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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
ARHG §64;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde des S, derzeit in Strafhaft in den USA, vertreten durch Dr. Johannes Hock sen. und Dr. Johannes Hock jun., Rechtsanwälte in 1010 Wien, Stallburggasse 4, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 18. November 1998, Zl. 1.23363/91-IV1/98, betreffend Ersuchen um Vollstreckung einer ausländischen strafgerichtlichen Entscheidung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer wurde in den Vereinigten Staaten von Amerika wegen organisierten Gelderwerbes durch gesetzwidrige Mittel, Geldwäsche und anderer Anklagepunkte, die sich aus seiner Führungsrolle in einer Organisation ergaben, welche zwischen 1986 und 1991 weit über 100 Millionen US-Dollar Drogengeld gewaschen hat, von einer Jury des Distriktgerichtes der Vereinigten Staaten für den Bezirk Rhode Island schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 660 Jahren verurteilt.
Im Zuge dieses Strafverfahrens begehrte das Bundesgericht erster Instanz der Vereinigten Staaten von Amerika für Rhode Island bei dem hiefür zuständigen Strafbezirksgericht Wien, Vermögenswerte, die aus bezughabenden Rauschgiftgeschäften stammten, als Beweismittel für das anhängige Strafverfahren sicherzustellen. Das Bezirksgericht Wien kam diesem Ersuchen mit Beschluss vom 10. Februar 1992 nach, aufgrund dessen in den Tresorfächern einer näher genannten Firma in Wien insbesondere Bargeld, Inhaberobligationen und Bankguthaben im Wert von rund 60 Millionen Schilling beschlagnahmt wurden.
In Entsprechung eines weiteren förmlichen Ersuchens des genannten US-Gerichtes vom 17. August 1992 um Rückgabe der beschlagnahmten Vermögenswerte an die Vereinigten Staaten als Beweismittel in einem Strafverfahren verfügte das Strafbezirksgericht Wien mit Beschluss vom 10. November 1992 die gewünschte Ausfolgung an einen Vertreter der US-Botschaft unter der akzeptierten Bedingung, dass die Vermögenswerte als Beweismittel gegen den Beschwerdeführer verwendet werden dürfen und diese nach Abschluss des Verfahrens wieder an das Strafbezirksgericht Wien im Original zurückzustellen seien.
Am 12. Mai 1993 entschied das genannte US-Gericht in einer zur Gänze in Anwesenheit des Beschwerdeführers durchgeführten Verhandlung, dass der Genannte alle im Rahmen der Verschwörung einer Geldwäsche unterzogenen Gelder verwirken solle und setzte den zu beschlagnahmenden Betrag mit US-Dollar 136,344.231,86 fest.
Am 30. August 1993 erging bezüglich verschiedener, im Einzelnen aufgezählter Vermögenswerte (darunter auch die in Österreich beschlagnahmten) eine vorläufige Beschlagnahmeverfügung, kraft derer der Beschwerdeführer jegliche eventuell bestehenden Interessen an den besagten Aktivvermögenswerten verwirkte.
Einer vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung wurde vom US-Court of Appeals nicht Folge gegeben. Am 25. März 1996 lehnte es der US-Supreme Court als Höchstgericht ab, diese Entscheidung zu überprüfen.
Mit Note vom 18. Dezember 1997 hat das US-Department of Justice dem Bundesministerium für Justiz ein Rechtshilfeersuchen des US-Distriktgerichtes für den Bezirk Rhode Island vom 9. Dezember 1997 übermittelt, in dem um die Übernahme der Vollstreckung der endgültigen Beschlagnahmeverfügung ("Final Order of Forfeiture") dieses Gerichts vom 7. November 1997 ersucht wurde.
Dieses Ersuchen wurde mit Erlass des Bundesministeriums für Justiz vom 23. Jänner 1998 der Oberstaatsanwaltschaft Wien zur Einleitung eines Verfahrens nach § 66 des Gesetzes über die Auslieferung und die Rechtshilfe in Strafsachen, BGBl. Nr. 529/1979 (Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz - ARHG), bei dem gemäß § 67 Abs. 1 ARHG zuständigen Landesgericht für Strafsachen Wien übersendet.
Der durch einen Rechtsanwalt vertretene Beschwerdeführer begehrte darauf hin mit einem an das Bundesministerium für Justiz gerichteten "Antrag gemäß § 66 ARHG" vom 30. März 1998 den Ausspruch, dass "der Bundesminister für Justiz das genannte Rechtshilfeersuchen des United States District Court for the District of Rhode Island als zur gesetzmäßigen Behandlung ungeeignet ablehnt und die Zustellung dieser Ablehnung und aller Verfügungen in diesem Vorprüfungsverfahren an den ausgewiesenen Vertreter des Antragstellers verfügt".
Das Bundesministerium für Justiz teilte dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 7. Mai 1998 mit, dass die Staatsanwaltschaft Wien beim Landesgericht für Strafsachen Wien bereits am 2. Februar 1998 den Antrag gestellt habe, ein Verfahren zur Übernahme der Vollstreckung der amerikanischen Verfallsentscheidung einzuleiten und auch aus diesem Grund eine Entscheidung des Bundesministeriums für Justiz auf Ablehnung des amerikanischen Vollstreckungsersuchens nach § 66 Abs. 1 zweiter Satz ARHG nicht in Betracht komme.
Mit einem weiteren Antrag vom 12. Mai 1998 begehrte der Beschwerdeführer die "bescheidmäßige Erledigung" seines Antrages vom 30. März 1998.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 18. November 1998 traf der Bundesminister für Justiz (belangte Behörde) folgenden Ausspruch:
"Aufgrund Ihres Antrages vom 12. Mai 1988" (richtig: 1998) "für (den Beschwerdeführer) auf Erlassung eines Bescheides des Inhalts, dass das Bundesministerium für Justiz das genannte Rechtshilfeersuchen des United States District Court for the District of Rhode Island vom 9. Dezember 1997 als zur gesetzmäßigen Behandlung ungeeignet ablehnt und die Zustellung dieser Ablehnung und aller Verfügungen in diesem Vorprüfungsverfahren an den ausgewiesenen Vertreter des Antragstellers verfügt, wird kein Bescheid erlassen."
Nach der Begründung komme dem Antrag auf bescheidmäßige Entscheidung durch Ablehnung der Weiterleitung der Unterlagen an das zuständige Gericht keine Berechtigung zu. Gemäß § 67 Abs. 1 ARHG entscheide über ein Ersuchen um Vollstreckung einer ausländischen vermögensrechtlichen Anordnung der Gerichtshof erster Instanz durch Beschluss. Nach § 66 erster Satz ARHG habe das Bundesministerium für Justiz Ersuchen um Vollstreckung ausländischer strafgerichtlicher Entscheidungen dem zuständigen Gerichtshof erster Instanz zuzuleiten. Eine solche Weiterleitung von Ersuchen an das zur Entscheidung berufene Gericht habe jedoch nicht in Bescheidform zu erfolgen, weshalb darüber auch kein Bescheid zu erlassen sei. Nach § 66 zweiter Satz ARHG könne das Bundesministerium für Justiz Ersuchen um Vollstreckung ausländischer strafgerichtlicher Entscheidungen sogleich ablehnen, wenn bereits im Zeitpunkt des Einlangens des Ersuchens Umstände zu Tage treten, die eine Übernahme der Vollstreckung aus einem der in den §§ 2 und 3 Abs. 1 ARHG angeführten Gründe unzulässig machten oder das Ersuchen zur gesetzmäßigen Behandlung ungeeignet sei. Diese Bestimmung bewirke keine Änderung der gerichtlichen Zuständigkeit nach § 67 Abs. 1 ARHG, sondern verfolge ausschließlich den Zweck, eine Befassung des sonst zur Entscheidung berufenen Gerichtshofes mit unverständlichen, schon aus formalen Gründen zur Behandlung ungeeigneten Ersuchen zu vermeiden. Schon aus dem Wortlaut "gesetzmäßige Behandlung" folge, dass vom Bundesministerium für Justiz nur eine rein formale Prüfung hinsichtlich des notwendigen Inhaltes und des Bestehens der völkerrechtlichen Grundlagen durchzuführen sei. Dies betreffe insbesondere Ersuchen von Staaten, die von Österreich völkerrechtlich nicht anerkannt seien. Gesetzmäßige Behandlung bedeute, dass sich das Ersuchen zur Durchführung eines Verfahrens nach § 67 ARHG formell eigne. Für die vom Beschwerdeführer begehrte materielle Prüfung der Voraussetzung nach § 64 ARHG bestehe sohin keine Zuständigkeit des Bundesministeriums für Justiz. Eine solche "Vorprüfung" durch eine Verwaltungsbehörde wäre auch mit der gerichtlichen Zuständigkeit nach § 67 Abs. 1 ARHG im Hinblick auf Art. 94 B-VG unvereinbar. Im Übrigen habe das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 12. Oktober 1998, Zl. 22 Bs 114/98, einer Beschwerde des Antragstellers gegen die Beschlagnahme der von amerikanischen Verfallsentscheidung betroffenen Vermögenswerte im österreichischen Vollstreckungsverfahren nicht Folge gegeben. Da die Weiterleitung von Ersuchen an das zur Entscheidung befugte Organ nicht in Bescheidform zu erfolgen habe und eine inhaltliche, die Vollstreckungsvoraussetzungen prüfendes Verfahren nicht vorgesehen sei, sei bescheidmäßig auszusprechen, dass kein Bescheid erlassen werde.
Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, der deren Behandlung mit Beschluss vom 26. Februar 2001, B 2450/98-28, abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.
In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt. Der Beschwerdeführer erachtet sich dabei in seinem Recht auf Erlassung eines Bescheides verletzt, in dem inhaltlich über seinen Antrag vom 30. März 1998 gemäß § 66 ARHG abgesprochen wird.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Beschwerdeführer hat dazu eine Replik erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Mit dem Spruch des angefochtenen Bescheides hat die belangte Behörde zum Ausdruck gebracht, über den Antrag des Beschwerdeführers bescheidmäßig nicht entscheiden zu wollen. Der Sache nach wurde damit der Antrag des Beschwerdeführers zurückgewiesen.
Dem angefochtenen Bescheid liegt dabei die Auffassung zugrunde, über ein Ersuchen um Vollstreckung einer ausländischen vermögensrechtlichen Anordnung habe gemäß § 67 Abs. 1 ARHG der Gerichtshof erster Instanz durch Beschluss zu entscheiden. Vom Bundesministerium für Justiz seien nach § 66 erster Satz ARHG Ersuchen um Vollstreckung ausländischer strafgerichtlicher Entscheidungen dem zuständigen Gericht (lediglich) zuzuleiten. Eine solche Weiterleitung von Ersuchen an das zur Entscheidung berufene Gericht habe nicht in Bescheidform zu erfolgen. Darüber sei auch nicht mit Bescheid zu entscheiden. Das Bundesministerium für Justiz könne nach der letztgenannten Bestimmung Ersuchen um Vollstreckung ausländischer strafgerichtlicher Entscheidungen sogleich ablehnen, wenn bereits im Zeitpunkt des Einlangens des Ersuchens bestimmte Umstände zu Tage treten oder das Ersuchen zur gesetzmäßigen Behandlung ungeeignet sei. Diese Bestimmung bewirke keine Änderung der gerichtlichen Zuständigkeit nach § 67 Abs. 1 ARHG, sondern verfolge ausschließlich den Zweck, eine Befassung des sonst zur Entscheidung berufenen Gerichtshofes mit unverständlichen, schon aus formalen Gründen zur Behandlung ungeeigneten Ersuchen zu vermeiden. Die vom Beschwerdeführer begehrte materielle Prüfung der Voraussetzungen nach § 64 ARHG falle nicht in die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Justiz. Eine solche Prüfung durch eine Verwaltungsbehörde wäre auch mit der gerichtlichen Zuständigkeit nach § 67 Abs. 1 ARHG im Hinblick auf Art. 94 B-VG unvereinbar. Im Übrigen habe das Oberlandesgericht Wien bereits mit Beschluss vom 12. Oktober 1998 einer Beschwerde des Beschwerdeführers gegen die Beschlagnahme der von der amerikanischen Verfallsentscheidung betroffenen Vermögenswerte im österreichischen Vollstreckungsverfahren nicht Folge gegeben.
Dagegen wendet die Beschwerde im Wesentlichen ein, die belangte Behörde hätte gemäß § 66 ARHG bereits im Zeitpunkt des Einlangens des Rechtshilfeersuchens prüfen müssen, ob eine Übernahme der Vollstreckung aus einem der in den §§ 2 und 3 Abs. 1 ARHG angeführten Gründe unzulässig sei bzw. sich das Ersuchen zur gesetzmäßigen Behandlung in Österreich überhaupt eigne. Erst nach einer derartigen Überprüfung hätte die belangte Behörde ein eingelangtes Gesuch dem zuständigen Gerichtshof erster Instanz zuleiten dürfen. Mit seinem Antrag vom 30. März 1998 habe der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Eigentümer der ihm rechtswidriger Weise noch immer nicht zurückgestellten, im "Final Order of Forfeiture" genannten Vermögenswerte verlangt, dass die belangte Behörde das Rechtshilfeersuchen des United States District Court for the District of Rhode Island vom 9. Dezember 1997 sogleich in Anwendung des § 66 ARHG ablehne, da etwa keine Gegenseitigkeit mit den Vereinigten Staaten im Sinne des § 3 Abs. 1 ARHG bestanden habe. Den Bundesgerichten der USA sei es auf Grund der Verfassung striktest untersagt, Nostrifizierungen oder Vollstreckungen ausländischer strafgerichtlicher Entscheidungen vorzunehmen. Es sei daher schlecht hin ausgeschlossen, dass ein US-Gericht berechtigt sei, die Vollstreckung der Verfallsentscheidung eines österreichischen Gerichts in den USA im Rechtshilfeweg vorzunehmen. Der Beschwerdeführer habe (im Einzelnen näher angeführte) Rechtsgutachten über die Unmöglichkeit der Vollstreckung österreichischer strafgerichtlicher Entscheidungen durch US- Bundesgerichte auf Grund der Verfassung der USA eingeholt und der belangten Behörde vorgelegt. Der Beschwerdeführer habe seinen Anspruch auf Ablehnung des Rechtshilfeersuchens ferner auf näher dargelegte gesetzliche Schranken im Sinne des § 64 Abs. 1 ARHG gestützt. Seine Parteistellung im "Vorprüfungsverfahren" nach § 66 ARHG ergebe sich zwar nicht ausdrücklich aus dem Gesetzestext, wohl aber aus § 8 AVG, welchen auch die belangte Behörde anzuwenden habe. Danach seien Personen, insoweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt seien, Parteien im Sinne des § 8 AVG. Die genannte Bestimmung verweise mit dem Wort "Rechtsanspruch" auf die den Einzelfall determinierenden Vorschriften des materiellen oder des formellen Rechts. Diese seien maßgebend dafür, ob jemand ein Rechtsanspruch zukomme, der ihm Parteistellung und damit den verfahrensrechtlichen Anspruch vermittle, diesen Anspruch in der Sache vor der Behörde durchzusetzen. Der Beschwerdeführer habe danach ein rechtliches Interesse auf unverzügliche Rückgabe seiner in Österreich gelegenen Vermögenswerte. Darüber hinaus habe er ein selbstverständliches Interesse daran, ein Verfahren vor dem zuständigen Gerichtshof erster Instanz betreffend den von den um Rechtshilfe ersuchenden Behörden verlangten Verfall dieser Vermögenswerte bereits im Ansatz zu verhindern. Schon im Hinblick auf das Grundrecht auf den Schutz des Eigentums habe der Beschwerdeführer in dem durch § 66 ARHG angeordneten Vorprüfungsverfahrens ein rechtliches Interesse daran, die Gründe für die Ablehnung der Übernahme der Vollstreckung rechtzeitig, also vor Befassung durch den Gerichtshof erster Instanz, vorzubringen.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit darzutun.
Der die "Behandlung einlangender Ersuchen" regelnde § 66 ARHG bestimmt:
"Ersuchen um Vollstreckung ausländischer strafgerichtlicher Entscheidungen sind vom Bundesministerium für Justiz dem zuständigen Gerichtshof erster Instanz (§ 67 Abs. 1) zuzuleiten. Liegen bereits zum Zeitpunkt des Einlangens des Ersuchens Umstände zutage, die eine Übernahme der Vollstreckung aus einem der in den §§ 2 und 3 Abs. 1 angeführten Gründen unzulässig machen, oder ist das Ersuchen zur gesetzmäßigen Behandlung ungeeignet, so hat der Bundesminister für Justiz das Ersuchen sogleich abzulehnen. Der Bundesminister für Justiz kann in jeder Lage des Verfahrens von sich aus oder auf Antrag des Gerichtshofes erster Instanz von dem um Übernahme der Vollstreckung ersuchenden Staat eine Ergänzung der Unterlagen verlangen."
Der mit "Zuständigkeit und Verfahren" überschriebene § 67 Abs. 1 ARHG hat folgenden Inhalt:
"§ 67. (1) Zur Entscheidung über das Ersuchen um Vollstreckung und die Anpassung der vom ersuchenden Staat ausgesprochenen Strafe oder vorbeugenden Maßnahme (§ 65) ist der im § 26 Abs. 1 bezeichnete Gerichtshof erster Instanz zuständig, der in der in § 13 Abs. 3 der Strafprozessordnung 1975 bezeichneten Zusammensetzung durch Beschluss zu entscheiden hat. Gegen diesen Beschluss steht dem öffentlichen Ankläger und dem Verurteilten die binnen 14 Tagen einzubringende Beschwerde an den Gerichtshof zweiter Instanz offen."
Übernahmeersuchen werden im diplomatischen Weg oder direkt an das Bundesministerium für Justiz gerichtet. Ob die Vollstreckung übernommen wird, entscheidet allein das Gericht gemäß § 67 Abs. 1 ARHG. Der Bundesminister für Justiz hat nur ein Vorprüfungsrecht, das ihn zur sofortigen Ablehnung des Ersuchens ermächtigt, wenn es § 2 (Verletzung wesentlicher österreichischer Interessen) oder § 3 Abs. 1 (fehlende Gegenseitigkeit) nicht entspricht oder "zur gesetzmäßigen Behandlung ungeeignet" ist. Leidet das Ersuchen bloß an einem behebbaren Mangel, kann der Bundesminister für Justiz schon in diesem Stadium eine Ergänzung der Unterlagen verlangen, ohne dass dadurch der gerichtlichen Entscheidung vorgegriffen würde. Besteht kein Anlass zur sofortigen Zurückweisung, hat der Bundesminister für Justiz das Ersuchen dem zuständigen Gericht vorzulegen (vgl. dazu etwa die Regierungsvorlage zum ARHG, 4 BlgNR XV. GP, S. 44).
Die Parteistellung in einem Verwaltungsverfahren ergibt sich -
wie der Beschwerdeführer zutreffend ausführt - nicht aus § 8 AVG selbst, sondern aus den jeweils zur Anwendung kommenden verwaltungsrechtlichen Vorschriften (vgl. z.B. die von Walter/Thienel, Die Verwaltungsverfahrensgesetze I2, zu § 8 AVG referierte Rechtsprechung, insbesondere E 35 ff). Dass dem Beschwerdeführer im Rahmen der erwähnten Vorprüfung durch den Bundesminister für Justiz nach dem dafür allein maßgeblichen § 66 ARHG ein Rechtsanspruch zukommt, der ihm Parteistellung und damit den verfahrensrechtlichen Anspruch vermittelt, einen (materiell- oder formalrechtlichen) Anspruch in der Sache vor der Behörde durchzusetzen, ist dieser Bestimmung allerdings nicht zu entnehmen; auch nicht, dass dabei vom Bundesminister für Justiz ein Bescheid zu erlassen wäre.
Die in § 66 angeführten Gründe dienen der Verwaltungsvereinfachung, um nicht Gerichte mit Ersuchen zu befassen, die formale Mindestvoraussetzungen eines zwischenstaatlichen Rechtsverkehrs nicht erfüllen. Sind diese Voraussetzungen nach Auffassung des Ministers nicht gegeben, hat er das Ersuchen (formlos) abzulehnen. Ein Prüfungsverfahren über das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen nach § 64 ARHG ist vom Bundesminister für Justiz nicht durchzuführen. Ein solches würde auch gegen das gewaltentrennende Grundprinzip des Art. 94 B-VG verstoßen (vgl. dazu etwa das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 2002, G 151, 152/02).
Der gemäß § 67 Abs. 1 ARHG zur Entscheidung über das Ersuchen um Vollstreckung zuständige Gerichtshof erster Instanz hat hingegen alle diesbezüglichen Einwände im gerichtlichen Verfahren zu prüfen. Gegen die Entscheidung des Gerichtshofes erster Instanz steht auch dem Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Beschwerde an den Gerichtshof zweiter Instanz offen. Der Rechtsschutz (des Beschwerdeführers), nämlich eine Sachentscheidung des zuständigen Organs zu erlangen, wird daher durch die formlose Weiterleitung des Vollstreckungsersuchens an das zuständige Gericht nicht beeinträchtigt.
Der Beschwerdeführer ist daher mit seiner Auffassung nicht im Recht, dass über das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 66 zweiter Satz ARHG bescheidmäßig in einem förmlichen Verwaltungsverfahren unter seiner Beteiligung zu entscheiden ist. Sein Antrag vom 12. Mai 1998 wurde daher von der belangten Behörde zu Recht zurückgewiesen.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Kostenersatzverordnung 2003.
Wien, am 28. Juni 2004
Schlagworte
Parteibegriff - Parteienrechte Allgemein diverse Interessen RechtspersönlichkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001100090.X00Im RIS seit
02.08.2004