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E000 EU- Recht allgemein;Norm
11994N/PRO/09 EU-Beitrittsvertrag Prot9 Art1 litc;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des J M in W, vertreten durch Dr. Longin Josef Kempf und Dr. Josef Maier, Rechtsanwälte in 4722 Peuerbach, Steegenstraße 3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 10. September 2001, Zl. uvs- 2001/12/057-3, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes 1995, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird hinsichtlich des Schuldspruches als unbegründet abgewiesen. Im Übrigen, also hinsichtlich des Ausspruches über die verhängte Strafe und die diesbezüglichen Kosten des Berufungsverfahrens, wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 10. Mai 2001 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als Lenker des auf eine näher bezeichnete Firma zugelassenen Sattelkraftfahrzeuges, bestehend aus nach den Kennzeichen bestimmtem Sattelzugfahrzeug und Sattelanhänger, am 5. Dezember 2000 von Italien kommend eine ökopunktepflichtige Transitfahrt durch das Gebiet der Republik Österreich nach Deutschland durchgeführt und dabei weder ein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular noch eine österreichische Bestätigung der Entrichtung von Ökopunkten für die betreffende Fahrt mitgeführt, wie anlässlich einer Kontrolle durch Bedienstete des Landesgendarmeriekommandos für Tirol, Verkehrsabteilung, Außenstelle Schönberg, am 5. Dezember 2000 um 19.44 Uhr auf der A 13 an der Hauptmautstelle Schönberg i.St. bei km 10.8 im Gemeindegebiet von Schönberg i.St. festgestellt worden sei. Durch das elektronische Abbuchungsgerät Ecotag sei keine Abbuchung von Ökopunkten erfolgt, weil der im LKW angebrachte Umweltdatenträger für die Durchreise durch Österreich unberechtigterweise auf ökopunktebefreite Fahrt gestellt gewesen sei.
Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 23 Abs. 1 Z. 8 Güterbeförderungsgesetz, BGBl. Nr. 593/1995 idF der Novelle BGBl. I Nr. 17/1998 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 lit. a sowie Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/1994 vom 21.12.1994 idF der Verordnungen (EG) Nr. 1524/1996 vom 30.07.1996, Nr. 609/2000 vom 21.03.2000 und Nr. 2012/2000 vom 21.09.2000 begangen. Gemäß § 23 Abs. 1 Z. 8 iVm § 23 Abs. 2 Güterbeförderungsgesetz idF der Novelle BGBl. I Nr. 17/1998 unter Anwendung des § 20 VStG werde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 10.000,-- (EUR 726,23) verhängt.
Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen.
Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, aus dem im Ermittlungsverfahren vorgelegten Frachtbrief habe sich ergeben, dass der Beschwerdeführer eine Transitfahrt von Italien nach Deutschland durchgeführt habe. Dabei sei der im Fahrzeug angebrachte Umweltdatenträger Ecotag, der eine automatische Abbuchung von Ökopunkten ermögliche, für die Durchreise durch Österreich unberechtigt auf ökopunktebefreite Fahrt (keine Ökopunkteabbuchung) gestellt gewesen, wodurch keine Ökopunkte abgebucht worden seien. Ein Ausdruck des Kontrollzertifikates, der diesen Vorgang bestätige, würde der Anzeige beiliegen. Den diensthabenden Beamten gegenüber habe der Beschwerdeführer angegeben, er sei über den Grenzübergang Arnoldstein nach Italien ausgereist, wahrscheinlich habe das Ecotag-Gerät dabei nicht automatisch umgestellt. Bei der Einreise am Brenner habe er am Gerät nichts umgestellt. In seiner Rechtfertigung habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er am Freitag, den 1. Dezember 2000, in Neustadt/Donau (BRD) ausgeladen habe und er sei dann leer nach Österreich gefahren, wobei er den Ecotag auf "grün" gestellt habe. Die Beladung sei noch am selben Tag in Vöcklamarkt bei der Firma H. für Italien erfolgt. Diese Ladung sei am 4. Dezember 2000 in "Mezzano Italien" abgeladen worden. Die Beladung sei am 5. Dezember 2000 in Colle Val'd Elsa Italien für "W. G.B." (Großbritannien) erfolgt. Bei der Ausfahrt von "Österreich Arnoldstein" sei der Beschwerdeführer auf der Autobahn über die Grenze nach Italien gefahren und sei der Meinung gewesen, dass der Ecotag sich automatisch wieder auf rotes Blinken umstellen würde. Er habe aber im Nachhinein feststellen müssen, dass dieser sich ausschließlich auf der Ökospur umstellen würde. Bei der Einreise am Brenner habe er den Ecotag nicht beachtet, weil er angenommen habe, er wäre nicht umgestellt. Dem Einwand des Beschwerdeführers, es sei ein Rechtsirrtum vorgelegen - der Beschwerdeführer hatte vorgebracht, es sei für ihn nicht ersichtlich gewesen, dass er in Arnoldstein die Ökospur benützen müsse - entgegnete die belangten Behörde, es wäre dem Beschwerdeführer als Lenker eines Lastkraftwagens, mit dem er ökopunktepflichtige Fahrten durchführe, oblegen, dass er sich auf geeignete Weise mit den einschlägigen Bestimmungen, die nicht auf einer nur in Österreich geltenden Rechtsvorschrift, die außerhalb Österreichs gänzlich unbekannt wäre, sondern auf dem Gemeinschaftsrecht beruhen würden, vertraut zu machen. Ferner wäre es auch Aufgabe des Beschwerdeführers gewesen, sich über die Funktion des Ecotags zu informieren.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 23 Abs. 1 Z. 8 Güterbeförderungsgesetz 1995, BGBl. Nr. 593 in der Fassung BGBl. I Nr. 17/1998, begeht eine Verwaltungsübertretung, wer unmittelbar anwendbare Vorschriften der Europäischen Union über den Güterverkehr auf der Straße verletzt, sofern dies nicht nach anderen Vorschriften zu bestrafen ist.
Gemäß Art. 1 des dem EU-Beitrittsakt beigefügten Protokolles Nr. 9 über den Straßen- und Schienenverkehr sowie den kombinierten Verkehr in Österreich (BGBl. Nr. 45/1995) gilt als Transitverkehr durch Österreich jeder Verkehr durch österreichisches Hoheitsgebiet, bei dem der Ausgangs- und Zielpunkt außerhalb Österreichs liegen (lit. c), als Straßengütertransitverkehr durch Österreich jeder Transitverkehr, der mit Lastkraftwagen durchgeführt wird, unbeschadet ob diese Lastkraftwagen beladen oder unbeladen sind (lit. e).
Gemäß Art. 1 Abs. 1 und Abs. 1a) der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 der Kommission, der (am 11. April 2000 in Kraft getretenen) Verordnung (EG) Nr. 609/2000 und der (am 26. September 2000 in Kraft getretenen) Verordnung (EG) Nr. 2012/2000 der Kommission hat der Fahrer eines Lastkraftwagens im Hoheitsgebiet Österreichs
"die nachstehend aufgeführten Unterlagen mitzuführen und diese auf Verlangen den Aufsichtsbehörden zur Prüfung vorzulegen, entweder:
a) ein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular oder eine österreichische Bestätigung der Entrichtung von Ökopunkten für die betreffende Fahrt; ein Muster dieser als 'Ökokarte' bezeichneten Bestätigung ist in Anhang A enthalten; oder
b) ein im Kraftfahrzeug eingebautes elektronisches Gerät, das eine automatische Entwertung der Ökopunkte ermöglicht und als 'Umweltdatenträger' ('ecotag') bezeichnet wird; oder
c) die in Artikel 13 aufgeführten geeigneten Unterlagen zum Nachweis darüber, dass es sich um eine Fahrt gemäß Anhang C handelt, für die keine Ökopunkte benötigt werden; oder
d) geeignete Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass es sich nicht um eine Transitfahrt handelt und, wenn das Fahrzeug mit einem Umweltdatenträger ausgestattet ist, dass dieser für diesen Zweck eingestellt ist. ...
(1a) Transitfahrten unter den in Anhang C genannten Bedingungen oder im Rahmen von im österreichischen Hoheitsgebiet gültigen CEMT-Genehmigungen sind von der Ökopunkteregelung ausgenommen."
Nach Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 sind Zuwiderhandlungen eines Lastkraftwagenfahrers (oder eines Unternehmens) gegen das genannte Protokoll Nr. 9 oder die genannte Verordnung nach den jeweiligen einzelstaatlichen Vorschriften zu ahnden.
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass im vorliegenden Fall eine ökopunktepflichtige Transitfahrt vorgelegen ist, er wendet jedoch im Wesentlichen ein, dass die belangte Behörde Beweis darüber aufnehmen hätte müssen, dass sich beim Grenzübergang Arnoldstein für das automatische Umschalten des Ecotag Gerätes auf "rot" bei der Ausreise eine eigene Ökopunktespur befindet, die dazu befahren werden müsse, was aber weder entsprechend verlautbart noch kundgemacht worden sei, und auf dem Grenzübergang dazu kein entsprechender Hinweis gewesen sei. Er sei daher in einem Rechtsirrtum verfangen gewesen. Dieses Vorbringen ist jedoch nicht zielführend.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2003, Zl. 2001/03/0194) ist der Lenker eines Lastkraftwagens bei der Einreise in das Hoheitsgebiet Österreichs im Fall der beabsichtigten Benutzung des Umweltdatenträgers nämlich verpflichtet, sich so zu verhalten, dass eine automatische Abbuchung auch tatsächlich vorgenommen werden kann. Dazu zählt insbesondere auch, dass der Beschwerdeführer eine für die Benutzung des Umweltdatenträgers vorgesehene Fahrspur benützt. Andernfalls würde dem Ziel der in Rede stehenden Regelung, die Entrichtung der Ökopunkte sicherzustellen, nicht entsprochen werden. Ein Lenker, der - wie der Beschwerdeführer - die für eine automatische Abbuchung der Ökopunkte nicht vorgesehene Spur benützt, ist zur Verwendung einer Ökokarte verpflichtet. Dass er eine solche (ordnungsgemäß) verwendet hätte, wird vom Beschwerdeführer aber nicht vorgebracht. Aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. April 2003, Zl. 2003/03/0037) geht ferner hervor, dass beim Grenzübergang Arnoldstein eine gekennzeichnete Ökospur besteht, die in einem Fall wie dem vorliegenden zu benützen ist. In diesem Erkenntnis begegnete der Verwaltungsgerichtshof dem Einwand eines Inhabers eines Güterbeförderungsunternehmens, die Ökospur sei schlecht beschildert, dass jedenfalls eine Informationspflicht hinsichtlich der Benützung von Ökospuren bestehe.
Auf Grund der dargestellten Rechtslage besteht somit - bezogen auf den vorliegenden Fall - die Verpflichtung des Lenkers, sich bei Benützung österreichischer Grenzübergänge umfassend darüber zu informieren, wie diese Grenzübergänge zu benützen sind, um die Entrichtung der Ökopunkte zu gewährleisten. Dies gilt auch für den Grenzübergang Arnoldstein. Dass der Beschwerdeführer dieser Verpflichtung nachgekommen wäre, hat er jedoch nicht dargetan. Sein Vorbringen im Verwaltungsstrafverfahren, er sei "der Meinung" gewesen, dass sich der Ecotag "automatisch" wieder umstelle, war ebenso nicht geeignet, den behaupteten Rechtsirrtum aufzuzeigen wie sein Hinweis auf andere Grenzübergänge, an denen keine eigene Ökospur eingerichtet sei.
Wenn der Beschwerdeführer ferner die Beweiswürdigung der belangten Behörde bekämpft, ist ihm die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten, nach der die verwaltungsgerichtliche Kontrolle eines angefochtenen Bescheides die Aufgabe beinhaltet, zu überprüfen, ob die bei der Beweiswürdigung angestellten Überlegungen der belangten Behörde schlüssig sind, das heißt ob sie den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen. Ob der Akt der Beweiswürdigung richtig in dem Sinn ist, dass zB eine den Beschwerdeführer belastende Darstellung und nicht dessen Vorbringen den Tatsachen entspricht, kann der Verwaltungsgerichthof in einem Verfahren über eine Bescheidbeschwerde nicht überprüfen (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053). Dass der belangten Behörde - die den Beschwerdeführer nicht einvernehmen konnte, weil er trotz ausgewiesener Ladung nicht zur mündlichen Berufungsverhandlung erschienen ist - diesbezüglich ein Fehler unterlaufen sei, ist nicht ersichtlich.
Die Beschwerde erweist sich daher, was den Schuldspruch anlangt, als unbegründet.
In seinem Erkenntnis vom 14. Dezember 2001, G 181/01, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Wortfolge "und Z 7 bis 9" im zweiten Satz des § 23 Abs. 2 des Güterbeförderungsgesetzes 1995, BGBl. Nr. 593, i.d.F. BGBl. I Nr. 17/1998, verfassungswidrig war. Im genannten Erkenntnis, kundgemacht im Bundesgesetzblatt am 8. Februar 2002 unter BGBl. I Nr. 37, hat der Verfassungsgerichtshof ferner - gestützt auf Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG - Folgendes ausgesprochen:
"(2) Die verfassungswidrige Bestimmung ist insofern nicht mehr anzuwenden, als sie sich auf die Z 8 bezieht."
Da der zuletzt genannte Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes die Anwendung der als verfassungswidrig festgestellten gesetzlichen Bestimmung auch im vorliegenden Beschwerdefall ausschließt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 17. Dezember 1979, Slg. Nr. 9994/A), erweist sich der Ausspruch über die im Beschwerdefall gemäß § 23 Abs. 2 zweiter Satz des Güterbeförderungsgesetzes 1995 verhängte Mindeststrafe von S 20.000,--, hier unter Anwendung des § 20 VStG in der Höhe von S 10.000,-- (EUR 726,23), als inhaltlich rechtswidrig.
Von daher war der angefochtene Bescheid in dem im Spruch genannten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 17. Juni 2004
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete Gemeinschaftsrecht Verordnung Strafverfahren EURallg5/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2002030098.X00Im RIS seit
09.07.2004