Strafe wäre nicht anders ausgemessen worden, wenn der vom EGMR festgestellte Verstoß gegen Art.6 MRK nicht unterlaufen wäre, obwohl das österreichische Strafverfahrensrecht - bis jetzt - für solche Fälle kein Wiederaufnahme- oder sonstiges Erneuerungsverfahren vorsieht, auf dessen Weg der Verfahrensfehler behoben werden könnte?

5. Trifft die Beweislast für den Kausalzusammenhang zwischen der Verletzung des Art.6 MRK und dem Freiheitsentzug den Kläger bzw. die Beweislast für dessen Mangel den beklagten Rechtsträger?"

Entscheidungstexte

  • 1 Ob 39/95
    Entscheidungstext OGH 29.08.1995 1 Ob 39/95
  • 1 Ob 190/97s
    Entscheidungstext OGH 25.11.1997 1 Ob 190/97s
    Beisatz: Der EuGH entschied mit Urteil vom 29.05.1997, C?299/95 wie folgt:
    Der Gerichtshof kann im Vorabentscheidungsverfahren dem vorlegenden Gericht nicht die Auslegungshinweise geben, die es benötigt, um die Vereinbarkeit einer nationalen Regelung mit den Grundrechten beurteilen zu können, deren Wahrung der Gerichtshof sichert und die sich insbesondere aus der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten ergeben, wenn diese Regelung einen Fall betrifft, der nicht in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fällt.
    So betreffen Bestimmungen des nationalen Rechts, die nicht dazu bestimmt sind, die Beachtung gemeinschaftsrechtlicher Normen sicherzustellen, keinen Fall, der in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fällt, selbst wenn eine nach diesen nationalen Vorschriften verhängte Freiheitsstrafe geeignet ist, die Ausübung des Rechts des Betroffenen auf Freizügigkeit zu behindern, da die rein hypothetische Aussicht auf die Ausübung dieses Rechts keinen Bezug zum Gemeinschaftsrecht herstellt, der eng genug wäre, um die Anwendung der Gemeinschaftsbestimmungen zu rechtfertigen. (T1)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1995:RS0082948

Im RIS seit

15.06.1997

Zuletzt aktualisiert am

19.03.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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