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32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
EStG 1988 §20 Abs1 Z2 litd;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde der C in S, vertreten durch Dr. Wilhelm Sluka und Mag. Hanna Spielbüchler, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Alpenstraße 26, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg (Berufungssenat I) vom 10. Februar 2000, Zl. RV59/1-7/98, betreffend Einkommensteuer 1996 und 1997, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.172,88 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin erzielte in den Streitjahren 1996 und 1997 einerseits Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Vertragslehrerin an der Universität Mozarteum Salzburg und andererseits Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Konzertpianistin und (1996) als Beteiligte an einer Gesellschaft Bürgerlichen Rechtes. Mit ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre machte sie u.a. Aufwendungen für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten geltend.
Das Finanzamt erkannte mit den Einkommensteuerbescheiden 1996 und 1997 u.a. diese Aufwendungen nicht als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten an.
In den dagegen erhobenen Berufungen brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, der Mittelpunkt ihrer Tätigkeit liege mehr als zur Hälfte im Arbeitszimmer, in der Hochschule bestehe für sie keine Möglichkeit zur Vorbereitung und auch für die neben dem Lehrauftrag ausgeübte Konzerttätigkeit müsse sie - wie für jeden Berufsmusiker unerlässlich - zweimal täglich üben. Der Zeitaufwand, den das Üben und die Vorbereitungstätigkeit im Vergleich zum Zeitaufwand für die Unterrichtstätigkeit und für die Konzerte in Anspruch nehme, ergebe eine Nutzung des Arbeitszimmers von weit mehr als 50 %.
Soweit die Berufungen die Aufwendungen für das Arbeitszimmer betrafen, wurden sie vom Finanzamt mit Berufungsvorentscheidungen abgewiesen.
In den Vorlageanträgen wiederholte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen, dass sie keinen Anspruch auf einen Arbeits- oder Dienstraum in der Hochschule habe, vielfältige und unterschiedliche Vorbereitungstätigkeiten für ihre Lehrtätigkeit im Arbeitszimmer zu verrichten habe und hinsichtlich der Einkünfte als Konzertpianistin zur Erhaltung ihres künstlerischen Niveaus zu einem täglichen mehrstündigen Üben gezwungen sei, was ihr mangels Alternativen nur in ihrem Arbeitszimmer möglich sei. Auf Grund der Ausstattung des Arbeitszimmers sei eine private Nutzung dieses Raumes nicht möglich.
In einem Aktenvermerk über eine Besprechung mit der Beschwerdeführerin vom 11. Oktober 1999 hielt das Finanzamt fest, dass die Beschwerdeführerin an der Universität Mozarteum unterrichte und Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit aus Kammermusikauftritten erziele, wobei sie mit Klavier begleite. Die Proben würden bei ihr zu Hause stattfinden. Das Arbeitszimmer müsse eigentlich als "Probenraum" bezeichnet werden.
Mit Schriftsatz vom 18. Jänner 2000 übermittelte die Beschwerdeführerin der belangten Behörde Fotos ihres Arbeitszimmers und eine "erläuternde Kopie des Planes des Arbeitszimmers".
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde den Berufungen der Beschwerdeführerin teilweise statt, erkannte jedoch die geltend gemachten Aufwendungen für das Arbeitszimmer nicht an. Bei der Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens bezeichnete die belangte Behörde die auf den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Fotos des Arbeitszimmers ersichtlichen Gegenstände:
"Ein Bücherschrank (mit privaten Büchern inkl. einer Glasvitrine mit Porzellan und Glasgefäßen), ein Photokasten, eine Glasvitrine mit Ziergläsern, ein Bücherregal (nur auf Plan als solches eingezeichnet, auf Foto nicht ersichtlich), ein Tisch mit sechs Stühlen, ein Klavier mit Hocker, zwei Notenständer, ein geöffneter Geigenkasten mit Geige, ein Streichinstrumentenkasten, ein kleineres und ein größeres Sofa, ein Notenschrank, ein Regal mit CD's und Stereoanlage, ein Regal mit CD's, 2 Ablagetischchen neben dem großen Sofa, verschiedenste Bilder an den Wänden des Zimmers, verschiedenste Blumenstöcke und sonstige Ziergegenstände."
Unstrittig sei, dass das in Rede stehende Arbeitszimmer im Wohnungsverband der Beschwerdeführerin gelegen sei und es sich nicht um eine von vornherein der Betriebs- bzw. Berufssphäre zurechenbare Räumlichkeit handle. Zwar weise das Vorhandensein eines Klaviers und von Streichinstrumenten, Notenständern und Noten einen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit der Beschwerdeführerin auf, in der Aufbewahrung der Bücher und Fotoalben liege jedoch eine private Nutzung vor. Auch die zwei Sofas und der Tisch samt Stühlen würden auf eine private Nutzung des Arbeitszimmers hindeuten. Insgesamt sei das Arbeitszimmer sehr "wohnlich" eingerichtet und stelle keinen nüchternen bzw. nur für die berufliche Tätigkeit erforderlich eingerichteten Arbeitsraum dar. Die meisten Einrichtungsgegenstände seien für einen Wohnraum typische Möbel und würden unter objektiven Gesichtspunkten auf eine private Nutzung hindeuten. Da eine nicht nur ausschließlich berufliche Nutzung gegeben sei, könne der damit im Zusammenhang stehende Aufwand (gemischter Aufwand) nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abgezogen werden.
Darüber hinaus liege der Mittelpunkt der Tätigkeit der Beschwerdeführerin als Lehrerin nicht im häuslichen Arbeitszimmer. Der Mittelpunkt der Tätigkeit eines Musiklehrers sei der Ort der Unterrichtserteilung. Im in Rede stehenden Arbeitszimmer seien keine Schüler unterrichtet worden. Daneben erziele die Beschwerdeführerin Einkünfte als Orchestermusikerin. "Auch hier" liege der Mittelpunkt der Tätigkeit dort, wo die Konzerte gegeben würden. Das Spielen vor Publikum sei das entscheidende. Der Mittelpunkt der Tätigkeit eines Orchestermusikers sei jener Ort, an dem die Konzerte abgehalten werden bzw. das Orchester auftrete. Zweifellos benötige der einzelne Orchestermusiker eine Vorbereitungszeit sowie das gemeinsame Proben eines Orchesters. Auch wenn diese Tätigkeit in einem im Wohnungsverband gelegenen Arbeitszimmer durchgeführt werde, handle es sich dabei um Hilfsleistungen, die mit dem Spielen im Orchester im Zusammenhang stünden. Da das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der genannten Tätigkeiten darstelle, seien die geltend gemachten Aufwendungen nicht anzuerkennen.
Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der vor ihm erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 14. März 2001, B 800/00-11, abgelehnt, und die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. d EStG 1988 in der Fassung des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, dürfen Aufwendungen oder Ausgaben für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer und dessen Einrichtung sowie für Einrichtungsgegenstände in der Wohnung nicht bei den einzelnen Einkünften abgezogen werden. Bildet ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen, sind die darauf entfallenden Aufwendungen und Ausgaben einschließlich der Kosten seiner Einrichtung, abzugsfähig.
Dass das in Rede stehende Arbeitszimmer im Wohnungsverband gelegen ist, ist unstrittig.
Die belangte Behörde spricht dem in Rede stehenden Arbeitszimmer eine nahezu ausschließliche berufliche Nutzung durch die Beschwerdeführerin ab, weil sie darin Bücher und Fotoalben aufbewahrt habe, zwei Sofas, ein Tisch und Stühle auf eine private Nutzung hindeuteten, das Arbeitszimmer insgesamt sehr wohnlich eingerichtet sei und keinen nüchternen und nur für die berufliche Tätigkeit erforderlich eingerichteten Arbeitsraum darstelle. Mit diesen allgemeinen Ausführungen durfte sich die belangte Behörde nicht begnügen, wenn sie dem in Rede stehenden Arbeitszimmer die zumindest nahezu ausschließlich berufliche Nutzung abgesprochen und einen schon vom Abzugsverbot des § 20 Abs. 1 Z 1 und Z 2 lit. a EStG 1988 betroffenen gemischt genutzten Raum angenommen hat.
Die Feststellungen über die Ausstattung des Raumes, die Beschwerdeführerin habe insbesondere im Arbeitszimmer Bücher und Fotoalben aufbewahrt, hat die belangte Behörde der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren nicht vorgehalten. In der Beschwerde trägt die Beschwerdeführerin dazu etwa vor, dass die Fotoalben Fotos und Zeitungsausschnitte enthielten, welche die Konzerttätigkeit der Beschwerdeführerin dokumentierten und daher mit ihrer beruflichen Tätigkeit in unmittelbarem Zusammenhang stünden. Die aufbewahrten Bücher seien ausschließlich für die berufliche Tätigkeit der Beschwerdeführerin als Pianistin und Pädagogin erforderlich (beispielsweise über Formen- und Harmonielehre, musikgeschichtliche Hintergründe, einzelne Komponisten oder literarische Vorlagen zur Liedbegleitung).
Der Mittelpunkt einer Tätigkeit ist nach ihrem materiellen Schwerpunkt zu beurteilen; im Zweifel wird darauf abzustellen sei, ob das Arbeitszimmer in zeitlicher Hinsicht für mehr als die Hälfte der Tätigkeit im Rahmen der konkreten Einkunftsquelle benützt wird (vgl. jüngst etwa das hg. Erkenntnis vom 2. Juni 2004, 2003/13/0166).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist jedenfalls dann, wenn eine Einkunftsquelle den Aufwand für das Arbeitszimmer bedingt, die andere aber nicht, der Mittelpunkt im Sinne des § 20 Abs. 1 Z 2 lit. d EStG 1988 nur aus der Sicht der einen Einkunftsquelle zu bestimmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Mai 2003, 2000/15/0176, mwN).
Die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielte die Beschwerdeführerin als Lehrerin an der Universität Mozarteum am Institut für Tasteninstrumente. Nach den insoweit konkret nicht bekämpften Feststellungen der belangten Behörde unterrichtete die Beschwerdeführerin die Schüler nicht im in Rede stehenden Arbeitszimmer. Dass der Mittelpunkt einer Lehrtätigkeit nicht im im Wohnungsverband gelegenen Arbeitszimmer, sondern an jenem Ort gelegen ist, an dem die Vermittlung von Wissen und technischem Können selbst erfolgt, hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen (zuletzt mit dem ebenfalls einen Klavierlehrer betreffenden hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2003, 99/13/0076).
Auf den von der Beschwerdeführerin hervorgehobenen Grad des Wissens und der Fertigkeiten der Schüler, auf den Unterschied zwischen Vermitteln von Grundkenntnissen des Musizierens durch einen "Musikschullehrer" und - wie im Fall der Beschwerdeführerin -
der "Begleitung auf dem Weg zur künstlerischen Karriere ihrer Studenten zum Konzertfachdiplom" kommt es dabei nicht an. Der belangten Behörde kann daher nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie den Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit hinsichtlich der Einkunftsquelle aus dem Lehrauftrag an der Universität Mozarteum nicht im in Rede stehenden Arbeitszimmer gesehen hat.
Weiters erzielte die Beschwerdeführerin Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Konzertpianistin. Die Beschwerdeführerin stellt darauf ab, dass der überwiegende Zeitaufwand ihrer Tätigkeit durch Üben und Proben in dem in Rede stehenden Arbeitszimmer gelegen sei, wobei der Zeitaufwand für die Darbietung der geübten und geprobten Stücke bei Konzerten und Aufführungen davon überwogen werde.
Die belangte Behörde sieht im Üben und im Proben lediglich Hilfsleistungen, während die Darbietung vor Publikum die "Basis" des Berufes der Beschwerdeführerin darstelle. Die berufliche Tätigkeit einer Konzertpianistin erfordert allerdings ein musikalisches Niveau, welches durch regelmäßige Arbeit am Instrument zu erreichen und zu halten ist. Dergestalt erschöpft sich die Tätigkeit des "Übens und Probens" nicht im Einstudieren eines bestimmten Stückes oder Programmes für ein konkretes Konzert, sondern erfordert eben ein regelmäßiges und dauerhaft ausgeübtes Spielen des Instrumentes, um die künstlerischen Fertigkeiten zu erhalten und zu steigern. Solcherart kann im Beschwerdefall der Mittelpunkt der Tätigkeit einer Konzertpianistin nach der Verkehrsauffassung an dem Ort angenommen werden, an dem sie die überwiegende Zeit an ihrem Instrument verbringt, im Beschwerdefall in dem in Rede stehenden Arbeitszimmer.
Dies hat die belangte Behörde verkannt. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 24. Juni 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001150052.X00Im RIS seit
31.08.2004Zuletzt aktualisiert am
16.05.2013