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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §10 Abs2;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2002/20/0166Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Grünstäudl und Dr. Berger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerden 1. der FT, geboren 1962, und 2. der ST, geboren 1983, beide in W, beide vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/II/23, gegen die Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates jeweils vom 20. Dezember 2001, (ad 1.) Zl. 216.001/0-VI/42/00, betreffend § 7 AsylG und (ad 2.) Zl. 216.003/0-VI/42/00, betreffend § 10 AsylG (weitere Partei jeweils: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der erstgenannte Bescheid (Zl. 216.001/0-VI/42/00) wird bezüglich des Spruchteiles I., der zweitgenannte Bescheid (Zl. 216.003/0-VI/42/00) wird in seinem gesamten Umfang wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführerinnen Aufwendungen von jeweils EUR 991,20 (zusammen EUR 1.982,40) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die aus dem Iran stammende Erstbeschwerdeführerin reiste am 18. September 1999 in das Bundesgebiet ein und beantragte für sich und ihre drei Kinder (darunter die Zweitbeschwerdeführerin) Asyl. Als Fluchtgründe gab die Erstbeschwerdeführerin vor dem Bundesasylamt an, man habe ihren Ehemann im Iran zum Tod verurteilt, weil er Mitglied der Glaubensgemeinschaft Ahl-e Hagh sei und gemeinsam mit anderen Glaubensanhängern eine Feier am Grabmal des Ordensführers Ostad Elahi vorbereiten habe wollen. Auch die Erstbeschwerdeführerin und ihre Kinder gehörten diesem Glauben an. Als ihr Ehemann am 25. Juli 1999 im Keller ihres Hauses gemeinsam mit sechs weiteren Glaubensanhängern an den genannten Vorbereitungen gearbeitet habe, hätten Sicherheitskräfte das Haus gestürmt und durchsucht. Der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin habe flüchten können, die Sicherheitskräfte hätten aber Bücher, Manuskripte und Videokassetten gefunden und beschlagnahmt. Die Erstbeschwerdeführerin sowie noch anwesende Glaubensanhänger seien verhaftet worden. Man habe die Erstbeschwerdeführerin 4 Tage lang festgehalten und nach dem Aufenthaltsort ihres Ehemannes sowie über weitere Glaubensmitglieder verhört. Dabei habe sie auch erfahren, dass ihr Ehemann zum Tod verurteilt worden sei. Ihrem Schwiegervater sei es danach gelungen, sie durch Hinterlegung mehrerer Grundbuchsrollen frei zu bekommen. Die Erstbeschwerdeführerin habe sich gegenüber den iranischen Behörden verpflichten müssen, ihren Heimatort nicht zu verlassen und sich zweimal wöchentlich bei der Dienststelle der Sicherheitskräfte zu melden. Dies habe sie bis zu ihrer Flucht auch getan. Da die Eingänge ihres Hauses von den Sicherheitskräften verschlossen worden seien, habe sie nach ihrer Freilassung bei ihrem Vater gewohnt. Auch dessen Haus sei jedoch nach 4 Tagen von Sicherheitskräften gestürmt worden, die weiterhin nach dem Ehemann der Erstbeschwerdeführerin gesucht hätten. Dabei hätten die Beamten den Vater der Erstbeschwerdeführerin geschlagen, sodass dieser gestürzt und in Ohnmacht gefallen und einige Tage später im Krankenhaus verstorben sei. Die Erstbeschwerdeführerin habe zwar deshalb Anzeige gegen die betreffenden Beamten erstattet, was jedoch zu keinem Ergebnis geführt habe. Danach habe sie bei ihrem Schwiegervater gewohnt. Wegen ihres Glaubens habe die Erstbeschwerdeführerin auch Probleme bei der medizinischen Versorgung ihres Sohnes bekommen. Dieser benötige im Abstand von jeweils 2 Monaten eine Blutkonserve, die ihm die Verwaltung des örtlichen Krankenhauses im August 1999 mit dem Hinweis auf die religiösen Aktivitäten der Erstbeschwerdeführerin und ihres Ehemannes verweigert habe. Mit Hilfe ihres Schwiegervaters habe sie dann mit ihren Kindern aus dem Iran flüchten können.
Über Befragen des Bundesasylamtes erläuterte die Erstbeschwerdeführerin Inhalte ihres Glaubens, der zwar die Verehrung von Mohammed beinhalte, im Unterschied zum Islam aber etwa eine Gleichstellung von Mann und Frau vorsehe. Verehrt werde insbesondere der bereits genannte, im Alter von 80 Jahren verstorbene Ostad Elahi. Müsste die Beschwerdeführerin in den Iran zurückkehren, so befürchte sie, wie ihr Ehemann zum Tod verurteilt zu werden.
Am Ende ihrer Vernehmung durch das Bundesasylamt gab die Erstbeschwerdeführerin an, ihre Kinder hätten keine eigenen Fluchtgründe und sie ersuche daher, deren Asylanträge (darunter jener der Zweitbeschwerdeführerin) als Asylerstreckungsanträge weiter zu behandeln.
Mit Bescheid vom 29. Februar 2000 wies das Bundesasylamt den Asylantrag der Erstbeschwerdeführerin gemäß § 7 AsylG ab und stellte gemäß § 8 AsylG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Erstbeschwerdeführerin in den Iran zulässig sei.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes gleichfalls vom 29. Februar 2000 wurde der Asylerstreckungsantrag der Zweitbeschwerdeführerin gemäß den §§ 10 und 11 AsylG abgewiesen.
Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführerinnen jeweils Berufung. Die Erstbeschwerdeführerin brachte vor, ihr Ehemann sei ein sehr aktives Mitglied und Lehrer in ihrer Religionsgemeinschaft gewesen. Von den seitens der iranischen Behörden ergriffenen Maßnahmen wäre die Erstbeschwerdeführerin sowohl in ihrer Eigenschaft als Mitglied der genannten Glaubensgemeinschaft als auch als Ehefrau ihres Mannes, dessen Ideen und Glauben sie teile, betroffen. Die Verfolgung der Erstbeschwerdeführerin sei daher auch unter dem Gesichtspunkt der Sippenhaftung zu sehen. In zwei Berufungsergänzungen bot die Erstbeschwerdeführerin Beweismittel für ihr Fluchtvorbringen an.
Am 26. November 2001 führte die belangte Behörde eine mündliche Verhandlung durch. Deren Gegenstand war sowohl die genannte Berufung der Erstbeschwerdeführerin als auch die Berufung ihres am 1. Mai 2000 in das Bundesgebiet eingereisten Ehemannes gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 2. Oktober 2000, mit dem auch dessen Asylantrag abgewiesen worden war. Die Erstbeschwerdeführerin brachte vor, sie würde bei Rückkehr in den Iran von den Behörden "quasi als Geisel" dafür genommen, dass ihr Mann in den Iran zurückkehre. Man würde die Erstbeschwerdeführerin in ihrer Heimat sowohl wegen ihrer eigenen religiösen Überzeugung bestrafen als auch deshalb, weil man ihren Ehemann verfolgen wolle.
Mit Bescheid vom 19. Dezember 2000 gab die belangte Behörde der Berufung des Ehemannes der Erstbeschwerdeführerin statt und gewährte diesem Asyl (die belangte Behörde begründete diese Entscheidung im Wesentlichen mit der wohlbegründeten Furcht des Ehemannes der Erstbeschwerdeführerin vor Verfolgung im Iran wegen seiner Aktivitäten, den Glauben zu verbreiten und seiner bereits aus ähnlichem Anlass verbüßten monatelangen Haft).
Mit dem vorliegenden (eingangs unter 1. zitierten) angefochtenen Bescheid vom 20. Dezember 2001 wies die belangte Behörde unter Spruchteil I. die Berufung der Erstbeschwerdeführerin in der Asylfrage gemäß § 7 AsylG ab. Gleichzeitig stellte die belangte Behörde unter Spruchteil II. gemäß § 8 AsylG in Verbindung mit § 57 Abs. 1 FrG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Erstbeschwerdeführerin in den Iran nicht zulässig sei und erteilte dieser unter Spruchteil III. gemäß § 15 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung.
In der Begründung des letztgenannten Bescheides legte die belangte Behörde ihren Sachverhaltsfeststellungen sowohl die Fluchtgeschichte der Erstbeschwerdeführerin als auch die Angaben ihres Ehemannes zu seinen Fluchtgründen als glaubwürdig zu Grunde. Letztgenannter habe Glaubensinhalte der Ahl-e Hag unterrichtet und sei bereits 1982/1983 (mit staatlichen Organen) in Auseinandersetzungen rund um die Zerstörung des Grabmals des Ostad Elahis (die er habe verhindern wollen) geraten. Er sei danach 13 Monate lang sowie 1998 für 5 Tage inhaftiert gewesen und habe sich verpflichten müssen, seine religiösen Aktivitäten nicht fortzusetzen. Die Erstbeschwerdeführerin sei nach der Erstürmung ihres Hauses im Juli 1999 für die Dauer von 4 Tagen angehalten und verhört worden und habe sich danach verpflichten müssen, ihren Heimatort nicht zu verlassen und sich zweimal wöchentlich bei den Sicherheitsbehörden zu melden. Nachdem die Erstbeschwerdeführerin den Iran verlassen habe, sei sie vom Gericht ihres Heimatortes als Angeklagte vorgeladen worden. Welcher Straftaten die Erstbeschwerdeführerin dabei beschuldigt worden sei, könne die belangte Behörde nicht feststellen.
Zur Glaubensgemeinschaft der Ahl-e Hag ("Leute der Wahrheit", "Volk der Wahrheit") stellte die belangte Behörde fest, dass diese Religion als eine Variante des Sufismus im Kurdistan des 15. Jahrhunderts entstanden sei. Die Religion stehe am Rande des Schiitentums und vereine eine Mischung aus heidnischen, christlichen und islamischen Traditionen. Hinsichtlich ihrer religiösen Richtlinien folgten die Glaubensanhänger dem von Ostad Elahi geführten mystischen Orden. Da die Anhänger der Ahle Hag das Machtmonopol der islamischen Rechtsgelehrten nicht ohne Weiteres anerkennen, entstehe ein Spannungsverhältnis zum unbedingten Machtanspruch der religiösen Führung im Iran. Dennoch sei, wie ein Bericht der österreichischen Botschaft in Teheran vom 22. November 2000 ergeben habe, eine Verfolgung der Mitglieder der Ahl-e Hag allein auf Grund ihrer Zugehörigkeit zu dieser Gruppe durch iranische Behörden nicht feststellbar. Jedoch gehe die belangte Behörde davon aus, dass iranische Behörden zur Glaubensgemeinschaft der Ahl-e Hag in einem ambivalenten Verhältnis stünden, da zum Beispiel auf der einen Seite bestimmte Veranstaltungen dieser Glaubensgemeinschaft geduldet würden, andererseits aber ein offenes Bekenntnis zu vom Islam abweichenden religiösen Auffassungen behindert und diesbezügliche außenwirksame Aktivitäten geahndet würden. Unter Bezugnahme auf einen Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes vom 18. April 2001 stellte die belangte Behörde fest, "Sippenhaft im eigentlichen Sinn" werde heute, anders als in der Zeit kurz nach der Revolution, im Iran nicht mehr praktiziert. Es sei allerdings möglich, dass Familienmitglieder von Asylbewerbern von den Sicherheitskräften vorgeladen und befragt würden. Bekannt sei auch, dass Verhörmethoden und Haftbedingungen im Iran mit seelischer Folterung (Augen verbinden, Herbeiführung einer einschüchternden Atmosphäre, Dunkelzelle) und körperlicher Folter sowie unmenschlicher Behandlung (Schläge, Zusammenpferchen auf kleinem Raum) einhergingen.
Vor diesem Hintergrund vertrat die belangte Behörde in der rechtlichen Beurteilung der die Erstbeschwerdeführerin betreffenden Bescheidbegründung die Auffassung, es bestünden stichhaltige Gründe für die Annahme, dass die Erstbeschwerdeführerin bei Rückführung in den Iran der Gefahr einer unmenschlichen bzw. erniedrigenden Behandlung ausgesetzt sei. Die Erstbeschwerdeführerin habe nämlich einerseits trotz ihrer Meldepflicht gegenüber iranischen Behörden und entgegen dem über sie verhängten Ausreiseverbot den Iran verlassen. Andererseits sei auch der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin für die iranischen Behörden weiterhin nicht greifbar. "Daher" müsse die Beschwerdeführerin im Iran "mit hoher Wahrscheinlichkeit mit weiteren Verhören und Anhaltungen" rechnen, was in ihrer speziellen Situation mit den bereits genannten Gefahren der Folter verbunden sei. Der Erstbeschwerdeführerin sei daher gemäß § 8 AsylG Abschiebungsschutz zu gewähren.
Die genannten Umstände könnten jedoch nicht zur Asylgewährung führen, weil es dem Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin nach Ansicht der belangten Behörde an einem "relevanten Verfolgungsmotiv" im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention fehle. Eine Verfolgung der Erstbeschwerdeführerin wegen der bloßen Zugehörigkeit zur genannten religiösen Gruppe sei im Hinblick auf die genannte Berichtslage zu verneinen. Was die von ihr angesprochene "Sippenhaftung" betreffe, so komme es im Iran zwar zu "Befragungen und Verhören" von Familienmitgliedern, "Sippenhaft im eigentlichen Sinn" werde im Iran aber nach den getroffenen Feststellungen nicht mehr praktiziert. Im Übrigen sei die Erstbeschwerdeführerin nach ihren Angaben von den Behörden ihres Heimatstaates deshalb festgenommen und verhört worden, um von ihr Informationen betreffend ihren Ehemann sowie über weitere Personen zu erhalten. Die Voraussetzungen für die Asylgewährung seien daher bei der Erstbeschwerdeführerin nicht gegeben.
Mit dem vorliegenden (eingangs unter 2. genannten) angefochtenen Bescheid behob die belangte Behörde den die Zweitbeschwerdeführerin betreffenden und ihren Asylerstreckungsantrag gemäß § 10 AsylG abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 29. Februar 2000. Gleichzeitig wies sie den Asylerstreckungsantrag der Zweitbeschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 2 AsylG als unzulässig zurück. Diese Zurückweisung begründete sie damit, dass die Zweitbeschwerdeführerin zwar im Zeitpunkt der Stellung des Asylerstreckungsantrages minderjährig gewesen sei, diese Tatbestandsvoraussetzung des § 10 Abs. 2 AsylG im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde aber nicht mehr erfüllt habe.
Gegen diese beiden Bescheide vom 20. Dezember 2001 erhoben die Erstbeschwerdeführerin (soweit ihr Asylantrag abgewiesen wurde) und die Zweitbeschwerdeführerin jeweils mit gemeinsamen Schriftsätzen Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof und an den Verwaltungsgerichtshof. Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der an ihn gerichteten Beschwerden mit Beschluss vom 10. Juni 2002, B 81/02-14 und B 82/02-14, abgelehnt. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die an ihn gerichteten Beschwerden der beiden Beschwerdeführer erwogen:
1. Zur Abweisung des Asylantrages der Erstbeschwerdeführerin:
Die Gewährung von Abschiebungsschutz gegenüber der Erstbeschwerdeführerin wurde im angefochtenen Bescheid damit begründet, dass diese im Iran mit hoher Wahrscheinlichkeit mit weiteren Verhören und Anhaltungen, die im Iran mit seelischer und körperlicher Folter verbunden seien, zu rechnen habe. Der Grund dieser Gefahr liege in der speziellen Situation der Beschwerdeführerin, weil sie einerseits den ihr von den iranischen Behörden auferlegten Verpflichtungen, so vor allem dem Ausreiseverbot zuwider gehandelt habe und weil andererseits ihr Ehemann, dem in Österreich bereits Asyl gewährt wurde, für die iranischen Behörden nicht greifbar sei. Eine Asylrelevanz sei dieser Bedrohung der Erstbeschwerdeführerin aber nicht beizumessen. Dem in diesem Zusammenhang zu sehenden und in der vorliegenden Beschwerde hervorgehobenen Einwand der Erstbeschwerdeführerin, die ihr drohende Verfolgung im Iran sei auch unter dem Gesichtspunkt der Sippenhaftung zu beurteilen, entgegnete die belangte Behörde, dass nach dem von ihr herangezogenen Länderbericht die "Sippenhaft im eigentlichen Sinn" im Heimatstaat der Erstbeschwerdeführerin nicht mehr praktiziert werde.
Bei der letztgenannten Beurteilung lässt die belangte Behörde die Besonderheiten des vorliegenden Beschwerdefalls außer Betracht. Die belangte Behörde hat nämlich, wie bereits dargestellt, das Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin, ihr drohten im Iran Verhöre und Anhaltungen mit seelischer und körperlicher Folter auch deshalb, weil ihr Ehemann für die Behörden ihres Heimatstaates nicht greifbar sei, dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegt. In der Berufungsverhandlung hat die Erstbeschwerdeführerin das Motiv der ihr drohenden Verfolgung verdeutlicht und vorgebracht, man werde sie im Iran "quasi als Geisel" für ihren Ehemann nehmen.
Im Erkenntnis vom 19. Dezember 2001, Zl. 98/20/0312, hat der Verwaltungsgerichtshof unter Bezugnahme auch auf internationale Judikatur diese Form der "stellvertretenden" (oder - in anderen Fällen - zusätzlichen) Inanspruchnahme für ein Familienmitglied dem Modell des "Durchschlagens" der Verfolgung eines Angehörigen auf den Asylwerber zugeordnet und die Asylrelevanz derartiger auch als "Sippenhaftung" bezeichneter Fälle aus dem in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Verfolgungsgrund der "sozialen Gruppe" abgeleitet. Für das Vorliegen dieses Konventionsgrundes sei es nicht Voraussetzung, dass der potenzielle Verfolger auch dem Asylwerber eine entsprechende Gesinnung unterstelle (vgl. dazu auch das Erkenntnis vom 19. Dezember 2001, Zl. 98/20/0330).
Ausgehend von dieser Rechtslage durfte die belangte Behörde der Verfolgung der Erstbeschwerdeführerin durch iranische Behörden die Asylrelevanz nicht absprechen. Im Übrigen teilt die Erstbeschwerdeführerin mit ihrem Ehemann sogar das verfolgungsauslösende Merkmal der Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft der Ahl-e Hagh.
Der zu 1. angefochtene Bescheid leidet daher in der bekämpften Beurteilung der Asylfrage unter inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
2. Zur Zurückweisung des Asylerstreckungsantrages der Zweitbeschwerdeführerin:
Soweit sich die belangte Behörde in der bereits zusammengefasst wiedergegebenen Begründung des zweitangefochtenen Bescheides auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beruft, ist festzuhalten, dass nach dem zwischenzeitig ergangenen Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 23. Jänner 2003, Zl. 2001/01/0429 im Asylerstreckungsverfahren bezüglich des hier in Frage stehenden Zulässigkeitskriteriums der Minderjährigkeit auf den Zeitpunkt des Asylerstreckungsantrages abzustellen ist. Zum letztgenannten Zeitpunkt war die Zweitbeschwerdeführerin noch unstrittig minderjährig. Aus den Gründen des letztzitierten Erkenntnisses, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, erweist sich auch der zweitangefochtene Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet.
Somit waren die beiden angefochtenen Bescheide nach dem Gesagten im bekämpften Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben. Die Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG unterbleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG (insbesondere § 52 Abs. 1 leg. cit.) in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 24. Juni 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2002200165.X00Im RIS seit
21.07.2004