TE Vwgh Erkenntnis 2004/6/28 2000/10/0102

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Veröffentlicht am 28.06.2004
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E1E;
E3L E06202020;
E3R E15204000;
59/04 EU - EWR;
82/05 Lebensmittelrecht;

Norm

11997E043 EG Art43;
11997E049 EG Art49;
11997E249 EG Art249 Abs2;
31991R2092 LebensmittelkennzeichnungsV ökologischer Landbau Art9 Abs5 litc;
31991R2092 LebensmittelkennzeichnungsV ökologischer Landbau Art9 Abs6 litd;
31991R2092 LebensmittelkennzeichnungsV ökologischer Landbau Art9 Abs8 lita;
32000L0012 Kreditinstitute-RL Art22 Abs4;
32000L0012 Kreditinstitute-RL Art27;
32000L0012 Kreditinstitute-RL Art28;
32000L0012 Kreditinstitute-RL Art29;
32000L0012 Kreditinstitute-RL Art56 Abs7;
EURallg;
LMG 1975 §10 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde der Gesellschaft für R mbH in Göttingen, vertreten durch Hanspeter Schmidt, Rechtsanwalt in D- 97102 Freiburg, Sternwaldstraße 6a (Einvernehmensrechtsanwalt:

Dr. Ruth E. Hütthaler-Brandauer in 1060 Wien, Otto-Bauer-Gasse 4/3), gegen den Bescheid der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen vom 28. April 2000, Zl. 31.901/41- IX/B/12/00, betreffend Zulassung als private Kontrollstelle, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Gesellschaft hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der beschwerdeführenden Gesellschaft, einer in Deutschland zugelassenen privaten Kontrollstelle, wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 6. Juli 1999 die Zulassung als private Kontrollstelle (in Österreich) unter Berufung auf § 10 Abs. 4 des Lebensmittelgesetzes 1975, BGBl. Nr. 86 (LMG 1975), in Verbindung mit Art. 9 Abs. 6 lit. d der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 (in der Folge: Verordnung) entzogen. Gleichzeitig erfolgte die Streichung aus dem vom Landeshauptmann von Oberösterreich zu führenden Verzeichnis der privaten Kontrollstellen.

Nach der Begründung sei die beschwerdeführende Gesellschaft mit Schreiben des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 23. Dezember 1994 mit dem Standort Hohenbrunn 4, A- 4490 St. Florian bei Linz, in das vom Landeshauptmann von Oberösterreich zu führende Verzeichnis der privaten Kontrollstellen gemäß Kapitel A 8, Teilkapitel A, Abs. 16 und 32 des Österreichischen Lebensmittelbuches3, aufgenommen worden. Diese seinerzeitige Aufnahme nach den Bestimmungen des Österreichischen Lebensmittelbuches entspreche einer Aufnahme gemäß Art. 9 der Verordnung. Genehmigungs-, Zulassungs-, Untersagungs- oder Anmeldeverfahren seien nach § 10 Abs. 4 LMG 1975 idF BGBl. I Nr. 63/1998 vom Landeshauptmann durchzuführen. Das seinerzeitige Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass am genannten Standort die Voraussetzungen für die Aufnahme in das genannte Verzeichnis der privaten Kontrollstellen vorgelegen seien. Im Zuge des Verfahrens betreffend das Vorliegen einer gültigen Akkreditierung sei nunmehr allerdings festgestellt worden, dass am Standort lediglich ein Telefonbanddienst vorhanden sei. Eine geeignete personelle, administrative und technische Ausstattung sowie Erfahrungen bei der Kontrolle und Zuverlässigkeit im Sinne des Art. 9 Abs. 5 lit. c der Verordnung seien somit nicht mehr gegeben.

Die von der beschwerdeführenden Gesellschaft gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit dem angefochtenen der belangten Behörde als unbegründet abgewiesen. Nach der Begründung müsse eine private Kontrollstelle, die in Österreich tätig werden möchte, hier auch über einen Sitz oder eine Niederlassung verfügen. Dies ergäbe sich im Wesentlichen aus den Bestimmungen des Art. 9 Abs. 5 und 6 der Verordnung. Danach müssten private Kontrollstellen unter anderem als Zulassungskriterium über eine geeignete personelle, administrative und technische Ausstattung verfügen. Die zugelassenen Kontrollstellen hätten der zuständigen Behörde ferner zu Inspektionszwecken Zugang zu ihren Diensträumen und Einrichtungen zu gewähren. Daraus sei eine "Präsenzpflicht" der Kontrollstellen im jeweiligen Mitgliedstaat abzuleiten, um die Einhaltung der in Art. 9 Abs. 5, 7, 8, 9 und 11 angeführten Pflichten der Kontrollstellen durch die zuständige Behörde des jeweiligen Mitgliedstaates gewährleisten zu können. Eine in Deutschland zugelassene Kontrollstelle unterliege zwar in Deutschland der Kontrolle der zuständigen deutschen Behörden, diese könnte jedoch nicht die Einhaltung der Pflichten der Kontrollstelle gegenüber den ihr in Österreich unterstehenden Unternehmen überprüfen. Umgekehrt könnten die aus der Verordnung ableitbaren Pflichten der privaten Kontrollstelle gegenüber der zuständigen Behörde (in Österreich), z.B. Zugang zu den Diensträumen zu Inspektionszwecken und Einrichtungen, Auskunft und Unterstützung, Datenübermittlung, von dieser bei einer im Ausland ansässigen Kontrollstelle weder überwacht noch durchgesetzt werden.

Dem Vorbringen der beschwerdeführenden Gesellschaft, die Auffassung der belangten Behörde laufe auf eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs hinaus, begegnete diese in ihrer Begründung mit dem Argument, dass die Tätigkeit privater Kontrollstellen zur Ausübung der öffentlichen Gewalt zähle (Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 21. 6. 1974, Rs 2/74, Reyners, Slg. 1974, Rnr. 45). Alle Betriebe, die Produkte erzeugten, aufbereiteten, einführten oder vermarkteten, die als Erzeugnisse aus ökologischem Landbau gekennzeichnet seien, müssten sich einem routinemäßigen Kontrollverfahren unterziehen, das den gemeinschaftlichen Mindestanforderungen entspreche und von den zuständigen Kontrollgremien und/oder zugelassenen und überwachten privaten Stellen durchgeführt werde. Zu diesem Zweck räume die Verordnung den Kontrolleinrichtungen zahlreiche Befugnisse gegenüber den erwähnten Betrieben ein. Gemäß Art. 9 Abs. 3 der Verordnung umfasse das Kontrollverfahren mindestens die im Anhang III angeführten Kontrollanforderungen. Danach seien etwa mindestens einmal jährliche Besichtigungen der Betriebseinheit, (zwingende) Probenahmen, Auskunftspflicht des Unternehmens, Einsicht in die Betriebsführung und dergleichen vorgesehen. Die Verordnung räume im Anhang I Kontrolleinrichtungen auch die Befugnis zu Erteilung diverser Ausnahmegenehmigungen ein. Von den Kontrolleinrichtungen wahrgenommene Unregelmäßigkeiten bzw. Verstöße könnten zu Sanktionen gegenüber den Kontrollunterworfenen führen (z.B. Art. 9 Abs. 9, Art. 10 Abs. 3). Die Aufgaben der privaten Kontrollstellen seien daher typisch für eine staatliche Tätigkeit. Die Verordnung sehe die Vollziehung im Rahmen der Hoheitsverwaltung des Bundes vor und könne daher im Hinblick auf das Territorialitätsprinzip nicht auf Einrichtungen angewandt werden, die ihren Sitz außerhalb Österreichs hätten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Dem angefochtenen Bescheid liegt - zusammengefasst - die Auffassung zugrunde, private Kontrollstellen müssten nach der Verordnung über eine geeignete personelle, administrative und technische Ausstattung verfügen, da sie verpflichtet seien, der zuständigen Behörde zu Inspektionszwecken Zugang zu ihren Diensträumen und Einrichtungen zu gewähren. Schon daraus sei abzuleiten, dass die private Kontrollstellen im jeweiligen Mitgliedstaat einen Sitz oder eine Niederlassung haben müsse. Die Verordnung räume privaten Kontrollstellen gegenüber den kontrollierten Unternehmen auch eine Reihe von Befugnissen ein, die als Ausübung öffentlicher Gewalt anzusehen seien. Daher sei eine Ausnahme von der Dienstleistungsfreiheit gegeben.

Die beschwerdeführende Gesellschaft vertritt demgegenüber die Auffassung, der angefochtene Bescheid verletze sie in ihrem Recht auf Teilnahme am freien gemeinschaftlichen Dienstleistungsverkehr. Die belangte Behörde übersehe, dass die private Kontrollstelle aufgrund privatrechtlicher Verträge mit den kontrollierten Unternehmungen tätig werde. In diesem Vertrag lasse sie sich bestimmte Rechte einräumen. Die private Kontrollstelle erteile keine Ausnahmegenehmigungen im Sinn einer hoheitlichen Erlaubnis, von einer gesetzlichen Norm abzuweichen. Werde etwa der Umstellungszeitraum für den ökologischen Landbau bei Vorliegen bestimmter Umstände verkürzt, so handle es sich dabei um die "sachverständige Feststellung", dass die Voraussetzungen im konkreten Fall aufgrund agrarökologischer Gegebenheiten vorlägen. Treffe die private Kontrollstelle bei Feststellung von Unregelmäßigkeit hinsichtlich der Durchführung der Art. 5, 6 und 7 der Verordnung bestimmte Anordnungen nach Art. 9 Abs. 9 und 10 Abs. 3, dass etwa das kontrollunterworfene Unternehmen die erfolgte Zertifizierung nicht zur Vermarktung einer bestimmten Partie verwenden dürfen, so stelle auch dies keinen hoheitlichen Eingriff, sondern "Gestaltungen und Vorgaben im Rahmen des Kontrollvertragsverhältnisses" dar. Die beschwerdeführende Gesellschaft sei auch (bereits) durch Bescheid der Bezirksregierung Lüneburg vom 20. November 1997 (im Gebiet des Landes Niedersachsen) als private Kontrollstelle zugelassen. Dabei seien die Bedingungen des Art. 9 Abs. 11 der Verordnung als erfüllt angesehen worden.

Die im Beschwerdefall maßgebliche Rechtslage stellt sich wie

folgt dar:

§ 10 Abs. 4 LMG 1975 bestimmt:

"(4) Bei nachstehendem unmittelbar anwendbarem Recht der Europäischen Gemeinschaft sind Genehmigungs-, Zulassungs-, Untersagungs- oder Anmeldeverfahren vom Landeshauptmann durchzuführen:

Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 vom 24. Juni 1991 über den ökologischen

Landbau und die entsprechende

Kennzeichnung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und Lebensmittel (ABl. Nr. L 198 vom 22. 7. 1991) samt Änderungsverordnungen und Durchführungsvorschriften.

Der Landeshauptmann hat dem Bundeskanzler alle Informationen über seine Vollzugstätigkeit gemäß diesem Absatz zu übermitteln, die dieser zur Information der anderen Landeshauptmänner oder zur Weiterleitung an die Kommission der Europäischen Gemeinschaft benötigt."

Art. 9 der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 des Rates lautet auszugsweise:

"(1) Die Mitgliedstaaten schaffen ein Kontrollverfahren, das von einer oder mehreren hierfür bestimmten Kontrollbehörden und/oder von zugelassenen privaten Kontrollstellen durchzuführen ist und dem die Unternehmen, die Erzeugnisse gemäß Artikel 1 erzeugen, aufbereiten oder aus Drittländern einführen, unterstellt werden.

(2) Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, damit einem Unternehmen, das die Bestimmungen dieser Verordnung einhält und seinen Beitrag zu den Kosten der Kontrollmaßnahmen entrichtet, sichergehen kann, in das Kontrollsystem einbezogen zu werden.

(3) Das Kontrollverfahren umfasst mindestens die in Anhang III aufgeführten Kontrollanforderungen und Vorkehrungen.

(4) Im Falle der Durchführung der Kontrollregelung durch private Kontrollstellen bestimmen die Mitgliedstaaten eine Behörde zur Zulassung und Überwachung dieser Stellen.

(5) Die Zulassung einer privaten Kontrollstelle durch die Mitgliedstaaten geschieht nach Maßgabe folgender Kriterien:

a) Standardkontrollprogramm der Stelle mit ausführlicher Beschreibung der Kontrollmaßnahmen und Vorkehrungen, die die Stelle den von ihr kontrollierten Unternehmen zur Auflage macht;

b) von der Stelle für den Fall von Unregelmäßigkeiten und/oder Verstößen erwogene Sanktionen;

c) geeignete personelle, administrative und technische Ausstattung sowie Erfahrung bei der Kontrolle und Zuverlässigkeit;

d) Objektivität der Kontrollstelle gegenüber den ihrer Kontrolle unerstehenden Unternehmen.

(6) Nach Zulassung einer Kontrollstelle hat die zuständige Behörde folgende Aufgaben:

a) Gewährleistung der Objektivität der von dieser Stelle durchgeführten Kontrollen;

b)

Überprüfung der Wirksamkeit der Kontrolle;

c)

Erfassung der festgestellten Unregelmäßigkeiten und/oder Verstöße und verhängten Sanktionen;

              d)              Entzug der Zulassung einer Kontrollstelle, falls sie die Anforderungen der Buchstaben a) und b) oder die Kriterien des Absatzes 5 nicht mehr oder die Anforderungen der Absätze 7, 8, 9 und 11 nicht erfüllt.

(6a) Vor dem 1. Januar 1996 erteilen die Mitgliedstaaten jeder gemäß den Bestimmungen dieses Artikels anerkannten oder benannten Kontrollstelle oder -behörde eine Codenummer. Sie informieren darüber die anderen Mitgliedstaaten und die Kommission, die diese Codenummern in der in Artikel 15 Unterabsatz 3 genannten Liste veröffentlichen wird.

(7) Die Kontrollbehörde und die zugelassenen Kontrollstellen nach Absatz 1

a) gewährleisten, dass in den von ihnen kontrollierten Unternehmen mindestens die in Anhang III aufgeführten Kontrollmaßnahmen durchgeführt und die entsprechenden Vorkehrungen getroffen werden;

b) geben keinen anderen Personen als der für das Unternehmen verantwortlichen Person und den zuständigen staatlichen Stellen Einblick in die Informationen und Daten, von denen sie bei ihrer Kontrolltätigkeit Kenntnis erhalten.

(8) Die zugelassenen Kontrollstellen

a) gewähren der zuständigen Behörde zu Inspektionszwecken Zugang zu ihren Diensträumen und Einrichtungen und sind in dem Maße auskunfts- und unterstützungspflichtig, wie dies der zuständigen Behörde zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach dieser Verordnung geboten erscheint;

b) übermitteln der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats alljährlich spätestens am 31. Januar ein Verzeichnis der Unternehmen, die am 31. Dezember des Vorjahres ihrer Kontrolle unterstanden haben und legen ihr alljährlich einen zusammenfassenden Bericht vor.

(9) Die Kontrollbehörde und die Kontrollstellen nach Absatz 1 müssen

a) bei Feststellung einer Unregelmäßigkeit hinsichtlich der Durchführung der Artikel 5 und 6 bzw. der Maßnahmen des Anhangs III die Hinweise auf den ökologischen Landbau nach Artikel 2 von der gesamten von der Unregelmäßigkeit betroffenen Partie oder Erzeugung entfernen lassen;

b) bei Feststellung eines offenkundigen Verstoßes oder eines Verstoßes mit Langzeitwirkung dem betreffenden Unternehmen die mit Hinweisen auf den ökologischen Landbau verbundene Vermarktung von Erzeugnissen für die Dauer einer mit der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats zu vereinbarenden First untersagen.

(10) Folgende Bestimmungen können nach dem Verfahren des Artikels 14 erlassen werden:

a) die Durchführungsbestimmungen für die Anforderungen nach Absatz 5 und die Maßnahmen nach Absatz 6;

b) die Durchführungsbestimmungen für die Maßnahmen nach Absatz 9.

(11) Ab dem 1. Januar 1998 müssen die zugelassenen Kontrollstellen unbeschadet der Absätze 5 und 6 die Bedingungen der Norm EN 45011 erfüllen.

(12) ..."

Gemäß Art. 249 Abs. 2 EG sind Verordnungen des Rates und der Kommission Rechtsakte, welche allgemeine Geltung haben, in allen Teilen verbindlich sind und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gelten. Eines mitgliedstaatlichen Aktes der Rezeption (Inkorporation, Transformation, Adoption oder dgl.) bedarf es nicht. Verordnungen sind damit unmittelbar Quelle von Rechten und Pflichten für alle diejenigen, die sie betreffen, einerlei ob es sich um die Mitgliedstaaten oder um Einzelpersonen handelt (vgl. z.B.  Fischer/Köck/Karollus, Europarecht4 , Rz 1254 ff).

Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass der beschwerdeführenden Gesellschaft mit dem angefochtenen Bescheid unter Berufung auf Art. 9 Abs. 6 lit. d der Verordnung die Zulassung als private Kontrollstelle in Österreich entzogen worden ist, da sie am Standort in Hohenbrunn außer einem Tonbanddienst über keine personelle, administrative und technische Ausstattung (mehr) verfüge. Die beschwerdeführende Gesellschaft ist den Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde weder im Verwaltungsverfahren noch im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof entgegengetreten. Diese sind daher auch der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zugrunde zu legen.

Nach dem oben wiedergegebenen Art. 9 Abs. 8 lit. a der Verordnung hat eine zugelassene Kontrollstelle der zuständigen Behörde zu Inspektionszwecken Zugang zu ihren Diensträumen und Einrichtungen zu gewähren. Schon daraus folgt das Erfordernis einer bestimmten organisatorischen Mindeststruktur der Kontrollstelle in dem Mitgliedstaat, der die Zulassung (und deren Entzug) auszusprechen hat, wie sich nicht zuletzt aus einem Vergleich mit dem im Gemeinschaftsrecht in anderen Zusammenhängen üblichen Sprachgebrauch ergibt. Es wird bei der Regelung wirtschaftlicher Tätigkeiten unter dem Gesichtspunkt der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit regelmäßig zwischen den Behörden des Herkunftsstaates und den Behörden des Aufnahmestaates unterschieden. Darüber hinaus sind Befugnisse, die die Organe eines Mitgliedsstaates auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaates ausüben dürfen, ausdrücklich einzuräumen. So ist etwa bei der Regelung der Aufsicht über Kreditinstitute in der Richtlinie 2000/12/EG über die Aufnahme und die Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute ausdrücklich von den "Befugnissen der zuständigen Behörde des Aufnahmemitgliedsstaates" die Rede, wenn im Zusammenhang mit der Ausübung der Dienstleistungsfreiheit oder der Niederlassungsfreiheit eine andere Behörde als jene des Herkunftsstaates tätig werden kann (vgl. Art. 22 der Richtlinie 2000/12/EG über die Aufnahme und die Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute; ferner auch Art. 27 sowie Art. 28 dieser Richtlinie über die Zuständigkeit des Aufnahmemitgliedstaates und die Zusammenarbeit bei der Aufsicht). Da in der vorliegenden Verordnung keine derartige Differenzierung enthalten ist und für das Tätigwerden von Organen eines Mitgliedsstaates auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaates eine ausdrückliche Grundlage vorhanden sein müsste (vgl. z.B. hinsichtlich der Zustellung der erforderlichen Schriftstücke Art. 22 Abs. 4 der Richtlinie 2000/12/EG über die Aufnahme und die Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute und hinsichtlich der Vorortkontrolle bzw. der Nachprüfung von Information Art. 29 und Art. 56 Abs. 7 dieser Richtlinie), die in der vorliegenden Verordnung nicht enthalten ist, ergibt sich, dass die Verordnung davon ausgeht, dass die ausgesprochene organisatorische Mindeststruktur auf dem Hoheitsgebiet des Staates, in dem die Zulassung vorgenommen wird, bestehen muss.

Mit dem Erfordernis einer geeigneten personellen, administrativen und technischen Ausstattung gemäß Art. 9 Abs. 5 lit. c der Verordnung in dem Mitgliedstaat, in dem die Kontrolltätigkeit ausgeübt wird, wird nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes auch ein eine allfällige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigendes Ziel verfolgt. Ob die von der privaten Kontrollstelle entfaltete Tätigkeit mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden ist, kann daher in diesem Zusammenhang dahin stehen. Die Anregung in der Beschwerde auf Vorlage zur Vorabentscheidung gemäß Art. 234 EG war somit nicht aufzugreifen.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Kostenersatzverordnung 2003.

Wien, am 28. Juni 2004

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4 Gemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5 Gemeinschaftsrecht Verordnung unmittelbare Anwendung EURallg5/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2000100102.X00

Im RIS seit

09.08.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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