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82/05 Lebensmittelrecht;Norm
FertigpackungsV 1993;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde des Dr. S in Rankweil, vertreten durch Dr. Michael Konzett, Rechtsanwalt in 6700 Bludenz, Fohrenburgstraße 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 29. Mai 2002, Zl. 1-0011/02/E5, betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes 1975, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer einer Übertretung des § 74 Abs. 5 des Lebensmittelgesetzes 1975, BGBl. Nr. 381 (LMG), iVm §§ 1 Abs. 1 und 4 Z. 3 lit. a der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993, BGBl. Nr. 557 (LMKV), schuldig erkannt; über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe in Höhe von EUR 36,34 (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 15 Stunden) verhängt.
Das strafbare Verhalten wurde wie folgt umschrieben:
"(Der Beschwerdeführer) hat in seiner Eigenschaft als gemäß § 9 Abs. 2 VStG bestellter verantwortlicher Beauftragter der Firma R. GmbH, ..., zu verantworten, dass diese Firma am 20.11.2000 um 11.00 Uhr vier Packungen 'R. passierte Tomaten' (Probennummer 184/2000-KLI), abgepackt jeweils in eine 0,5 kg Elopak-Packung (mindestens haltbar bis 30.10.2001 1017L1), durch Lagerung im Auslieferungslager dieser Firma in Verkehr gebracht hat, obwohl die Nettofüllmenge dieser flüssigen Waren, welche ohne weitere Verarbeitung für den Letztverbraucher bestimmt waren, jeweils in Kilogramm ('0,5 kg') anstatt in Liter, Zentiliter und Milliliter angegeben war."
Nach der Begründung habe der Beschwerdeführer in seiner Berufung gegen das Straferkenntnis der Behörde erster Instanz im Wesentlichen die Auffassung vertreten, der Begriff "passierte Tomaten" impliziere weder eine flüssige Beschaffenheit noch werde er mit einem flüssigen Ausgangsprodukt in Verbindung gebracht. Der durchschnittliche Verbraucher denke dabei unwillkürlich an Tomaten. Passierte Tomaten seien eine Zutat zu verschiedensten Speisen und daher in vielen Kochrezepten angeführt. In diesen Rezepten würde die erforderliche Menge an passierten Tomaten gerade nicht in Liter, Milliliter oder Zentiliter, sondern in Kilogramm, Dekagramm oder Gramm angegeben. Der Vergleich des gegenständlichen Produktes mit Trinkjoghurt oder nicht geschlagenem Rahm im Gutachten der Lebensmitteluntersuchungsanstalt sei unzulässig. Der Begriff Trinkjoghurt impliziere die flüssige Beschaffenheit der Ware. Nicht geschlagener Rahm, dessen Konsistenz sich von passierten Tomaten wesentlich unterscheide, werde vom durchschnittlichen Verbraucher immer noch mit dem flüssigen Ausgangsprodukt Milch in Verbindung gebracht.
Nach Wiedergabe der anzuwendenden Rechtsvorschriften verwies die belangte Behörde auf die im gegenständlichen Fall erstatteten Gutachten der Lebensmitteluntersuchungsanstalt. Danach sei das entscheidende Kriterium hinsichtlich der zu deklarierenden Füllmengendimension die Beschaffenheit (Aggregatszustand) der Ware zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens. Eine Flüssigkeit unterscheide sich von sonstigen (festen) Waren dadurch, dass ihre Form veränderlich sei und sich der Form des jeweiligen Gefäßes anpasse. Genau diese, für eine Flüssigkeit typischen Eigenschaften besitze auch das gegenständliche Produkt. Dieses werde laut Befund der Lebensmitteluntersuchungsanstalt auch als "rotbraune Flüssigkeit" beschrieben. Ein "zähflüssiges Püree aus Tomaten" habe zum Zeitpunkt der Untersuchung jedenfalls nicht festgestellt werden können. Nach Auffassung der Lebensmitteluntersuchungsanstalt handle es sich bei dem gegenständlichen Produkt daher um ein flüssiges Erzeugnis. Soweit der Beschwerdeführer auf die Deklaration in Kochbüchern verweise, sei ihm zu erwidern, dass die Lebensmittelkennzeichnungsverordnung bei der Deklaration der Nettofüllmenge keine Orientierung an Kochbüchern vorsehe. Dem weiteren Vorbringen, nach der Definition der Lebensmitteluntersuchungsanstalt wären auch Ketchup, Senf oder gar Streichwürste Flüssigkeiten, weil diese veränderlich seien und sich der Form ihrer Verpackung anpassten, sei zu entgegnen, dass es sich bei diesen Produkten um feste Waren handle.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 1 Abs. 1 LMKV ist diese Verordnung auf alle verpackte Waren gemäß den §§ 2 und 3 LMG 1975 (Lebensmittel und Verzehrprodukte), die - ohne weitere Verarbeitung - für den Letztverbraucher bestimmt sind, anzuwenden.
Gemäß § 4 Z. 3 lit. a LMKV sind verpackte Waren wie folgt zu kennzeichnen:
"Die Nettofüllmenge der zur Verpackung gelangenden Ware nach metrischem System; bei flüssigen Waren nach Liter, Zentiliter oder Milliliter, bei sonstigen Waren nach Kilogramm oder Gramm."
Gemäß § 74 Abs. 5 LMG macht sich, sofern die Tat nicht nach den §§ 56 bis 64 oder nach anderen Bestimmungen einer strengeren Strafe unterliegt, einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu EUR 3.600,-
- zu bestrafen, wer u.a. den Bestimmungen einer auf Grund des § 19 erlassenen Verordnung (bei der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993 handelt es sich um eine solche Verordnung) zu wider handelt.
Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Produkt ("passierte Tomaten") um eine flüssige Ware nach § 4 Z. 3 lit. a der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993 handelt.
Dem begegnet die Beschwerde - wie bereits im Verwaltungsverfahren - mit dem Vorbringen, dass die "Handelsüblichkeit eine Deklaration in Kilogramm oder Gramm erforderlich" mache. Passierte Tomaten stellten eine Zutat zu den verschiedensten Speisen dar. In dieser Eigenschaft würden sie in vielen Kochbüchern und Kochrezepten nicht in Liter, Zentiliter oder Milliliter, sondern in Dekagramm oder Gramm angegeben. Kochbücher und Kochrezepte seien ein wichtiger Hinweis für die Handelsüblichkeit der Deklaration. Sie zeigten deutlich, dass die im Beschwerdefall vorgenommene Art der Deklaration für passierte Tomaten handelsüblich sei.
Für die Abgrenzung von "flüssigen" und "festen" Waren wird zunächst auf die Aufzählung in der Fertigpackungsverordnung, BGBl. Nr. 867/1993, zurückgegriffen werden können. Enthält diese - wie im Beschwerdefall - keine Nennung des jeweiligen Produktes, so ist die allgemeine Verkehrsauffassung heranzuziehen (vgl. Barfuß ua, Lebensmittelrecht2, Kommentar zu § 4 der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993, S. 77).
Danach ist aber nicht zweifelhaft, dass Tomaten, also Früchte mit einem sehr hohen Wassergehalt, die zerkleinert und durch ein Sieb gepresst ("passiert") werden, eine "flüssige" Ware darstellen. Dafür spricht auch der Befund der Lebensmitteluntersuchungsanstalt vom 26. April 2001, in dem das gegenständliche Produkt u.a. als "rotbraune Flüssigkeit" beschrieben wird. Der Angabe nach Dekagramm oder Gramm in Kochbüchern bzw. Kochrezepten kommt im gegebenen Zusammenhang für die Deklaration nach der LMKV keine Bedeutung zu.
Auf das Vorbringen, im gesamten Verwaltungsstrafverfahren finde sich kein Hinweis darauf, ob und gegebenenfalls wann und wie der Beschwerdeführer gemäß § 9 Abs. 2 VStG zum verantwortlichen Beauftragten bestellt worden sei, ist zu erwidern, dass dem Beschwerdeführer mit Schreiben der belangten Behörde vom 15. Mai 2002 mitgeteilt worden ist, dass ihm mit amtsbekannter Bestellungsurkunde vom 26. Mai 1993 die Verantwortlichkeit für die Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Vorschriften übertragen worden ist. Der Beschwerdeführer hat sich zu diesem Schreiben nicht geäußert. Auch in der Beschwerde behauptet er nicht, für die gegenständliche Verwaltungsübertretung nicht verantwortlich zu sein.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Kostenersatzverordnung 2003.
Wien, am 28. Juni 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2002100109.X00Im RIS seit
29.07.2004