Index
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
EStG 1988 §4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde der S GmbH in S, vertreten durch Dr. Rudolf Zitta und Dr. Harald Schwendinger, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Künstlerhausgasse 4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg (Berufungssenat I) vom 10. Februar 2000, Zl. RV-161.97/1-7/97, betreffend Körperschaft- und Gewerbesteuer 1992, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende Gesellschaft ist auf dem Gebiete der Erzeugung und des Handels von Bekleidung aller Art tätig. Sie ermittelt ihren Gewinn nach § 5 EStG 1988 nach einem abweichenden Wirtschaftsjahr, welches jeweils am 31. Jänner endet. Anlässlich einer bei ihr durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung vertrat der Prüfer ua die Ansicht, die im Streitjahr erfolgte erstmalige Bildung einer Rückstellung für Handelsvertreterabfindungen sei nicht zulässig, weil sie der höchstgerichtlichen Judikatur widerspreche. Weiters sei eine Rückstellung für nicht konsumierte Urlaube nicht nach steuerlichen Kriterien, sondern auf Grund arbeitsrechtlicher Bestimmungen ermittelt worden. Von der Rückstellung in Höhe von rund S 7,4 Mio wurden vom Prüfer nur S 2,5 Mio steuerlich anerkannt.
Das Finanzamt folgte den Prüferfeststellungen und erließ entsprechende Bescheide.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Der vom Prüfer in Höhe von rd S 2,5 Mio anerkannten Rückstellung für nicht konsumierte Urlaube wurde durch die belangte Behörde die steuerliche Anerkennung zur Gänze versagt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Passivpost für Handelsvertreterabfindungen
Im Berufungsverfahren führte die Beschwerdeführerin aus, dass bei sieben namentlich genannten Handelsvertretern die Vertragsverhältnisse per 1. Februar 1991 geendet hätten. Gemäß § 25 Handelsvertretergesetz 1921 (HVG) gebührten diesen Handelsvertreterabfindungen. Abweichende Parteienvereinbarungen seien nicht geschlossen worden. Während des aufrechten Vertragsverhältnisses hätten diese Handelsvertreter "ausschließlich mittelbar von" der Beschwerdeführerin und somit von keiner anderen Gesellschaft ihrer Unternehmensgruppe Provisionen erhalten. Aus abrechnungstechnischen Gründen sei die Auszahlung der Provisionen durch die "Schwestergesellschaft" der Beschwerdeführerin, der S GmbH in Deutschland, erfolgt. Der dieser daraus entstandene Aufwand sei der S GmbH, welche die Erzeugnisse der Beschwerdeführerin vertreibe, in Form von Rabatten für Lieferungen ersetzt und als Betriebsausgaben geltend gemacht worden. Der Beginn der Vertragsverhältnisse mit den Handelsvertretern lasse sich auf Grund der langen Dauer dieser Verträge nicht mehr feststellen, liege jedoch - mit Ausnahme des Vertrages mit EF - vor 1983. Bei EF liege der Beginn jedenfalls vor 1985. Die Handelsvertreter-Verträge seien ausschließlich mündlich abgeschlossen worden und hätten Provisionen in der Höhe von 6 bis 9 % zum Inhalt gehabt.
Auf Grund einer mündlichen Vereinbarung zwischen der Beschwerdeführerin (vertreten durch die Prokuristen Franz P und Ing. Klaus S) und der S GmbH (vertreten durch deren Geschäftsführer Alfons S) seien die Abfindungsansprüche der Handelsvertreter auf Grund der Vertragsauflösung per 1. Februar 1991 auf die S GmbH überbunden worden, die ihrerseits zum Stichtag der Auflösung der Handelsvertreter-Verträge seitens der Beschwerdeführerin mit den Handelsvertretern Handelsvertreter-Verträge abgeschlossen habe. Konsequenterweise habe sich die Beschwerdeführerin verpflichtet, die auf ihren Vertragszeitraum entfallenden Ansprüche bei Beendigung des Vertragsverhältnisses zwischen den Handelsvertretern und der S GmbH zu vergüten. Durch diese Vereinbarung sei eine Verpflichtung der Beschwerdeführerin gegenüber der S GmbH entstanden, die erst bei Beendigung der Vertragsverhältnisse zwischen den Handelsvertretern und der S GmbH zu einem Zahlungsfluss führe, die jedoch eine eigenständige Verpflichtung darstelle. Die Kriterien für die Anerkennung der Rückstellung für Handelsvertreterabfindungen seien demnach auf diese abstrakte Schuldverpflichtung der Beschwerdeführerin gegenüber der S GmbH nicht anwendbar. Die Rückstellung betrage 80 % des Provisionsaufwandes des Wirtschaftsjahres 1991/92.
In der abweisenden Berufungsvorentscheidung führte das Finanzamt aus, die Vereinbarungen hinsichtlich der "verrechnungstechnischen" Abrechnung der Provisionsansprüche sowie die Überbindung der Abfindungsansprüche der Handelsvertreter an die S GmbH entsprächen nicht der im allgemeinen Wirtschaftsleben geübten Praxis. So sei zB die Vereinbarung der Überbindung der Abfindungsansprüche durch die vertretungsbefugten Organe nur mündlich abgeschlossen worden. Die Beschwerdeführerin sei Mehrheitsgesellschafterin der S GmbH. Ihr Mehrheitsgesellschafter (75 %) Alfons S sei für die Beschwerdeführerin einzelvertretungsbefugt und gleichzeitig Geschäftsführer der S GmbH. Auf Grund der engen gesellschaftsrechtlichen und personellen Verbindung seien die von der Rechtsprechung für familienhafte Beziehungen (nahe Angehörige) entwickelten Grundsätze auch auf die Rechtsbeziehungen zwischen der Beschwerdeführerin und der S GmbH anzuwenden.
Die Behauptung, den Provisionsaufwendungen der S GmbH an die Handelsvertreter entsprächen Rabattvergütungen der Beschwerdeführerin, stehe im Widerspruch zu den vom Prüfer überprüften Rechnungen an die S GmbH. Weder 1989/90, 1990/91 (Wirtschaftsjahre vor der Überbindung der Abfindungsansprüche) noch 1991/92 (Wirtschaftsjahr der Überbindung der Abfindungsansprüche) seien Rabatte offen ausgewiesen worden. Die behauptete Verrechnung der Provisionszahlung sei daher nicht nach außen zum Ausdruck gekommen. Die behauptete mündliche Vereinbarung mit der S GmbH über den Übergang der Abfindungsverpflichtung und anteilige Vergütung im Abfindungsfall enthalte keine Regelung für den Fall, dass der Handelsvertreter durch seine Tätigkeit für die S GmbH einen Abfindungsanspruch nach § 89b dHGB erworben habe. Sie weise daher keinen klaren, eindeutigen, jeden Zweifel ausschließenden Inhalt auf, weil wesentliche Vertragspunkte nicht berücksichtigt worden seien. Es sei im allgemeinen Wirtschaftsleben nicht üblich, einen Teil der Provisionsansprüche von selbstständigen und offensichtlich nur "mittelbar" für die Beschwerdeführerin tätigen Handelsvertretern aus "verrechnungstechnischen Gründen" über ein deutsches Tochterunternehmen abzurechnen. Auch die behauptete Form der Abrechnung sei ungewöhnlich. Beim Handelsvertreter LB hätte sie zu einer zweifachen Geltendmachung des gleichen Aufwandes geführt, weil einmal dessen Provisionen auf dem Konto "7710 Provisionen an Betriebsfremde Ausland" gebucht und somit direkt als Betriebsausgabe geltend gemacht und anderseits der gleiche Provisionsaufwand als Erlösminderung abgesetzt worden sei. Tatsächlich seien die behaupteten Rabatte nicht in den Rechnungen an die S GmbH ausgewiesen worden und hätten damit auch nicht im Rechnungswesen der beiden Unternehmen ihren Niederschlag gefunden. Es sei auch nicht üblich, dass fremde Unternehmen ihre Ansprüche (auf Ersatz eines Abfindungsbetrages) und Verbindlichkeiten (Leistung des Abfindungsbetrages) bloß mündlich vereinbaren. Überdies seien die für die S GmbH handelnden Personen weisungsgebundene Arbeitnehmer gewesen.
Die Beschwerdeführerin habe für die Berechnung der Jahresprovisionen Beträge angeführt, die weder mit den übersandten noch mit den dem Prüfer übergebenen Unterlagen übereinstimmten. Sie dürfte offensichtlich vom Provisionsaufwand des Wirtschaftsjahres 1991/92 (Bilanzstichtag 31. Jänner 1992) ausgegangen sein. Dies stehe jedoch im Widerspruch zum Stichtag der behaupteten Überbindung der Abfindungsansprüche (1. Februar 1991). Die Berechnung eines Abfindungsanspruches zum Stichtag 1. Februar 1991 könne aber nicht nach dem "Provisionsaufwand 1991/92" vorgenommen werden, weil sich dieser nur auf den Bilanzstichtag 31. Jänner 1992 beziehen könne.
Auf Grund eines Rechtshilfeersuchens der belangten Behörde teilte die deutsche Finanzverwaltung mit, dass in den Bilanzen der S GmbH zum 31. Jänner 1992 und der Folgejahre Rückstellungen für Ausgleichsansprüche der Handelsvertreter nicht enthalten seien. Offensichtlich seien alle von der belangten Behörde genannten Vertreter für die S GmbH tätig gewesen. In der Beilage wurden Kopien eines Handelsvertretervertrages zwischen der S GmbH und dem Handelsvertreter EF, eines mit "Zusatz zum Vertretervertrag" überschriebenen Schreibens der Beschwerdeführerin an EF, eines "side-letters" der Beschwerdeführerin an EF sowie eines "sideletters" der S GmbH an EF übermittelt.
Der mit 31. Jänner 1991 datierte Handelsvertretervertrag der S GmbH mit EF enthält auszugsweise folgende Bestimmungen:
"…
§ 1: Gegenstand der Vertretung
(1.1)
Die Firma überträgt dem Vertreter als selbstständigem Bezirksvertreter im Sinne des § 84 Abs. 1 HGB die Alleinvertretung der Mantel- und Freizeitkollektion für Herren/Damen für das Gebiet Nordrhein/Westfalen, Niedersachsen, Schleswig/Holstein, Hamburg und Bremen und Berlin.
…
(1.3)
Der Vertreter übernimmt seine Aufgabe als Nachfolger des bisherigen Vertreters. Die Firma übergibt dem Vertreter eine Liste aller Kunden seines Gebietes mit einer Aufstellung der Jahresumsätze der Firma mit diesen Kunden.
(1.4)
Die Firma hat an den bisherigen Vertreter eine Abfindung gemäß § 89b HGB bezahlt. Der Vertreter erstattet der Firma diese Abfindung in Höhe eines Betrages von DM 50.000,--. Die Bezahlung dieses Betrages wird gestundet bis zur Beendigung des Vertragsverhältnisses. Bei Beendigung des Vertragsverhältnisses ist dieser Betrag zuzüglich Zinsen in Höhe von 70 % des jeweiligen Diskontsatzes der Deutschen Bundesbank mit einer an den Vertreter zu zahlenden Abfindung gem. § 89b HGB zu verrechnen. Hierbei gilt der Gesamtumsatz des Vertreters als Umsatz aus Geschäftsverbindung mit neuen Kunden.
Hat der Vertreter keinen Anspruch auf eine Abfindung oder ist diese niedriger als der gestundete Betrag, verzichtet die Firma auf einen überschießenden Betrag. Der Vertreter nimmt diesen Verzicht an.
...
§ 9: Dauer, Kündigung
(9.1)
Dieser Vertrag beginnt am 01. 02. 91 und wird auf unbestimmte
Zeit geschlossen. ...
...
§ 10: Schriftform, Teilunwirksamkeit
(10.1)
Mündliche Nebenabreden zu diesem Vertrag sind nicht getroffen. Änderungen oder Ergänzungen bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Schriftform. Das Gleiche gilt für den Verzicht auf das Schriftformerfordernis.
…"
Das mit 1. Februar 1991 datierte und mit "Zusatz zum Vertretervertrag" überschriebene Schreiben der Beschwerdeführerin
an den Handelsvertreter EF lautet:
"§ 9 wird einvernehmlich wie folgt ergänzt:
Die Parteien sind sich darüber einig, dass es keine Kündigung des Vertrages darstellt, wenn die Firma beabsichtigt, das Vertretergebiet in Nordrhein Westfalen einerseits und das restliche Vertretergebiet gemäß § 1.1. andererseits zu teilen. Eine beabsichtigte Teilung hat die Firma dem Handelsvertreter mitzuteilen.
Teilt der Handelsvertreter binnen eines Monats nach Zugang nicht mit, welches Teilgebiet (Nordrhein-Westfalen oder das Restliche) er für die Zukunft übernehmen will, kann die Firma nach eigener Wahl ein Teilgebiet herausnehmen und auf einen anderen Handelsvertreter übertragen. ...
Ab diesem Zeitpunkt gilt der Vertrag vollumfänglich nur noch für das verbleibende Vertretergebiet."
Das mit "side-letter" überschriebene undatierte Schreiben der Beschwerdeführerin an den Handelsvertreter EF lautet:
"Wir bestätigen Ihnen hiermit, dass wir vereinbart haben, dass für den Fall, dass unsere Tochtergesellschaft, die S GmbH, BRD, aufgelöst wird und die von dieser Gesellschaft betriebenen Geschäfte direkt von uns als Muttergesellschaft weitergeführt werden, z.B. im Zuge eines EG-Beitritts Österreichs, der zwischen Ihnen und der S GmbH geschlossene Handelsvertretervertrag vom 01. 02. 1992 von uns mit allen Rechten und Pflichten übernommen wird und alle Ihre durch den Vertrag gegenüber der S GmbH erworbenen oder noch zu erwerbenden Ansprüche von uns erfüllt werden.
..."
Ein weiteres mit "side-letter" überschriebenes undatiertes Schreiben der S GmbH lautet:
"Wir bestätigen Ihnen hiermit gerne, dass der mit uns abgeschlossene Vertrag vom 01. 02. 1991 den bisher mit Ihnen bereits bestehenden Vertrag lediglich ergänzt.
Bereits auf Grund Ihres bisherigen Vertrages erworbene Rechte, z. B. zur Bemessung einer Ausgleichszahlung gem. § 89 b HGB oder einer verlängerten Kündigungsfrist bleiben selbstverständlich in vollem Umfange bestehen.
..."
In der Berufungsverhandlung bestätigte der Vertreter der Beschwerdeführerin, dass die S GmbH mit den Handelsvertretern ausschließlich mündliche Verträge abgeschlossen habe. Die Existenz des Vertrages zwischen der S GmbH und dem Handelsvertreter EF bzw. die beiden "side-letter" seien ihm bislang unbekannt gewesen. Es sei ihm völlig neu, dass der Nachfolger eines Handelsvertreters die Abfindung tragen müsse. Möglicherweise handle es sich um einen Sonderfall für EF. Es habe 1997 oder 1998 eine tatsächliche Zahlung gegeben, woraufhin die Rückstellung entsprechend aufgelöst worden sei.
Im angefochtenen Bescheid führte die belangte Behörde aus, entgegen den Aussagen der Beschwerdeführerin existierten schriftliche Verträge mit den Handelsvertretern. Dies gründe sich vor allem auf Punkt 10.1 des vorliegenden Vertrages, nach welchem sogar der Verzicht auf das Schriftformerfordernis der Schriftlichkeit bedürfe. Es habe also doch das Bedürfnis gegeben, Vereinbarungen schriftlich zu fixieren, wenn selbst für den Verzicht auf das Schriftformerfordernis die Schriftlichkeit vereinbart worden sei.
Entgegen den Behauptungen der Beschwerdeführerin, sie müsse im Falle der Vertragsauflösung die entsprechenden Abfertigungen tragen, werde in ihrem "side-letter" an EF dargelegt, dass sie nur im Falle einer Auflösung der S GmbH deren Handelsvertretervertrag mit EF übernehmen werde. Nach den eingebrachten Bilanzen existiere die S GmbH jedoch noch.
Konträr zur Aussage der Beschwerdeführerin habe gemäß Punkt 1.4 des Vertrages der jeweilige neu eintretende Vertreter die an den ausgeschiedenen Vertreter bezahlte Abfindung der S GmbH zu refundieren, für welche diese somit lediglich ein Durchlaufposten sei. Die von dem neu eintretenden Handelsvertreter zu leistende Erstattung werde diesem allerdings bis zur Beendigung seines Vertragsverhältnisses gestundet und dann samt Zinsen mit der an ihn zu leistenden Abfindung gegenverrechnet.
Weiters werde im "side-letter" der S GmbH bestätigt, dass der mit ihr abgeschlossene Vertrag vom 1. Februar 1991 den bereits bisher bestehenden Vertrag lediglich ergänze. Bereits auf Grund des bisherigen Vertrages erworbene Rechte, zB zur Bemessung einer Ausgleichszahlung gemäß § 89b HGB würden in vollem Umfang weiter bestehen. Durch diesen ausdrücklichen Hinweis auf das deutsche Handelsgesetzbuch sei bereits in diesem vorangegangenen Vertrag eine Regelung über die Abfertigungsansprüche nach dem deutschen Handelsgesetzbuch getroffen worden.
Überdies habe die behauptete Gegenverrechnung der Provisionen in Form von Rabatten durch den Prüfer nicht verifiziert werden können. Es werde daher davon ausgegangen, dass die Provisionen dieser Handelsvertreter schon immer von der S GmbH getragen worden seien.
Wenn die Beschwerdeführerin erklärt habe, es handle sich um eine Rückstellung aus einer Verpflichtung gegenüber der S GmbH, so habe sie trotz mehrmaliger Aufforderungen keine Beweise für die Existenz dieser Verpflichtung vorgelegt. Auf Grund des vorliegenden Handelsvertretervertrages mit EF werde ihrer Behauptung kein Glaube geschenkt. Ein weiterer Widerspruch zum Stichtag der behaupteten Überbindung sei, dass die Berechnung des Anspruches für die Rückstellung nicht entsprechend den gesetzlichen Regelungen des § 25 Abs. 2 und 3 HVG 1921 erfolgt sei, sondern offensichtlich vom Provisionsaufwand des Wirtschaftsjahres 1991/92 (Bilanzstichtag 31. Jänner 1992) ausgegangen worden sei.
Die Beschwerdeführerin bringt in der Beschwerde - wie auch im Verwaltungsverfahren vor -, der in Streit stehenden Rückstellung lägen ausschließlich mündlich abgeschlossene Verträge mit Handelsvertretern, deren Vertragsverhältnisse per 1. Februar 1991 beendet worden seien, sowie mit der S GmbH, Deutschland, zu Grunde, wonach die Ausgleichsansprüche der Handelsvertreter gegen die Beschwerdeführerin auf die neue Auftraggeberin S GmbH übergegangen seien und die Beschwerdeführerin der S GmbH bei Beendigung der Vertragsverhältnisse (der S GmbH mit dem jeweiligen Handelsvertreter) den auf ihren Vertragszeitraum entfallenden Anteil der Ausgleichsansprüche ersetzen müsse. Damit sei eine eigenständige - von den Ausgleichsansprüchen der Handelsvertreter losgelöste abstrakte - Verpflichtung entstanden, für welche die Rückstellung zu Recht gebildet worden sei.
Die belangte Behörde verneinte im angefochtenen Bescheid das Bestehen dieser Verpflichtung unter Hinweis auf einen schriftlichen Vertrag - nämlich der Handelsvertreter EF und der S GmbH - sowie einen "side-letter" der Beschwerdeführerin an EF bzw. der S GmbH an EF. Aus Punkt 1.4 des Vertrages ergebe sich, dass der jeweils neu eintretende Vertreter die dem ausgeschiedenen Vertreter von der S GmbH geleistete Ausgleichszahlung zu refundieren habe, wobei ihm die Zahlung bis zur Beendigung seines eigenen Vertrages gestundet werde. Die belangte Behörde ging weiters davon aus, dass auch mit den anderen Vertretern schriftliche Verträge abgeschlossen worden seien, weil dies im Wirtschaftsleben üblich sei. In Punkt 10 des genannten Vertrages zwischen der S GmbH und EF komme auch zum Ausdruck, dass auf die Schriftlichkeit von Vereinbarungen großer Wert gelegt worden sei. Es sei daher unglaubwürdig, dass es lediglich mündliche Abreden gegeben habe und dass diese den von der Beschwerdeführerin genannten Inhalt aufgewiesen hätten. Weiters habe die Behauptung der Beschwerdeführerin, Provisionsauszahlungen durch die S GmbH für die Beschwerdeführerin seien dieser in Form von Rabattgewährungen refundiert worden, nicht bewiesen werden können.
Dieser Beweiswürdigung der belangten Behörde tritt die Beschwerdeführerin mit dem Argument entgegen, dass auch das Vorliegen schriftlicher Verträge der S GmbH mit den Handelsvertretern nichts über die mündliche Vereinbarung zwischen der S GmbH und der Beschwerdeführerin über die Refundierung von Ausgleichsansprüchen aussage. Es wäre auch ungewöhnlich, enthielte der "side-letter" der Beschwerdeführerin an EF Aussagen über das Bestehen des Rückforderungsanspruches der S GmbH gegenüber der Beschwerdeführerin. Dieses Vorbringen ist aber insofern nicht geeignet, der Beschwerde zu einem Erfolg zu verhelfen, als im Verwaltungsverfahren nicht glaubhaft gemacht wurde, dass die behauptete Verpflichtung gegenüber der S GmbH, die von ihr an die vormaligen Handelsvertreter der Beschwerdeführerin allenfalls geleisteten Abfindungen anteilsmäßig zu vergüten, tatsächlich dem Grunde nach bestanden hat.
Der Beschwerdeführerin wurde durch die Berufungsvorentscheidung vorgehalten, dass sie Mehrheitsgesellschafterin an der S GmbH gewesen und ihr einzelvertretungsbefugter Mehrheitsgesellschafter Alfons S auch deren Geschäftsführer gewesen sei, weswegen bei der behaupteten Vereinbarung zwischen den beiden Gesellschaften von einer solchen zwischen nahen Angehörigen auszugehen sei. Ihr wurde weiters vorgehalten, dass die behauptete Vereinbarung den Kriterien, dass sie nach außen ausreichend zum Ausdruck kommen, einen klaren, eindeutigen und jeden Zweifel ausschließenden Inhalt aufweisen und einem Fremdvergleich standhalten müsse, nicht entspreche. Die Beschwerdeführerin hat sich auf die Wiederholung ihrer früheren Behauptungen beschränkt und dabei jegliches Beweisanbot unterlassen. Es kann daher nicht als unschlüssig erachtet werden, wenn die belangte Behörde davon ausgegangen ist, dass eine Verpflichtung des von der Beschwerdeführerin behaupteten Inhalts gegenüber der S GmbH zur Refundierung ausbezahlter Abfindungsbeträge nicht bestanden hat.
2. Passivpost für nicht konsumierte Urlaube
Im Berufungsverfahren brachte die Beschwerdeführerin vor, sie habe als Rückstellung jenen Betrag angesetzt, der ihrer Verpflichtung gegenüber den Arbeitnehmern und somit der Höhe ihres Erfüllungsrückstandes zum 31. Jänner 1992 entsprochen habe. Dabei sei der Urlaubsanspruch der Arbeitnehmer für jenes Dienstjahr (Urlaubsjahr), das zum 31. Jänner 1992 noch nicht abgelaufen sei, voll berücksichtigt worden, weil zum Abschlussstichtag auf Grund der §§ 2, 6, 9 und 10 Urlaubsgesetz ein Anspruch der Dienstnehmer hinsichtlich des vollen Urlaubsausmaßes für das gesamte Dienstjahr gegeben gewesen sei. Die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach der nicht konsumierte Urlaub nur aliquot zu berücksichtigen sei, sei durch die Entwicklung des Bilanzrechtes, insbesondere durch das Rechnungslegungsgesetz 1990 (RLG), überholt. Eine lediglich anteilige Erfassung der Verpflichtungen würde dem Grundsatz der Vollständigkeit der Bilanz und der Bilanzvorsicht widersprechen.
Die Beschwerdeführerin wurde mit Schreiben vom 20. Juli 1999 von der belangten Behörde ersucht, die Eröffnungsbilanz zum 1. Februar 1991 dahingehend zu berichtigen, dass lediglich der "Zuwachs" der nicht konsumierten Urlaube für jene Dienstnehmer, deren Dienstjahr zum 31. Jänner 1992 noch nicht abgelaufen gewesen sei, für das Wirtschaftsjahr 1991/92 rückgestellt werde.
Im Schreiben vom 6. August 1999 wiederholte die Beschwerdeführerin ihren Standpunkt, dass bei der erstmaligen Bildung der Rückstellung für nicht konsumierte Urlaube zum Abschlussstichtag 31. Jänner 1992 der Gesamtbestand nicht konsumierter Urlaube aufwandswirksam zu bilden gewesen sei. Eine Berücksichtigung lediglich des Differenzbetrages zum Stand 31. Jänner 1991 würde bedeuten, dass der Stand zum 31. Jänner 1991 niemals aufwandswirksam geltend zu machen wäre. Eine Feststellung des Standes der Rückstellung für nicht konsumierte Urlaube zum 31. Jänner 1991 wäre überdies mangels Datenmaterials nicht möglich.
Mit dem angefochtenen Bescheid versagte die belangte Behörde der Rückstellung die steuerliche Anerkennung zur Gänze und führte ua aus, in der vorherrschenden Bilanzierungspraxis seien Urlaubsrückstände in Form einer Rückstellung abzugrenzen, da das unverändert bezahlte Jahresentgelt überproportional auf Arbeitsentgelte entfalle. Der verbleibende Betrag reiche nun nicht mehr zur Abdeckung der dem Dienstnehmer zustehenden Nichtleistungsentgelte. Für diesen nicht gedeckten Entgeltsanspruch wäre nun vorzusorgen, damit der Jahreserfolg mit einem Personalaufwand belastet werde, der der Arbeitsleistung entspreche. Da der Dienstnehmer bei Kündigung Anspruch auf den noch nicht konsumierten Urlaub habe, sei in Höhe dieses Anspruches eine Rückstellung zu passivieren. Für Urlaubsvorgriffe werde eine aktive Rechnungsabgrenzung gebildet.
Die Bildung von Rückstellungen, die bereits in einem früheren Jahr passiviert bzw. aktiviert hätten werden müssen, sei unzulässig, weil das einzelne Wirtschaftsjahr nur mit jenen Betriebseinnahmen und -ausgaben belastet werden dürfe, welche wirtschaftlich eben mit diesem Jahr zusammenhingen. Dieses Nachholverbot leite sich aus dem Prinzip der Periodenrichtigkeit der Gewinnermittlung ab. Das Nachholverbot gelte sowohl für Rückstellungen, die nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zwingend zu bilden seien, als auch für Rückstellungen, für deren Bildung ein handelsrechtliches Wahlrecht bestehe, weil das Nachholverbot ein aus § 4 Abs. 1 EStG 1988 abzuleitender zwingender Grundsatz der steuerlichen Gewinnermittlung sei. Würde diese Rückstellung in der begehrten Höhe das erste Mal gebildet, so gebe es in der Schlussbilanz des Vorjahres keine äquivalenten Abgrenzungsposten. Es käme also bei erstmaliger Anwendung einer solchen Rückstellung zu einer nicht periodengerechten Rückstellung, da ja auch "unbereinigte" Abgrenzungsposten aus vergangenen Perioden wirksam würden. Im Beschwerdefall fehle aber auch eine aktive Abgrenzung, was zu einer absoluten Verzerrung der Bilanz führen würde.
In den von der Beschwerdeführerin angeführten §§ 196, 198 und 211 HGB idF RLG werde lediglich das Vollständigkeitsprinzip als Grundsatz der ordnungsgemäßen Bilanzierung neu gefasst. Eine inhaltliche Änderung in Bezug auf die Rückstellung nicht konsumierter Urlaube sei nicht zu erblicken. Bestehe nun eine Pflicht zur Rückstellung nach § 198 Abs. 1 HGB idF RLG, so könne die Beschwerdeführerin - auf Grund der Saldierung von aktiver und passiver Rückstellung - lediglich die Änderung zum Vorjahr gewinnwirksam in der Bilanz ausweisen. Laut vorliegendem Prüfungsbericht habe es in der Zeit vom 31. Jänner 1991 bis 31. Jänner 1992 keine Änderung in der Höhe des Personalstandes gegeben, sodass auch keine Änderung eines Saldos vorgenommen werden könnte. Auf Grund des Nachholverbotes könne eine Rückstellung für nicht konsumierte Urlaube aus den Vorjahren nicht vorgenommen werden. Ein Ersuchen der Behörde um Berichtigung der Eröffnungsbilanz zum 1. Februar 1991 sei von der Beschwerdeführerin mit der Begründung abgelehnt worden, dass der Stand zum 31. Jänner 1991 somit niemals aufwandswirksam würde und weiters die Feststellung des Standes der nicht konsumierten Urlaube mangels vorhandenen Datenmaterials nicht mehr möglich sei. Es sei zwar die freie Entscheidung der Beschwerdeführerin, eine angebotene Bilanzberichtigung nicht vorzunehmen, es sei aber unverständlich, wenn Daten, welche Grundlage eines anhängigen Berufungsverfahrens seien, nicht mehr vorhanden seien.
Die Beschwerdeführerin vertritt auch in ihrer Beschwerde die Ansicht, es seien die gesamten zum Bilanzstichtag noch nicht konsumierten Urlaubsansprüche ihrer Dienstnehmer in die "Rückstellung" aufzunehmen gewesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 1. Juli 2003, 98/13/0214, zum Ausdruck gebracht, dass für die steuerliche Gewinnermittlung eine Abgrenzung der Urlaubsansprüche dann unterbleiben darf, wenn dieses nur zu einer unwesentlichen Ergebnisverzerrung führt. Im gegenständlichen Fall war wegen der nicht unwesentlichen Beträge von einer Verpflichtung zur Abgrenzung bereits in den Jahren vor dem Streitzeitraum auszugehen. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid die Feststellung getroffen, dass sich im Streitzeitraum keine Änderung des Abgrenzungsbetrages im Vergleich zu den Vorjahren ergeben habe. Dem ist die Beschwerdeführerin nicht entgegengetreten. Da die Abgrenzungsverpflichtung bereits in den Vorjahren entstanden ist und im Streitzeitraum keine Änderung erfahren hat, wurde die Beschwerdeführerin dadurch, dass im Streitzeitraum aus diesem Titel kein Aufwand berücksichtigt wurde, nicht in ihren Rechten verletzt.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 24. Juni 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2000150098.X00Im RIS seit
31.08.2004