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L50004 Pflichtschule allgemeinbildend Oberösterreich;Norm
B-VG Art130 Abs2;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2002/10/0150 2002/10/0151 2002/10/0152Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, in den Beschwerdesachen der Marktgemeinde St. Georgen/Gusen, vertreten durch Dr. Karl Krückl und Dr. Kurt Lichtl, Rechtsanwaltspartnerschaft in 4020 Linz, Harrachstraße 14/I, gegen die Bescheide der Oberösterreichischen Landesregierung vom 29. Juli 2002, 1.) Zl. Bi-071700/1-2002-Gr/Pr (Zl. 2002/10/0149), 2.) Zl. Bi-071701/1-2002-Gr/Pr (Zl. 2002/10/0150), 3.) Zl. Bi-071702/1-2002-Gr/Pr (Zl. 2002/10/0151), und 4.) Zl. Bi-071703/1-2002-Gr/Pr (Zl. 2002/10/0152), betreffend sprengelfremder Schulbesuch (mitbeteiligte Parteien: 1.) Christoph T, vertreten durch den Erziehungsberechtigten Franz T in K; 2.) Thomas H, vertreten durch die Erziehungsberechtigten Franz und Ulrike H in K; 3.) Oliver M, vertreten durch die Erziehungsberechtigten Ferdinand und Waltraud M in K; 4.) Dominik W, vertreten durch die Erziehungsberechtigten Edmund und Gabriele W in K), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerden werden als gegenstandslos geworden erklärt und die Verfahren eingestellt.
Das Land Oberösterreich hat der beschwerdeführenden Marktgemeinde Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 3.964,80 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Perg (BH) vom 1. Juli 2002 wurde dem Ansuchen des Erziehungsberechtigten des Erstmitbeteiligten um Bewilligung der Aufnahme seines Sohnes an die Polytechnische Schule in Pregarten unter Berufung auf § 47 des Oberösterreichischen Pflichtschulorganisationsgesetzes 1992, LGBl. Nr. 35 (Oö PSchOG 1992), nicht stattgegeben.
Der dagegen erhobenen Berufung des Erziehungsberechtigten wurde mit dem unter Punkt 1. angefochtenen Bescheid Folge gegeben und die Bewilligung zur Aufnahme des Schülers an die Polytechnische Schule Pregarten im Schuljahr 2002/2003 erteilt. Nach der Begründung habe der Erziehungsberechtigte am 17. Jänner 2002 die Umschulung seines Sohnes von der Polytechnischen Schule St. Georgen/Gusen in die Polytechnische Schule Pregarten beantragt und dabei im Wesentlichen auf die bessere Schulbusverbindung, den Schulschwerpunkt Informatik (Computerführerschein), acht Fachbereiche und den bereits erfolgten Besuch von vier Klassen der Hauptschule in Pregarten hingewiesen. Die Behörde erster Instanz habe die gewünschte Umschulung abgelehnt, da sich ihrer Auffassung nach im gegenständlichen Fall die Vorteile für den Schüler und die bei der Schulsprengelfestsetzung zu berücksichtigenden Interessen die Waage hielten, weshalb die Entscheidung im Ermessen der Behörde gelegen sei. Unter Berücksichtigung des Zustandekommens der einzelnen Fachbereiche und der Führung dreier Klassen an der Polytechnischen Schule St. Georgen/Gusen sei demnach die Bewilligung zu versagen gewesen.
In der dagegen erhobenen Berufung habe der Erziehungsberechtigte des Schülers im Wesentlichen vorgebracht, dass dieser nach dem Besuch der Volksschule in Katsdorf die Hauptschule in Pregarten besucht habe. Ein Schulwechsel würde sich, bedingt durch den längeren Schulweg, sicher negativ auf die schulischen Leistungen seines Sohnes auswirken.
Nach Auffassung der belangten Behörde sei zu prüfen, ob den mit dem sprengelfremden Schulbesuch für den Schüler verbundenen Vorteilen ein größeres Gewicht als den Gesichtspunkten der Sprengelfestsetzung zukomme. Die bei der Sprengelfestsetzung zu berücksichtigenden Interessen lägen vor allem in einer ordnungsgemäßen und möglichst gleichmäßigen Zuweisung der Schüler an die einzelnen Pflichtschulen, wobei bei der Sprengeleinteilung auf die dauerhafte Gewährleistung des Bestandes und der Organisationsform der Pflichtschulen sowie auf die Zumutbarkeit des Schulweges Bedacht zu nehmen sei. Durch eine Bewilligung des sprengelfremden Schulbesuches für den Schüler werde sich am Bestand bzw. der Organisationsform der Polytechnischen Schule St. Georgen/Gusen nichts ändern. Die Berufungsbehörde verkenne nicht, dass der Gesetzgeber grundsätzlich davon ausgehe, dass Schulpflichtige in jene Schule aufzunehmen seien, deren Schulsprengel sie angehörten. Der belangten Behörde scheine jedoch die im Spruch getroffene Entscheidung "mehr den Intentionen des Gesetzgebers zu entsprechen als die Bewilligung zu versagen."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die zur Zl. 2002/10/0149 protokollierte Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
2. Mit drei weiteren Bescheiden der BH vom 27. Juni 2002 und 1. Juli 2002 wurde den Ansuchen der Erziehungsberechtigten des Zweit- bis Viertmitbeteiligten um Bewilligung der Aufnahme ihrer Söhne in die Polytechnische Schule in Pregarten unter Berufung auf § 47 Oö PSchOG 1992 nicht stattgegeben.
Den dagegen erhobenen Berufungen der Erziehungsberechtigten wurde mit den unter Punkt 2. bis 4. angefochtenen Bescheiden Folge gegeben und jeweils die Bewilligung zur Aufnahme der Schüler an die Polytechnische Schule Pregarten im Schuljahr 2002/2003 erteilt. Die Begründung dieser Bescheide entspricht im Wesentlichen der oben wieder gegebenen Begründung .
Gegen diese Bescheide richten sich die zu den Zlen. 2002/10/0150 bis 2002/10/0152 protokollierten Beschwerden, in denen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und jeweils eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt wird.
Die Erziehungsberechtigten des Zweitmitbeteiligten haben eine Gegenschrift erstattet.
II.
1. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Rechtssachen infolge ihres persönlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbunden.
2.1. Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist eine Beschwerde mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Beschwerdeführer klaglos gestellt wurde.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist § 33 Abs. 1 VwGG nicht nur auf die Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall liegt unter anderem auch dann vor, wenn der Beschwerdeführer durch ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes nicht günstiger gestellt würde, als dies ohne meritorische Entscheidung über die Beschwerde infolge der nach ihrer Erhebung eingetretenen Umstände der Fall ist. Zur Verfahrenseinstellung führende Gegenstandslosigkeit der Beschwerde kann somit auch eintreten, wenn durch Änderung maßgebender Umstände zeitlicher, sachlicher oder prozessualer Art das rechtliche Interesse des Beschwerdeführers an der Entscheidung wegfällt (vgl. dazu etwa den Beschluss vom 5. April 2004, Zl. 2000/10/0151, mit Hinweis auf Vorjudikatur).
Ein solcher Fall liegt hier vor.
2.2. Mit den angefochtenen Bescheiden wurde den Mitbeteiligten die Bewilligung zur Aufnahme in die Polytechnische Schule Pregarten im Schuljahr 2002/2003 erteilt. Die rechtlichen Wirkungen dieser Bescheide waren daher in zeitlicher Hinsicht mit dem Ende des Schuljahres 2002/2003 begrenzt. Dieses Schuljahr haben die Mitbeteiligten bereits absolviert. Eine der Aufhebung der angefochtenen Bescheide allenfalls folgende inhaltliche Entscheidung über die Berufungen der Mitbeteiligten hätte im gegenwärtigen Zeitpunkt nur mehr theoretische Bedeutung.
3. Wegen des Wegfalls des rechtlichen Interesses der beschwerdeführenden Gemeinde an einer Sachentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes waren die vorliegenden Beschwerdeverfahren somit in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG wegen Gegenstandslosigkeit in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat einzustellen.
4. Fällt bei einer Beschwerde das Rechtschutzinteresse nachträglich weg, so ist dies gemäß § 58 Abs. 2 VwGG bei der Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu berücksichtigen. Bei dieser Prüfung ergibt sich aber, dass die Beschwerden bei einer meritorischen Erledigung Erfolg gehabt hätten.
5.1. In den Beschwerdefällen war § 47 Oö PSchOG 1992 anzuwenden; diese Bestimmung lautet auszugsweise:
"(1) Der Besuch einer öffentlichen Pflichtschule durch einen dem Schulsprengel nicht angehörigen Schulpflichtigen (sprengelfremder Schulbesuch) ist - sofern es sich nicht um eine öffentliche Berufsschule handelt und nicht Abs. 2 oder 3 anzuwenden sind - nur auf Grund einer spätestens zwei Monate vor dem beabsichtigten sprengelfremden Schulbesuch bei der Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Bereich die sprengelmäßig zuständige Schule liegt, zu beantragenden Bewilligung zulässig.
...
(4) Die Bewilligung nach Abs. 1 bzw. 3 ist zu versagen, wenn
1. der gesetzliche Schulerhalter der um die Aufnahme ersuchten sprengelfremden Schule die Aufnahme des Schulpflichtigen verweigert,
2. in der sprengelmäßig zuständigen Schule eine Klassenzusammenlegung eintreten würde oder eine gesetzlich festgelegte Klassenschülermindestzahl unterschritten würde, es sei denn, es handelt sich um Fälle, in denen § 15 Abs. 4 einen sprengelfremden Schulbesuch erfordert, oder
3. der beabsichtigte Schulwechsel nicht mit dem Beginn des Schuljahres zusammenfällt; ausgenommen sind Fälle, in denen berücksichtigungswürdige Umstände vorliegen oder einem Schulpflichtigen (auch im Sinne des § 46 Abs. 3) der Beginn der nächstgelegenen Vorschulstufe ermöglicht wird.
(5) Die Bewilligung nach Abs. 1 bzw. 3 kann versagt werden, wenn
1. in der um die Aufnahme ersuchten sprengelfremden Schule eine Klassenteilung eintreten würde oder
2. die mit dem sprengelfremden Schulbesuch für den Schulpflichtigen verbundenen Vorteile die bei der Schulsprengelfestsetzung zu berücksichtigenden Interessen nicht überwiegen."
5.2. Im Beschwerdefall ist nicht strittig, dass keine zwingenden Versagungsgründe im Sinne des § 47 Abs. 4 Oö PSchOG 1992 vorliegen.
Nach § 47 Abs. 5 Z. 2 Oö PSchOG 1992 ist der belangten Behörde für den Fall Ermessen eingeräumt, dass die mit dem sprengelfremden Schulbesuch für den Schulpflichtigen verbundenen Vorteile die bei der Sprengelfestsetzung zu berücksichtigenden Interessen nicht überwiegen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 27. November 1995, Zl. 93/10/0209). Ergibt die Interessenabwägung hingegen, dass die Vorteile für den Schüler die bei der Sprengelfestsetzung zu berücksichtigenden Interessen überwiegen, darf die Bewilligung nicht versagt werden (vgl. dazu das Erkenntnis vom 26. April 1993, Zl. 92/10/0362).
Die belangte Behörde hatte daher zunächst die mit dem sprengelfremden Schulbesuch für den Schulpflichtigen verbundenen Vorteile und die bei der Schulsprengelfestsetzung zu berücksichtigenden Interessen zu ermitteln und diese danach in einem weiteren Schritt gegeneinander abzuwägen; eine etwaige Ermessensentscheidung wäre zu begründen. Diese ist vom Verwaltungsgerichtshof in der Richtung zu überprüfen, ob vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde; maßgebend ist insbesondere, ob der Sachverhalt in einem mängelfreien Ermittlungsverfahren festgestellt wurde und die Begründung des Bescheides den Parteien die zweckmäßige Rechtsverfolgung und dem Verwaltungsgerichtshof die Überprüfung der Entscheidung auf ihre Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erlaubt (vgl. das bereits genannte Erkenntnis vom 27. November 1995).
5.3. Zutreffend verweist die beschwerdeführende Marktgemeinde darauf, dass die angefochtenen Bescheide diesen Anforderungen nicht entsprechen. Diesen ist jeweils lediglich zu entnehmen, der belangten Behörde "scheine die im Spruch getroffene Entscheidung mehr den Intentionen des Gesetzgebers zu entsprechen als die Bewilligung zu versagen." Weder wurden die mit dem sprengelfremden Schulbesuch für den Schulpflichtigen verbundenen Vorteile ermittelt und bewertet, noch diese den bei der Sprengelfestsetzung zu berücksichtigenden Interessen gegenüber gestellt. Auch eine gesetzmäßige Begründung für eine allfällige Ermessensübung ist den Bescheiden nicht zu entnehmen.
6. Ausgehend von diesen Überlegungen gebührt der beschwerdeführenden Marktgemeinde daher der Ersatz ihrer Verfahrenskosten, deren Höhe sich nach der VwGH-Kostenersatzverordnung 2003 richtet.
Wien, am 28. Juni 2004
Schlagworte
Allgemein ErmessenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2002100149.X00Im RIS seit
19.10.2004