TE Vwgh Erkenntnis 2004/6/25 2003/18/0345

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Veröffentlicht am 25.06.2004
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
10/13 Amtshaftung Organhaftpflicht Polizeibefugnis-Entschädigung;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AHG 1949 §11 Abs1;
AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
B-VG Art131 Abs2;
VwGG §67;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über den Antrag des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 7. November 2003, Zl. 32 Cg 34/00f, gerichtet auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides des Bundesministers für Inneres vom 3. Jänner 1997, Zl. 307.024/2-III/11/96, betreffend Versagung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz (weitere Parteien gemäß § 64 VwGG:

1. M, vertreten durch Dr. Gabriel Liedermann, Rechtsanwalt in 1100 Wien, Gudrunstraße 143; 2. Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17-19), zu Recht erkannt:

Spruch

Gemäß § 67 VwGG wird festgestellt, dass der Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 3. Jänner 1997, Zl. 307.024/2- III/11/96, rechtswidrig war.

Begründung

I.

1. Am 7. November 2003 hat das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien gemäß § 11 Abs. 1 Amtshaftungsgesetz (AHG) den Antrag gestellt, die Rechtswidrigkeit des im Instanzenzug ergangenen Bescheides des Bundesministers für Inneres vom 3. Jänner 1997, mit dem der Antrag des als weitere Partei erstangeführten (im Folgenden: Kläger), eines Staatsangehörigen von Serbien und Montenegro, vom 7. Dezember 1995 auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufG) abgewiesen wurde, festzustellen.

Diesem Antrag liegt eine auf das AHG gestützte Klage zugrunde, mit der der Kläger gegenüber der Republik Österreich die Kosten für die Erhebung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen den gegenständlichen Bescheid geltend macht.

In der Begründung dieses Antrags führt das Landesgericht aus, der Kläger sei im April 1991 nach Österreich eingereist und habe am 15. April 1992 eine österreichische Staatsangehörige geheiratet. Diese Ehe sei am 17. Februar 1995 einvernehmlich geschieden worden. Am 7. August 1992 sei dem Kläger ein Wiedereinreise-Sichtvermerk mit einer Gültigkeitsdauer bis 30. Juli 1994 erteilt worden. Im Anschluss daran seien ihm Aufenthaltsbewilligungen, zuletzt bis 1. Februar 1996, erteilt worden. Der am 7. Dezember 1995 gestellte weitere Verlängerungsantrag sei vom Landeshauptmann von Wien am 29. Juni 1996 mit der Begründung abgewiesen worden, dass es sich bei der Ehe des Klägers um eine "Scheinehe" gehandelt hätte. Im Berufungsverfahren habe der Kläger mit Schriftsatz vom 9. September 1996 eine Arbeits- und Lohnbestätigung seines Dienstgebers vom 5. September 1996 der Berufungsbehörde vorgelegt.

Der Bundesminister für Inneres habe mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 3. Jänner 1997 die Berufung mit der Begründung abgewiesen, dass es der Kläger trotz Aufforderung vom 11. Oktober 1996 verabsäumt hätte, binnen zwei Wochen eine aktuelle Lohnbestätigung vorzulegen.

Die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde des Klägers sei mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Dezember 1998 für gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt worden, weil der angefochtene Bescheid am 1. Jänner 1998 gemäß § 113 Abs. 6 und 7 Fremdengesetz 1997 ex lege außer Kraft getreten sei.

Das Gericht hege folgende Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des gegenständlichen Bescheides:

Der Bundesminister für Inneres habe den Kläger trotz der am 9. September 1996 vorgelegten aktuellen Lohnbestätigung am 11. Oktober 1996 aufgefordert, einen Unterhaltsnachweis zu erbringen. Zu dieser Vorgangsweise sei die Behörde zwar berechtigt gewesen, jedoch hätte sie die Verletzung der Mitwirkungspflicht des Klägers dem Umstand gegenüberstellen müssen, dass ohnehin eine aktuelle Lohnbestätigung vom 5. September 1996 vorgelegen sei. Eine derartige Beweiswürdigung lasse sich dem gegenständlichen Bescheid nicht entnehmen. Die von der Behörde aus der Nichtvorlage gezogene Schlussfolgerung, dass dem Kläger keine Unterhaltsmittel zur Verfügung stünden, sei durch die der Behörde vorgelegenen Ermittlungsergebnisse nicht gedeckt.

2. Die Finanzprokuratur äußerte sich dahin, dass der gegenständliche Bescheid unabhängig davon, ob eine Lohnbestätigung vom 5. September 1996 vorgelegen sei, nicht rechtswidrig sei. Der Bundesminister für Inneres sei jedenfalls berechtigt gewesen, zur Schaffung einer möglichst aktuellen Entscheidungsgrundlage, den Kläger am 11. Oktober 1996 aufzufordern, binnen zwei Wochen eine aktuelle Lohnbestätigung vorzulegen. Dieser Aufforderung habe der anwaltlich vertretene Kläger nicht entsprochen. Auf Grund dieses Umstandes habe die Behörde vom Bestehen eines unüberwindbaren Hindernisses für die Vorlage einer aktuellen Lohnbestätigung ausgehen können. Zu berücksichtigen sei, dass der Kläger als Arbeiter beschäftigt und daher einer kurzen Kündigungsfrist unterlegen sei. Ohne Vorlage einer aktuellen Lohnbestätigung habe die Behörde daher nicht ohne weiteres davon ausgehen können, dass das bisherige Arbeitsverhältnis noch aufrecht sei.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Bundesminister für Inneres hat den gegenständlichen Bescheid damit begründet, dass der Kläger am 11. Oktober 1996 aufgefordert worden sei, binnen zwei Wochen eine aktuelle Lohnbestätigung vorzulegen, widrigenfalls auf Grund der Aktenlage entschieden werde. Trotz längerem Zuwarten der Behörde sei bis dato keine entsprechende Urkundenvorlage erfolgt. Die Notwendigkeit, in einem ohnedies sensiblen Bereich die weitere Zuwanderung sorgfältig zu steuern, mache es erforderlich, strenge Maßstäbe an die Beurteilung der gesicherten Unterhaltsmittel von Zuwanderern anzulegen. Der Kläger sei offensichtlich nicht in der Lage, eine Lohnbestätigung vorzulegen. Er habe auch keine anderen Unterhaltsmittel vorgewiesen. Aus diesem Grund könne ihm gemäß § 5 Abs. 1 AufG keine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden.

Bei einer Entscheidung gemäß § 5 Abs. 1 AufG habe eine Abwägung der öffentlichen Interessen gegen die privaten Interessen des Fremden stattzufinden. Aus der Aktenlage sei nicht ersichtlich, ob sich Familienangehörige des Klägers im Bundesgebiet aufhielten. Die Abwägung ergebe im vorliegenden Fall, dass den öffentlichen Interessen Priorität einzuräumen sei, weil auf Grund der fehlenden Unterhaltsmittel davon auszugehen sei, dass der Unterhalt des Klägers nicht gesichert sei.

Somit stehe fest, dass die Unterhaltsmittel des Klägers nicht dazu ausreichten, ohne Unterstützung durch Sozialhilfeträger auszukommen.

2. Der im maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides in Geltung gestandene § 5 Abs. 1 AufG lautet:

"Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."

3.1. Nach dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten hat der Kläger mehrere Lohnbestätigungen vorgelegt. Nach diesen Bestätigungen hat er von 15. Juni 1992 bis 3. März 1995, von 10. April 1995 bis 14. Juli 1995, von 1. August 1995 bis zu einem nicht genannten Zeitpunkt nach dem 1. Dezember 1995 gearbeitet und dabei Beträge von S 10.000,-- bis S 16.000,-- netto monatlich verdient (OZ 11, 35, 36, 80). Nach seinem Vorbringen im Amtshaftungsverfahren hat der Kläger überdies eine am 5. September 1996 ausgestellte Arbeits- und Lohnbestätigung dem Bundesminister für Inneres vorgelegt. Eine Kopie dieser Bestätigung - die dem Kläger nach dessen Vorbringen vom Bundesminister aus dem Akt per Fax übermittelt worden sei - sowie eine Ausfertigung des Vorlageschriftsatzes samt Aufgabeschein (Postaufgabe: 9. September 1996) liegen beim Amtshaftungsakt. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen geht davon aus, dass diese Lohnbestätigung tatsächlich der Behörde vorgelegt worden sei. Die Finanzprokuratur wendet sich in ihrer Gegenäußerung nicht konkret dagegen, sondern meint, es könne dahinstehen, ob diese Bestätigung tatsächlich vorgelegt worden sei.

Auf Grund des Umstandes, dass der Kläger eine Kopie dieser Bestätigung sowie eine Ausfertigung des Vorlageschriftsatzes samt dem im Original beigehefteten Aufgabeschein dem Gericht vorgelegt hat, kommt der Verwaltungsgerichtshof zum Ergebnis, dass der Kläger die erwähnte Bestätigung tatsächlich am 9. September 1996 (Postaufgabe) der Behörde vorgelegt hat.

3.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde von sich aus (initiativ) zu belegen, dass er über die zur Bestreitung seines Unterhalts erforderlichen Mittel verfügt. Aufforderungen seitens der Behörde, dieser Darlegungspflicht entsprechend zu handeln, sind demnach ebenso wenig geboten, wie die Durchführung diesbezüglicher amtswegiger Ermittlungen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Behörde nicht berechtigt ist, auch dazu eigene Ermittlungen zu führen und den Fremden aufzufordern, aktuelle Nachweise des zur Verfügung stehenden Einkommens vorzulegen. (Vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. Oktober 2000, Zl. 96/19/2260.)

Anders als in dem dem zitierten Erkenntnis zugrunde liegenden Fall hat sich vorliegend der - anwaltlich vertretene - Kläger über die Aufforderung, eine aktuelle Lohnbestätigung vorzulegen, nicht auf bereits vorliegende noch aktuelle Unterlagen berufen, sondern unstrittig gar nicht reagiert.

Der Bundesminister hat aus diesem Verhalten geschlossen, dass der Kläger nicht in der Lage sei, eine Lohnbestätigung vorzulegen, und daher dessen Lebensunterhalt nicht durch Arbeitseinkommen gesichert sei. Diese Beweiswürdigung begegnet im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof diesbezüglich zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. zum Umfang dieser Befugnis insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken.

Da der Kläger unstrittig nicht über andere Unterhaltsmittel verfügt, kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die gemäß § 5 Abs. 1 AufG erforderliche Voraussetzung der Sicherung des Lebensunterhalts nicht gegeben sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

4. Wie der Bundesminister für Inneres im gegenständlichen Bescheid richtig ausgeführt hat, hat bei der Abweisung eines Antrages gemäß § 5 Abs. 1 AufG eine Abwägung der persönlichen Interessen des Fremden mit den gegenläufigen öffentlichen Interessen stattzufinden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. September 1995, Zl. 95/18/0936).

Die Behörde hat zu den persönlichen Interessen des Klägers lediglich festgehalten, dass aus der Aktenlage der inländische Aufenthalt von Familienangehörigen nicht ersichtlich sei. Dazu ist auszuführen, dass bereits der Verlängerungsantrag des Klägers vom 18. Mai 1995 unter der Rubrik "Sonstiger, genau zu beschreibender Aufenthaltszweck" einen Hinweis auf zwei in Österreich lebende Kinder enthält. Nach der vom Kläger vorgelegten Bestätigung eines Finanzamtes vom 29. Mai 1995 (OZ 37) bezieht er Familienbeihilfe für zwei Kinder. Bei der niederschriftlichen Vernehmung vom 5. Jänner 1996 durch die Erstbehörde hat der Kläger u. a. ausgesagt, dass es deshalb zur Ehescheidung gekommen sei, weil seine Kinder mit den Kindern seiner österreichischen Gattin gestritten hätten. Nach den Feststellungen der Behörde erster Instanz lebten bereits 1991 zwei Kinder des Klägers in Österreich.

Die Ansicht des Bundesministers für Inneres, aus dem Akteninhalt sei nicht ersichtlich, ob sich Familienangehörige im Bundesgebiet aufhielten, stimmt daher mit dem Akteninhalt nicht überein.

Der Kläger befindet sich nach seinem Vorbringen im Verwaltungsverfahren seit April 1991 berechtigt im Bundesgebiet. Am 15. April 1992 hat er eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet; am 17. Februar 1995 ist die Ehe geschieden worden. Nach den vorgelegten Lohnbestätigungen ist der Kläger seit 15. Juni 1992 fast durchgehend beschäftigt.

Selbst wenn man den inländischen Aufenthalt von Kindern des Klägers nicht berücksichtigt, ergeben sich aus der Dauer des erlaubten Aufenthalts von fast sechs Jahren und der annähernd durchgehenden Berufstätigkeit nicht unbeachtliche persönliche Interessen des Klägers am Verbleib im Bundesgebiet.

Diesen persönlichen Interessen steht die aus der Mittellosigkeit resultierende Gefahr der illegalen Mittelbeschaffung und der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft gegenüber. Diese Gefährdung öffentlicher Interessen wird dadurch erheblich relativiert, dass der Kläger ab Juni 1992 nahezu ununterbrochen berufstätig war und jedenfalls noch am 5. September 1996, also vier Monate vor Erlassung des gegenständlichen Bescheides, in einem aufrechten Beschäftigungsverhältnis stand.

Von daher pflichtet der Verwaltungsgerichtshof der Ansicht des Bundesministers für Inneres, die öffentlichen Interessen an der Verweigerung der Aufenthaltsbewilligung überwögen die persönlichen Interessen des Klägers am weiteren Inlandsaufenthalt, nicht bei.

5. Da nach der hg. Rechtsprechung eine Feststellung nach § 11 Abs. 1 AHG trotz des Umstandes, dass der gegenständliche Bescheid zwischenzeitlich ex lege außer Kraft getreten ist, noch Bedeutung haben kann (vgl. das Erkenntnis vom 24. April 2002, Zl. 2002/18/0011), war gemäß § 67 VwGG iVm § 11 Abs. 1 AHG die Rechtswidrigkeit dieses Bescheides festzustellen.

6. Gemäß § 68 VwGG sind die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erwachsenden Kosten solche des Rechtsstreites vor dem antragstellenden Gericht.

Wien, am 15. Juni 2004

Schlagworte

Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2003180345.X00

Im RIS seit

15.07.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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