Index
L82000 Bauordnung;Norm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde des JE in S, vertreten durch Dr. Georg Huber, Rechtsanwalt in Kufstein, Josef-Egger-Straße 8, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 10. April 2001, Zl. Ve1-550-2906/1-2, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. ML, 2. H L, beide in S,
3. Gemeinde S, alle vertreten durch Dr. Maximilian Ellinger und Dr. Günter Ellmerer, Rechtsanwälte in Kufstein, Pirmoserstraße 15), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und den mitbeteiligten Parteien zusammen Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren der mitbeteiligten Parteien wird abgewiesen.
Begründung
Die erst- und die zweitmitbeteiligte Partei (kurz: Bauwerber) sind Eigentümer eines Grundstückes im Gebiet der mitbeteiligten Gemeinde. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer eines angrenzenden Grundstückes.
Mit Eingabe vom 4. Mai 2000 (die am selben Tag bei der Gemeinde eingebracht wurde) kamen die Bauwerber (auf Grundlage eines Allgemeinen und Ergänzenden Bebauungsplanes für ihr Grundstück vom 13. Dezember 1999) um Erteilung der baubehördlichen Bewilligung zum Abbruch eines Teiles des auf ihrem Grundstück bestehenden Wohn- bzw. Wirtschaftsgebäudes und zur Errichtung eines entsprechenden Neubaues ein (wobei die Ausmaße in der bisherigen Breitseite erhalten bleiben sollen, jedoch der Bau in der Länge in Richtung Osten, also entlang der Grenze des Grundstückes des Beschwerdeführers, um rund 1,10 m im Mittel verlängert werden soll).
Mit dem erstinstanzlichen Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 14. Juni 2000 wurde die angestrebte Bewilligung erteilt. Der Begründung des Bescheides ist zu entnehmen, dass die erstinstanzliche Behörde die Einwendungen des Beschwerdeführers, der zu Grunde liegende Bebauungsplan "mit den Bebauungsgrenzen" sei nicht rechtswirksam, es liege ein Neubau mit Vergrößerung des Altbestandes vor, sodass die Abstände nach der TBO einzuhalten seien, und den weiteren Einwand, dass durch die Vergrößerung des Gebäudes eine zu Gunsten des Grundstückes des Beschwerdeführers bestehende Dienstbarkeit beeinträchtigt werde, für unberechtigt hielt.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Mit Berufungsbescheid vom 10. Juli 2000 wurde die Berufung mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Beschwerdeführer mit seinem Einwand der Beschränkung der Wegdienstbarkeit auf den Zivilrechtsweg verwiesen werde. Dies wurde damit begründet, dass für das zu bebauende Grundstück ein rechtskräftiger Bebauungsplan vorliege, in welchem sowohl die Baugrenzlinien als auch die Baufluchtlinien "klar definiert und enthalten" seien. Die Baugrenzlinie sei für den Abstand des geplanten Gebäudes zum Grundstück des Beschwerdeführers maßgeblich. Das Vorhaben halte diese Vorgaben ein. Was nun den Einwand anlange, die Wegdienstbarkeit werde durch das Vorhaben eingeschränkt, sei darauf zu verweisen, dass anlässlich der mündlichen Bauverhandlung auf dieses Vorbringen insoweit eingegangen worden sei, als mit Rücksicht darauf eine Projektsabänderung derart vorgenommen worden sei, dass der Balkon an der Ostseite des neu zu errichtenden Wohnhauses von der nördlichen Gebäudeecke um 1 m in Richtung Süden verkürzt worden sei. "Im Befund" werde darauf hingewiesen, dass damit der im Lageplan dargestellte Zufahrtsweg zum Grundstück des Beschwerdeführers in der dargestellten Form verbleiben könne. Da es sich dabei jedoch "um eine privatrechtliche Vereinbarung" handle, habe die Baubehörde hierüber nicht zu entscheiden. Grundsätzlich werde jedoch die Auffassung vertreten, dass insbesondere mit Rücksichtnahme auf die getroffene Abänderung des Projektes diese Dienstbarkeit nach wie vor im bisherigen Umfang ausgeübt werden könne.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Vorstellung.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 14. November 2000 wurde der Vorstellung Folge gegeben, der bekämpfte Berufungsbescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Berufungsbehörde verwiesen. Dies wurde damit begründet, dass der Umfang der Anfechtung im Berufungsschriftsatz unklar sei, weshalb die Berufungsbehörde verpflichtet gewesen wäre, den Beschwerdeführer zu einer Präzisierung seines Berufungsbegehrens aufzufordern. Überdies sei der Berufungsbescheid nicht ausreichend begründet.
Nach Klarstellung des Beschwerdeführers, dass nur die erteilte Bewilligung zur Errichtung eines Neubaues bekämpft werde, wurde mit Berufungsbescheid vom 12. Jänner 2001 die Berufung abermals mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Beschwerdeführer hinsichtlich seiner Einwendungen betreffend die Einschränkung der Wegdienstbarkeit auf den Zivilrechtsweg verwiesen werde. Dies wurde vor allem damit begründet, dass das Vorhaben den Vorgaben des Bebauungsplanes entspreche (wurde näher ausgeführt); hinsichtlich der Frage der Dienstbarkeit wiederholte die Berufungsbehörde im Wesentlichen die Begründung des früheren Berufungsbescheides.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Vorstellung, die mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurde. Dies wurde zusammenfassend damit begründet, dass die in § 6 TBO 1998 normierten Abstandsbestimmungen nur dann zum Tragen kämen, wenn nicht, so wie im Beschwerdefall, auf Grund von in einem Bebauungsplan festgelegten Baugrenzlinien ein anderer Abstand einzuhalten sei, was hier der Fall sei. Das Vorhaben entspreche den Vorgaben des Bebauungsplanes, auch der verordneten Baugrenzlinie (wurde näher ausgeführt). Der Beschwerdeführer mache geltend, dass die seinem Grundstück zukommende Wegdienstbarkeit durch das Vorhaben eingeschränkt werde. Da eine Einigung hierüber in der Bauverhandlung nicht zu Stande gekommen sei, sei er mit dem bekämpften Berufungsbescheid hinsichtlich dieser Einwendung zutreffend auf den Zivilrechtsweg verwiesen worden.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der nach Durchführung eines Vorverfahrens mit Beschluss vom 22. September 2003, B 837/01-11, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Begründend heißt es dazu u.a., soweit in der Beschwerde die Rechtswidrigkeit der den Bescheid tragenden Rechtsvorschriften behauptet werde, lasse ihr Vorbringen, das den rechtskräftig bewilligten Bestand des Wirtschaftsgebäudes und die diesbezügliche Standortgebundenheit des im Abstand zum Grundstück des Beschwerdeführers dem Altbestand entsprechenden Wohngebäudes nicht ausreichend berücksichtige, vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (Hinweis auf VfSlg. 15.916/2000 und auf das Erkenntnis vom 6. März 2002, V 114/01) die behaupteten Rechtsverletzungen oder die Verletzung eines nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.
In seiner über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde macht der Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit, Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Die mitbeteiligten Bauwerber einerseits und die mitbeteiligte Gemeinde andererseits haben (inhaltsgleiche) Gegenschriften erstattet, die von den selben Rechtsanwälten gefertigt sind, mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A, u. v.a.). Das gilt auch für den Nachbarn, der i.S. des § 42 AVG i. d.F. BGBl. I Nr. 158/1998, die Parteistellung behalten hat.
Im Beschwerdefall ist die Tiroler Bauordnung 1998 (TBO 1998), LGBl. Nr. 15, in der Fassung LGBl. Nr. 79/2000 anzuwenden.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten insofern verletzt, als die belangte Behörde
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gegen die Bestimmungen des § 55 des Tiroler Raumordnungsgesetzes einen nicht ordnungsgemäß zu Stande gekommenen Bebauungsplan erließ,
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sich gegen die Bestimmungen des § 6 TBO "über die gesetzlichen Abstandsvorschriften hinwegsetzte",
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gegen die Bestimmungen des § 25 Abs. 5 TBO 1998 nicht versuchte, auf eine Einigung hinzuwirken und diese auch in der Verhandlungsschrift nicht beurkunden ließ.
Der Beschwerdeführer macht zwar Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde geltend, ohne diesen Beschwerdegrund aber näher auszuführen. Die belangte Behörde war jedenfalls zuständig, über die Vorstellung zu entscheiden; weshalb sie unzuständig sein sollte, ist nicht ersichtlich.
Der Beschwerdeführer hatte seine Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit des zu Grunde liegenden Bebauungsplanes bereits erfolglos an den Verfassungsgerichtshof herangetragen. Auch mit seinem nunmehrigen Vorbringen vermag er keine Bedenken an der Gesetzmäßigkeit des Bebauungsplanes zu erwecken. Insbesondere ist der Beschwerdeführer darauf zu verweisen, dass zum Zeitpunkt der Erlassung des fraglichen Bebauungsplanes § 59 Abs. 3 TROG 1997 (welcher Näheres zu den Baugrenzlinien normiert) in der Stammfassung galt, der folgenden Wortlaut hatte:
"(3) Die Baugrenzlinien sind nicht straßenseitig gelegene Linien, durch die der Mindestabstand baulicher Anlagen gegenüber anderen Grundstücken als Straßen bestimmt wird. Die Baugrenzlinien können für oberirdische und unterirdische bauliche Anlagen gesondert festgelegt werden."
Ein Verbot, bei der Festsetzung der Baugrenzlinie bestimmte Abstände zur Grundgrenze zu unterschreiten, enthielt diese Norm nicht (dies erfolgte erst anlässlich der Neufassung des § 59 Abs. 3 TROG 1997 mit der Novelle LGBl. Nr. 73/2001, die mit 1. Oktober 2001, also nach Erlassung des Bebauungsplanes wie auch nach Erlassung des letzten Berufungsbescheides und auch des angefochtenen Bescheides in Kraft trat).
Dem Vorbringen in diesem Zusammenhang, das geplante Gebäude unterschreite demnach den in § 6 Abs. 1 TBO 1998 vorgesehenen Mindestabstand von 4 m, ist mit der belangten Behörde zu entgegnen, dass gemäß dem Einleitungssatz des § 6 Abs. 1 TBO diese Mindestabstände nur dann zum Tragen kommen, wenn nicht auf Grund der in einem Bebauungsplan festgelegten geschlossenen oder besonderen Bauweise oder auf Grund von darin festgelegten Baugrenzlinien zusammenzubauen bzw. ein anderer Abstand einzuhalten ist. Da im Beschwerdefall eine Baugrenzlinie festgesetzt ist, ist diese maßgebend.
Nach § 6 Abs. 5 TBO 1998 dürfen auf einem Bauplatz mehrere Gebäude oder sonstige bauliche Anlagen errichtet werden, wenn die nach ihrem Verwendungszweck erforderliche Belüftung und Belichtung gewährleistet ist, den Erfordernissen des Brandschutzes entsprochen und das Orts- und Straßenbild nicht erheblich beeinträchtigt wird. Diese Bestimmung bezieht sich auf das zu bebauende Grundstück (auf den Bauplatz) und nicht auf Grundstücke, die dem Bauplatz benachbart sind, weshalb sich der Beschwerdeführer mit seinem Einwand, die auf dem Bauplatz vorgesehene Bebauung beeinträchtige nachteilig die Belichtungs- und Besonnungsverhältnisse auf seinem Grundstück, nicht mit Erfolg auf diese gesetzliche Bestimmung stützen kann.
§ 25 Abs. 5 TBO 1998 (vor der Novelle LGBl. Nr. 79/2000: Abs. 4) bestimmt, dass, wenn in der Bauverhandlung privatrechtliche Einwendungen erhoben werden, die Behörde möglichst auf eine Einigung hinzuwirken hat. Kommt eine Einigung zu Stande, so ist diese in der Verhandlungsschrift zu beurkunden. Kommt eine Einigung nicht zu Stande, so ist der Nachbar mit seinen Einwendungen auf den ordentlichen Rechtsweg zu verweisen. Diese Einwendungen sind in der Baubewilligung ausdrücklich anzuführen.
Der Beschwerdeführer bringt hiezu vor, zwar habe die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid festgestellt, dass (hinsichtlich der privatrechtlichen Einwände des Beschwerdeführers) keine Einigung erzielt werden konnte, dies sei aber "trotzdem nicht entgegen den Bestimmungen des § 25 Abs. 5 TBO in der Verhandlungsschrift beurkundet und wurde der Beschwerdeführer dadurch in seinen Rechten verletzt". Dem ist zu entgegnen, dass § 25 Abs. 5 TBO 1998 nur die Beurkundung der Einigung in der Niederschrift vorsieht, der Beschwerdeführer sagt aber selbst, dass keine Einigung erzielt wurde. Jedenfalls zeigt der Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen keine Verletzung subjektivöffentlicher Nachbarrechte auf.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Den Mitbeteiligten war Schriftsatzaufwand nur einmal zuzuerkennen, wobei neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand nicht noch zusätzlich Umsatzsteuer gebührt (siehe dazu die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 697, wiedergegebene hg. Judikatur). Das Kostenmehrbegehren der Mitbeteiligten war daher abzuweisen.
Wien, am 22. Juni 2004
Schlagworte
Baurecht Nachbar Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Abstandsvorschriften BauRallg5/1/1 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Vorschriften, die keine subjektiv-öffentliche Rechte begründen BauRallg5/1/9European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2003060164.X00Im RIS seit
22.07.2004