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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde des A in Wien, geboren 1980, vertreten durch Dr. Josef Wegrostek, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Domgasse 6, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 5. Mai 2003, Zl. 213.516/7- VI/17/02, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der (ehemaligen) Bundesrepublik Jugoslawien, stammt aus dem Kosovo und gehört der albanischen Volksgruppe an. Er reiste am 18. April 1999 in das Bundesgebiet ein und stellte in der Folge den Antrag auf Gewährung von Asyl. Dieser Antrag wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 5. Mai 2003 gemäß § 7 AsylG abgewiesen. Außerdem stellte die belangte Behörde gemäß § 8 AsylG iVm § 57 FrG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers "in die Provinz Kosovo" zulässig sei.
Die belangte Behörde stellte fest, dass der Beschwerdeführer aus dem im Gemeindegebiet von Mitrovica liegenden Ort Bare (französische Militärzone) stamme. Er sei 1999 von der serbischen Armee und Polizei aus dem Kosovo vertrieben worden, von seinen Angehörigen lebe zumindest noch seine Tante im Kosovo. Dass der Beschwerdeführer deshalb im gesamten Kosovo nicht sicher wäre, weil es dort eine hohe Kriminalitätsrate gäbe, könne nicht zugrunde gelegt werden; ebenso wenig, dass er nach einer allfälligen Rückkehr in den Kosovo mit relevanten Problemen zu rechnen hätte. Es könne nicht davon die Rede sein, dass praktisch jedem Kosovo-Albaner, der in seine Heimat zurückkehre, Gefahren für Leib und Leben drohten. Wenn auch die generelle Sicherheitslage im Kosovo nach wie vor als schwierig bezeichnet werde, sei festzuhalten, dass die Zahl der Gewalttaten schrittweise - nicht zuletzt dank des intensiven Einsatzes von KFOR und der internationalen Polizeieinheit UNIP - zurückgegangen sei. Eine wirtschaftliche Notlage, sodass es im Kosovo zu existenziellen Problemen für die Bevölkerung dergestalt kommen könne, dass Grundbedürfnisse des Lebens nicht mehr abgedeckt werden könnten, werde von keiner im Kosovo etablierten internationalen Organisation berichtet. Zur Unterbringungssituation sei darauf hinzuweisen, dass im gesamten Kosovo weiterhin so genannte "Temporary Community Shelter" zur Verfügung stünden, die weit unter ihrer Aufnahmekapazität belegt seien.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass eine weitere asylrelevante Verfolgung von Angehörigen der albanischen Volksgruppe im Kosovo durch "Serbien" bzw. die "BR Jugoslawien" nachhaltig unwahrscheinlich erscheine. Dem festgestellten Sachverhalt zufolge sei der Beschwerdeführer zudem nicht von Seiten anderer Albaner bedroht. Es komme daher weder die Zuerkennung von Asyl noch die Gewährung von Refoulement-Schutz in Betracht.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die belangte Behörde ist nicht ausreichend auf die individuelle Situation des Beschwerdeführers eingegangen. Insbesondere hat sie sich nicht damit beschäftigt, dass er aus der Ortschaft Bare im Gemeindegebiet von Kosovska-Mitrovica und damit aus einem auch von Serben besiedelten Gebiet stammt. Schon in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid hat er dazu angegeben, dass sein Heimatort unmittelbar an "serbisches Gebiet" grenze und dass es immer noch zu Schießereien, Übergriffen und Morden an den Albanern komme. Die KFOR sei nicht in der Lage, wirksamen Schutz zu bieten, insbesondere hätten die in der Nähe stationierten französischen KFOR-Truppen "die Serben" nicht unter Kontrolle. Auch in der mündlichen Berufungsverhandlung vom 24. April 2003 ist der Beschwerdeführer auf diesen Gesichtspunkt zurückgekommen. Zwar hat er auf die Frage nach Problemen im Kosovo zunächst geantwortet, er wäre dort nicht sicher, weil es eine hohe Kriminalitätsrate gäbe; er führte jedoch fort, dass im Nachbarort seines Heimatdorfes Serben seien und dass es im Gebiet von Mitrovica "mit den Serben Probleme gibt". Darauf ist die belangte Behörde, die in offenkundiger Verkennung der Rechtslage nur die "allgemeine Lage" im Kosovo betrachtet hat, ohne die hier entscheidungswesentlichen besonderen Verhältnisse in Kosovska-Mitrovica in den Blick zu nehmen, nicht eingegangen. Der bekämpfte Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben (vgl. zu einem ähnlich gelagerten Fall das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 2004, Zlen. 2003/01/0186, 0289, 0290).
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 29. Juni 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2003010339.X00Im RIS seit
28.07.2004