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24/02 Jugendgerichtsbarkeit;Norm
BAO §35 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde des Vereines "S", vertreten durch Dr. Walter Schlick, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Friedrichgasse 6/II, 8010 Graz, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 11. Oktober 1999, Zl. A 8 R -K771/1997-1, betreffend Kommunalsteuer 1994 bis 1997, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Landeshauptstadt Graz hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
In der Niederschrift über eine für den Prüfungszeitraum Jänner 1994 bis März 1997 durchgeführte abgabenbehördliche Kontrolle ist festgehalten, dass der beschwerdeführende Verein in Graz ein Studentenheim betreibe und die Ansicht vertrete, er sei gemäß § 8 Z 2 KommStG 1993 ("Kinder- und Jugendfürsorge") von der Kommunalsteuer befreit. Der Kontrollbeamte gehe aber davon aus, dass sich der Begriff der Jugendfürsorge nur auf minderjährige Personen beziehe. Soweit die im Studentenheim untergebrachten Studenten die Volljährigkeit bereits erreicht hätten, sei die genannte Befreiungsbestimmung nicht anwendbar; insbesondere im Hinblick auf diesen Umstand sei Kommunalsteuerpflicht im Ausmaß von 85% der Arbeitslöhne gegeben.
Mit Abgabenbescheid vom 5. Juni 1997 wurde die Kommunalsteuer dem Ergebnis der abgabenbehördlichen Kontrolle entsprechend festgesetzt. In der Bescheidbegründung wird u.a. darauf verwiesen, dass die Befreiungsbestimmung des § 8 Z 2 KommStG anteilsmäßig berücksichtigt worden sei.
In der Berufung gegen diesen Bescheid führte der Beschwerdeführer aus, Jugendfürsorge iSd § 8 Z 2 KommStG umfasse den Betrieb eines Studentenheimes generell, also nicht nur hinsichtlich jener Heimbewohner, die das 19. Lebensjahr noch nicht erreicht hätten.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Der Beschwerdeführer betreibe ein Studentenheim. Die finanziellen Mittel hiefür würden durch Subventionen, Heimbeiträge und diverse Erlöse aufgebracht. Strittig sei, in welchem Ausmaß der Betrieb eines Studentenheimes dem Tatbestandsmerkmal der Jugendfürsorge iSd § 8 Z 2 KommStG zu subsumieren sei. In der Literatur werde die Meinung vertreten, das angeführte Tatbestandsmerkmal sei dem Begriff der "Jugendwohlfahrt" gleichzuhalten, die Auslegung habe daher auf Grund der Bestimmungen des Jugendwohlfahrtsrechts zu erfolgen. Auch die Wortinterpretation des § 8 Z 2 KommStG führe zu diesem Ergebnis. Die einschlägigen Bestimmungen des Jugendwohlfahrtsgesetzes erfassten unter öffentlicher Jugendwohlfahrt nur Maßnahmen, die Minderjährigen zugute kämen (§ 1 Abs. 1 Z 2 und § 2 Abs. 1 Jugendwohlfahrtsgesetz, BGBl. 161/1989; § 1 Abs. 1 Z 2 und § 2 Abs. 1 Steiermärkisches Jugendwohlfahrtsgesetz, LGBl. 93/1990).
Entgegen dem Berufungsvorbringen werde das Gesetz durch diese Auslegung nicht unvollziehbar. Das Gesetz ermögliche nämlich sowohl hinsichtlich der Höhe der Bemessungsgrundlage als auch hinsichtlich des Umfanges des befreiten Bereiches Vereinbarungen zwischen dem Steuerschuldner und der erhebungsberechtigten Gemeinde. Solche Vereinbarungen hätten den Zweck, die Vollziehung zu erleichtern und zu vereinfachen.
Nach Ansicht der belangten Behörde falle sohin der Betrieb des Studentenheimes durch den Beschwerdeführer insoweit nicht unter die Befreiungsbestimmung des § 8 Z 2 KommStG, als er sich auf Personen beziehe, welche bereits volljährig seien.
Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 27. November 2000, B 1896/99, abgelehnt und die Beschwerde gemäß Art 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zu Entscheidung abgetreten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 8 Z 2 Kommunalsteuergesetz 1993 sind Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen von der Kommunalsteuer befreit, soweit sie mildtätigen Zwecken und/oder gemeinnützigen Zwecken auf dem Gebiet der Gesundheitspflege, Kinder-, Jugend-, Familien-, Kranken-, Behinderten-, Blinden- und Altenfürsorge dienen (§§ 34 bis 37, §§ 39 bis 47 der Bundesabgabenordnung).
Die zitierte Bestimmung enthält eine taxative Aufzählung derjenigen gemeinnützigen Zwecke, die eine Befreiung von der Kommunalsteuer nach sich ziehen. Von den im § 35 Abs. 2 BAO - dort in einer bloß beispielhaften Aufzählung - genannten gemeinnützigen Zwecken sind nur die Zwecke der Gesundheitspflege und die näher umschriebenen Fürsorgezwecke von der Kommunalsteuer befreit (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. September 1995, 95/13/0127).
Der Verfassungsgesetzgeber verwendet in Art 12 Abs. 1 Z 1 B-VG den Begriff der (Mutterschafts-, Säuglings- und) Jugendfürsorge. In Art 14 Abs. 1 B-VG gibt er zu erkennen, dass das Gebiet des "Erziehungswesens in den Angelegenheiten der Schüler- und Studentenheime" eine davon verschiedene Angelegenheit ist.
Das Bundesgesetz vom 15. März 1989, mit dem Grundsätze über die Mutterschafts-, Säuglings- und Jugendfürsorge aufgestellt und unmittelbar anwendbare Vorschriften in diesem Bereich erlassen werden, BGBl. 161/1989 (Jugendwohlfahrtsgesetz 1989), erfasst unter dem Begriff der Jugendfürsorge "die Entwicklung Minderjähriger durch Anbot von Hilfen zur Pflege und Erziehung zu fördern und durch Gewährung von Erziehungsmaßnahmen zu sichern".
Die taxative Aufzählung des § 8 Z 2 KommStG enthält die Jugendfürsorge. Für die übrigen in dieser Gesetzesstelle genannten Fürsorgezwecke (mit Ausnahme der Krankenfürsorge), also für die Kinderfürsorge, die Familienfürsorge, die Behindertenfürsorge, die Blindenfürsorge und die Altenfürsorge, findet sich eine korrespondierende Gesetzesdefinition nicht. Dieser Umstand spricht dafür, dass der Gesetzgeber auch mit dem in der Aufzählung enthaltenen Begriff der "Jugendfürsorge" nicht unmittelbar an die Definition in einem anderen Gesetz (Jugendwohlfahrtsgesetz) anknüpfen wollte.
Aus den Gesetzesmaterialien zu § 8 KommStG (Ausschussbericht, 1302 BlgNR XVIII. GP) ergibt sich, dass gemeinnützig auf dem Gebiet der "sozialen Fürsorge" tätige Unternehmen von der Befreiungsbestimmung erfasst sein sollen. Diese in den Materialien zum Ausdruck gebrachte Absicht des Gesetzgebers spricht dafür, dass das Tatbestandsmerkmal der Jugendfürsorge iSd § 8 Z 2 KommStG nicht durch den Begriff der Jugendfürsorge iSd Jugendwohlfahrtsgesetzes 1989 begrenzt ist.
In diesem Sinn hat der Verwaltungsgerichtshof bereits im erwähnten Erkenntnis vom 20. September 1995, 95/13/0127, zum Ausdruck gebracht, dass das Betreiben von Kindergärten, Kinderheimen und Studentenheimen von § 8 Z 2 KommStG erfasst wird.
Gemäß § 6 Abs. 1 Z 23 UStG 1994 sind umsatzsteuerbefreit "die Leistungen der Jugend-, Erziehungs-, Ausbildungs-, Fortbildungs- und Erholungsheime an Personen, die das 27. Lebensjahr nicht vollendet haben, soweit diese Leistungen in deren Betreuung, Beherbergung, Verköstigung und den hiebei üblichen Nebenleistungen bestehen und diese von Körperschaften öffentlichen Rechts bewirkt werden". Gemäß § 6 Abs. 1 Z 25 UStG 1994 gilt diese Befreiung entsprechend für Umsätze von Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen. Soweit die Leistungen der Jugend-, Erziehungs-, Ausbildungs-, Fortbildungs- und Erholungsheime an Personen, die das 27. Lebensjahr nicht vollendet haben, von anderen Rechtsträgern erbracht werden, sieht § 10 Abs. 1 Z 14 UStG 1994 einen ermäßigten Steuersatz vor.
Die genannten Bestimmungen des UStG 1994 lassen erkennen, dass der Gesetzgeber - in Übereinstimmung mit der Verkehrsauffassung und über den engen Begriff des Jugendlichen iSd § 1 Z 2 Jugendgerichtsgesetz 1988 hinaus - im Bereich steuerlicher Begünstigungsbestimmungen auch Personen bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres der "Jugend" zuordnet.
Von diesem Verständnis ausgehend ergibt sich unter Beachtung der in den oben angeführten Gesetzesmaterialien zum KommStG zum Ausdruck gebrachten Absicht des Gesetzgebers, dass Jugendfürsorge iSd § 8 Z 2 KommStG nicht auf Minderjährige beschränkt ist. Die Altersobergrenze liegt vielmehr bei Personen, die das 27. Lebensjahr nicht vollendet haben.
Die belangte Behörde hat somit, weil sie das Betreiben eines Studentenheimes von vornherein nicht als Jugendfürsorge iSd § 8 Z 2 KommStG angesehen hat, soweit die beherbergten Studenten volljährig sind, die Rechtslage verkannt.
Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II 333/2003.
Wien, am 24. Juni 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001150005.X00Im RIS seit
03.09.2004Zuletzt aktualisiert am
16.05.2013