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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BAO §236 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde des Dr. Johannes D in N, vertreten durch Jarolim/Specht Rechtsanwälte GmbH in 1020 Wien, Obere Donaustraße 63, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur vom 26. November 2003, Zl. 52.630/55-VII/6/2003, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Abschreibung der Studienbeiträge, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der vorliegenden Beschwerde und der dieser angeschlossenen Bescheidausfertigung zufolge wurde mit dem im Devolutionsweg ergangenen Bescheid der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur vom 26. November 2003 der Antrag des Beschwerdeführers "auf Abschreibung der Studienbeiträge gemäß § 236 Abs. 1 der Bundesabgabenordnung" zurückgewiesen. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, beim Studienbeitrag gemäß § 10 Hochschul-Taxengesetz handle es sich im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers um keine Abgabe, mit deren Einhebung Abgabenbehörden des Bundes betraut seien. Mit der Vollziehung des Hochschul-Taxengesetzes sei die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betraut, nicht aber der Bundesminister für Finanzen. Folglich seien die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung hier nicht anwendbar. Da der Beschwerdeführer weder einen Antrag auf Erlass der Studienbeiträge gemäß dem Hochschul-Taxengesetz gestellt, noch entsprechende Gründe vorgebracht, sondern die Anwendung des § 236 Abs. 1 BAO begehrt habe, sei der Antrag zurückzuweisen gewesen.
Die gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde, nachdem dieser deren Behandlung mit Beschluss vom 24. Februar 2004, B 167/04, abgelehnt hatte, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten, der hierüber erwogen hat:
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im "Recht auf Berücksichtigung seiner tatsächlichen (sachlichen und persönlichen) Verhältnisse gemäß § 236 Abs. 1 BAO analog bei Einhebung des Studienbeitrages pro Studiensemester und der daraus resultierenden gänzlichen oder teilweisen Nachsicht durch Abschreibung wegen Unbilligkeit verletzt". Er bringt hiezu im Wesentlichen vor, nach der im Beschwerdefall anzuwendenden Rechtslage sei der Rektor der Universität nur bei Vorliegen der in § 11 Hochschul-Taxengesetz taxativ normierten Gründe ermächtigt, den Studienbeitrag zu erlassen. Es stehe ihm kein rechtliches Instrumentarium zur Verfügung, um im Einzelfall aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen den Studienbeitrag zu erlassen. Insoweit liege eine Gesetzeslücke vor, die durch analoge Anwendung des § 236 Abs. 1 BAO zu schließen sei. Diese analoge Anwendung widerspreche keiner vom Hochschul-Taxengesetz gewollten Beschränkung. Die im Devolutionsweg angerufene belangte Behörde hätte daher in analoger Anwendung des § 236 Abs. 1 BAO die sachlichen und persönlichen Unbilligkeiten im Sinne dieser Bestimmung feststellen und dem Antrag des Beschwerdeführers entsprechen müssen.
Gemäß § 10 Abs. 1 des im vorliegenden Fall anzuwendenden Hochschul-Taxengesetzes 1972, BGBl. Nr. 76/1972 idF BGBl. I Nr. 13/2001, haben Studierende an Universitäten und Universitäten der Künste, welche die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen oder auf die ein völkerrechtlicher Vertrag gemäß § 1 Abs. 2 anzuwenden ist, zu Beginn jedes Semester einen Studienbeitrag in der Höhe von EUR 363,36 pro Semester zu entrichten.
Der Studienbeitrag ist gemäß § 11 Abs. 1 Hochschul-Taxengesetz zu erlassen
1. Studierenden für die Semester, in denen sie nachweislich Studien oder Praxiszeiten im Rahmen von transnationalen EU-, staatlichen oder universitären Mobilitätsprogrammen absolvieren werden;
2. ausländischen Studierenden, deren Heimatstaat oder deren dort zuletzt besuchte Universität Studierenden österreichischer Staatsbürgerschaft ebenfalls den Erlass des Studienbeitrages gewährt;
3. Konventionsflüchtlingen.
Über den Antrag auf Erlass des Studienbeitrages entscheidet gemäß § 11 Abs. 2 Hochschul-Taxengesetz die Rektorin oder der Rektor im Rahmen des Zulassungsverfahrens.
Den Gesetzesmaterialien (RV 311 BlgNR, 21. GP, 249 f) zufolge sollte durch die Festlegung eines Studienbeitrages zur Strukturreform beigetragen werden und eine Angleichung an Europäische Studienbeitragssysteme erfolgen. Studienbeiträge sollten weiters Anreiz zur Einführung von Kostenrechnung und Leistungskennzahlen im Universitätsbereich sein und der Sicherung von Qualität und Wettbewerbsfähigkeit der Universitäten dienen. Zu erwarten sei schließlich - so die Gesetzesmaterialien - eine Effizienzsteigerung des Studienangebotes sowie eine Senkung der Drop-Out-Raten. Als Begleitmaßnahmen werden die Ausweitung der Studienförderung zur Sicherung der sozialen Gerechtigkeit, die Schaffung eines Darlehenssystems, durch welches die Beiträge vorfinanziert werden können, sowie der Ausbau von Leistungsstipendien genannt. Mit der Sicherstellung der Familienbeihilfe und der Erweiterung des Stipendienprogramms werde die soziale Ausgewogenheit garantiert. Ausnahmen von der Leistung der Studienbeiträge seien für Studierende vorgesehen, die auf Grund von EU-Austauschprogrammen in Österreich zum Studium zugelassen würden. Weiters solle der Studienbeitrag bei Gegenseitigkeit sowie für Studierende aus Entwicklungsländern und für Konventionsflüchtlinge entfallen.
Weder der Wortlaut der Bestimmungen des Hochschul-Taxengesetzes noch die Gesetzesmaterialien geben Anlass für die Annahme, der Studienbeitrag könne Studierenden noch in weiteren als den im § 11 Abs. 1 Hochschul-Taxengesetz genannten Fällen erlassen werden. Dies verkennt auch der Beschwerdeführer, der von einer taxativen Aufzählung jener Gründe ausgeht, aus denen der Studienbeitrag erlassen werden könne, nicht. Er meint vielmehr, die gesetzlich fehlende Möglichkeit, auch in weiteren besonders berücksichtigungswürdigen Fällen den Studienbeitrag zu erlassen, stelle eine Lücke im Gesetz dar, die durch analoge Anwendung des § 236 Abs. 1 BAO geschlossen werden müsse.
Der Beschwerdeführer übersieht bei seinem Vorbringen, dass das Fehlen weiterer Gründe für einen Erlass des Studienbeitrages keine Lücke des Gesetzes darstellt, die zulässigerweise durch Analogie geschlossen werden könnte. Analogie ist nämlich nur im Fall einer so genannten "echten Lücke" im Gesetz zulässig, von der dann zu sprechen ist, wenn das Gesetz planwidrig unvollständig geblieben ist (vgl. Walter/Mayer, Bundesverfassungsrecht9 (2000), Rz 136, und die dort zitierte Judikatur). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Das Fehlen der vom Beschwerdeführer vermissten Regelungen lässt am Inhalt des Gesetzes keinerlei Zweifel entstehen. Vielmehr ist ein Erlass des Studienbeitrages nur in den in § 11 Abs. 1 Hochschul-Taxengesetz genannten Fällen zulässig, nicht jedoch in sonstigen Fällen; es findet sich im gegebenen Zusammenhang also kein ungeregelt gebliebener Sachverhalt. Eine analoge Anwendung des § 236 Abs. 1 BAO kommt schon aus diesem Grund nicht in Betracht. Dass aber die für eine Nachsicht des Studienbeitrages vom Beschwerdeführer vorgebrachten Gründe gemäß § 11 Abs. 1 Hochschul-Taxengesetz zum Erlass des Studienbeitrages hätten führen müssen, behauptet die Beschwerde selbst nicht.
Schließlich ist auch das Beschwerdevorbringen, der angefochtene Bescheid sei widersprüchlich, weil in der Bescheidbegründung zwar auf den Nachsichtsantrag des Beschwerdeführers meritorisch eingegangen, dieser aber spruchgemäß zurückgewiesen worden sei, nicht zielführend. In der aufgezeigten Widersprüchlichkeit liegt nämlich keine Verletzung des Beschwerdeführers im geltend gemachten Beschwerdepunkt; im Übrigen bestreitet auch der Beschwerdeführer nicht, dass seinem Nachsichtsbegehren durch den angefochtenen Bescheid - gesamthaft betrachtet - keine Folge gegeben wurde.
Da somit bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 28. Juni 2004
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2004100055.X00Im RIS seit
23.07.2004