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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AlVG 1977 §10;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der V in W, vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in 1100 Wien, Favoritenstraße 108/3, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 13. Februar 2001, Zl. LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/2000-4660, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.002,89 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte mit dem am 7. August 2000 ausgegebenen, bundeseinheitlich aufgelegten Formular die Gewährung von Arbeitslosengeld. Die in dem Formular gestellte Frage, ob sich die Antragstellerin in Ausbildung befinde, bejahte die Beschwerdeführerin und fügte ergänzend hinzu, ein Kolleg für Sozialpädagogik zu besuchen. Im Formular des Arbeitsmarktservice "Besuch einer Ausbildung" führte die Beschwerdeführerin zu Punkt 1. "Art der Ausbildung" an, das Kolleg seit September 1999 zu absolvieren und kreuzte bei der unter Punkt 2. - Dienstverhältnis - gestellten Frage, ob sie das letzte Dienstverhältnis zwecks Fortsetzung der genannten Ausbildung selbst freiwillig gelöst habe, die Antwort "ja" an. Nach der Arbeitsbestätigung der R. GmbH wurde das Dienstverhältnis zur Beschwerdeführerin per 31. Juli 2000 einvernehmlich aufgelöst.
Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 16. August 2000 wurde dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung von Arbeitslosengeld gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 iVm § 12 AlVG mangels Arbeitslosigkeit keine Folge gegeben. In der Begründung wurde nach Gesetzeszitaten ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin seit 1999 das Kolleg für Sozialpädagogik besuche und ihr letztes Dienstverhältnis zwecks Fortsetzung ihrer Ausbildung aufgelöst habe.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung und führte aus, von Dezember 1997 bis April 2000 im Reisebüro der Ö. GmbH beschäftigt gewesen zu sein. Ende April sei es dann zu einer Übernahme des Reisebüros durch die R. GmbH gekommen. In der Folge sei die Beschwerdeführerin von Mai bis Juli 2000 bei der R. GmbH angestellt gewesen. Seit September 1999 habe die Beschwerdeführerin neben ihrer Beschäftigung an einer berufsbegleitenden Ausbildung zur Sozialpädagogin teilgenommen. Der Besuch des Kollegs habe sich nie auf die Arbeit der Beschwerdeführerin ausgewirkt und sei nie ein Grund gewesen, ihr Dienstverhältnis aufzulösen.
In der von der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice aufgenommenen Niederschrift vom 18. September 2000 führte die Beschwerdeführerin aus, bei der Angabe, sie hätte das Dienstverhältnis auf Grund der Ausbildung beendet, habe es sich um einen Irrtum gehandelt. Der von ihr besuchte und selbst finanzierte Lehrgang sei speziell für Berufstätige konzipiert. Der Unterricht finde jeweils ganztägig am Dienstag statt. Sie wolle die Schule jedenfalls fortführen und stünde dem Arbeitsmarkt für eine den Dienstag aussparende Ganztagesbeschäftigung zur Verfügung.
Mit Fax vom 12. Oktober 2000 gab die Beschwerdeführerin im "Anhang zur Berufung" bekannt, dass die Fusion zwischen dem Reisebüro der Ö. GmbH und der R. GmbH zur einvernehmlichen Auflösung ihres Dienstverhältnisses geführt habe. Ihre Arbeitsleistung bei der Ö. GmbH sei, wie auch im Dienstzeugnis vermerkt worden sei, in keiner Weise durch die berufsbegleitende Ausbildung beeinträchtigt worden. Diese Angaben könnten, so führte die Beschwerdeführerin aus, durch Einvernahme des ehemaligen Leiters des Reisebüros der Ö. GmbH überprüft werden. Gleichzeitig übermittelte die Beschwerdeführerin das Dienstzeugnis der Ö. GmbH sowie Semesterzeugnisse des Kollegs. Im Dienstzeugnis des Reisebüros des Ö. GmbH ist unter anderem ausgeführt, "auf Grund einer sehr engen Kooperation mit R. Reisen wird der Ö.- Firmendienst mit dem R.-Firmendienst ab 1.5.2000 zusammengelegt, was zur Folge hat, dass das Arbeitsverhältnis mit (der Beschwerdeführerin) mit beiderseitigem Einverständnis aufgelöst wurde".
Mit Schreiben vom 30. Oktober 2000 führte die Beschwerdeführerin zu ihrer Berufung ergänzend aus, aus der Arbeitsbestätigung der R. GmbH gehe hervor, dass die Fusion zwischen der Ö. GmbH und der R. GmbH die einvernehmliche Lösung ihres Dienstverhältnisses zur Folge gehabt habe. Gleichzeitig legte sie eine Arbeitsbestätigung der R. GmbH vor, worin unter anderem ausgeführt ist, "auf Grund des Zusammenschlusses von R. Reisen mit Ö.-Firmendienst wurde das Arbeitsverhältnis mit (der Beschwerdeführerin) in beiderseitigem Einverständnis aufgelöst".
Die belangte Behörde hielt mit Aktenvermerk vom 20. Oktober 2000 fest, dass der Prokurist der R. GmbH, nach Gründen der Beendigung des Dienstverhältnisses der Beschwerdeführerin befragt, angebe, dass diese den Wunsch nach Fortsetzung des Studiums und damit Beendigung des Dienstverhältnisses zu diesem Zweck an die Geschäftsleitung herangetragen habe, welche den Weg der einvernehmlichen Lösung des Dienstverhältnisses zur Realisierung einer wunschgemäßen Beendigung des Dienstverhältnisses gewählt habe".
In einem weiteren Aktenvermerk vom 18. Dezember 2000 hielt die belangte Behörde fest, dass laut der Leiterin der Abteilung für Personalwesen der R. GmbH "jeder Dienstvertrag mit einer Probezeit von fix einem Monat, verlängert um zwei weitere Monate bis zum Übergang in ein unbefristetes Dienstverhältnis, abgeschlossen" werde.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Begründend wurde ausgeführt, die berufungsbehördlichen Ermittlungen hätten ergeben, dass die Beschwerdeführerin von 1. Dezember 1997 bis 30. April 2000 bei der Ö. GmbH und von 1. Mai 2000 bis zum 31. Juli 2000 bei der Übernahmefirma R. GmbH als vollbeschäftigte Dienstnehmerin angestellt gewesen sei. Von 2. bis 30. November 2000 sei sie in einem geringfügigen Dienstverhältnis bei der Firma E. gestanden. Nach Beendigung des Dienstverhältnisses bei der Ö. GmbH infolge Fusionierung am 30. April 2000 sei die Beschwerdeführerin vom Nachfolgebetrieb R. GmbH eingestellt worden. Nach dem Wortlaut eines Schreibens der R. GmbH vom 17. April 2000 sei die Anstellung mit einem Probemonat und einem befristeten Dienstverhältnis binnen weiterer zwei Monate, nach denen eine Übernahme in ein unbefristetes Dienstverhältnis möglich gewesen wäre, erfolgt. Nach Angaben der Leitung der Abteilung für Personalwesen sei die Befristung des Dienstverhältnisses für die Dauer von zwei Monaten bis zum Abschluss eines unbefristeten Dienstvertrages Bestandteil jedes Dienstvertrages mit der R. GmbH und als verlängerte Probezeit zu verstehen, nach welcher bei Bewährung des Mitarbeiters grundsätzlich ein unbefristeter Dienstvertrag folge. Die Leitung der Verwaltung der R. GmbH habe angegeben, die Beschwerdeführerin sei sowohl im Vorgängerunternehmen als auch im Nachfolgeunternehmen "stets zur vollsten Zufriedenheit des Dienstgebers tätig" gewesen. Dies sei auch durch ein Dienstzeugnis und eine Arbeitsbestätigung belegt worden. Nach Auskünften der R. GmbH sei die Beschwerdeführerin mit dem Wunsch nach Auflösung des Dienstverhältnisses an die R. GmbH herangetreten, um ihre Ausbildung unbeeinträchtigt fortsetzen zu können. In der Folge sei die Beschwerdeführerin mit der R. GmbH übereingekommen, das Dienstverhältnis einvernehmlich zu beenden. Aus der Arbeitsbestätigung der R. GmbH gehe hervor, dass das Dienstverhältnis mit Ende der Beschäftigung und des Entgeltsanspruches, vor Überführung des befristeten Dienstverhältnisses in ein unbefristetes, einvernehmlich aufgelöst worden sei. Auf Befragen der belangten Behörde habe die R. GmbH ihr Bedauern über das Ausscheiden der Beschwerdeführerin aus dem Betrieb ausgesprochen. Nach Aussagen der R. GmbH könne die Beschwerdeführerin auf Grund ihrer hervorragenden Arbeit jederzeit wieder bei ihr arbeiten.
Am 1. August 2000 habe die Beschwerdeführerin beim Arbeitsmarktservice einen Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld gestellt und in diesem Zusammenhang auch ein Formular betreffend "Besuch einer Ausbildung - § 12 Abs. 4 AlVG" ausgefüllt. Die auf dem einseitigen Formular gestellte Frage, ob sie ihr letztes Dienstverhältnis selbst zwecks Fortsetzung der unter Punkt 1. genannten Ausbildung freiwillig gelöst habe, habe die Beschwerdeführerin bejaht, wobei die Frage mit Ankreuzen von "ja" oder "nein" zu beantworten gewesen sei. Unter Punkt 1. habe die Beschwerdeführerin das Kolleg "Fachrichtung Sozialpädagogik für Berufstätige" mit den Zeiten Dienstag, Samstag und Sonntag, jeweils von 8.15 Uhr bis 17.30 Uhr angegeben. Da ein Irrtum der Beschwerdeführerin im Hinblick auf die übersichtliche Gestaltung des Formblattes und die eindeutige Beantwortung "der Frage nach dem Lösungsgrund für das Dienstverhältnis" mit der R. GmbH ausgeschlossen werden könne, sei § 12 Abs. 4 Z. 3 AlVG erfüllt und die zur Beanspruchung von Arbeitslosengeld erforderliche Arbeitslosigkeit nicht gegeben. Zudem habe die R. GmbH angegeben, die Beschwerdeführerin hätte den Wunsch nach Auflösung des Dienstverhältnisses zwecks Fortsetzung der Weiterbildung und Ausbildung geäußert. Der am 30. Oktober 2000 nachgereichten Arbeitsbestätigung der R. GmbH, wonach das Dienstverhältnis mit der Beschwerdeführerin auf Grund des Zusammenschlusses des Reisebüros der Ö. GmbH mit der R. GmbH beendet worden sei, komme auf Grund der guten Zeugnisse und der anders lautenden mündlichen Ausführungen von Seiten (von Organen) der R. GmbH und auf Grund der Tatsache, dass die Beschwerdeführerin nach der Fusion per 1. Mai 2000 noch weitere drei Monate bei der R. GmbH beschäftigt gewesen sei, kein ausreichender Beweischarakter für die Behauptung, die Fusion sei der Grund für die Lösung des Dienstverhältnisses gewesen, zu.
Sodann führte die belangte Behörde wörtlich aus:
"Da jedoch der Bezug des Arbeitslosengeldes im Sinne o.a. gesetzlicher Bestimmungen die Möglichkeit der Aufnahme einer Vollbeschäftigung im Rahmen unselbständiger Erwerbstätigkeit erfordert, ist Ihnen in Hinblick auf o.a. Gründe - infolge Ausübung Ihres Kollegstudiums, welches der Grund für die Beendigung des berufungsgegenständlichen Dienstverhältnisses ist und war, Ihrerseits weder eine hinreichende Verfügbarkeit mangels Möglichkeit der Ausübung einer ganztägigen unselbständigen Erwerbstätigkeit neben dem Kollegstudium noch eine Arbeitslosigkeit begründende Beendigung des Dienstverhältnisses gegeben."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahren vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 7 Abs. 1 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer
1.
der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht,
2.
die Anwartschaft erfüllt und
3.
die Bezugsdauer noch nicht erschöpft hat.
Nach Abs. 2 leg. cit. steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf (Abs. 3) und arbeitsfähig (§ 8), arbeitswillig (§ 9) und arbeitslos (§ 12) ist.
Nach Abs. 3 Z. 1 leg. cit. kann und darf eine Beschäftigung aufnehmen, wer sich zur Aufnahme und Ausübung einer auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotenen, den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Vorschriften entsprechenden zumutbaren versicherungspflichtigen Beschäftigung bereithält.
Die belangte Behörde führt in ihrem Bescheid aus, die Beschwerdeführerin stünde dem Arbeitsmarkt durch den Besuch des Kollegs an einem Tag in der Woche nicht hinreichend zur Verfügung.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in den Erkenntnissen vom 22. Dezember 1998, Zl. 97/08/0106, vom 16. Februar 1999, Zl. 97/08/0584, sowie vom 1. Juni 1999, Zl. 97/08/0443, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, näher dargestellt und begründet hat, erfordert die Verfügbarkeit des Arbeitslosen im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 1 AlVG nicht dessen Vermittelbarkeit für eine "Vollbeschäftigung". Die Bereitschaft des Arbeitslosen, nicht nur eine die Arbeitslosigkeit ausschließende Beschäftigung, sondern im Falle einer entsprechenden Vermittlung auch eine "Vollbeschäftigung" anzunehmen, ist erst im Zusammenhang mit der Voraussetzung der Arbeitswilligkeit im Sinne des § 9 AlVG im Falle einer konkreten Zuweisung, nicht aber schon bei der Prüfung der Verfügbarkeit im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 1 AlVG zu beurteilen. Der Mangel der Verfügbarkeit knüpft an Umstände an, bei deren Vorliegen die unwiderlegliche Vermutung des Gesetzes gerechtfertigt ist, dass die betreffende Person während dieser Zeit nicht an einer neuen Beschäftigung im Sinne des § 12 Abs. 1 AlVG, sondern an anderen Zielen interessiert ist.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund erweist sich der angefochtene Bescheid insoweit als rechtswidrig, weil die belangte Behörde davon ausgeht, dass die Beschwerdeführerin für eine Vollbeschäftigung zur Verfügung stehen müsse, um verfügbar im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 1 AlVG zu sein. Dies führte aber dann nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, wenn die belangte Behörde zu Recht angenommen hätte, dass die Beschwerdeführerin im Grunde des § 12 Abs. 4 Z. 3 iVm § 12 Abs. 3 lit. f AlVG nicht arbeitslos gewesen ist.
Gemäß § 12 Abs. 1 AlVG ist arbeitslos, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat.
Gemäß § 12 Abs. 3 lit. f AlVG gilt insbesondere nicht als arbeitslos im Sinne der Abs. 1 und 2 leg. cit., wer in einer Schule oder einem geregelten Lehrgang - so als ordentlicher Hörer einer Hochschule, als Schüler einer Fachschule oder mittleren Lehranstalt - ausgebildet wird oder, ohne dass ein Dienstverhältnis vorliegt, sich einer praktischen Ausbildung unterzieht.
Gemäß § 12 Abs. 4 AlVG gilt abweichend von Abs. 3 lit. f leg. cit. als arbeitslos, wer
1. während eines Zeitraumes von zwölf Monaten vor der Geltendmachung mindestens 39 Wochen, davon 26 Wochen durchgehend, oder mindestens die Hälfte der Ausbildungszeit, wenn diese kürzer als zwölf Monate ist, arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war,
2. zugleich dem Studium oder der praktischen Ausbildung nachgegangen ist und
3. die letzte Beschäftigung vor Eintritt der Arbeitslosigkeit nicht selbst zwecks Fortsetzung des Studiums oder der praktischen Ausbildung freiwillig gelöst hat.
Für die in § 12 Abs. 3 lit. f AlVG genannte Personengruppe gebührt somit grundsätzlich kein Arbeitslosengeld, es sei denn, es besteht eine Ausnahme gemäß § 12 Abs. 4 AlVG. Der Grund für diese Regelung ist darin zu erblicken, dass der Gesetzgeber - ungeachtet subjektiver Umstände und Erklärungen des Arbeitslosen, insbesondere seiner Arbeitswilligkeit - von der Vermutung der Unvereinbarkeit der Ausbildung mit einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung und damit auch von der Vermutung des Fehlens der Verfügbarkeit für eine Vermittlung durch das Arbeitsamt bzw. des Fehlens der Möglichkeit eines Bemühens um eine neue zumutbare Beschäftigung ausgeht. Dadurch soll verhindert werden, dass das Arbeitslosengeld - systemwidrig - zur Finanzierung einer solchen Ausbildung herangezogen wird, statt dazu zu dienen, nach Maßgabe der Bestimmungen des AlVG den Entgeltausfall nach Verlust der arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung bis zur Wiedererlangung einer neuen abzugelten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. März 1999, Zl. 97/08/0011). Die rechtliche Konsequenz der Zuordnung einer Schulungsmaßnahme zu § 12 Abs. 3 lit. f AlVG (ohne Zulassung einer Ausnahme nach § 12 Abs. 4 leg. cit.) besteht darin, dass der Betreffende nicht als arbeitslos im Sinne der Absätze 1 und 2 leg. cit. gilt und daher - ungeachtet des Vorliegens der übrigen nach § 7 leg. cit. erforderlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung von Arbeitslosengeld, unter anderem auch der Arbeitswilligkeit im Sinne der §§ 9 bis 11 leg. cit. - keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat. Das bedeutet, dass von Gesetzes wegen unwiderleglich vermutet wird, dass der Betreffende so lange einer Vermittlung durch das Arbeitsamt nicht zur Verfügung steht, als er in der Schule oder dem geregelten Lehrgang ausgebildet wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. Juni 1993, Zl. 92/08/0129).
Die Beschwerdeführerin war von 1. Dezember 1997 bis 30. April 2000 bei der Ö. GmbH und nach deren Übernahme von 1. Mai bis 31. Juli 2000 bei der R. GmbH tätig und besuchte neben ihrer Beschäftigung das Kolleg "Sozialpädagogik für Berufstätige".
Obwohl die Beschwerdeführerin ihre Ausbildung stets mit dem Zusatz "für Berufstätige" versehen hat, ging die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung ohne Prüfung davon aus, die Beschwerdeführerin werde in einer Schule bzw. einem geregelten Lehrgang im Sinne des § 12 Abs. 3 lit. f AlVG ausgebildet und gelte daher nicht als arbeitslos. Sie hat sich jedoch in keiner Weise damit auseinander gesetzt, weshalb die Ausbildung der Beschwerdeführerin unter den Tatbestand des § 12 Abs. 3 lit. f AlVG zu subsumieren sei.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 2001, Zl. 98/08/0065) muss es sich bei einem "geregelten Lehrgang" iSd § 12 Abs. 3 lit. f AlVG um eine schulähnliche (in Schulform organisierte) Ausbildung mit einem bestimmten (ein bestimmtes Ausbildungsziel einschließenden) Lehrplan einer gewissen Breite der vermittelten Ausbildung, also einem mehrere Gegenstände (Fächer) umfassenden Lehrplan, handeln, um die unwiderlegliche Vermutung des Gesetzgebers zu rechtfertigen, dass derjenige, der an einer solchen Lehrveranstaltung teilnimmt, während dieser Zeit nicht an einer neuen Beschäftigung, sondern an der Erreichung eines Ausbildungszieles interessiert ist. Ergeben diese Ausbildungsvorschriften, dass der Lehrgang auf Berufstätige zugeschnitten ist, wie z.B. die Aufbaulehrgänge an Höheren Technischen Lehranstalten für Berufstätige, so sind solche Lehrgänge nicht unter § 12 Abs. 3 lit. f AlVG zu subsumieren (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 22. Oktober 1996, Zl. 96/08/0125, und vom 17. Dezember 1996, Zl. 96/08/0133). Bei Beantwortung der Frage, ob ein solcher Lehrgang für Berufstätige vorliegt, ist die zeitliche Inanspruchnahme durch den Lehrgang ebenso zu berücksichtigen wie der Umstand, ob diesem nach seiner Ausgestaltung eher Fortbildungscharakter zukommt und sich dieser gerade an in Beschäftigung stehende Personen wendet, sodass eine Teilnahme - soweit sie nicht durch den Dienstgeber gefördert wird -
allenfalls auch unter Berücksichtigung des im Allgemeinen pro Jahr zur Verfügung stehenden Urlaubs ohne Unterbrechung des Dienstverhältnisses möglich ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die betreffende Person - würde sie vom Arbeitsmarktservice an eine neue Stelle vermittelt - in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit des Beschäftigungsverhältnisses bereits einen Rechtsanspruch auf einen ausreichenden Erholungsurlaub erwerben würde, um den Kurs besuchen zu können. Zu beurteilen ist vielmehr ausschließlich, ob die zeitliche Inanspruchnahme durch einen solchen Lehrgang die Vermutung sachlich rechtfertigt, dass ein Teilnehmer an einem solchen Lehrgang dadurch dem Arbeitsmarkt überhaupt nicht zur Verfügung steht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 2001, Zl. 98/08/0065).
Die Beschwerdeführerin hat weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde bestritten, dass es sich bei dem von ihr besuchten Kolleg für Sozialpädagogik um einen geregelten Lehrgang - und nicht etwa bloß um einen Kurs - handle. Die von ihr mit ihrem Schreiben "Antrag zur Berufung" vorgelegten Semesterzeugnisse, die eine Vielfalt von "Pflichtgegenständen" ersichtlich machen, sprechen für das Vorliegen eines geregelten Lehrganges im Sinne des § 12 Abs. 3 lit. f AlVG.
Gegen die Annahme der belangten Behörde, § 12 Abs. 4 Z. 3 AlVG sei anzuwenden, führt die Beschwerdeführerin aus, die durch die Übernahme aufgetretenen Veränderungen im Arbeitsablauf hätten ihren Wunsch nach Beendung des Dienstverhältnisses bewirkt. Zu einer Änderung der Arbeitszeiten sei es jedoch nicht gekommen, sodass die Beschwerdeführerin das Kolleg auch nach der Übernahme problemlos habe besuchen können. Eine Erklärung, weshalb sie die Beschäftigung beendet habe, habe sie gegenüber der von der belangten Behörde befragten Person nie abgegeben. Die von ihr selbst in einem ihre Berufung ergänzenden Schreiben namhaft gemachte und einzige Person, mit der sie über die beabsichtigte Auflösung des Dienstverhältnisses gesprochen habe, sei von der belangten Behörde nicht kontaktiert worden. Die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung widerspreche der Lebenserfahrung. Die Beschwerdeführerin führt weiters aus, dass es gar keiner Auflösungsvereinbarung bedurft hätte, wenn das Arbeitsverhältnis ohnehin mit 31. Juli 2000 geendet hätte.
Ob bei Annahme eines Lehrganges gemäß § 12 Abs. 3 lit. f AlVG die Beschwerdeführerin ihre Beschäftigung tatsächlich zwecks Fortsetzung ihrer Ausbildung freiwillig aufgelöst hat und bejahendenfalls nicht mehr von der Ausnahmeregelung des § 12 Abs. 4 Z. 3 AlVG erfasst wäre, ist eine auf der Ebene der Sachverhaltsermittlung und Beweiswürdigung zu beantwortende Tatfrage.
Die belangte Behörde ist zwar gehalten, in der Begründung ihres Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen (§ 60 AVG), sie ist aber nicht verpflichtet, allen sonst noch denkbaren, schlüssig begründbaren Sachverhaltsvarianten im Einzelnen nachzugehen, wenn sie sich nur mit allen Umständen schlüssig und nachvollziehbar auseinander gesetzt hat, die für und wider die von ihr tatsächlich getroffenen Sachverhaltsfeststellungen sprechen.
Wegen der durch § 41 Abs. 1 VwGG eingeschränkten Prüfungsbefugnis darf der Gerichtshof die Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht in dem Sinn einer Kontrolle unterziehen, dass er sie an der Beweiswürdigung misst, die er selbst vorgenommen hätte, wäre er an Stelle der belangten Behörde gewesen. Er darf vielmehr die Beweiswürdigung nur auf ihre Schlüssigkeit, gemessen an Denkgesetzen und an menschlichem Erfahrungsgut, überprüfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 1994, Zl. 92/16/0090).
Die belangte Behörde geht auf Grund des Formblattes "Besuch einer Ausbildung" mit der dort von der Beschwerdeführerin im August 2000 (!) mit "ja" angekreuzten Frage und des Aktenvermerks vom 20. Oktober 2000 über die telefonische Befragung des Prokuristen der R. GmbH, Herrn H., davon aus, die Beschwerdeführerin habe ihr Dienstverhältnis zwecks Weiterführung ihrer Ausbildung aufgelöst. Sowohl in ihrer Berufung als auch im Fax vom 12. Oktober 2000 und in einem Schreiben vom
30. Oktober 2000 zu ihrer Berufung führte die Beschwerdeführerin aus, ihrer Ausbildung auch in der Vergangenheit problemlos neben ihrer Beschäftigung nachgegangen zu sein. Die erfolgte Fusion und nicht ihre Ausbildung sei der Grund für die Auflösung ihres Dienstverhältnisses gewesen. Weiters findet sich in dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Dienstzeugnis der Ö.
GmbH folgender Absatz:
"Auf Grund einer sehr engen Kooperation mit R. Reisen wird der Ö. - Firmendienst mit dem R. - Firmendienst ab 1. Mai 2000 zusammengelegt, was zur Folge hat, dass das Arbeitsverhältnis mit (der Beschwerdeführerin) mit beiderseitigem Einverständnis aufgelöst wurde."
Auch in der Arbeitsbestätigung der R. GmbH ist unter anderem Folgendes zu lesen:
"Aufgrund des Zusammenschlusses von R. Reisen mit dem Ö. - Firmendienst wurde das Arbeitsverhältnis mit (der Beschwerdeführerin) im beiderseitigem Einverständnis aufgelöst."
Die Beweiswürdigung der belangten Behörde hält einer Schlüssigkeitsprüfung nicht stand. Die belangte Behörde hat sich vornehmlich darauf gestützt, dass die Beschwerdeführerin die zweite Frage im Formular "Besuch einer Ausbildung" jeweils bejaht hat. Das Formular lautet diesbezüglich:
"...
2. Dienstverhältnis
Ich habe die unter Punkt 1 angeführte Ausbildung bereits während meines letzten Dienstverhältnisses besucht:
? Ja ? Nein
Ich habe mein letztes Dienstverhältnis selbst zwecks
Fortsetzung der unter Punkt 1 genannten Ausbildung freiwillig gelöst.
? Ja ? Nein
..."
Wenn die Beschwerdeführerin bei der zweiten Frage jeweils "ja" angekreuzt hat, so kommt dieser Aussage nicht jenes Gewicht zu, das die belangte Behörde ihr beimisst, da bereits durch den Text vorgegeben wird, dass die Lösung des Dienstverhältnisses "zwecks Fortsetzung der unter Punkt 1 genannten Ausbildung" vorgenommen worden ist und dazu keine alternative Begründung angeboten wird. Auf Grund der Textierung der Frage ist es der Beschwerdeführerin nicht möglich gewesen, zwar einerseits anzugeben, dass sie das Dienstverhältnis freiwillig gelöst, aber tatsächlich ein anderes als das vorgegebene Motiv ("zwecks Fortsetzung der unter Punkt 1 genannten Ausbildung") gehabt hat. Dazu kommt, dass die belangte Behörde nicht begründet hat, weshalb sie einerseits den mehrmaligen Aussagen der Beschwerdeführerin und den von beiden GmbHs abgegeben schriftlichen Erklärungen bezüglich des Auflösungsgrundes keinerlei Bedeutung beimisst, während sie der telefonischen Befragung des Herrn H., von dem die Beschwerdeführerin behauptet, niemals mit ihr über die Beendigung ihres Dienstverhältnisses gesprochen zu haben, entscheidendes Gewicht zukommen lässt. Andererseits übergeht die belangte Behörde den Widerspruch in der telefonischen Befragung des Herrn H. zu den schriftlichen Erklärungen beider GmbHs über den Grund der einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses der Beschwerdeführerin. Zur Klärung dieses Widerspruches hätte sie sich nicht mit einer telefonischen Befragung des Herrn H. zufrieden geben dürfen, sondern ihn förmlich als Zeugen einzuvernehmen gehabt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 1985, Zl. 85/04/0100).
Der angefochtene Bescheid leidet somit auf Grund der unschlüssigen Beweiswürdigung an Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des Antrages auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Die Umrechnung der zu ersetzenden Stempelgebühren erfolgte gemäß § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz BGBl. I Nr. 72/2000.
Wien, am 16. Juni 2004
Schlagworte
Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel AllgemeinBeschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH AllgemeinSachverhalt BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001080049.X00Im RIS seit
20.07.2004Zuletzt aktualisiert am
09.10.2014