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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AMG 1983 §1 Abs1 Z1;Beachte
Vorabentscheidungsverfahren:* Ausgesetztes Verfahren: 2001/10/0217 B 5. April 2004 * EuGH-Entscheidung: EuGH 62000CJ0150 5. April 2004Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde der F GmbH in Wien, vertreten durch Mag. Klemens Mayer, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Baumannstraße 9/11, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom 18. September 2001, Zl. 334.095/1-IX/B/12/01, betreffend Untersagung des Inverkehrbringens eines als Verzehrprodukt angemeldeten Produktes, zu Recht erkannt
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid untersagte die belangte Behörde gemäß § 18 Abs. 2 des Lebensmittelgesetzes1975 (LMG) das Inverkehrbringen des von der beschwerdeführenden Partei mit Eingabe vom 15. Juni 2001 angemeldeten Produktes "Kwai ACE" als Verzehrprodukt.
Nach der Begründung handle es sich bei dem in Rede stehenden Produkt um ein Arzneimittel und in weiterer Folge um eine zulassungspflichtige Arzneispezialität. Das Produkt enthalte auf Grund der vorliegenden Unterlagen folgende pharmakologisch wirksame Bestandteile: 792 µg Vitamin A pro Tablette. Die Einnahmeempfehlung laute: 1 Tablette täglich. Laut einschlägiger Fachliteratur kämen den Inhaltsstoffen des gegenständlichen Erzeugnisses im Hinblick auf das vorliegende Produkt zweifelsfrei spezifische pharmakologische Wirkungen zu (siehe u. a. Hager's Handbuch der pharmazeutischen Praxis; Martindale: The Extra Pharmocopeia; Hunnius: Pharmazeutisches Wörterbuch, usw.). Vitamin A habe besondere Bedeutung für den Aufbau und den Schutz epithelialer Gewebe sowie beim Aufbau des Sehpurpurs. Als erste Symptome des Vitamin A-Mangels würden Nachtblindheit, Störungen der Adaption an das Sehen in der Dämmerung sowie eine gesteigerte Blendempfindlichkeit genannt; an Haut und Schleimhaut würden Keratosen auftreten. Übermäßige Zufuhr von Vitamin A könnten zu einer Vergiftung führen. Die Fachliteratur beschreibe als Zeichen einer Intoxikation u.a. das Auftreten von starken Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Bei chronischer Vitamim A-Überdosierung würden als Symptome Schlafstörungen, Anorexie, Haarausfall, Pruritus, Papillen-Ödem, Diplopie, Rhagaden sowie Knochen- und Gelenkschmerzen genannt. Die angeführten pharmakologischen Wirkungen seien auf Grund der qualitativen und quantitativen Zusammensetzung des Produktes auch zu erwarten. Die vorliegende Dosierung bewege sich in jenem Rahmen, der in der oben erwähnten Fachliteratur zur Vorbeugung und Behandlung entsprechender Mangelkrankheiten beschrieben werde. Das Produkt sei nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als Arzneimittel und in der Folge als zulassungspflichtige Arzneispezialität zu beurteilen. Ein Inverkehrbringen der Ware sei daher erst nach der erfolgten Zulassung als Arzneispezialität statthaft. Eine solche Zulassung liege jedoch nicht vor.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Untersagung, das von der beschwerdeführenden Partei angemeldete Produkt als Verzehrprodukt in Verkehr zu bringen, beruht auf der Bejahung der Arzneimitteleigenschaft auf der Grundlage der objektiven Zweckbestimmung des Produktes. Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheides in Ansehung der Untersagung des Inverkehrbringens des Produktes als Verzehrprodukt hängt somit davon ab, ob dem Produkt objektiv-arzneiliche Wirkungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 1 bis 4 des Arzneimittelgesetzes (AMG) zukommen. Im Gutachten der zuständigen Fachabteilung und der auf diesem aufbauenden Bescheidbegründung werden (im Wesentlichen) Wirkungen der im gegenständlichen Produkt enthaltenen Substanzen beschrieben, ohne diese Darlegungen zum Gehalt des vorliegenden Produktes an bestimmten Inhaltsstoffen konkret in Beziehung zu setzen; weiters werden die bei Vitaminmangelzuständen im Allgemeinen auftretenden Symptome beschrieben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in den Erkenntnissen vom 18. Mai 2004, Zlen. 2004/10/0074, 2004/10/0075 und 2004/10/0076, auf deren Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, dargelegt, dass diese Ausführungen nicht den Anforderungen an die gesetzmäßige Begründung eines Bescheides entsprechen, mit dem das Inverkehrbringen eines Produktes als Verzehrprodukt deshalb untersagt wird, weil dem Produkt objektiv-arzneiliche Wirkungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 1 bis 4 AMG zukommen, und die dort angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Aus denselben Erwägungen ist auch der vorliegende angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Kostenersatzverordnung 2003.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen.
Wien, am 28. Juni 2004
Schlagworte
Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelBesondere Rechtsgebiete DiversesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2004100080.X00Im RIS seit
29.07.2004Zuletzt aktualisiert am
29.03.2012