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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AMG 1983 §1 Abs1;Beachte
Vorabentscheidungsverfahren:* Ausgesetztes Verfahren: 2001/10/0195 B 27. August 2002 * EuGH-Entscheidung: EuGH 62000CJ0150 5. April 2004Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde der A GmbH in Graz, vertreten durch Dr. Ruth Hütthaler-Brandauer, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Otto-Bauer-Gasse 4/3, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom 13. September 2001, Zl. 333.056/0-IX/B/12/01, betreffend Zulassung gesundheitsbezogener Angaben, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Antrag der beschwerdeführenden Partei vom 18. Juli 2000, für das Produkt "Dr. Böhm Folsäure plus Dragees" im Einzelnen näher angeführte gesundheitsbezogene Angaben zuzulassen, gemäß § 9 Abs. 3 des Lebensmittelgesetzes (LMG) nicht stattgegeben.
Nach der Begründung handle es sich bei dem in Rede stehenden Produkt nach der allgemeinen Verkehrsauffassung um ein Arzneimittel. Das Produkt enthalte auf Grund der vorliegenden
Unterlagen folgende pharmakologisch wirksame Bestandteile: 400 µg
Folsäure pro Dragee. Die Einnahmeempfehlung laute: 1 Dragee täglich. Laut einschlägiger Fachliteratur kämen den Inhaltsstoffen des in Rede stehenden Erzeugnisses im Hinblick auf das vorliegende Produkt zweifelsfrei spezifische pharmakologische Wirkungen zu (siehe u. a. Hager's Handbuch der pharmazeutischen Praxis;
Martindale: The Extra Pharmacopeia; Hunnius: Pharmazeutisches Wörterbuch, usw.). Folsäure sei bei der metaphorischen Übertragung einzelner Kohlenstoffatome beim Aminosäurestoffwechsel und bei der Nukleinsäuresynthese von Bedeutung. Mangel an Folsäure führe zu Störungen bei der Zellteilung und zu Veränderung bei der Proteinsynthese, welche sich besonders bei sich rasch teilenden Zellen auswirke. Gemäß den geltenden Rezeptpflichtbestimmungen unterliege Folsäure ab einer Dosierung von 0,2 mg pro die der Rezeptpflicht. Die oben angeführten pharmakologischen Wirkungen seien auf Grund der qualitativen und quantitativen Zusammensetzung des Produktes auch zu erwarten. Die vorliegende Dosierung bewege sich in jenem Rahmen, der in der erwähnte Fachliteratur zur Vorbeugung und Behandlung entsprechender Mangelkrankheiten beschrieben sei. Das Produkt sei nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als Arzneimittel und in der Folge als zulassungspflichtige Arzneispezialität zu beurteilen. Ein Inverkehrbringen der Ware sei daher erst nach der erfolgten Zulassung als Arzneispezialität statthaft. Eine solche Zulassung liege jedoch nicht vor.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zugrunde, das in Rede stehende (die zur Gruppe der wasserlöslichen B-Vitamine gehörende Folsäure enthaltende) Produkt sei nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als Arzneimittel zu beurteilen. Im Gutachten der zuständigen Fachabteilung und der auf diesem aufbauenden Bescheidbegründung werden (im Wesentlichen) Wirkungen der im gegenständlichen Produkt enthaltenen Substanzen beschrieben, ohne diese Darlegungen zum Gehalt des vorliegenden Produktes an bestimmten Inhaltsstoffen konkret in Beziehung zu setzen; ferner werden die bei Vitaminmangelzuständen im Allgemeinen auftretenden Symptome beschrieben.
Der vorliegende Beschwerdefall gleicht in den für die Entscheidung relevanten Umständen jenem, der bereits mit Erkenntnis vom 18. Mai 2004, Zl. 2004/10/0073, entschieden wurde. Aus den dort dargelegten Gründen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, erweist sich auch der angefochtene Bescheid als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Ebenso wie in dem dem genannten Erkenntnis zu Grunde liegenden Fall beschränkte sich die belangte Behörde nämlich in der entscheidenden Frage nach den Wirkungen des gegenständlichen Produkts auf Grund seiner konkreten quantitativen Zusammensetzung (auch) im angefochtenen Bescheid auf die Annahme, dass "die angeführten pharmakologischen Wirkungen auf Grund der qualitativen und quantitativen Zusammensetzung des Produktes auch zu erwarten sind", und den Hinweis, dass sich die vorliegende Dosierung in jenem Rahmen bewege, der in der angeführten Fachliteratur zur Vorbeugung und Behandlung entsprechender Mangelkrankheiten beschrieben sei.
Aus denselben Erwägungen ist auch der vorliegend angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Kostenersatzverordnung 2003.
Wien, am 28. Juni 2004
Schlagworte
Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelBesondere Rechtsgebiete DiversesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2004100079.X00Im RIS seit
29.09.2004Zuletzt aktualisiert am
29.03.2012