TE Vwgh Erkenntnis 2004/6/22 2003/06/0154

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Veröffentlicht am 22.06.2004
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Index

L82000 Bauordnung;
L82007 Bauordnung Tirol;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §48 Z3;
BauO Tir 2001 §1 Abs3 litp;
BauO Tir 2001 §2 Abs1;
BauO Tir 2001 §2 Abs2;
BauO Tir 2001 §20 Abs1 lita;
BauO Tir 2001 §20 Abs1 lite;
BauO Tir 2001 §55 Abs1 lita;
BauRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2003/06/0155

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerden des J B in S, vertreten durch Dr. Günter Harasser und Dr. Simon Brüggl, Rechtsanwälte in 6370 Kitzbühel, Rathausplatz 2/II, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol je vom 18. August 2003,

1.

Zl. uvs-2002/11/087-5, (Beschwerde Zl. 2003/06/0154), und

2.

Zl. uvs-2002/11/088-5, (Beschwerde Zl. 2003/06/0155), betreffend jeweils Übertretungen der Tiroler Bauordnung (weitere Partei der verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 21 VwGG:

Tiroler Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

1. Der erstangefochtene Bescheid wird, insoweit er die Betonfundamentplatte zwecks Errichtung eines Unterstandes betrifft, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, im Übrigen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

2. Der zweitangefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

3. Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 2.176,-- jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeverfahren betreffen bauliche Maßnahmen auf einem Areal, welches der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren als "Familienpark" bezeichnet hat (dabei handle es sich, wie er vorbrachte, um "einen großen Kinderspielplatz" - zu einem weiteren Beschwerdeverfahren in diesem Zusammenhang siehe den hg. Beschluss vom 17. Dezember 2003, Zl. A 2004/002 (Zl. 2003/06/0160)).

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde S vom 17. April 2002 wurde ein Gesuch des Beschwerdeführers vom 6. März 2002 um Erteilung der baubehördlichen Bewilligung zum Neubau eines Kiosks, zum Neubau eines Unterstandes, zur Errichtung einer Motorschaukel "Komet" und zur Errichtung einer "8er-Trampolinanlage" auf dem fraglichen Areal gemäß § 26 Abs. 3 der Tiroler Bauordnung 2001 (TBO 2001) wegen Widerspruches zum Flächenwidmungsplan abgewiesen (Anmerkung: festzuhalten ist, dass der Kiosk und der Unterstand im Bescheid nicht näher beschrieben werden und dem Bescheid auch keine Pläne beiliegen).

Zum Beschwerdeverfahren Zl. 2003/06/0154:

Die Verwaltungsstrafakten erster Instanz beginnen mit dem bei der erstinstanzlichen Behörde (Bezirkshauptmannschaft K - kurz: BH) am 5. April 2002 eingelangten Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde S (in der Folge kurz: Gemeinde) vom 3. April 2002, mit welchem dem Beschwerdeführer gemäß § 33 Abs. 3 TBO 2001 aufgetragen wurde, ohne Baubewilligung durchgeführte Arbeiten einzustellen, und deren weitere Ausführung untersagt wurde (wobei einer allfälligen Berufung gegen diesen Bescheid gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde), und zwar

A) eine Betonfundamentplatte im Ausmaß von 6,0 m x 5,0 m x 0,20 m, an der Südwestseite der Grundparzelle 52,

B) Fundamente auf einer Fläche von 11,0 m x 12,0 m, an der Nordwestseite desselben Grundstückes,

C) Einzelfundamente auf einer Fläche von 9,0 m x 4,0 m, an der Südwestseite dieses Grundstückes.

In der Begründung des Bescheides heißt es, der Beschwerdeführer habe am 2. April 2002 zwischen 16.08 Uhr und

16.40 Uhr, im südwestlichen und nordwestlichen Teil des Grundstückes Betonierungsarbeiten getätigt. Im Rahmen einer baubehördlichen Überprüfung vor Ort am 3. April 2002 um 8.55 Uhr sei festgestellt worden, dass die im Spruch genannte Betonfundamentplatte bzw. die genannten Einzel- und Punktfundamente errichtet worden seien. Es werde ausdrücklich festgestellt, dass es sich hiebei um bewilligungspflichtige Vorhaben im Sinne der TBO 2001 handle, eine Bewilligungspflicht bestehe, jedoch die erforderliche Bewilligung nicht vorliege. Deshalb sei gemäß § 33 Abs. 3 TBO 2001 dem Bauherrn die weitere Ausführung des Bauvorhabens zu untersagen gewesen (es folgt eine Begründung zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gemäß § 64 Abs. 2 AVG).

Angeschlossen ist ein Lageplan, in welchem die Situierung der Fundamentplatte bzw. der Einzel- und Punktfundamente (sowie die Lage des Kiosks) eingezeichnet ist.

Mit Erledigung der BH vom 12. April 2002 wurde der Beschwerdeführer zur Rechtfertigung aufgefordert; es wurde ihm zur Last gelegt, er habe am 2. April 2002

1. eine Betonfundamentplatte im Ausmaß von 6,0 m x 5,0 m x 0,2 m, an der Südwestseite des genannten Grundstückes, zur Errichtung eines Unterstandes,

2. Punktfundamente auf einer Fläche von 11,0 x 12,0 m, an der Nordwestseite des Grundstückes, zur Errichtung einer Trampolinanlage, und

3. Einzelfundamente auf einer Fläche von 9,0 m x 4,0 m, an der Südwestseite des Grundstückes, zur Errichtung einer Schaukel

errichtet.

Er habe dadurch bewilligungspflichtige Bauvorhaben ohne entsprechende Baubewilligung ausgeführt.

In einer Stellungnahme vom 29. April 2002 bestritt der Beschwerdeführer den Tatvorwurf. Er habe die ihm zum Vorwurf gemachten Verwaltungsübertretungen nicht zu verantworten. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb sich der Vorwurf gegen ihn richte. Die Errichtung von Fundamenten sei nicht bewilligungspflichtig. Weshalb dies ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben gewesen wäre, sei nicht nachvollziehbar. Auch werde ausdrücklich bestritten, dass die Fundamente am 2. April 2002 errichtet worden wären. Es folgen Beweisanbote.

Mit dem erstinstanzlichen Straferkenntnis vom 27. Mai 2002 wurden dem Beschwerdeführer die in der Aufforderung zur Rechtfertigung vorgeworfenen Taten zur Last gelegt; er habe dadurch bewilligungspflichtige Bauvorhaben ohne entsprechende Baubewilligung ausgeführt und dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt: § 20 Abs. 1 lit. a iVm § 55 Abs. 1 lit. a TBO 2001. Hiefür wurde er mit jeweils EUR 700,-- (im Falle der Uneinbringlichkeit jeweils 7 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) bestraft und zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verpflichtet.

Begründend heißt es zusammenfassend, auf Grund "der Anzeige" der Gemeinde St. Jakob in Haus vom 3. April 2002 (gemeint ist offenbar der Baueinstellungsbescheid) und des durchgeführten Ermittlungsverfahrens stehe für die Behörde fest, dass der Beschwerdeführer die im Spruch angeführten Verwaltungsübertretungen begangen habe. Er habe zumindest am 2. April 2002 bewilligungspflichtige Bauvorhaben ohne entsprechende Baubewilligung ausgeführt. Die vom Beschwerdeführer namhaft gemachten Zeugen K und R hätten bei ihrer Einvernahme angegeben, dass sie auf dem Areal des Familienparks Betonmischwägen beobachtet hätten, sie aber nicht sagen könnten, welche Arbeiten dabei durchgeführt worden seien. Auch bezüglich des Zeitpunktes hätten sie keine genauen Angaben machen können. Da die Anzeige vom Bürgermeister selbst erfolgt sei, erscheine dessen Einvernahme als Zeuge zum Beweis dafür, dass der Beschwerdeführer nicht verantwortlich sei, es sich bei der Fundamenterrichtung um keine bewilligungspflichtige Bauvorhaben handle und die Fundamente nicht am 2. April 2002 errichtet worden seien, als entbehrlich, weil gerade diese Angaben in der Anzeige enthalten seien.

Nach Rechtsausführungen heißt es weiter, gemäß § 2 Abs. 2 TBO 2001 seien bauliche Anlagen mit dem Erdboden verbundene Anlagen, zu deren fachgerechten Herstellung bautechnische Kenntnisse erforderlich seien. Diese Voraussetzungen träfen für die Errichtung einer Schaukel, eines Unterstandes und einer Trampolinanlage jedenfalls zu. Dies sei auch ausdrücklich im Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde vom 3. April 2002 festgestellt worden. Die Behörde habe keine Veranlassung, die Angaben der Anzeige anzuzweifeln.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 17. Juni 2002 Berufung. Er brachte vor, hinsichtlich der fraglichen Fundamente sei eine Genehmigung oder Anzeige nach der TBO 2001 nicht erforderlich. Da somit die TBO 2001 nicht zur Anwendung gelange, sei das Straferkenntnis schon aus diesem Grunde rechtswidrig. Ausdrücklich bestritten werde, dass er am 2. April 2002 die in Rede stehenden Fundamente errichtet hätte. Er betreibe den Familienpark P. Dabei handle es sich um einen großen Kinderspielplatz. Er habe mehrere Baumaßnahmen gesetzt, die aber insgesamt als Einheit anzusehen seien. Es sei unzulässig, für jede Baumaßnahme eine einzelne Strafe zu verhängen. Das Verfahren sei auch mangelhaft geblieben, weil er die Einvernahme mehrerer Zeugen beantragt habe. Die Behörde habe es unterlassen, all diese Zeugen einzuvernehmen. Der Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde vom 3. April 2002 sei nicht rechtskräftig. Die Behörde ziehe eine "falsche Rechtsgrundlage" heran. Auch der Spruch des bekämpften Straferkenntnisses entspreche nicht den Anforderungen des § 44a VStG. Auch sei die Strafe zu hoch bemessen worden.

Die belangte Behörde führte hinsichtlich der nunmehr gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren (und des weiteren Verfahrens, welches Gegenstand der hg. zur Zl. 2003/06/0160 protokollierten Beschwerde ist) eine gemeinsame Berufungsverhandlung durch.

Mit dem erstangefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung hinsichtlich des Strafausmaßes Folge gegeben, die Geldstrafen auf jeweils EUR 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe jeweils fünf Tage) herabgesetzt, die Beitragspflichten zu den Verfahrenskosten erster Instanz neu bestimmt, und ausgesprochen, dass jeweils Übertretungen nach § 55 Abs. 1 lit. a iVm § 20 Abs. 1 lit. a TBO 2001 vorgeworfen werden.

Nach Wiedergabe des Verfahrensganges heißt es begründend, im erstinstanzlichen Akt befinde sich der Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde vom 3. April 2002, womit bezüglich der verfahrensgegenständlichen Errichtung der Fundamente die ohne Baubewilligung durchgeführten Bauarbeiten mit sofortiger Wirkung eingestellt und dem Beschwerdeführer die weitere Ausführung dieser Bauarbeiten untersagt worden sei. Bei der mündlichen Berufungsverhandlung am 1. August 2003 habe der als Zeuge einvernommene Bürgermeister angegeben, dass er persönlich die verfahrensgegenständlichen Betonierungsarbeiten am 2. April 2002 festgestellt habe. Aus den vom Bürgermeister zur Verhandlung mitgebrachten Bauakten ergebe sich weiters, dass der Beschwerdeführer am 6. März 2002 ein Baugesuch zur Errichtung einer Motorschaukel, eines Unterstandes und einer Trampolinanlage eingebracht habe. Am 8. März 2002 habe die Baubehörde das Amt der Tiroler Landesregierung um Rechtsauskunft ersucht. In der Antwort vom 2. April 2002 heiße es, dass es sich weder bei der Motorschaukel noch bei der Trampolinanlage um Spielgeräte handle und die Errichtung derartiger Anlagen auf einer Sonderfläche "Grünanlage mit Spielgeräten" unzulässig sei. Eindeutig im Widerspruch zum festgelegten Sonderflächenzweck sei die Errichtung des Kiosks und des Unterstandes, weil diese überhaupt nicht mit dem "Sonderflächenzweck" in Einklang gebracht werden könnten. Zusammenfassend werde festgestellt, dass die vom Beschwerdeführer beabsichtigte Errichtung dieser baulichen Anlagen wegen Widerspruches zum Flächenwidmungsplan unzulässig sei.

Diese Feststellungen stützten sich auf den erstinstanzlichen Akt, den entsprechenden Bauakt der Gemeinde und die zeugenschaftliche Aussage des Bürgermeisters anlässlich der Berufungsverhandlung. Der Aufnahme weiterer Beweise bedürfe es nicht, weil der Sachverhalt ausreichend abgeklärt sei.

Dass sich der Beschwerdeführer über die Bewilligungspflicht zur Errichtung eines Unterstandes, einer Trampolinanlage und der Schaukel im Klaren gewesen sei, ergebe sich schlüssig aus dem von ihm am 6. März 2002 eingebrachten Baugesuch. Die Tatzeit 2. April 2002 stehe auf Grund der zeugenschaftlichen Angaben des Bürgermeisters fest. Unstrittig und erwiesen sei, dass zu diesem Zeitpunkt eine entsprechende Bewilligung für die verfahrensgegenständlichen Baumaßnahmen nicht vorgelegen habe. Dem Berufungsvorbringen sei weiters entgegenzuhalten, dass gemäß § 22 VStG nach dem Kumulationsprinzip für jede Übertretung eine eigene Strafe zu verhängen sei. Die Bestrafung des Beschwerdeführers wegen der ihm vorgeworfenen Übertretungen sei somit dem Grunde nach zu Recht erfolgt (es folgen Ausführungen zur Strafzumessung).

Dagegen richtet sich die zur Zl. 2003/06/0154 protokollierte Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, aber auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet.

Zum Beschwerdeverfahren Zl. 2003/06/0155:

Die Verwaltungsstrafakten erster Instanz beginnen hier mit dem bei der BH am 27. März 2002 eingelangten Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde vom 22. März 2002, womit dem Beschwerdeführer gemäß § 33 Abs. 3 TBO 2001 aufgetragen wurde, die ohne Baubewilligung durchgeführten Bauarbeiten, nämlich die Errichtung einer Betonfundamentplatte an der Südseite des fraglichen Grundstückes, einzustellen, und deren weitere Ausführung untersagt wurde (einer allfälligen Berufung gegen den Bescheid wurde gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt).

Begründend heißt es, der Beschwerdeführer habe am 19. März 2002 zwischen 16.30 Uhr und 17.00 Uhr im südlichen Bereich des Grundstückes Betonierungsarbeiten getätigt. Im Rahmen einer baubehördlichen Überprüfung am 20. März 2002 sei festgestellt worden, dass eine Betonfundamentplatte im Ausmaß von 7,0 m x 7,0 m und einer Stärke von ca. 25 cm errichtet worden sei (die Stärke habe nicht exakt überprüft werden können, weil das Fundament noch eingeschalt gewesen sei). Es werde ausdrücklich festgestellt, dass es sich dabei um ein baubewilligungspflichtiges Vorhaben im Sinne der TBO 2001 handle, eine Bewilligungspflicht bestehe, jedoch die erforderliche Bewilligung nicht vorliege. Deshalb sei gemäß § 33 Abs. 3 TBO 2001 dem Bauherrn die weitere Ausführung des Bauvorhabens zu untersagen gewesen (es folgt eine Begründung zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gemäß § 64 Abs. 2 AVG).

In einem Aktenvermerk der erstinstanzlichen Behörde ist festgehalten, der Sachbearbeiter bei der Gemeinde teile telefonisch mit, dass es sich bei dem Fundament um ein Fundament zur Errichtung eines Kiosks handle.

Mit Erledigung der BH vom 12. April 2002 wurde der Beschwerdeführer zur Rechtfertigung aufgefordert. Es wurde ihm zur Last gelegt, er habe zumindest am 19. März 2002 an der Südseite des Grundstückes eine Beton-Fundamentplatte im Ausmaß von 7,0 m x 7,0 m und einer Stärke von ca. 25 cm zur Aufstellung eines Kioks errichtet. Er habe dadurch ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben ohne eine entsprechende Baubewilligung ausgeführt.

In einer Stellungnahme vom 29. April 2002 bestritt der Beschwerdeführer den Tatvorwurf. Er habe die ihm zum Vorwurf gemachte Verwaltungsübertretung nicht zu verantworten. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb ihm die Übertretung angelastet werde. Die Betonfundamentplatte sei nicht genehmigungspflichtig. Weshalb die TBO 2001 zur Anwendung gelangen sollte, sei unerfindlich (es folgen Beweisanbote).

Mit dem erstinstanzlichen Straferkenntnis vom 27. Mai 2002 wurde der Beschwerdeführer der Übertretung der der Aufforderung zur Rechtfertigung angelasteten Tat für schuldig erkannt. Er habe ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben ohne eine entsprechende Baubewilligung ausgeführt und dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt: § 20 Abs. 1 lit. a iVm § 55 Abs. 1 lit. a TBO 2001. Über ihn wurde eine Geldstrafe von EUR 800,-- auf Ersatzfreiheitsstrafe von acht Tagen verhängt, weiters wurde er zu einem Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens verpflichtet.

Begründend heißt es, auf Grund "der Anzeige" der Gemeinde vom 22. März 2002 (gemeint ist auch hier offenbar der Baueinstellungsbescheid) und des durchgeführten Ermittlungsverfahrens stehe für die Behörde fest, dass der Beschwerdeführer die im Spruch angeführte Verwaltungsübertretung begangen habe. Er habe zumindest am 19. März 2002 zur Aufstellung eines Kioks eine Beton-Fundamentplatte errichtet und dadurch ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben ohne entsprechende Baubewilligung ausgeführt. Mit Bescheid des Bürgermeisters vom 22. März 2002 sei eine Baueinstellung verfügt und dem Beschwerdeführer die weitere Ausführung der Bauarbeiten untersagt worden. Aus diesem Bescheid gehe hervor, dass er am 19. März 2002 zwischen 16.30 Uhr und 17.00 Uhr im südlichen Bereich des Grundstückes Betonierungsarbeiten getätigt habe.

Bei der Errichtung eines Kiosks handle es sich um ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben im Sinne des § 20 Abs. 1 lit. a TBO 2001. Nach weiteren Rechtsausführungen heißt es, die Behörde habe keine Veranlassung, die Angaben in der Anzeige anzuzweifeln. Sie erachte es daher auf Grund der Angaben und der Feststellungen des Meldungslegers als einwandfrei erwiesen, dass der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Übertretung begangen und sich nach der bezogenen Gesetzesstelle strafbar gemacht habe. Auch die Angaben der Zeugen K. und R., die bei ihren Einvernahmen angegeben hätten, dass sie Betonierungsarbeiten beobachtet hätten, jedoch nicht sagen könnten, welche Arbeiten durchgeführt worden seien, und wann die Betonierungsarbeiten getätigt worden seien, hätten den Beschwerdeführer nicht von der Strafe befreien können.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung (die sinngemäß jener im zuvor dargestellten Verwaltungsstrafverfahren entspricht).

Nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung (siehe oben) hat die belangte Behörde mit dem zweitangefochtenen Bescheid der Berufung hinsichtlich des Strafausmaßes Folge gegeben, die Geldstrafe auf EUR 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 5 Tage) herabgesetzt, die Beitragspflicht zu den Verfahrenskosten erster Instanz neu bestimmt, und ausgesprochen, dass eine Übertretung nach § 55 Abs. 1 lit. a iVm § 20 Abs. 1 lit. a TBO 2001 vorgeworfen werde.

Begründend heißt es nach zusammengefasster Darstellung des Verfahrensganges im Wesentlichen, aus dem erstinstanzlichen Akt ergebe sich, dass "vom nunmehrigen Berufungswerber" am 19. März 2002 zwischen 16.30 Uhr und 17.00 Uhr die entsprechenden Betonierungsarbeiten durchgeführt worden seien. Im Rahmen einer baubehördlichen Überprüfung am 20. März 2002 sei festgestellt worden, dass eine Beton-Fundamentplatte im Ausmaß von 7,0 m x 7,0 m und einer Stärke von ca. 25 cm errichtet worden sei. Nach Hinweis auf das Baugesuch des Beschwerdeführers vom 6. März 2002, die Anfrage der Baubehörde vom 8. März 2002 und die Auskunft des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 2. April 2002 (siehe oben) heißt es weiter, der bei der mündlichen Berufungsverhandlung einvernommene Bürgermeister habe unter Verweis auf den Bauakt den gegenständlichen Sachverhalt bestätigt. Aus dem erstinstanzlichen Akt gehe weiters hervor, dass mit Bescheid vom 22. März 2002 die Baueinstellung mit sofortiger Wirkung verfügt und die weitere Ausführung von Bauarbeiten an der "mit 19.03.2002" errichteten Betonfundamentplatte untersagt worden sei. Diese Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus dem erstinstanzlichen Akt, dem Bauakt der Gemeinde und den Ausführungen des einvernommenen Zeugen.

Der Aufnahme weiterer Beweise bedürfe es nach Auffassung der belangten Behörde nicht, weil der entscheidungswesentliche Sachverhalt ausreichend abgeklärt sei. Dass der Beschwerdeführer sich darüber im Klaren gewesen sei, dass für die Errichtung des Kiosks eine Baubewilligung nötig sei, ergebe sich schlüssig aus seinem am 6. März 2002 eingebrachten Baugesuch. Dass zum "Tatbestand" (richtig - Tatzeitpunkt) die erforderliche Baubewilligung nicht vorgelegen sei, sei unstrittig und aktenmäßig belegt. Die Tatzeit 19. März 2002 ergebe sich aus der am 20. März 2002 vorgenommenen baubehördlichen Überprüfung. Die Bestrafung des Beschwerdeführers sei somit dem Grunde nach zu Recht erfolgt, zumal gemäß § 22 VStG nach dem Kumulationsprinzip für jede Übertretung eine eigene Strafe zu verhängen sei (es folgen Ausführungen zur Strafbemessung).

Dagegen richtet sich die zur Zl. 2003/06/0155 protokollierte Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, aber auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, beide Beschwerdeverfahren wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden, und hat erwogen:

In den Beschwerdefällen ist die Tiroler Bauordnung 2001 (TBO 2001), LGBl. Nr. 94 (Wiederverlautbarung), anzuwenden.

Gemäß § 1 Abs. 3 lit. p TBO 2001 gilt dieses Gesetz nicht für "Badestege, Spielplätze, Spielplatzeinrichtungen und dergleichen".

Nach § 1 Abs. 4 leg. cit. gilt dieses Gesetz weiters nicht für bauliche Anlagen mit Ausnahmen von Gebäuden, die nach anderen Vorschriften einer Bewilligung bedürfen, bei deren Erteilung auf die nach diesem Gesetz zu wahrenden Interessen Bedacht zu nehmen ist.

§ 2 TBO 2001 enthält Begriffsbestimmungen.

Nach Abs. 1 dieses Paragraphen sind "bauliche Anlagen" mit dem Erdboden verbundene Anlagen, zu deren fachgerechten Herstellung bautechnische Kenntnisse erforderlich sind.

Nach Abs. 2 dieses Paragraphen sind Gebäude überdeckte, allseits oder überwiegend umschlossene bauliche Anlagen, die von Menschen betreten werden können und die dazu bestimmt sind, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen.

Gemäß § 20 Abs. 1 TBO 2001 bedarf einer Bewilligung, soweit sich aus den Abs. 2 und 3 dieses Paragraphen nichts anderes ergibt, der Neu-, Zu- und Umbau von Gebäuden (lit. a); nach lit. e dieses Absatzes die Errichtung und die Änderung von sonstigen baulichen Anlagen, wenn dadurch allgemeine bautechnische Erfordernisse wesentlich berührt werden.

Gemäß § 55 Abs. 1 lit. a TBO 2001 ist zu bestrafen, "wer" ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben ohne eine entsprechende Baubewilligung oder abweichend von der Baubewilligung oder ein anzeigepflichtiges Bauvorhaben ohne eine entsprechende Bauanzeige, erheblich abweichend von der Bauanzeige, ungeachtet einer Untersagung nach § 22 Abs. 3 dritter Satz TBO 2001 oder vorzeitig ohne Vorliegen der Voraussetzungen nach § 28 Abs. 2 leg. cit. ausführt.

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer vorgeworfen, durch die ihm mit dem erstangefochtenen Bescheid zur Last gelegten Taten gegen § 55 Abs. 1 lit. a iVm § 20 Abs. 1 lit. a TBO 2001 verstoßen zu haben.

Zutreffend bringt der Beschwerdeführer vor, dass es sich bei einer Schaukel und einem Trampolin um keine Gebäude handelt, sondern allenfalls um bauliche Anlagen, die demnach nicht gemäß § 20 Abs. 1 lit. a TBO 2001, sondern allenfalls nach § 20 Abs. 1 lit. e TBO 2001 bewilligungspflichtig sein könnten.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den erstangefochtenen Bescheid hinsichtlich dieser beiden Fakten mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Ein "Unterstand" hingegen könnte ein Gebäude sein. Ob dies auf den verfahrensgegenständlichen Unterstand zutrifft, kann aber deshalb nicht beurteilt werden, weil nähere Feststellungen zu seiner (geplanten) Beschaffenheit fehlen. Damit belastete die belangte Behörde den erstangefochtenen Bescheid insofern mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, sodass er schon deshalb hinsichtlich der Fakten "Schaukel" und "Trampolin" gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG, im Übrigen (Unterstand) gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG aufzuheben war (auf die weiteren Ausführungen zum zweitangefochtenen Bescheid wird verwiesen).

Mit dem zweitangefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, eine Betonfundamentplatte zur Aufstellung eines Kiosks errichtet zu haben. Dass es sich bei diesem (projektierten) Kiosk um ein Gebäude handelt, wie von den Behörden des Verwaltungsverfahrens angenommen, wird vom Beschwerdeführer nicht in Zweifel gezogen. Nun ist es zwar richtig, dass eine Betonfundamentplatte für sich allein gesehen kein Gebäude ist (sondern allenfalls eine bauliche Anlage). Es begegnet aber keinen Bedenken, dass die Behörden dem Beschwerdeführer nicht die Errichtung eines Fundamentes für sich allein, sondern als Teil der Umsetzung des Vorhabens "Errichtung eines Kiosks" zur Last gelegt haben. § 55 Abs. 1 lit. a TBO 2001 ist auch nicht dahin zu verstehen, dass die pönalisierte Tätigkeit zur Gänze abgeschlossen sein müsste, um überhaupt verfolgt werden zu können. Es bedurfte daher auch keiner Feststellungen zur Frage, wann die vorgeworfene Tätigkeit genau abgeschlossen wurde. Der Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 1995, Zl. 93/06/0010, geht fehl, weil es dort um hier nicht relevante Fragen der Verjährung ging.

Ebenso verfehlt ist das Vorbringen des Beschwerdeführers, die TBO 2001 sei gemäß ihrem § 1 Abs. 4 im Beschwerdefall gar nicht anwendbar, weil das Vorhaben der Bewilligung nach dem Tiroler Veranstaltungsgesetz bedürfe (wobei eine entsprechende Anmeldung gemäß § 13 des Tiroler Veranstaltungsgesetzes mit Eingabe vom 19. April 2002 an den Bürgermeister der Gemeinde ohnedies erfolgt sei), weil die Ausnahme des § 1 Abs. 4 TBO 2001 nicht für Gebäude gilt.

Es mag schon sein, dass das Areal, auf welchem dieser Kiosk aufgestellt werden soll, ein "Kinderspielpark" ist, wie der Beschwerdeführer vorbringt. Allerdings kann ein Kiosk (zur Verpflegung der Parkbesucher, wie es in der mit der Beschwerde vorgelegten, zuvor genannten Anmeldung vom 19. April 2002 heißt) nicht als "Spielplatzeinrichtung" im Sinne des § 1 Abs. 3 lit. p TBO 2001 ("Badestege, Spielplätze, Spielplatzeinrichtungen und dergleichen") verstanden werden, weil ein solcher Kiosk nicht "zum Spielen" dient und damit keine "Spielplatzeinrichtung" im Sinne dieser Ausnahmebestimmung ist (die als Ausnahmebestimmung restriktiv auszulegen ist).

Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, Adressat der Strafbestimmung des § 55 Abs. 1 lit. a TBO 2001 sei der Bauherr, also derjenige, der den Auftrag zur Ausführung der baulichen Maßnahme erteilt habe, es sei aber nicht festgestellt worden, in welcher Eigenschaft er "in Anspruch genommen" worden sei. Dies sei dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen. Vielmehr habe er im Verfahren ausdrücklich bestritten, die in Rede stehende Fundamentplatte errichtet zu haben, wie auch, dass er die vorgeworfene Tat zu verantworten habe. Der Umstand, dass er als Bauwerber aufgetreten sei, bedeute nicht, dass er Bauherr im zuvor umschriebenen Sinne sei.

Nach § 55 Abs. 1 lit. a TBO 2001 ist zu bestrafen, "wer ... ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben ohne eine entsprechende Baubewilligung ... ausführt". Eine nähere Umschreibung, wer diesbezüglich als Täter in Betracht kommt, erfolgt in dieser Norm nicht, dies ergibt sich vielmehr aus dem Sinnzusammenhang in Verbindung mit der Struktur der TBO 2001 (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 2002, Zlen. 2000/06/0161 bis 0164, zum Salzburger Baupolizeigesetz). Als Täter kommt derjenige in Betracht, der die bauliche Maßnahme ausführt oder auch in dessen Auftrag eine solche Ausführung erfolgt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1998, Zl. 98/06/0010, zur TBO 1989). Weshalb nun diese Voraussetzungen auf den Beschwerdeführer zutreffen sollen, hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht ausreichend begründet (ein entsprechender Verdacht, der nicht von der Hand zu weisen ist, macht die erforderlichen Feststellungen zu seiner Untermauerung nicht entbehrlich): Die belangte Behörde hat ausgeführt, aus dem erstinstanzlichen Akt ergebe sich, dass der Beschwerdeführer am 19. März 2002 die entsprechenden Betonierungsarbeiten durchgeführt habe. Dies hat der Beschwerdeführer aber bestritten, wozu kommt, dass diese im Baueinstellungsbescheid vom 22. März 2002 zum Ausdruck gebrachte Annahme dort nicht näher begründet wird. Soweit im angefochtenen Bescheid auf eine Aussage des Bürgermeisters in der Berufungsverhandlung vom 1. August 2003 verwiesen wird, ist dem entgegenzuhalten, dass der Niederschrift konkrete Wahrnehmungen des Bürgermeisters zum Ausführenden bzw. Auftraggeber der hier beschwerdegegenständlichen Maßnahme nicht zu entnehmen sind.

Dies stellt einen wesentlichen Begründungsmangel dar, womit die belangte Behörde den zweitangefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastete, weshalb er (ohne Auseinandersetzung mit dem weiteren Beschwerdevorbringen) gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

Ergänzend ist aber noch anzufügen, dass der Bürgermeister als baubehördliches Organ für die Zeugenaussage über dienstliche Wahrnehmungen, die bereits Gegenstand der auf Grund seiner Anzeigen eingeleiteten Strafverfahren waren, keiner Entbindung vom Amtsgeheimnis bedurfte (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 11. April 1984, Zl. 83/03/0202, Slg. 11.405/A, mwN), sodass die Frage dahingestellt bleiben kann, ob zur Entbindung von der Amtsverschwiegenheit die Vizebürgermeisterin zuständig war oder dies aber in die Zuständigkeit des Gemeinderates fiele.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003 im Rahmen des eingeschränkten Kostenbegehrens.

Wien, am 22. Juni 2004

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Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Allgemein BauRallg9/1 Bewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2003060154.X00

Im RIS seit

29.07.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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